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Der Dokumentationsband als PDF - Kirche im Aufbruch ...

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Diese Hoffnung scheint bestätigt zu werden<br />

durch einen Bericht des Wissenschaftlichen Rates<br />

für die Regierungspolitik „Glauben <strong>im</strong> öffentlichen<br />

Raum“, der <strong>im</strong> letzten Monat in den Niederlanden<br />

erschien. In diesem Bericht wurde festgestellt,<br />

dass Religion in der niederländischen<br />

Gesellschaft <strong>im</strong>mer wichtiger wird und dass die<br />

Säkularisationsthese nicht länger adäquat ist.<br />

Wenn wir darin jetzt sofort eine Chance für<br />

die <strong>Kirche</strong> entdecken, möchte ich dabei kritische<br />

Fragen stellen. Die erste Frage dabei ist, ob wir<br />

diese Art Analysen wohl genug vom postmodernen<br />

Lebensgefühl her interpretieren. <strong>Der</strong> postmoderne<br />

Mensch ist gegenüber den „großen<br />

.Geschichten“, den Ideologien, den Glaubenslehren<br />

misstrauisch geworden und weist diese ab. Hinzu<br />

kommt ein großes Misstrauen gegenüber Institutionen,<br />

auf jeden Fall in den Niederlanden.<br />

Ich weiß zwar von hoffnungsvollen Exper<strong>im</strong>enten<br />

in der <strong>Kirche</strong>, gerade mit dem „postmodernen<br />

Gottsucher“ in Kontakt zu kommen,<br />

und ich will diese Exper<strong>im</strong>ente auch von Herzen<br />

unterstützen und die Erfahrungen ernst nehmen,<br />

aber ich meine, dass auch eine kritische Betrachtung<br />

des postmodernen religiösen Interesses<br />

nicht völlig ausbleiben sollte. Ich weiß, dass es<br />

übertrieben ist, dass ich vielen Menschen vielleicht<br />

auch nicht recht tue, aber ich möchte – um<br />

die Diskussion schärfer zu bekommen – folgenden<br />

Gedanken vorlegen:<br />

<strong>Der</strong> postmoderne Mensch ist zwar ein religiöses<br />

Wesen, aber er sucht nicht die Wahrheit,<br />

sondern er sucht seine Wahrheit.<br />

Wahrheit ist das, was er <strong>als</strong> Wahrheit erlebt.<br />

Die Wahrheit muss passen in das moderne Lebensgefühl,<br />

wobei der Mensch sich vor allen Dingen<br />

gut fühlen will. „Cocooning“ ist das englische<br />

Wort, das das Gerichtetsein auf das eigene Wohlbefinden<br />

gut ausdrückt. <strong>Der</strong> postmoderne<br />

Mensch möchte nicht gestört werden durch allzu<br />

kritische Anmerkungen zu Lebensstil oder Erwartungen<br />

– er möchte lieber eingebettet sein in ein<br />

Gefühl des Wohlbehagens und dabei nicht zu viel<br />

durch die Außenwelt gestört werden. Religion ist<br />

dabei zwar sehr wichtig, aber mehr <strong>als</strong> Garantie<br />

für das eigene Wohlbefinden. Darum sucht er sich<br />

seine eigene Wahrheit. Er ist ein „Zapper“: Er<br />

spürt gleichsam auf allen religiösen und nichtreligiösen<br />

Kanälen und stellt sich so sein eigenes<br />

Lebensprogramm zusammen. In den Niederlanden<br />

sind die Bücherregale in den Buchhandlungen<br />

mit esoterischen Titeln in den letzten<br />

Jahren stets größer und voller geworden. „Entdecke<br />

dich selber“ oder „Entdeckungsreise in das<br />

eigene Innere“ sind <strong>im</strong> Allgemeinen die Titel.<br />

Auffällig ist z. B., dass das Buch „<strong>Der</strong> Da Vinci Code“<br />

<strong>als</strong> Fiktion verkauft wird, aber Untersuchungen<br />

haben gezeigt, dass es viele Menschen <strong>als</strong> ein<br />

Buch lesen, das über die <strong>Kirche</strong> geht, die den<br />

.Menschen die echte Wahrheit vorenthält und sie<br />

so ihres Glückes beraubt.<br />

Nochm<strong>als</strong> – ich weiß, dass das jetzt etwas<br />

übertrieben ist. Ich weiß, dass ich damit vielen<br />

Menschen Unrecht tue. Aber ich möchte damit<br />

.betonen, dass die gesellschaftliche Situation dann<br />

vielleicht günstig sein mag für die Religion, aber<br />

dass es doch sehr die Frage ist, ob Menschen sich<br />

auch ansprechen lassen wollen durch das Evangelium,<br />

das uns auch gegen den Strich gehen kann.<br />

Es ist sinnvoll, um hierbei erneut die kritische<br />

Position Karl Barths gegenüber der Religion in<br />

Betracht zu ziehen. 5 Das darf aber – wie schon<br />

gesagt – nicht bedeuten, hoffnungsvolle Exper<strong>im</strong>ente<br />

und gute Erfahrungen damit vom Tisch zu<br />

fegen.<br />

Außerdem müssen wir uns auch vergegenwärtigen,<br />

dass das Postmoderne eine starke<br />

.fragmentisierende Tendenz in sich trägt. Pluralismus<br />

ist nicht nur positiv (die so gerühmte Vielfalt<br />

und Vielfarbigkeit) – Pluralismus kann auch lähmend<br />

sein. Wie gehen wir diesbezüglich mit den<br />

großen Herausforderungen um? Auch das könnte<br />

eine Herausforderung sein, die unser eigenes<br />

Wesen <strong>als</strong> <strong>Kirche</strong> betrifft – vor allem <strong>als</strong> evange-<br />

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