Der Dokumentationsband als PDF - Kirche im Aufbruch ...
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st<strong>im</strong>men zum reformprozess<br />
„von anderen lernen“<br />
106<br />
Moderamen in den Niederlanden viel Kritik gebracht.<br />
Uns wurde gesagt, dass wir die Wirklichkeit<br />
nicht ernst nehmen und mit Worten verschönern.<br />
Es wurde gesagt, dass unser Papier „Pfeifen<br />
<strong>im</strong> Dunkeln“ sei. Das muss ich erklären, denn das<br />
ist ein holländischer Ausdruck: Jemand der <strong>im</strong><br />
Dunkeln pfeift, hat Angst vor dem Dunkel. Er will<br />
das aber nicht zeigen und darum pfeift er ein<br />
Lied. (Ich bin mir nicht sicher ob der Ausdruck<br />
„Pfeifen <strong>im</strong> Keller“ das Gleiche meint).<br />
Auf den ersten Blick haben die Kritiker vielleicht<br />
auch wohl recht. Man muss die Frage<br />
.stellen, ob wir mit unseren Positionen die Krise<br />
wirklich ernst genug nehmen.<br />
In den Niederlanden haben wir das sog. „Sociaal<br />
Cultureel Planbureau“. Das ist ein wissenschaftliches<br />
Institut der Regierung, das gesellschaftliche<br />
Trends untersucht. Kürzlich erschien<br />
ein Bericht über religiöse Veränderungen in den<br />
Niederlanden. Ich zitiere einige Ergebnisse der<br />
Untersuchungen: Im Jahr 2020 werden 72 Prozent<br />
der niederländischen Bevölkerung nicht mehr mit<br />
einer <strong>Kirche</strong> verbunden sein (dieser Prozentsatz<br />
gilt übrigens jetzt schon für Jugendliche). Die<br />
Niederlande werden auf Dauer ein „Land von<br />
Nicht-Kirchlichen“ sein mit nur noch zwei umfangreichen<br />
<strong>Kirche</strong>n oder religiösen Gruppen:<br />
Römisch-Katholischen und Musl<strong>im</strong>en – so prophezeien<br />
die Untersucher „mit einiger Vorsicht“. Neben<br />
diesen zwei Gruppen wird es nach ihren Angaben<br />
noch „eine substanzielle Gruppe von<br />
kleinen Gemeinschaften und Überzeugungen“<br />
geben, die sehr unterschiedlich sind. „<strong>Der</strong> organisierte<br />
Protestantismus kann zu dieser Gruppe<br />
gerechnet werden oder aber auch noch von ihr<br />
unterschieden werden.“<br />
Die Niederlande sind in den letzten Jahrzehnten<br />
sehr schnell ent-kirchlicht. Und obwohl<br />
das Tempo in den letzten Jahrzehnten abgenommen<br />
hat, „scheint von einem umgekehrten Trend<br />
keine Sprache zu sein“, sagt der Bericht des „Sociaal<br />
Cultureel Planbureau“. Nannten sich 1958<br />
nur 24 Prozent der niederländischen Bevölkerung<br />
nicht-kirchlich, war 2004 der Prozentsatz auf 64<br />
Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass sich inzwischen<br />
2 / 3 der Niederländer nicht-kirchlich nennen.<br />
1967 gingen noch 67 Prozent der <strong>Kirche</strong>nmitglieder<br />
regelmäßig zur <strong>Kirche</strong>; 2004 war der Prozentsatz<br />
auf 38 Prozent gesunken. 1960 rechneten<br />
sich noch mehr <strong>als</strong> 30 Prozent zu einer der evangelischen<br />
<strong>Kirche</strong>n – in 2020 – so die Vorhersage .<br />
– werden das noch 4 Prozent sein.<br />
Und doch sprechen wir in unserer Schrift über<br />
Wachstum. Nicht um unsere Unsicherheit über<br />
die Zukunft zu überschreien, sondern aufgrund<br />
der Kraft des Wortes Gottes, das uns geschenkt ist.<br />
Wir glauben, dass der Reichtum der evangelischen<br />
Tradition (sola scriptura, sola fide, sola<br />
.gratia) auch heute Menschen ansprechen kann<br />
und wird.<br />
Die ernsteste Kritik an unserem Positionspapier,<br />
die auch der „<strong>Kirche</strong> der Freiheit“ gemacht<br />
werden kann, ist, dass beide den Eindruck wecken,<br />
die <strong>Kirche</strong> wäre „machbar“, ganz und gar zu gestalten.<br />
Unsere Schriften atmen den Geist notwendiger<br />
Veränderungen in der <strong>Kirche</strong>. Denn wir<br />
glauben zwar an die Kraft des Wortes (so unser<br />
Positionspapier) und wir finden zwar, dass, „wo<br />
evangelisch draufsteht, auch Evangelium erfahrbar<br />
sein sollte“, aber das ist eben eine gewünschte<br />
Situation. Es ist noch nicht so. Und darum muss<br />
sich sehr viel ändern. Und gerade an dem Punkt<br />
sind an unsere Positionen kritische Fragen zu<br />
stellen. Zum einen: Wir können die Organisation<br />
ändern, aber nicht die Herzen der Menschen. Zum<br />
andern: Wir wollen eine geistliche Veränderung,<br />
aber wir fangen an mit Veränderungen in der<br />
Organisation und Politik der <strong>Kirche</strong>. Wir reden<br />
<strong>als</strong>o vor allem über die <strong>Kirche</strong>, wo es uns zutiefst<br />
um das Evangelium geht. Luthers Reformation der<br />
<strong>Kirche</strong> hat nicht angefangen mit Vorschlägen zu<br />
Veränderungen in der <strong>Kirche</strong>, sondern mit der<br />
erneuten Entdeckung des Wortes, mit der erneu-