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Vortrag von Frau Dr. Sophia Ennen "Scheidenvorfall beim Schaf"

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<strong>Scheidenvorfall</strong> <strong>beim</strong> Schaf<br />

Beitrag zur 6. Veranstaltung für Schaf- und Ziegengesundheit in Bösleben<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Sophia</strong> <strong>Ennen</strong>, Klinikum Veterinärmedizin, Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und<br />

Andrologie der Groß- und Kleintiere mit Tierärztlicher Ambulanz der Justus-Liebig-Universität<br />

Gießen, Frankfurter Str. 106, 35392 Giessen, <strong>Sophia</strong>.<strong>Ennen</strong>@vetmed.uni-giessen.de<br />

Der Vorfall <strong>von</strong> Scheidengewebe (Inversio et Prolapsus vaginae) tritt <strong>beim</strong> Schaf vorwiegend<br />

im letzten Trächtigkeitsdrittel auf. Bei allen anderen Haussäugetieren einschließlich der<br />

Ziege werden lediglich sporadische Fälle beschrieben, so dass <strong>von</strong> einer typischen<br />

Graviditätsstörung <strong>beim</strong> Schaf gesprochen werden kann.<br />

Bezüglich der Pathogenese existieren mehrere Theorien, <strong>von</strong> denen bisher keine<br />

abschließend bewiesen ist.<br />

Wirtschaftliche Probleme entstehen neben den Behandlungskosten dadurch, dass in der<br />

Folge der Erkrankung mit dem gehäuften Auftreten <strong>von</strong> Geburtsstörungen (Dystokien) und<br />

einer gesteigerten neonatalen Mortalität zu rechnen ist.<br />

Klinisches Bild:<br />

Je nach Ausprägung des <strong>Scheidenvorfall</strong>es sind folgende Formen <strong>von</strong>einander zu<br />

unterscheiden:<br />

Partieller bzw. inkompletter Prolaps: Teile des Scheidengewebes sind vorgefallen<br />

totaler oder kompletter Prolaps: das gesamte Scheidengewebe einschließlich der<br />

Portio cervicis ist vorgefallen<br />

habitueller Prolaps: der Prolaps besteht nur zeitweise, meist wenn das Tier liegt.<br />

Beim Aufstehen kommt es zur spontanen Reposition<br />

stationärer Prolaps: das Scheidengewebe ist unabhängig <strong>von</strong> der Körperhaltung des<br />

Tieres permanent sichtbar<br />

Folgen der Erkrankung:<br />

Das vorgefallene Gewebe verschmutzt und trocknet ein und kann auch mechanisch<br />

beschädigt werden. Erfolgt keine Therapie, ist ein Aufsteigen der Infektion mit nachfolgender<br />

Plazentitis, Frühgeburt oder intrauteriner Infektion des Fetus möglich. Weiterhin zeigen<br />

Schafe mit Prolapsus vaginae häufiger eine mangelhafte Öffnung der Zervix intra partum als<br />

nicht betroffene Tiere.<br />

Neben der potentiellen Störung des Geburtsvorganges und den erhöhten Lämmerverlusten<br />

bereitet die Erkrankung betroffenen Tieren ohne Zweifel Leiden.


Ätiologie und Pathogenese:<br />

Der <strong>Scheidenvorfall</strong> des Schafes kommt weltweit und bei allen Rassen vor. Wahrscheinlich<br />

lässt sich die Erkrankung nicht auf eine einzige auslösende Ursache zurückführen, sondern<br />

wird durch mehrere prädisponierende Faktoren begünstigt. Die Tatsache, dass es in<br />

bestimmten Gebieten oder einzelnen Herden zu einem gehäuften Auftreten kommt, leistet<br />

den Theorien Vorschub, die eine Haltungs- oder Fütterungsabhängigkeit der Erkrankung<br />

vermuten.<br />

Nicht bewiesene Theorien zur Entstehung des <strong>Scheidenvorfall</strong>es.<br />

Haltungsabhängig: Schafe in Gebirgsregionen stärker betroffen?<br />

Fütterungsabhängig: stark gefülltes Abdomen, vor allem in Kombination mit<br />

Mehrlingsträchtigkeiten<br />

Fütterungsabhängig: (subklinische) Hypocalcämie<br />

Managementabhängig: zu kurzes Kupieren der Schwänze<br />

Hormonell bedingt: (Phyt-)Östrogene, Progesteron<br />

Altersabhängig: Zunahme <strong>von</strong> Scheidenvorfällen mit dem Alter und der Zahl der<br />

Ablammungen<br />

Bewiesene Theorie zur Entstehung des <strong>Scheidenvorfall</strong>s:<br />

Störungen im Bindegewebsstoffwechsel<br />

Vor allem der veränderte Kollagenmetabolismus im Vaginalgewebe bedingt einen<br />

verstärkten Bindegewebsabbau und dadurch eine pathologischen Erweichung des Gewebes,<br />

was schließlich zum Auftreten des Vorfalles führt.<br />

Differentialdiagnose:<br />

Die Diagnose kann in den meisten Fällen zweifelsfrei gestellt werden, so dass nur wenige<br />

Differentialdiagnosen in Betracht kommen:<br />

Vorfall der Harnblase<br />

Gebärmuttervorfall<br />

Tumore im Vestibulovaginalbereich<br />

Zysten der Bartholinischen <strong>Dr</strong>üsen<br />

Perinealhernien<br />

Therapie:<br />

Vor der Reposition eines Scheidenprolaps sollte stets palpatorisch und in Zweifelsfällen auch<br />

sonographisch kontrolliert werden, ob die Harnblase ebenfalls vorgefallen ist.<br />

Unter Umständen muss in solchen Fällen vor der Reponierung Harn abgelassen werden.<br />

Anschließend wird das vorgefallene Gewebe gereinigt. Vorhandene Gewebsdefekte sind zu<br />

verschließen.


Um den meist sehr starken Pressreiz auszuschalten, erfolgt die Rückverlagerung des<br />

Gewebes nach Epiduralanästhesie. Bei korrekter Durchführung wird eine Anästhesiedauer<br />

<strong>von</strong> circa einer Stunde erreicht, wodurch zwar nicht die Bauchpresse selbst, aber das durch<br />

die Manipulation im Vaginalbereich reflektorisch ausgeführte Pressen reduziert wird.<br />

Sobald durch die Rückverlagerung des vorgefallenen Gewebes Platz für eine sorgfältige<br />

vaginale Untersuchung geschaffen ist, muss geprüft werden, ob sich das Schaf bereits in der<br />

Geburt befindet. Lag ein vollständiger <strong>Scheidenvorfall</strong> vor, konnte die Portio vaginalis<br />

cervicis bereits vor der Reposition beurteilt werden. Solange sich die Cervix zapfenförmig<br />

und derb darstellt und durch einen Schleimpfropf verschlossen ist, handelt es sich um einen<br />

Prolapsus ante partum.<br />

Besteht der Vorfall schon länger, ist es möglich, dass der Schleimpfropf nicht mehr<br />

vorhanden ist und der äußere Muttermund mit einem Finger passiert werden kann. Trotz<br />

dieser scheinbaren Cervixöffnung befindet sich das Schaf wahrscheinlich nicht in der Geburt,<br />

solange sich das Cervikallumen nach kranial verjüngt und keine Teile <strong>von</strong> Eihäuten sichtbar<br />

oder palpierbar sind.<br />

Bei einem Prolapsus ante partum und lebenden Früchten muss nach der Reposition ein<br />

temporärer Verschluss der Vulva durch Einziehen eines Bühnerbandes oder Anbringen<br />

eines so genannten Lamm- oder Schafretters erfolgen. Das Bühnerband sollte anstelle der<br />

Gerlach-Nadel für Rinder mit Instrumenten eingezogen werden, die an die<br />

Größenverhältnisse der entsprechenden Schafrasse angepasst sind. Es besteht auch die<br />

Möglichkeit, anstelle des Bandes starke Seide (8 metric) <strong>von</strong> der Spule mit Hilfe einer großen<br />

Schlittenkufennadel einzuziehen, allerdings empfiehlt sich in diesem Fall eine trapezförmige<br />

Umstechung der Vulva, um ein späteres Ausreißen des Verschlusses zu vermeiden.<br />

Zusätzlich kann die Schleife ventral der Vulva mit Mulltupfern gepolstert werden, um<br />

<strong>Dr</strong>ucknekrosen entgegen zu wirken.<br />

Das Bühnerband ist dem ebenfalls eingesetzten Flessa-Verschluss aus mehreren Gründen<br />

überlegen. Einer da<strong>von</strong> ist, dass das Band vor der anstehenden Geburt geöffnet, aber nicht<br />

entfernt werden muss. Nach Abschluss der Geburt kann es wieder verschlossen werden,<br />

wodurch einem häufig in den ersten Tagen post partum auftretenden Rezidiv wirkungsvoll<br />

begegnet wird.<br />

Was ist im Anschluss an die Reposition zu tun?<br />

Antibiotische Behandlung<br />

Einmalig: nicht steroidales Antiphlogistikum<br />

Ggf. Tetanusprophylaxe<br />

besonders gründliche Überwachung des Schafes, um den eingebrachten<br />

Scheidenverschluss rechtzeitig öffnen zu können


Komplikationen:<br />

Gelegentlich kann eine geringgradige eitrige Sekretion aus den Stichkanälen beobachtet<br />

werden. Hochgradiger Eiterbildung und Nekrosen <strong>von</strong> Labialgewebe sind selten, führen aber<br />

unter Umständen dazu, dass das Band wieder entfernt werden muss. Bei jeder neuen<br />

Trächtigkeit kann es zu einem Rezidiv kommen.<br />

Prophylaxe:<br />

Da das Vorliegen einer genetischen Komponente nicht ausgeschlossen werden kann, wird<br />

häufig die Merzung der betroffenen Schafe und ihrer weiblichen Nachzucht empfohlen.<br />

Allerdings gibt es keine Studien darüber, ob und wie häufig ein Rezidiv in den nachfolgenden<br />

Trächtigkeiten vorkommt.<br />

Behrens, H., M. Ganter, T. Hiepe (2001): Krankheiten der Geschlechtsorgane, In: Lehrbuch<br />

der Schafkrankheiten (M. Ganter, Hrsg.), Parey Buchverlag, Berlin, 52 - 92.<br />

Bickhardt, K. (1993): Prolapsus vaginae, In: Geburtshilfe bei Haustieren (W. Busch, J.<br />

Schulz, Hrsg.), Gustav Fischer Verlag, Jena, Stuttgart, 518 - 521.<br />

Bühner, F. (1958): Eine einfache chirurgische Verschlußmethode für alle Scheiden- und<br />

Uterusvorfälle. Tierärztl. Umsch., 13, 183 – 187.<br />

<strong>Ennen</strong>, S. und A. Wehrend (2009): Der Vaginalprolaps <strong>beim</strong> Schaf – eine bekannte<br />

Krankheit mit vielen offenen Fragen. KTP 17, 90 - 94<br />

<strong>Ennen</strong>, S., S. Kloss und A. Wehrend (2010): Prolaps vaginae ante partum <strong>beim</strong> Schaf,<br />

Tierärztl. Praxis (G), 38 (2), 120-126<br />

<strong>Ennen</strong>, S., S. Kloss, G. Scheiner-Bobis, K. Failing und A. Wehrend (2011): Histological,<br />

hormonal and biomolecular analysis of the pathogenesis of ovine Prolapsus vaginae<br />

ante partum. Theriogenology, 75, 212 - 219<br />

Everett-Hincks, J.M., K.G. Dodds (2008): Management of maternal-offspring behavior to<br />

improve lamb survival in easy care sheep systems. J. Anim. Sci. 86 (14 Suppl), E 259<br />

- 270.<br />

Kloss, S., A. Wehrend, K. Failing, H. Bostedt (2002): Erhebungen zur Art und Häufigkeit<br />

mechanischer Geburtsstörungen <strong>beim</strong> Schaf unter besonderer Berücksichtigung des<br />

Prolapsus vaginae ante partum. Berl. Münch. Tierärztl. Wochenschr. 115, 247 - 251.<br />

Wehrend, A., H. Bostedt (2005): Untersuchungen zur speziesspezifischen Bedeutung der<br />

Zervix als Dystokieursache. Tierärztl. Umsch. 60, 7 – 12.

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