05.11.2013 Aufrufe

gPDF - SFB 580 - Friedrich-Schiller-Universität Jena

gPDF - SFB 580 - Friedrich-Schiller-Universität Jena

gPDF - SFB 580 - Friedrich-Schiller-Universität Jena

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Martens, Vogel, Gerstenhauer<br />

Allerdings ist der beschriebene Elitenabgang<br />

nicht im vollen Umfang mit einer Elitenzirkulation,<br />

d.h. mit dem parallelen Nachrücken<br />

einer Gegenelite, gleichzusetzen. So erfolgte<br />

im November 1989, dem Monat mit der<br />

höchsten Abgangsrate der alten Elite, nur eine<br />

Neurekrutierung von 16 Personen, während<br />

266 Mitglieder der alten Elite ausschieden.<br />

Ein ähnliches Muster zeigt sich in den übrigen<br />

Monaten im 41. Jahr des Bestehens der DDR.<br />

Diese Diskrepanz zwischen ausgeschiedenen<br />

und neu eingetretenen Elitemitgliedern kann<br />

einerseits durch den Wegfall einer Reihe<br />

von Positionen erklärt werden, z.B. durch die<br />

Auflösung des Politbüros und ZK der SED,<br />

des Nationalen Verteidigungsrates und der<br />

Verkleinerung der Ministerialbürokratie. Nach<br />

Angaben von Derlien sank die Anzahl an<br />

verfügbaren Elitenpositionen von 453 vor dem<br />

18. Oktober 1989 auf 184 unter der Regierung<br />

de Maizière (Derlien 1997: 338). Eine weitere<br />

Erklärung für die geringe Anzahl an Neurekrutierungen<br />

ist jedoch auch im Verbleib eines<br />

nicht unerheblichen Teils der alten Eliten zu<br />

finden. Zur Zeit des Amtsantritt Hans Modrows<br />

befanden sich noch 60 Prozent der vor<br />

dem Rücktritt Honeckers (18. Oktober 1989)<br />

amtierenden Elite in ihren ursprünglichen<br />

Positionen (Derlien 1997: 358). Rechnet man<br />

noch die Personen hinzu, die den Sektor ihrer<br />

Tätigkeit wechselten, erhöht sich der Anteil der<br />

alten DDR-Elite innerhalb der Regierungszeit<br />

von Hans Modrow auf 69 Prozent.<br />

Nach der ersten freien Volkskammerwahl am<br />

18. März 1990 und dem Amtsantritt der Regierung<br />

de Maizière sank der Anteil an fortgesetzten<br />

Elite-Karrieren jedoch deutlich. So betrug<br />

der Anteil an Neulingen, also an Personen,<br />

die bisher noch keine Eliteposition innehatten,<br />

während der Regierungszeit Lothar de Maizières<br />

66 Prozent. Nur noch rund 22 Prozent<br />

der Inhaber von Führungspositionen waren<br />

bereits vor dem Sturz Honeckers Mitglieder<br />

der DDR-Elite (Derlien 1997: 358).<br />

In der 10. Volkskammer wurde zudem mit der<br />

Einrichtung von Untersuchungsausschüssen<br />

zur Überprüfung und ggf. Abberufung des<br />

politischen Personals begonnen, die dann zum<br />

Vorbild der Überprüfung des Verwaltungspersonals,<br />

der Juristen und der Wissenschaftler<br />

generierte (Staatsanwalt-Prüfungsausschüsse,<br />

Richter-Wahlausschüsse, Ehrenkommissionen<br />

an <strong>Universität</strong>en; Derlien 1997: 348). Die<br />

einfache SED-Mitgliedschaft stellte dabei in<br />

keinem Elitensektor ein Ausschlusskriterium<br />

darstellte, wohl aber die Übernahme einer<br />

exponierten Elitenposition in der DDR. Die<br />

größten Auseinandersetzungen wurden jedoch<br />

stets bei der Frage nach der formellen<br />

und noch mehr der informellen Mitarbeit mit<br />

dem Ministerium für Staatssicherheit geführt.<br />

Bereits bei der Aufstellung der Kandidaten<br />

für die Volkskammerwahl im März und für<br />

die Landtags- bzw. Bundestagswahlen achteten<br />

die Parteien darauf, keine Personen mit<br />

Stasi-Vergangenheit aufzustellen, da dies die<br />

Wahlchancen minderte. Die Parteien waren<br />

damit jedoch nicht immer erfolgreich, wie<br />

häufige Enthüllungen nach erfolgten Wahlen<br />

zeigten.<br />

Zusammenfassend lässt sich über<br />

die Elitenentwicklung bis zur Wiedervereinigung<br />

festhalten, dass die<br />

Eliteabgänge anfangs vor allem<br />

durch SED-interne Reformbemühungen und<br />

dem Nachrücken der blockierten Generation<br />

innerhalb der SED induziert waren. Berück-<br />

Seite 25

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!