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gPDF - SFB 580 - Friedrich-Schiller-Universität Jena

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Die Wendezeit<br />

Seite 24<br />

benem Wissen bezieht sich also vor allem auf<br />

die politischen Fähigkeiten, aber auch in der<br />

DDR erworbenes technisches Fachwissen war<br />

nicht ohne Einschränkungen konvertierbar<br />

(Solga 1996: 96).<br />

Bis Frühjahr 1989 erschien die DDR als stabil<br />

und wurde nicht nur von der eigenen politischen<br />

Elite, sondern auch von westdeutschen<br />

Beobachtern so eingeschätzt. Die sich durch<br />

die Grenzöffnung in Ungarn verstärkende<br />

Fluchtwelle (exit) und die zusehend selbstbewusster<br />

auftretende Bürgerbewegung (voice)<br />

trafen die DDR-Elite daher unvorbereitet.<br />

EUREKRUTIERUNG<br />

Spätestens nach dem 9. Oktober 1989 in<br />

Leipzig, der den Verzicht auf die „chinesische<br />

Lösung“ markierte, erschien Teilen der etablierten<br />

DDR-Eliten innerhalb des Politbüros<br />

um Egon Krenz und des ZKs der SED der<br />

Zeitpunkt gekommen, nicht nur ihre eigene<br />

Position zu verbessern, sondern durch eine<br />

minimale Elitezirkulation neue Handlungsoptionen<br />

zu eröffnen.<br />

UND IEDER VEREINIGUNGLITENABGANGUNDPARTIELLE WISCHENERBST<br />

Doch der erzwungene Rücktritt Honeckers<br />

(18. Oktober 1989) stärkte die Opposition<br />

in der DDR und die blockierte Generation<br />

innerhalb der SED, die sich ihrerseits<br />

nun als Reformer präsentierten. Die<br />

sich daraufhin überstürzenden Ereignisse<br />

werden zu Recht als „Implosion“<br />

(Derlien 1997: 329) der Machtstrukturen<br />

in der DDR bezeichnet. Doch zunächst<br />

rückten einerseits die blockierten Generationen<br />

innerhalb der „systemkonformen<br />

… Gegenelite“ (Derlien 1997: 336) in die<br />

Elitenpositionen auf und verdrängten die bisherigen<br />

Amtsinhaber. Andererseits wurden<br />

viele Führungsfunktionen abgeschafft, sodass<br />

der damit verbundene Elitenabgang nicht<br />

vollständig durch Neurekrutierungen ersetzt<br />

werden musste.<br />

Die Elitenabgänge vollzogen sich sehr schnell:<br />

so waren bereits zwischen Oktober und Dezember<br />

1989 57 Prozent der noch vor dem<br />

18. Oktober amtierenden 793 Funktionsträger<br />

ausgeschieden (Derlien 1997: 342). So waren<br />

z.B. bis Ende November alle 15 Ersten Bezirkssekretäre<br />

zurückgetreten und 13 Stellvertreter<br />

wurden abgelöst, ebenso wie 142 Erste<br />

Sekretäre der SED-Kreisleitungen. Innerhalb<br />

des neugewählten Parteivorstands der SED<br />

(dem Äquivalent zum bisherigen Zentralkomitee)<br />

gehörten nur 4 von 101 Personen bereits<br />

dem alten ZK an.<br />

Die bisher geschilderten Entlassungen, Rücktritte<br />

oder Abwahlen waren vor allem interne<br />

Entscheidungen der SED oder – in geringerem<br />

Umfang – der Blockparteien und Massenorganisationen,<br />

die auf das Drängen der Parteibasis<br />

und der nachrückenden blockierten Generation<br />

zurückgingen. Spätestens ab Dezember wurde<br />

aber die bisher primär aus politischen Motiven<br />

erfolgten Elitendeselektion durch eine öffentliche<br />

sowie juristische Kritik ergänzt und<br />

verschärft, die von einer „systemkritischen“,<br />

wenngleich eher an Reform der DDR, denn an<br />

Wiedervereinigung interessierten Bürgerbewegung,<br />

getragen wurde. Auch die neugewählte<br />

Regierung Modrow war von diesem Erosionsprozess<br />

der alten Eliten betroffen: so traten allein<br />

im Januar neun Minister zurück oder wurden<br />

ihrer Ämter enthoben (Derlien 1997: 342).

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