Der Dokumentationsband als PDF - Kirche im Aufbruch ...
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st<strong>im</strong>men zum reformprozess<br />
„von anderen lernen“<br />
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<strong>Kirche</strong> der Freiheit – eine Reaktion<br />
Jan-Gerd Heetderks, Pfarrer, Präses der Protestantischen<br />
<strong>Kirche</strong> in den Niederlanden, 26. Januar 2007<br />
Ganz herzlich möchte ich Ihnen danken für die<br />
Einladung, hier aus der Sicht einer europäischen<br />
Partnerkirche auf „<strong>Kirche</strong> der Freiheit“ zu reagieren<br />
und – hoffentlich – die Diskussion anzuregen.<br />
Die Synode der Protestantischen <strong>Kirche</strong> in den<br />
Niederlanden hat <strong>im</strong> Herbst 2005 auch ein Positionspapier<br />
verabschiedet. Im Holländischen trägt<br />
diese Schrift den Titel „Leren leven van de verwondering“.<br />
Wir haben das – nicht ganz richtig<br />
aber doch treffend – übersetzt mit „Leben aus der<br />
Freude des Glaubens“. „Leren leven van de verwondering“<br />
hat in gewissem Sinne einen anderen<br />
Charakter <strong>als</strong> „<strong>Kirche</strong> der Freiheit“, weil dieses<br />
Positionspapier viel kürzer und auf eine andere<br />
Art und Weise verfasst ist – gleichzeitig ist es aber<br />
sehr auffällig, wie gerade in der Verschiedenheit<br />
doch sehr viele Gemeinsamkeiten sichtbar werden.<br />
Neben dem Positionspapier „Leren leven van<br />
de verwondering“ hat die Synode unserer <strong>Kirche</strong><br />
auch Beschlüsse gefasst in Bezug auf die Einrichtung<br />
des gesamtkirchlichen Dienstes und der<br />
kirchlichen Organisation.<br />
Scheinbar hat die Krise unserer <strong>Kirche</strong> in unserer<br />
europäischen Kultur trotz der verschiedenen<br />
gesellschaftlichen Kontexte parallele Denkweisen<br />
in unseren <strong>Kirche</strong>n veranlasst. Das ist einerseits<br />
eine Bestätigung der eigenen Arbeit, hilft aber<br />
gleichzeitig – mit der kritischen Befragung der<br />
Position des Partners –, die eigene Position zu<br />
hinterfragen.<br />
Zunächst möchte ich einige einleitende Bemerkungen<br />
machen zur Krise unserer <strong>Kirche</strong>n in<br />
der westeuropäischen Kultur, bevor ich weiter auf<br />
den Inhalt unserer Positionen eingehe:<br />
In den letzten drei Jahrhunderten hat sich die<br />
<strong>Kirche</strong> in Europa mit dem Erbe der Aufklärung<br />
auseinandergesetzt. Darin hat der zur Freiheit<br />
gekommene Mensch diese Freiheit dem freien<br />
Gebrauch der Vernunft, der Ratio zu danken. Diese<br />
Art des Denkens sah man gleichzeitig <strong>als</strong> höchste<br />
Form der menschlichen Entwicklung. Mit anderen<br />
Worten: Die westeuropäische und die nordamerikanische<br />
Kultur sah man <strong>als</strong> das Summum der<br />
menschlichen Entwicklung.<br />
In einem solchen Kontext ist der Auftrag der<br />
<strong>Kirche</strong> dann nicht nur die Verkündigung des Evangeliums<br />
an diejenigen, die es noch nicht kennen .<br />
– in diesem Zusammenhang wurde übrigens öfter<br />
das Wort „Christianisierung” gebraucht –, sondern<br />
dieser Auftrag steht auch <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
einer Zivilisationsoffensive. Die Welt muss<br />
werden wie wir.<br />
Das Bündnis zwischen Mission und Zivilisation<br />
hat drei Jahrhunderte lang die Verkündigung<br />
der <strong>Kirche</strong> und vor allen Dingen das Ziel der<br />
.Mission best<strong>im</strong>mt.<br />
Nach den zwei Weltkriegen, die auch das .<br />
Ende der kolonialen Zeit einläuten, wird <strong>im</strong><br />
.Allgemeinen mit diesem Denken gebrochen.<br />
.Theologisch wurde dieser Bruch durch die Theologie<br />
Karl Barths vollzogen. Außerdem sind .<br />
<strong>Kirche</strong> und Theologie in Westeuropa in den .<br />
Jahren nach dem 2. Weltkrieg sehr stark beeinflusst<br />
durch die ökumenische Bewegung und .<br />
die Missionsbewegung. Darin wurde eine neue<br />
Interpretation des Wortgebrauchs Ökumene<br />
(nämlich <strong>im</strong> Sinne der ganzen bewohnten Welt)<br />
verbunden mit einer heilshistorischen und<br />
.eschatologischen Sicht. Diese heilshistorisch<br />
.eschatologische Sicht hatte einen starken Impuls<br />
bekommen bei der Erscheinung des grundlegenden<br />
Buches von Oscar Cullmann: Christus .<br />
und die Zeit (Christus und die Zeit: die urchristliche<br />
Zeit- und Geschichtsauffassung, Zürich 1946). .<br />
Nach Cullmann muss das Wesen des Neuen Testamentes<br />
begriffen werden aus der Perspektive<br />
der Geschichte und der Zeit. Im Gegensatz zum<br />
griechischen zyklischen Denken läuft die Zeit<br />
nach dem Neuen Testament linear und teleologisch.<br />
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