Der Dokumentationsband als PDF - Kirche im Aufbruch ...
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st<strong>im</strong>men zum reformprozess<br />
„von anderen lernen“<br />
118<br />
1. Wir waren ehrlich und deutlich. Niemandem<br />
haben wir etwas versprochen,<br />
was wir nicht hätten halten können.<br />
2. Wir haben den schmerzlichen Abschied von<br />
lieb gewordenen Traditionen nicht beschönigt.<br />
3. Wir haben versucht, das zu schätzen, was es<br />
zuvor in beiden Häusern gegeben hatte. Das<br />
ist uns nicht durchgängig gut gelungen.<br />
. Wir haben die Teams gemischt. Wenn Redaktionen<br />
erst einmal zusammenarbeiten, fragt<br />
nach acht Wochen niemand mehr: Woher<br />
kommst du, was hast du früher gemacht?<br />
5. Umzüge haben uns sehr geholfen. Wie<br />
erwähnt, liegen beide Standorte, Potsdam-<br />
Babelsberg und Berlin-Masurenallee, nur 18<br />
Kilometer voneinander entfernt. Von unseren<br />
mehr <strong>als</strong> 1600 Kolleginnen und Kollegen arbeiten<br />
1000 nicht mehr am selben Ort wie zuvor.<br />
6. Unser schmerzhafter Stellenabbau – 300<br />
von 1600 – vollzieht sich bis heute sozialverträglich,<br />
was bedeutet: ohne eine einzige<br />
betriebsbedingte Kündigung. Es hat zwar<br />
starke Arbeitsverdichtung in vielen Bereichen<br />
zur Folge, geschieht aber ohne jene<br />
Verwerfungen, die mit dem Verlust des<br />
Arbeitsplatzes einhergehen. Dies gilt für die<br />
Festangestellten. Wegen der großen finanziellen<br />
Probleme steht heute weniger Geld<br />
für freie Mitarbeit <strong>als</strong> früher zur Verfügung<br />
– keine Fusionsfolge, dennoch mit großen<br />
Einschränkungen und Konflikten verbunden.<br />
Nach der Fusion haben wir eher die Chancen <strong>im</strong><br />
Blick <strong>als</strong> die Risiken. Aus zwei kleinen Sendern – .<br />
2 x David – wird nicht Goliath. Das st<strong>im</strong>mt. Aber in<br />
der großen ARD wollen wir schneller und beweglicher<br />
sein <strong>als</strong> andere. Einige Stichworte dazu: Wir<br />
haben <strong>als</strong> Erste in unserem Senderverbund leistungsabhängige<br />
Lohnbestandteile eingeführt.<br />
Wir wagen mehr Programmexper<strong>im</strong>ente <strong>als</strong> andere.<br />
Wir beschäftigen deutlich mehr Frauen in<br />
Führungspositionen. Und: Unsere Strukturen sind<br />
nicht gusseisern. Wir sind flexibel und stellen uns<br />
ein auf die großen Herausforderungen der Konvergenz,<br />
<strong>als</strong>o des Zusammenwachsens der elektronischen<br />
Medien in der digitalen Welt.<br />
Unsere Fusion be<strong>im</strong> rbb war – rückblickend<br />
gesehen – alternativlos. Sie wollen, habe ich gelesen,<br />
die Zahl Ihrer Landeskirchen deutlich reduzieren.<br />
Mir scheint auch das alternativlos, wenn Sie<br />
das Profil Ihrer <strong>Kirche</strong> schärfen wollen in der Zukunft.<br />
<strong>Der</strong> Wiener Kongress liegt nun auch schon<br />
ein paar Tage zurück, und Kleinstaaterei sollte<br />
kein Ziel mehr sein <strong>im</strong> größer gewordenen Europa.<br />
Sie verlieren eine Menge an Organisations-,<br />
Koordinations- und Finanzaufwand, wenn Sie<br />
mutig sind. Sie verlieren nichts an Nähe in den<br />
Gemeinden, wo Sie miteinander leben und glauben.<br />
Zusammenarbeit und Fusion in Verwaltung<br />
und Organisation schafft neue Freiräume dort,<br />
wo sie bitter nötig sind. Gewiss: Fusion darf kein<br />
Selbstzweck sein. Aber Ihr wirtschaftlicher Druck<br />
ist ähnlich groß wie die Finanznot be<strong>im</strong> rbb. Und<br />
die Frage, ob Sie ein richtig schönes <strong>Kirche</strong>namt<br />
mit tollen eigenen Mitarbeitern oder finanzielle<br />
Möglichkeiten für Ihre Kernaufgaben haben<br />
.wollen, lässt sich leicht beantworten.<br />
Wenn Sie sich <strong>als</strong>o auf den mühsamen Weg<br />
machen, dann müssen Sie um Vertrauen werben.<br />
Tagtäglich, ohne müde zu werden. Manchmal<br />
habe ich Mühe mit Papiersprache. Ich lese zu<br />
häufig die Menschen müssten „mitgenommen“<br />
werden. Ich schätze derlei Mitnahme-Effekte gar<br />
nicht; Harald Schmidt hat mal gespottet: „Ich<br />
fühle mich heute so mitgenommen.“ Wenn ich<br />
von einer Sache überzeugt bin, gehe ich mit. Freiwillig<br />
und gern. Sprache der <strong>Kirche</strong> ist mir oft zu<br />
abstrakt, zu theoretisch, zu sehr über die Köpfe<br />
und Herzen hinweggesprochen, zu gestanzt, kurzum:<br />
zu unsinnlich.<br />
Ja, Sie müssen in der <strong>Kirche</strong> und weit darüber<br />
hinaus für Ihre gute Sache trommeln. Deswegen<br />
unterstütze ich die Aussagen Ihres 9. Leuchtfeuers<br />
(S. 85). Themenmanagement und Agendasetting