gPDF - SFB 580 - Friedrich-Schiller-Universität Jena
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Martens, Vogel, Gerstenhauer<br />
Angesichts der massiven Abwanderung aus der<br />
DDR und ganz besonders nach dem 9. Oktober<br />
1989, als in Leipzig rund 70.000 Menschen<br />
an der Montagsdemonstration teilnahmen und<br />
die Sicherheitskräfte der DDR nicht eingriffen,<br />
schränkte sich der Gestaltungsspielraum<br />
der DDR-Eliten deutlich ein. Insbesondere<br />
ER ERLAUFDER RANSFORMATION<br />
die SED-Führung agierte nicht länger, sondern<br />
konnte nur noch reagieren. Zumindest<br />
NSTITUTIONENTRANSFERUNDREUHAND<br />
für die Anfangszeit der Transformation muss<br />
deshalb von einer schwachen Elitensteuerung<br />
des Umbruchs gesprochen werden, da selbst<br />
die führenden Köpfe des Systemumsturzes<br />
von der Geschwindigkeit und Tragweite der<br />
Ereignisse überrascht waren (Edinger 2004:<br />
66). Schon bald nach der Öffnung der Mauer<br />
wurden Runde Tische eingerichtet, an denen<br />
Vertreter des DDR-Regimes sowie neue Parteien<br />
und Gruppierungen gemeinsam nach<br />
Wegen suchten, um die Demokratisierung<br />
in der DDR voranzutreiben, womit die alten<br />
Strukturen der Entscheidungsfindung nicht<br />
nur delegitimiert waren, sondern letztlich<br />
auch überflüssig wurden. Durch das Ergebnis<br />
der Volkskammerwahl wurde aus der schleichenden<br />
Entmachtung der alten politischen<br />
Elite ein echter Elitenaustausch (s.u.). Im<br />
Zuge dessen wurde das Heft des Handelns in<br />
die Hand der westdeutschen Eliten gelegt. Von<br />
Beginn an war deutlich, dass der Auftrag der<br />
neuen Akteure, die die formalen Elitepositionen<br />
einnahmen, letztlich in der Abwicklung<br />
der DDR bestand. Denn die Ergebnisse der<br />
Volkskammerwahl am 18. März 1990 hatten<br />
deutlich gezeigt, dass die DDR-Bürger eine<br />
schnelle Vereinigung bevorzugten, die dann<br />
auch am von der Volkskammer der DDR<br />
beschlossen wurde und am 3. Oktober 1990<br />
durch Beitritt zur Bundesrepublik vollzogen<br />
wurde. Durch diesen Beitritt der DDR zum<br />
Geltungsbereich des Grundgesetzes wurde<br />
1990 die bundesrepublikanische Rechts- und<br />
Institutionenordnung, vor allem das parlamentarische<br />
Regierungssystem, das Parteiensystem<br />
und die soziale Marktwirtschaft auf<br />
das Gebiet der ehemaligen DDR übertragen<br />
(Ritter 2006: 387).<br />
Die Transformation der Planwirtschaft zur<br />
Marktwirtschaft wurde von Hoffnungen begleitet,<br />
die sich alsbald als illusionär erwiesen.<br />
Ursprünglich war vermutet worden, dass die<br />
Wiedervereinigung und die Sanierung der ostdeutschen<br />
Wirtschaft sich wechselseitig verstärken<br />
würden. Diese Erwartungen erfüllten<br />
sich nicht. Stattdessen folgte auf die politische<br />
Integration beider Staaten der wirtschaftliche<br />
Zusammenbruch in Ostdeutschland.<br />
In den Beschäftigungsstrukturen der ost- und<br />
westdeutschen Industrie vor und nach der<br />
Wende spiegelt sich ein dramatischer Wandel<br />
in der Wirtschaft wider (Tabelle 7). Innerhalb<br />
von zwei Jahren schrumpften Großbetriebe<br />
überwiegend zu kleinen und mittelgroßen<br />
Unternehmen – falls es sie überhaupt noch gab<br />
und sie nicht in den Konkurs gegangen waren.<br />
Zwei Jahre nach der Wiedervereinigung lag<br />
die Industrieproduktion in Ostdeutschland<br />
73 Prozent unterhalb ihres Niveaus<br />
von 1989. Hinter den nüchternen<br />
und abstrakten Zahlen verbergen<br />
sich Effekte einer tief gehenden<br />
wirtschaftlichen und sozialen Anpassungskrise,<br />
die im Ausmaß ihrer Auswirkungen<br />
auf die ostdeutsche Bevölkerung nur mit der<br />
Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre des 20.<br />
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