Der Dokumentationsband als PDF - Kirche im Aufbruch ...
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und wenigstens Funken erzeugen möchten – wer<br />
mag denn an ganze Leuchtfeuer denken!<br />
Gedenkt nicht an das Frühere und achtet<br />
nicht auf das Vorige! (Vers 18)<br />
Was für eine Zumutung! Will etwa Gott selber<br />
den Traditionsabbruch, der dam<strong>als</strong> denen in<br />
Babylon und uns heute so zu schaffen macht?<br />
Sollen die großen, die „gefährlichen Erinnerungen“,<br />
aus denen <strong>im</strong>mer wieder der Funke des<br />
Glaubens übersprang, gelöscht werden? Will er<br />
selbst seine Heilstaten ungeschehen machen?<br />
Sicher nicht. Nichts von dem, was in der Vergangenheit<br />
dem Ursprungsgottesvolk Israel und<br />
uns <strong>als</strong> den Hinzugekommenen zur Rettung gedient<br />
hat, soll sein, <strong>als</strong> wäre es nie geschehen. Es<br />
gilt, was Paul Gerhardt so gesagt hat:<br />
Alles vergehet, Gott aber stehet ohn alles Wanken,<br />
seine Gedanken, sein Wort und Wille hat ewigen<br />
Grund. Sein Heil und Gnaden, die nehmen nicht<br />
Schaden, heilen <strong>im</strong> Herzen die tödlichen Schmerzen,<br />
halten uns zeitlich und ewig gesund.<br />
(EG 449,8: Die güldne Sonne)<br />
Das gilt. Aber vielleicht ist für uns jetzt anderes<br />
dran, <strong>als</strong> uns <strong>im</strong>mer wieder über den tiefen Brunnen<br />
der Vergangenheit zu beugen und das Wasser<br />
des Lebens nur aus ihm zu schöpfen. Vielleicht<br />
sagt Gott heute so: „Seid unbesorgt. Nichts geht<br />
verloren. Ich bewahre das Gestern für euch in<br />
meinem Gedächtnis. Das ist meine Treue, auf die<br />
könnt ihr euch verlassen. Ihr könnt die Dosis an<br />
Erinnerung und Tradition durchaus verringern;<br />
ihr kommt mit weniger aus. Ich brauche euch<br />
jetzt für das Heute und Morgen.“ Und nun der<br />
Vers, der wie ein Diamant in der Mitte des Abschnitts<br />
funkelt, diese Jahreslosung:<br />
Denn siehe, ich will Neues schaffen, jetzt<br />
wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?<br />
Drängend, fast ungeduldig kommt das Wort<br />
daher. „Wo habt ihr denn eure Augen? Schaut<br />
doch mal genau hin! Ihr steht doch schon längst<br />
mit euren Füßen auf einem Boden, aus dem es<br />
hervorschießt und sprosst und wächst!“ Aus der<br />
Tiefe, von unten lässt Gott Neues wachsen. Und<br />
die folgenden Verse nehmen unsere Augen mit in<br />
eine Zukunftsschau, eine Vision Gottes, nehmen<br />
uns mit in seinen Traum von dem, was sein soll.<br />
Auch in die Wüste setze ich einen Weg, in die<br />
Einöde Ströme, das Wild des Feldes wird mich verehren,<br />
Schakale und Strauße (Übersetzung Martin<br />
Buber); denn ich will in der Wüste Wasser und in<br />
der Einöde Ströme geben, zu tränken mein Volk,<br />
meine Auserwählten; das Volk, das ich mir bereitet<br />
habe, soll meinen Ruhm verkündigen. (Vers 20 – 21)<br />
Vision ist fast zu wenig für das, was hier steht.<br />
Augenweide und Ohrenschmaus ist das! Wo<br />
Wüste war, wird Weg sein. Wo Trockenheit war,<br />
wird Wasser strömen. Wir können es hören, das<br />
Rauschen von Bächen und Flüssen! Wo ungestillter<br />
Durst war, da werden Mensch und Tier<br />
satt. Da lebt, ja, da blüht das Land und mit ihm<br />
das Gottesvolk auf! Da werden die ausgedörrten<br />
Münder, die rissigen Lippen so feucht und fröhlich,<br />
dass man wieder singen, rühmen und Gott<br />
loben kann. – Dam<strong>als</strong>, am Schilfmeer, <strong>als</strong> er einen<br />
Weg durch das Wasser bahnte, das war schon<br />
groß. Aber was kommen soll, ist fast noch größer:<br />
Eine Wüste zum Ort machen, an dem das Leben<br />
blüht! – Das ist noch nicht das wiedergefundene<br />
Paradies; aber schon werden Wildtiere und Gottesvolk<br />
in einem Atemzug genannt: Das lässt<br />
ahnen, dass es diesem Gott um den Schalom, den<br />
Frieden aller Kreatur geht.<br />
Übersetzt man die Poesie dieser Vision in die<br />
Prosa der Geschichte, so kann man sagen: Dies ist<br />
eine Art Marschbefehl aus dem Exil in die neue<br />
Freiheit, der Auftakt zum Nach-Hause-Kommen.<br />
Dieser Weg ist wohl kein Triumphmarsch gewe-<br />
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