Der Dokumentationsband als PDF - Kirche im Aufbruch ...
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III. geistliche voten<br />
1. Morgenandacht<br />
geistliche voten<br />
morgenandacht<br />
120<br />
Wer die Jahreslosung für das Jahr 2007 ausgewählt<br />
hat, muss prophetische Gaben<br />
gehabt haben. Ich kann mir jedenfalls für<br />
unser Vorhaben hier in Wittenberg keine passendere<br />
denken <strong>als</strong> dieses Wort Jesaja 43, 19a,<br />
das viele von Ihnen sicher schon kennen:<br />
„Gott spricht: Siehe, ich will ein Neues schaffen,<br />
jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“<br />
„Jetzt wächst es auf“: Frühlingsgrün kommt diese<br />
Losung auf den ersten Blick daher. Kein Wunder,<br />
dass den Illustratoren <strong>als</strong> Symbol für ihren Gehalt<br />
Pflanzliches eingefallen ist. Und ich gestehe, mir<br />
hat dieses Poster auf Anhieb gefallen: der sattblaue<br />
H<strong>im</strong>mel mit einem Frühlingsvollmond und<br />
darunter dieses endlose, bis über den Horizont<br />
reichende Saatfeld, genauso sattgrün, wie der<br />
H<strong>im</strong>mel blau ist. Da geht einem doch das Herz auf<br />
vor Lust auf einen solchen Frühling!<br />
Haben wir es <strong>als</strong>o mit dem Walten Gottes in<br />
der Natur zu tun in dieser Jahreslosung? Wir wollen<br />
sehen. Wir hören Jesaja 43,16.17.<br />
So spricht der Herr, der <strong>im</strong> Meer einen Weg und<br />
in starken Wassern Bahn macht, der ausziehen<br />
lässt Wagen und Rosse, Heer und Macht, dass sie<br />
auf einem Haufen daliegen und nicht aufstehen,<br />
dass sie verlöschen, wie ein Docht verlöscht:<br />
Nein, es geht nicht um den Trost, den der winterliche<br />
Mensch aus dem Anblick eines grünen Saatfeldes<br />
schöpfen kann. Hier redet der Gott, der sich<br />
in der Geschichte <strong>als</strong> Sachwalter und Befreier, ja,<br />
<strong>als</strong> Schöpfer seines Volkes erwiesen hat. Am<br />
Schilfmeer war’s. Da hat er ihnen einen Weg<br />
durch das Meer gebahnt. Da hat er sie aus Todesnot<br />
gerettet und ihre Verfolger dem Verlöschen<br />
preisgegeben. Fast könnte man sagen: Sie alle<br />
sind wie Mose aus dem Wasser gezogen worden.<br />
Die Existenz des Gottesvolkes verdankt sich dieser<br />
Rettungstat am Anfang.<br />
Aber jetzt sitzen sie in Babylon <strong>im</strong> Exil und<br />
sind selber wie vergl<strong>im</strong>mende Dochte. Jetzt fragen<br />
sie: Was soll uns das, was war, wenn uns jetzt<br />
kein Retter erwächst? <strong>Der</strong> alte Glaube an die alten<br />
Heilstaten Gottes: Was soll er uns noch, wenn er<br />
uns jetzt nicht über Wasser hält?<br />
Und wir? Was ist unser „Babylon“, unser Exil?<br />
Die Pegelstände des alten Glaubens sinken unaufhörlich.<br />
Es ist absehbar, dass wir bald auf dem<br />
Trockenen sitzen. „Aber das kann doch nicht sein“,<br />
sagen wir. Seit Jahrhunderten haben wir doch<br />
Glauben gesät und das Land bewässert. Ja, wir<br />
schwammen doch in einem Meer an Kirchlichkeit<br />
und religiöser Sitte.<br />
Aber nun, da das Wasser des alten Glaubens<br />
fällt, kommt Erschreckendes zutage: Entfremdung,<br />
erbarmungswürdige Unkenntnis, Verwirrung<br />
der Geister, leere, hungrige Seelen bei<br />
vollen Tellern und Schränken und viel wunderliches<br />
Zeug, woran Menschen ihr Herz hängen<br />
und das sie zu ihrem Gott machen. Hat es in<br />
.diesem Land wirklich mal eine Reformation, .<br />
in dieser Stadt mal einen Martin Luther, einen<br />
Philipp Melanchthon gegeben? Es ist ja fast, .<br />
<strong>als</strong> hätte jahrhundertelang die <strong>Kirche</strong> nicht .<br />
gesät und bewässert, sondern leeres Stroh<br />
.gedroschen!<br />
Es ist etwas abhandengekommen: <strong>Der</strong> Glaube,<br />
sagen wir und meinen vielleicht die Glut, die aus<br />
der Liebe kommt. Liebe zu Gott. Das Herzbrennen.<br />
Das Ergriffensein. Wir sind darüber traurig und<br />
auch wütend, auch voller Angst. Wie trocken soll<br />
es denn noch werden! Bleibt am Ende wirklich<br />
nichts <strong>als</strong> Bruchstücke von Erinnerungen, ein paar<br />
Scherben, die niemand mehr zuordnen kann: ein<br />
Schilfmeer – ein Kreuz und ein Ostermorgen –<br />
„Ein feste Burg“ – ein paar heilige Namen, Räume<br />
und Gesten? Ein „Befiehl du deine Wege“ – ja wem<br />
denn? Und am Ende alles reduziert auf das unverwüstliche<br />
Weihnachten?<br />
Unvermutet fällt Gott denen ins Wort, die in<br />
der Asche des verlöschenden Glaubens stochern