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Hamlet - Schauspiel Stuttgart

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<strong>Hamlet</strong><br />

von William Shakespeare<br />

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61 hamlet


HAMLET<br />

> von William Shakespeare <<br />

auf der basis der übertragung von heiner müller<br />

fassung von volker lösch und beate seidel<br />

Premiere am 10. Januar 2009 im <strong>Schauspiel</strong>haus<br />

Rechte für die Übersetzung bei henschel <strong>Schauspiel</strong><br />

www.staatstheater-stuttgart.de


schauspielstuttgart<br />

hamlet<br />

schauspielstuttgart<br />

hamlet<br />

Besetzung<br />

hamlet Till Wonka<br />

claudius Sebastian Kowski<br />

gertrud Elmar Roloff<br />

polonius Katharina Ortmayr<br />

ophelia Lisa Bitter<br />

laertes Matthias Kelle<br />

rosencrantz Christoph Gawenda<br />

guildenstern Stephanie Schönfeld<br />

geist von hamlets vater<br />

Werner Fischer, Werner Glocker, Klaus Grabowski, Manfred Hülsewig,<br />

Werner Ott, Erik Raphael, Juan Rojas-Vásquez, Georg Sebestyen,<br />

Volker Würthwein<br />

fortinbras<br />

Arnold Arpací, Michael Austel, Simon Bläse, Oliver-Selim Boualam,<br />

Dennis Bucher, Sandro Ditutala, Nick Dzierzon, Daniel Fleischer, Lukas<br />

Funk, Nils Gerber, Elmar Grüner, Max Haas, Valentin Hebel, Lukas<br />

Hilbert, Kian Jazdi, Eugen Jedig, Felix Keltsch, Valentin Koch, Manuel<br />

Kronenberg, Felix Kugel, Max Kurz, Robert Lang, Markos Lasos, Kai<br />

Lunze, Davide Martiradonna, Kreshnik Mehmetaj, Jan Metzger, Philipp<br />

Müller, Dario Nassal, Jens Nonnenmann, Ali Obeid, Nahoel Pozo,<br />

Rodrigo Pozo, Sebastian Privenau, David Rau, Simón Pablo Rojas-Vásquez,<br />

Sascha Rühling, Patrick Schauer, Daniel Schembera, Michael Schmitz,<br />

Marian Sommerfeld, Maximilian von Sporschill, Josip Susilovic, Michael<br />

Ralf Sziurnicki, Johann Theisen, Ken Robin Völter, Jannick Werner,<br />

Benedikt Wiegmann, Tobias Winkler, Julian Wissner, Jan-Erik Zehetner,<br />

Ricardo Zeich, Phil Zumbruch<br />

inszenierung volker Lösch<br />

bühne und kostüme Cary Gayler<br />

dramaturgie Beate Seidel<br />

regieassistenz Catja Baumann<br />

bühnenbildassistenz Jelena Nagorni<br />

kostümassistenz eva-Maria Lauterbach,<br />

leah Lichtwitz<br />

inspizienz Thomas Hoffmann<br />

souffleur Frank Laske<br />

regiehospitanz andrea Dörrich<br />

kostümhospitanz anika Billard, Rebecca Liesenfeld,<br />

Sarah Wendler<br />

dramaturgiehospitanz katharina Koller<br />

gruppenbetreuung Sina Flubacher<br />

Technische Direktion: Karl-Heinz Mittelstädt // Technische Direktion<br />

<strong>Schauspiel</strong>: Andreas Zechner // Technische Einrichtung: Roland Oehl //<br />

Ton: Frank Bürger, Monika Werner-Blosfeld // Licht: Stefan Bolliger //<br />

Beleuchtung: Ulfried Kehl // Requisite: Edgar Girolla, Erol Papic //<br />

Maschinerie: Hans-Werner Schmidt // Leitung Dekorationswerkstätten:<br />

Bernhard Leykauf // Technische Produktionsbetreuung: Monika Höger //<br />

Malsaal: Maik Sinz // Bildhauerei: Michael Glemser // Dekorationsabteilung:<br />

Donald Pohl // Schreinerei: Frank Schauss // Schlosserei:<br />

Patrick Knopke // Leitung Maske: Heinz Schary // Maske: Anne Bartusch,<br />

Sabine Hellweg, Stefan Jankov, Sabrina Maier, Katrin Sahre, Ursula<br />

Seidemann, Jutta Wennrich // Kostümdirektion: Werner Pick // Produktions<br />

leitung Kostüme: Sabine Wagner // Gewandmeisterinnen: Renate<br />

Jeschke (Damen), Anna Volk (Herren) // Färberei: Martina Lutz // Kunstgewerbe:<br />

Heidemarie Roos-Erdle, Daniel Strobel // Schuhmacherei:<br />

Alfred Budenz, Verena Bähr // Statisterie: Andrea Holländer<br />

s: 4 ˚ s: 5 ˚


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hamlet<br />

EIN ZorniGer JUNGer MANN<br />

»Die Bibliographie der Abhandlungen und Studien über hamlet ist zweimal<br />

so dick wie das Warschauer Telefonbuch. Über keinen leibhaftigen Dänen<br />

ist so viel geschrieben worden wie über <strong>Hamlet</strong>«, eröffnet Jan Kott seinen<br />

berühmten Shakespeare-Aufsatz aus dem Jahr 1970.<br />

Inzwischen sind 38 Jahre vergangen und die Literaturberge über hamlet<br />

weiter angewachsen. Und trotzdem ist das Bemühen um diesen Text<br />

un gebrochen, ist hamlet das Stück der Stücke: für beinahe alle ein<br />

Begriff, aber von wenigen ganz gekannt. Jeder Zugriff auf diese Tragödie<br />

setzt nicht nur die Kenntnis der Shakespeareschen Verse voraus, sondern<br />

muss sich auch mit Last oder Ballast einer so umfangreichen Rezeptionsgeschichte<br />

auseinandersetzen, wie sie nur an wenige literarische Werke<br />

geknüpft ist.<br />

Auf der Bühne jedoch verlangt die Figur <strong>Hamlet</strong>, die immer ein Eigenleben<br />

außerhalb des Theaters hatte – als gedankliche Reibungsfläche für Ideologen,<br />

Künstler, Philosophen (»Deutschland ist <strong>Hamlet</strong>« mahnt der Dichter<br />

des deutschen Vormärz Ferdinand Freiligrath) – eine Konkretisierung.<br />

Und da steht in unserer <strong>Stuttgart</strong>er hamlet-Inszenierung ein junger Mann<br />

auf der Bühne, der so gar nichts von einem Grübler, Melancholiker und<br />

Zweifler hat, sondern von Anfang an ,bereit ist‘ – für die Welt, die vor ihm<br />

liegt, für all die Aufgaben, die ihn darin erwarten könnten, für eine Liebe,<br />

die den Namen Ophelia trägt ...<br />

Was aber, wenn diese Energie nicht gebraucht, sondern im Gegenteil<br />

kontrolliert und gezähmt werden soll, weil sie etwas zu Tage brächte, was<br />

alles Bestehende destabilisierte, möglicherweise sogar aus den Angeln höbe?<br />

<strong>Hamlet</strong>s Geschichte beginnt mit einer Machtübernahme, an der er, Sohn<br />

des beerdigten Königs, keinen Anteil hat.<br />

Er sieht zu, wie der Thron besetzt wird von einem machthungrigen<br />

Politiker, der seine Mutter aus politischem Kalkül heiratet. Er beobachtet<br />

eine neue Clique bei der Präsentation ihrer Macht. Und e s widert ihn an.<br />

Verlogenheit widert ihn an, das unsittliche Gebaren einer ,politischen Klasse‘,<br />

aber auch die eigene mangelnde Widerständigkeit.<br />

Doch wo ist <strong>Hamlet</strong>s Platz, wenn nicht in der Clique um Claudius?<br />

Es gibt keinen Antipoden, der ihm eine Alternative wiese. Sein Zorn läuft<br />

zunächst ins Leere.<br />

Als ob sich <strong>Hamlet</strong>s Unzufriedenheit an etwas verhaken, festbeißen<br />

müsste, taucht nun der Geist seines toten Vaters auf und behauptet, vom<br />

neuen Mann an der Spitze, Claudius, ermordet worden zu sein. Dem Sohn<br />

bürdet er die Verpflichtung zur Rache auf. Dieser Vater, ein Mann von<br />

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,altem Schrot und Korn‘, ein Soldat, ein Kämpfer, mag ein ,ewig Gestriger‘<br />

sein, aber was er <strong>Hamlet</strong> in den Kopf pflanzt, kommt einer Initiation gleich.<br />

<strong>Hamlet</strong>s Unmut erhält eine klare Richtung: Der gehasste Onkel ist von<br />

jetzt ab ein möglicher Mörder, geschützt durch seine Position, gestützt<br />

durch seinen Machtapparat.<br />

2<br />

»Die Zeit ist aus den Fugen, Schmach und Gram / dass ich zur Welt sie<br />

einzurichten kam.« Wer kennt ihn nicht, einen dieser berühmten Stoßseufzer<br />

<strong>Hamlet</strong>s? Und <strong>Hamlet</strong> meint es damit ernst. Die Schwierigkeit, die<br />

sich mit dem Auftrag zu töten verbindet und die Heiner Müller in der<br />

hamletmaschine seinen <strong>Schauspiel</strong>er formulieren lässt, während er die<br />

ihm auferlegte Rolle gerade ablegt, ist eklatant: »Soll ich weils Brauch ist<br />

ein Stück Eisen stecken ins nächste Fleisch oder ins übernächste«.<br />

Zwischen der Aufgabe und ihrer Erfüllung klafft ein Riss, steht die Frage des<br />

wie. Und die setzt voraus, dass zunächst die Schuld des Täters erwiesen ist.<br />

Das ganze Drama sei der Wahrheitssuche <strong>Hamlet</strong>s gewidmet, schreibt Karl<br />

Jaspers. Aber die Wahrheit bestehe nicht allein in der Antwort auf die isolierte<br />

Frage nach dem Tatbestand des Verbrechens. Vielmehr handele es<br />

sich um den gesamten Weltzustand, der derart sei, dass solch ein Mord ge -<br />

schehen könne und sich zugleich der Offenbarmachung entziehe.<br />

<strong>Hamlet</strong> ist, nach Jaspers, nur scheinbar ein von seiner Reflexion gelähmter<br />

Schwächling, vielmehr gelte für ihn, dass er ständig aktiv auf die Wahrheit<br />

und wahrheitsgemäßes Handeln zusteuere.<br />

So steht er also vor seinem Publikum, das ihm der einzige Partner in einem<br />

Gespräch ist, das sonst zum Selbstgespräch verkäme. Dem Publi kum stellt<br />

er die Frage aller Fragen nach Sein oder Nichtsein, es wird Mit wisser seiner<br />

Gedanken und seiner Entschlüsse. Die anderen (auch Ophelia) sind Teil<br />

des Staates Dänemark, und der ist faul, ist ein Gefängnis, das seine Insassen<br />

unter Beobachtung stellt und, wenn das System versagt, Re s triktionen verordnet:<br />

Verbannung (nach England) mit tödlichem Ausgang.<br />

3<br />

Trotzdem <strong>Hamlet</strong> das alles weiß, geht er das Wagnis ein, mittels<br />

Thea ter einen Eklat zu produzieren, der den Schuldigen, also Claudius,<br />

entlarven soll. Er vertraut der Öffentlichkeit des Mediums, seiner kathartischen<br />

Kraft.<br />

Aber lockt die Schlüsselgeschichte, die er erfindet, den Machtmenschen<br />

Claudius aus der Reserve? Welche Geschütze muss der empörte Held auffahren?<br />

Braucht es den direkten unverhüll ten Affront, damit der Gegner<br />

die Maske fallen lässt?<br />

Unser <strong>Hamlet</strong> wird all seine Kraft in einen Skandal investieren, der auf der<br />

Bühne beginnen und ins Leben greifen soll. Aber er wird erfahren müssen,<br />

dass der Arm der Kunst nicht weit genug reicht, dass der ästhetischen<br />

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hamlet<br />

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Aktion andere folgen müssen. Politischer Anspruch, der so ins Leere läuft,<br />

der sich an allen Personen ohne Ergebnis abarbeitet, mündet für diesen<br />

<strong>Hamlet</strong> im Amoklauf.<br />

Verbannt aus dem Dunstkreis der Familie, als Staatsfeind gebrandmarkt,<br />

zum Totschläger an Polonius geworden, muss er den besinnungslosen Elan<br />

der norwegischen Truppen, die Dänemark kreuzen, eines ,Fetzen Lands‘<br />

wegen, der ,keinen Wert‘ hat, als Befreiung empfinden, als Alternative zu<br />

jenem Zustand, der ihn bis eben fesselte.<br />

,Ehre‘ heißt Fortinbras’ Erlösungswort, hinter dem alles ,Gewissen‘ verblasst.<br />

Die norwegische Söldnertruppe und sein toter Vater verbindet die einfache<br />

Logik der Tat. Beide Parteien, die von außen auf <strong>Hamlet</strong> einwirken, sind nicht<br />

von des »Gedankens Blässe angekränkelt«. Das alte, vergangene Prinzip<br />

der Rache (Auge um Auge, Zahn um Zahn) geht für die aufmarschierenden<br />

Jungen, so scheint es, nahtlos in einer Zukunftsvision auf: Heute gehört<br />

uns Polen/Dänemark/Deutschland und morgen die ganze Welt!<br />

Wie beeindruckend diese gewalttätige, aber wirkungsvolle Sicht auf die<br />

Dinge sein kann, bekommt <strong>Hamlet</strong> zu spüren.<br />

Beide Begegnungen (mit dem toten wie mit den lebenden Kriegern) stellen<br />

Weichen für ihn. Aus dem Verweigerer wird ein Provokateur, dann ein Ge -<br />

walttäter, eine Kampfmaschine, die ,bereit‘ ist zu allem.<br />

4<br />

Dieser <strong>Hamlet</strong> ist ein wütender junger Mann. Wütend über den Zu -<br />

stand der Welt, gegen den zu wehren er sich verpflichtet fühlt.<br />

Wütend auf die Generation der Eltern, die fest im Sattel sitzt und nur an<br />

Bestanderhaltung interessiert ist. Wütend auf sich selbst, weil es ihm<br />

schwer fällt, sich dem Gegebenen zu entziehen und weil der Ausstieg aus<br />

dem System der Eltern keine Lösung bietet.<br />

Was hat dieser <strong>Hamlet</strong> 2009 mit jenem zu tun, der 1601 die Bretter betritt,<br />

die die Welt bedeuten sollen, der den Eintritt des Individuums in die<br />

Moderne, den Wechsel der Zeiten repräsentiert – vom Mittelalter in die<br />

Neuzeit? Und das vor allem darum, weil er über das Für und Wider von<br />

Tun und Tat nach denkt? Weil er innehält und auf Bedenkzeit besteht? Der<br />

das Gewissen zum Dreh- und Angelpunkt eines langen Theaterabends<br />

macht? Und der sich genau damit selbst im Weg steht?<br />

Beinahe jedes Zeitalter gebiert seit 1601 seine Generation HAMLET aufs<br />

Neue. Und jedes Mal zwingt <strong>Hamlet</strong> seiner Epoche die ihn drängenden<br />

Existenzfragen auf. Am Ende gibt es sieben Menschen, deren Tod <strong>Hamlet</strong><br />

(mit-)verschuldet hat. Die Fortinbras besetzen die Bühne. Sie sind übrig<br />

geblieben. Und sie insistieren auf ihre gewonnene Schlacht: »Ich habe<br />

Rechte, unvergessen, auf dieses Reich!« Das ist eine Drohung.<br />

beate seidel<br />

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– / jan kott<br />

der geborene konspiratEUr<br />

→ Ich ziehe den jungen Burschen vor, der von der Politik<br />

befallen ist, frei von Illusionen, sarkastisch, leidenschaftlich<br />

und brutal. Er begehrt auf wie Jugendliche, besitzt<br />

aber gleichzeitig etwas von der Anmut James Deans. Er<br />

wird von einer ungestillten Passion getrieben. Er wirkt<br />

in seiner Heftigkeit mitunter kindisch. Und er ist ohne<br />

Zweifel primitiver als seine Vorgänger in der Rolle. Er ist<br />

ganz Tat, nicht Reflexion. Er ist voller Entrüstung und<br />

berauscht sich daran. Einer von vielen. Er verabscheut<br />

die Welt und deshalb opfert er Ophelia. Aber er scheut<br />

nicht vor dem Staatstreich zurück, obwohl er weiß, dass<br />

ein Staatsstreich kein Kinderspiel ist. Er ist der geborene<br />

Konspirateur. ‚Sein‘ bedeutet für ihn: den Vater rächen und<br />

den König töten; ‚Nichtsein‘ auf den Kampf zu verzichten.<br />

Es ist das Mögliche,<br />

nie das Wirkliche,<br />

das den Platz der<br />

Utopie verstellt.<br />

– / theodor adorno<br />

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– / hans heribert von arnim<br />

es ist was faul im staate<br />

Souverän ist,<br />

wer über den<br />

Ausnahmezustand<br />

entscheidet.<br />

– / carl schmitt<br />

→ Die politische Willensbildung ist – in Wahrheit und entgegen allen<br />

Sonntagsreden – nicht einer politischen Wettbewerbsordnung unterworfen,<br />

sondern folgt eher den Regeln einer politischen Kartellordnung.<br />

Das gemeinsame Interesse von Berufspolitikern geht nun einmal<br />

dahin, den Wettbewerb zu beschränken und nach Möglichkeiten ganz<br />

auszuschalten und Kontrolleinrichtungen möglichst gleichzuschalten.<br />

‚Die Politik‘ ist an wirksamem Wettbewerb genauso wenig interessiert<br />

wie ,die Wirtschaft‘. Dieses Eigeninteresse unter Kontrolle zu bringen<br />

ist umso schwerer, weil ‚die Politik‘ eben nicht nur den Prozess,<br />

sondern in der repräsentativen Demokratie auch die Ordnung der<br />

politischen Willensbildung beherrscht. Der Einfluss der politischen<br />

Klasse kann auf die Institutionen gestaltend und bremsend wirken.<br />

Die politische Klasse kann die Institutionen in ihrem Sinne verändern<br />

und sie ihrem Interesse entsprechend ausgestalten. Die politische<br />

Klasse kann aber auch verhindern, dass überholte, den Gegebenheiten<br />

nicht mehr entsprechende Institutionen an moderne Herausforderungen<br />

angepasst werden. Die Ausschaltung fairen politischen<br />

Wettbewerbs durch mangelnde Offenheit und Vermachtung hat fatale<br />

Folgen. Sie kehrt letztlich die demokratischen Grundprinzipien in<br />

ihr Gegenteil um.<br />

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– / ekkehart krippendorf<br />

der abtrünnige<br />

→ Die blutschänderische und plötzliche Heirat der Mutter empört<br />

ihn und erscheint <strong>Hamlet</strong> emblematisch für den gesamtgesellschaftlichen<br />

oder zumindest den höfischen, den politischen Zustand,<br />

den er als krank, fäulnishaft, zutiefst verrottet und anekelnd wahrnimmt.<br />

Deshalb wollte er fort aus Dänemark, weg von Elsinore und<br />

zurück nach Wittenberg zu seinen Studien: Kein ‚allgemeiner Weltschmerz‘<br />

ist ihm eigen, sondern er leidet unter dieser konkreten<br />

Gesellschaft, an dieser konkreten politischen Klasse, die ihn unter<br />

ihre Kontrolle bringen möchte. Der Vater hatte ihn zurückbeordert;<br />

der neue Dynast will ihn als eine mögliche Gefahr für seinen soeben<br />

erworbenen Thron nicht aus den Augen lassen.<br />

Der Gedanke, die Vorstellung, aus Elsinore-Dänemark nicht mehr<br />

herauszukommen und dann als König diesen verfaulenden, ‚ungejäteten<br />

Garten‘ regieren zu sollen, Vorsteher dieses, wie <strong>Hamlet</strong><br />

es später nennen wird, ‚Gefängnisses‘ zu werden, ist Horrorvision<br />

ge nug, um darüber zu verzweifeln. Auch wenn man in diesem Staat,<br />

in dieser korrupten Gesellschaft oben ist, wie es ein König <strong>Hamlet</strong><br />

wohl später wäre, kann man/könnte er sich der Korruption, der<br />

Komplizität mit der Lüge, dem Unrecht, der Heuchelei, der<br />

Unterdrückung, der Arroganz der Macht nicht entziehen: sie sind<br />

Teil der politischen Institutionen, gehören zur Herrschaft, werden in<br />

hierarchisch organisierten Gesellschaften auf allen Ebenen reproduziert.<br />

<strong>Hamlet</strong> ist, wenn man so will, ein Abtrünniger seiner, der<br />

politischen Klasse, deren Versteck- und Intrigenspiel um das vermeintlich<br />

einzige Gut, das den Einsatz lohnt, er nicht mitspielen will,<br />

obwohl jeder eben das von ihm erwartet.<br />

An keiner Stelle seiner Monologe ist von enttäuschter politischer<br />

Hoffnung auch nur andeutungsweise die Rede, wie könnte es auch,<br />

widerstrebt doch eben dieser ‚Aufstieg‘ allen seinen Einsichten in<br />

den korrumpierenden Charakter von Macht und Regierung, zumindest<br />

in diesem Staat, wenn nicht überhaupt. Ein einziges Mal spricht<br />

<strong>Hamlet</strong>, am Ende des Dramas und gewissermaßen die öffentliche<br />

Rechtfertigung eines vollbrachten Rache-Mordes an Claudius antizipierend,<br />

davon, daß dieser seine Thronhoffnungen zerstört habe,<br />

weil das die Öffentlichkeit verstehen würde; aber es steckt auch ein<br />

gutes Stück Autosuggestion darin, Selbstrechtfertigung für eine ihm<br />

widernatürlich aufgetragene Tat, der sich Gewissen und Gefühl<br />

widersetzen. Zwar gibt es ein wahres, ein inneres Königreich, das<br />

Königreich des Geistes, der Philosophie, der Künste, des Denkens<br />

aber wie kann man darin leben, wenn die tagtägliche Realität die<br />

einer kranken, korrupten Gesellschaft ist, die dieses Denken, die<br />

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unsere Träume durch ihre Wirklichkeit vergiftet? In einer solchen<br />

Ge sellschaft wird der Traum zum Alptraum, ist dieser Alptraum die<br />

herrschende Wirklichkeit, sind die, die die Bühne der Öffentlichkeit<br />

als Repräsentanten der Normalität hierarchischer Ordnung beherrschen,<br />

nichts anderes als substanzlose Gefängniswärter.<br />

Wäre der Welt eine Katastrophe erspart worden, wenn <strong>Hamlet</strong><br />

seine antipolitischen Einsichten zugunsten einer politischen Moral<br />

des geringeren Übels zurückgestellt und Claudius zur Abdankung<br />

gezwungen hätte? Wäre er bald so leicht, wie es die Regel ist, in seiner<br />

Herrschaftsrolle aufgegangen und hätte sich höchst königlich<br />

bewährt oder aber wäre er als König, mit all seinen inneren Zweifeln,<br />

Unsicherheiten und unberechenbaren Nervenkrisen »tausendmal<br />

gefährlicher als Claudius« gewesen?<br />

Welche Lehre ist daraus zu ziehen, daß am Ende in der Gestalt der<br />

Fremdherrschaft eines Fortinbras (forte braccio = starker Arm) die<br />

pure politische Unvernunft siegt, die soeben ihr Wesen hinter der<br />

‚großen Dimension‘ blutiger Eroberung eines wertlosen Stückchen<br />

Landes unsichtbar gemacht hat? Welche bittere Ironie liegt in der<br />

Aufbahrung <strong>Hamlet</strong>s als Krieger mit militärischem Zeremoniell dieses<br />

alles andere als militärischen Menschen!<br />

»Das ist das einzige ritual auf das ich mich verstehe / ... / leb wohl<br />

mein Prinz mich erwartet das kanalisationsprojekt / ... / ich muß<br />

auch ein beßres gefängnissystem erfinden / denn wie du richtig<br />

meintest Däne mark ist ein gefängnis / ich gehe zu meinen geschäften<br />

Heut nacht wird der stern / namens <strong>Hamlet</strong> geboren Niemals<br />

kommen wir wieder zu -sammen / was von mir übrigbleibt wird kein<br />

gegenstand einer tragödie«, heißt es in einem Gedicht von Zbigniew<br />

Herbert. Heißt die politische Lehre, sich mit den Fortinbras zu<br />

arrangieren, weil die unser Ge -<br />

fängnis immerhin mit einem ordentlichen Kanalsystem ausstatten?<br />

Oder heißt die politische Lehre, <strong>Hamlet</strong> über <strong>Hamlet</strong> hinaus weiterzudenken,<br />

was bedeuten würde, in das Parabelstück zurückzukehren,<br />

die Fehler aufzusuchen, die <strong>Hamlet</strong> macht, die Kurz schlüsse zu<br />

vermeiden, mit denen er sein kritisches Denken verriet, eine Welt<br />

zu projektieren, in der die Philosophie, die Bildung, die Gelehrsam<br />

keit, die Reflexion über den Sinn menschlicher Existenz sich<br />

natürlich und ungezwungen entfalten könnte?<br />

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– / andrea höfele<br />

RACHE<br />

Ein ordentlicher<br />

Konservativer<br />

darf sich<br />

nicht einmal<br />

waschen.<br />

– / friedrich hebbel<br />

→ Rache ist für Shakespeares Zeitgenossen ein hochgradig problematisches<br />

Phänomen und dies nicht allein unter theologischem Aspekt.<br />

Im Laufe des 16. Jahrhunderts hatten die Könige aus dem Hause<br />

Tudor gegen die Macht der alten Adelsgeschlechter konsequent ein<br />

zentrales Gewaltmonopol durchgesetzt und damit die Grundlagen<br />

eines neuzeitlichen Staates geschaffen. Wenn Bacon von ‚wilder<br />

Justiz‘ spricht, so verurteilt er die Rache im Sinne dieser modernen<br />

Staatsräson. Zugleich muß der Philosoph aber auch zugeben, daß<br />

das Verlangen nach Rache offenbar in der Natur des Menschen liegt.<br />

An <strong>Hamlet</strong>s ‚Natur‘ appelliert auch der Geist, worauf der Prinz mit<br />

wilder Entschlossenheit reagiert. Er gelobt, an nichts anderes mehr<br />

denken zu wollen als an seinen Auftrag. Zur Psychologie der Rache<br />

gehört diese ausschließliche Beschäftigung mit ihr. Im Verfolg seines<br />

Planes wird der Rächer zum monomanen Einzelgänger.<br />

Er verliert jedes Maß. Die Logik seines Tuns verlangt, daß seine<br />

Rache die Untat, die sie sühnen soll, an Grausamkeit überbietet.<br />

Auf der Suche nach Gerechtigkeit begeht der typische Rächer neues,<br />

womöglich sogar größeres Unrecht und sinkt damit auf die Stufe<br />

derer, die er bestrafen will.<br />

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– / josef vogel<br />

ÜBER DAS ZAUDErn<br />

→ Das Zaudern unterbricht Handlungsketten<br />

und wirkt als Zäsur, es potentialisiert die<br />

Aktion, führt in eine Zone der Unbestimmtheit<br />

zwischen Ja und Nein, exponiert eine unauflösbare<br />

problematische Struktur und eröffnet<br />

eine Zwischen-Zeit, in der sich die Kontingenz<br />

des Geschehens artikuliert.<br />

Das Zaudern – so könnte man daraus folgern –<br />

operiert an den Anschlüssen, an den Fugen,<br />

an den Synapsen und Scharnieren, die über<br />

die Kohärenz von Weltlagen entscheiden, oder<br />

genauer: an denen der Aggregatzustand dieser<br />

Welt, ihre Festigkeit und ihre Verlaufsform auf<br />

dem Spiel stehen.<br />

Erst macht man<br />

eine Konzession,<br />

dann zwei, dann zwanzig.<br />

Lange täuscht man sich<br />

über seine Moral.<br />

Dann gibt man sie<br />

gänzlich auf, und dann<br />

verblödet man.<br />

– / gustave flaubert<br />

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s: 23 ˚


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– / thomas meyer/martina kampmann<br />

DIE LOGIK DES PolitisCHEN<br />

Shakespeare:<br />

Rendez-vous<br />

von Rose und Axt ...<br />

– / emil m. cioran<br />

→ Es ist wahr, die politische Öffentlichkeit droht zum Spiegelkabinett<br />

zu werden, in dem sich Politik und Medien immer nur selber zu<br />

erkennen vermögen und die Welt aus den Augen zu verlieren drohen.<br />

Die reale Lebenswelt der Bürger und das Treiben in den Vorhöfen<br />

und an den Hebeln der Macht geht indessen hinter den Spiegeln<br />

weiter. Politik trachtet mit viel Erfolg danach, daß das, was das<br />

Publikum von ihr zu Gesicht bekommt, vor allem Theater ist. Die<br />

Macht und die Logik ihrer Bildung, Entfaltung und Wirkung ziehen<br />

sich, nachdem sie sich auf den öffentlichen Bühnen mit Proviant<br />

versorgt haben, hinter die Kulissen zurück. Sie können sich dem<br />

ersten Blick entziehen, aber ignorieren sie auf Dauer ihre ureigene<br />

Rolle, berauben sie sich selbst ihrer Legitimation. Und auch die<br />

Medien, wenn sie in ihren Konstruktionen die politische Welt selbst<br />

und nicht deren Repräsentationsbühnen erfassen wollen, müssen<br />

das Spiegelkabinett verlassen.<br />

Die Bürger haben das Recht und die Pflicht, in der ‚Inszenierungsgesellschaft‘<br />

nach dem Treiben hinter den Kulissen zu fragen und<br />

der Politik ihre Funktion ins Gedächtnis zu rufen. Sie müssen mit<br />

den Folgen des Theaters leben.<br />

s: 24 ˚<br />

s: 25 ˚


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– / jonathan swift<br />

DER PolitisCHE LÜGNER<br />

→ Es gibt einen wesentlichen Punkt, worin sich ein politischer Lügner<br />

von andern Mitgliedern seiner Zunft unterscheidet: Er muss nämlich<br />

ein kurzes Gedächtnis haben. Das ist nötig wegen der verschiedenen<br />

Anlässe, an denen er sich von einer Stunde zur anderen befindet und<br />

wo er immer mit sich selbst in Widerspruch gerät und hier eine Meinung,<br />

dort das Gegenteil davon mit einem Schwur bekräftigt, je<br />

nach dem wie er die Leute, mit denen er zu tun hat, gesinnt und<br />

gestimmt findet.<br />

– / gerhard mauz<br />

das perfekte verbrECHEn<br />

→ Das perfekte Verbrechen hat heute die Eigenheit, ein Akt der Wirtschaftskriminalität<br />

zu sein.<br />

Man muss es nur groß genug anlegen. Es muss das überwältigende<br />

Kaliber eines Weltuntergangs haben – und schon stellt sich die Frage,<br />

ob überhaupt von einem kriminellen Vorgang die Rede sein darf,<br />

ob’s nicht der Herr genommen hat, nachdem er’s gegeben hatte.<br />

Der letzte Zustand<br />

ist immer eine Satire<br />

auf die<br />

vorhergehenden.<br />

– / friedrich hebbel<br />

s: 26 ˚ s: 27 ˚


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– / peter von matt<br />

täterprofil<br />

→ In der Kriminalistik spricht man vom Täterprofil.<br />

Man könnte den Begriff auch in die Literaturwissenschaft<br />

übernehmen. Nicht um einen bestimmten Täter zu<br />

charakterisieren, sondern um die epochenspezifischen<br />

Täter der verschiedenen Zeitalter zu erfassen.<br />

gab es doch das Phänomen und die physiognomischen<br />

Begleiterscheinungen. Was soll da zeitbedingt sein?<br />

Wenn Menschen einander im wirklichen Leben täuschen,<br />

betrügen, verraten, schädigen, zerstören, tun sie es so,<br />

wie sie es immer getan haben. Nur die Waffen wechseln,<br />

die Gifte und die schönen Worte.<br />

Wie kann ein Täter zeitbedingt sein?<br />

Der Dolch, der in die Brust des Gegners versenkt wird,<br />

bewirkt im dritten Jahrhundert vor Christus dasselbe,<br />

was er im zweiten Jahrtausend nach Christus bewirkt.<br />

Die Intrigenstimme wirkt in der Antike nicht anders als<br />

in der Gegenwart, auch das Lächeln dabei ist austauschbar.<br />

<strong>Hamlet</strong>s Satz » ... dass einer lächeln kann und immer<br />

lächeln und doch ein Schurke sein«, ist als Erkenntnis<br />

nicht an das elisabethanische Theater Zeitalter gebunden.<br />

Und wenn es das Wort Mobbing damals noch nicht gab,<br />

Wenn Menschen einander in der Literatur täuschen,<br />

betrügen, verraten, schädigen, zerstören, ist ihr Treiben<br />

zugleich symbolisch, also ein Zeichen, das auf das andere<br />

verweist. Dieses Andere ist ein charakteristischer Teil<br />

des Denkens, Empfindens und Urteilens der Epoche.<br />

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schauspielstuttgart<br />

hamlet<br />

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hamlet<br />

– / stanley cavell<br />

der horror vor sich selbst<br />

Ekel enthüllt<br />

keineswegs die Dinge,<br />

aber die Welt ist uns nur<br />

im Zustand des unterdrückten<br />

Ekels gegeben.<br />

– / george bataille<br />

→ Als die Entwicklung der Vernunft damit anfing, Er -<br />

klärungen für das Phänomen Religion hervorzubringen,<br />

also z. B., daß sie in Furcht ihren Grund habe, war es<br />

verhältnismäßig einfach, sich vorzustellen, daß die<br />

Menschheit eines Tages ihre Furcht überwunden haben<br />

würde, ganz so, als wäre diese nur ein Ergebnis ihres<br />

Kindheitszustandes. Doch angenommen, der Grund der<br />

Religion wäre (auch) Horror, die Reaktion nicht auf die<br />

Mächte und Ungewißheiten der Natur, sondern auf die<br />

anderer, die einem selbst nicht ganz unähnlich sind, so<br />

daß die religiöse Verheißung nicht die persönliche Fortdauer,<br />

sondern die Wahrung der eigenen Unver sehrtheit<br />

wäre. Eine Quelle, um sich davon zu überzeugen, könnte<br />

die Reflexion auf unsere Einstellung zur klassischen<br />

Tragödie sein. Mehr oder weniger sind wir gewohnt, uns<br />

diese Einstellung als den Effekt aus Schrecken und<br />

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hamlet<br />

schauspielstuttgart<br />

hamlet<br />

Mitleid zu verdeutlichen, so als würden wir Zeuge davon,<br />

wie der Mensch der Gewalt unterliegt, seiner eigenen<br />

und der anderer. So etwa im Schrecken über die Ent steh<br />

ungsbedingungen und die Folgen von Zorn, Eifer sucht,<br />

Ehrgeiz, Hochmut, mangelnder Selbsterkenntnis ... Aber<br />

angenommen, es existierte ein Typ von Tragödie, wo wir<br />

in dem Sinne Zeuge davon wären, wie der Mensch der<br />

Gewalt unterliegt, daß sich uns die Erkenntnis aufdrängt,<br />

daß nicht nur das menschliche Recht und Gesetz, sondern<br />

die Menschennatur selbst aufgekündigt sein kann.<br />

Der Ausgestoßene ist ein Gegenstand des Mitleids und<br />

des Horrors, verschieden von uns selbst und auch wieder<br />

nicht verschieden. Das eigentümlich Mysteriöse in<br />

<strong>Hamlet</strong>s Motivation rührt vielleicht daher, daß wir nicht<br />

aufhören, das, was ihm begegnet, auf etwas ihn Schre ckendes<br />

hin zu durchlaufen. Wir täten besser daran, ihn als<br />

einen Gegenstand des Horrors vor sich selbst zu sehen.<br />

Der Feind ist<br />

unsere eigene<br />

Frage als Gestalt.<br />

– / carl schmitt<br />

s: 32 ˚ s: 33 ˚


impressum<br />

textnachweis<br />

Theodor Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt a.M. 1966;<br />

Hans Heribert von Arnim, Das System, München 2001;<br />

George Bataille, Henker und Opfer, Berlin 2008;<br />

Stanley Cavell, Der Anspruch der Vernunft, Frankfurt a.M. 2006;<br />

Emil M. Cioran, Das Buch der Täuschungen, Frankfurt a.M. 1990;<br />

Gustav Flankert, Briefwechsel mit den Brüdern Edmond und Jules de Goucourt,<br />

Frankfurt a.M. 2004;<br />

Friedrich Hebbel, Weltgericht mit Pausen, München 2008;<br />

Andrea Höfele, <strong>Hamlet</strong> in: Interpretationen, <strong>Stuttgart</strong> 2000;<br />

Ekkehart Krippendorf, Politik in Shakespeares Dramen, Frankfurt a.M. 1992;<br />

Jan Kott, Shakeapeare heute, Berlin 1989;<br />

Peter von Matt, Die Intrige, München 2006;<br />

Gerhard Mauz zitiert nach: Hans Leyendecker, Die große Gier, Berlin 2007;<br />

Thomas Meyer/Martina Kampmann, Politik als Theater, Berlin 1998;<br />

Carl Schmitt, Politische Theologie, Bd. 1, 1922;<br />

Jonathan Swift, Betrachtungen über einen Besenstiel, Köln 1984;<br />

Josef Vogel, über das Zaudern, Zürich-Berlin 2007<br />

bildnachweis<br />

Fotos von Sebastian Kowski, Ensemble in folgender Reihenfolge: T. Wonka, S. Kowski,<br />

E. Roloff, K. Ortmayr, L. Bitter, M. Kelle, S. Schönfeld, C. Gawenda<br />

Titelgrafik ist dem Magazin der Süddeutschen Zeitung Nr. 37, 12.9.2008 entnommen.<br />

herausgeber<br />

<strong>Schauspiel</strong> <strong>Stuttgart</strong> / Staatstheater <strong>Stuttgart</strong><br />

intendant<br />

Hasko Weber<br />

redaktion<br />

Beate Seidel<br />

mitarbeit<br />

Frank Laske<br />

gestaltung<br />

Strichpunkt, <strong>Stuttgart</strong> / www.strichpunkt-design.de<br />

druck<br />

Engelhardt und Bauer<br />

s: 34 ˚

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