gPDF - SFB 580 - Friedrich-Schiller-Universität Jena

Martens, Vogel, Gerstenhauer
Das Bewusstsein, als Abgeordneter einer bestimmten
Klasse anzugehören, wirkt sich auch
auf das parlamentarische Handeln aus. So ist
es nur eine Minderheit, die keine informellen
Kontakte zu Mitgliedern anderer Fraktionen
unterhalten – obwohl diese ebenfalls Mitglieder
der gemeinsamen politischen Klasse
sind. Wieder ist die Parallelität der Entwicklungen
bei den Ost- und Westdeutschen in
den Landesparlamenten augenfällig: Seit
2003 nimmt der Anteil keiner und seltener
Kontakte ab, während der Prozentsatz häufiger
Kontakt zunimmt. Ganz anders ist es bei den
Bundestagsabgeordneten. Die Entwicklung ist
hier eher diffus, und zwischen den ost- und
westdeutschen Parlamentariern gibt es deutlich
weniger Übereinstimmung in der Kontakthäufigkeit.
Obwohl die Entwicklungen oft gegenläufig
sind, scheinen sich die Unterschiede im
Jahr 2010 zumindest in Ansätzen eingeebnet
zu haben. Gerade die häufigen Kontakte haben
2007 bei ost- und westdeutschen Abgeordneten
zunächst zugenommen, 2010 dann aber
wieder abgenommen (Abbildung 17).
Neben den empirisch feststellbaren Unterschieden
zeigen sich auch Differenzen in den
gegenseitigen Wahrnehmungen der Abgeordneten.
Hier wird deutlich, dass in den beiden
Parlamenten, die sowohl Repräsentanten aus
dem Gebiet der ehemaligen DDR wie aus
dem Gebiet der alten Bundesrepublik umfassen
– nämlich dem Bundestag und dem
Berliner Abgeordnetenhaus – durchaus Unterschiede
zwischen ost- und westdeutschen
Kollegen wahrgenommen werden. Dabei lässt
sich kein klarer Trend ausmachen. Deutlich
wird aber, dass die Wahrnehmung gar keiner
Unterschiede eine Minderheitenposition war
und ist. Geringe oder gewisse Unterschiede
sind weiterhin die dominierende Kategorie,
wenngleich das Pendel 2010 wieder stärker in
Richtung „gewisser Unterschied“ ausschlägt.
Die Entwicklung der „großen Unterschiede“
zeigt eine Zunahme unter den ostdeutschen
Bundestagsabgeordneten, aber gleichzeitig
eine Abnahme unter den westdeutschen (Abbildung
18).
Die Unterschiede im Repräsentationsverständnis
der Bundestagsabgeordneten sind
teilweise beträchtlich, nehmen aber insgesamt
spürbar ab. Während bei den westdeutschen
Parlamentariern der Aspekt der Vertretung
des gesamten Landes zunehmend in den
Fokus rückt, verliert dieses Anliegen bei ihren
ostdeutschen Kollegen langsam an Unterstützung.
Ähnlicher ist die Entwicklung der Vertretung
des eigenen Wahlkreises – zwar mit
unterschiedlicher Intensität, aber immerhin
in gleicher Richtung verliert dieser Gesichtspunkt
an Bedeutung. Die eigenen Wähler
sind den ostdeutschen Repräsentationseliten
auf Bundesebene immer wichtiger geworden;
bei den westdeutschen Parlamentariern ist
diese Dynamik zuletzt etwas abgebremst. Die
Repräsentation ihrer Partei ist ihnen etwas
wichtiger als den ostdeutschen Mitstreitern
(Abbildung 19).
Deutlich stabiler, und in den jeweiligen Anteilen
der Repräsentationsfoki auch einheitlicher,
sind die Werte für die Landesparlamente.
Während die eigenen
Wähler für ostdeutsche Abgeordnete
wichtiger wurden, erlebte die eigene
Partei eine vorsichtige Zunahme der
Unterstützung bei westdeutschen Parlamentariern.
Mit großem Abstand aber steht die
Vertretung des gesamten Landes – bei ost- und
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