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gPDF - SFB 580 - Friedrich-Schiller-Universität Jena

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Martens, Vogel, Gerstenhauer<br />

Die Wirtschaftskader hatten gewisse Gestaltungsspielräume<br />

in ihrer Arbeit (indem sie z.B.<br />

ein Informationsmonopol über den Betrieb besaßen<br />

und sie dadurch Einfluss auf Planziffern<br />

nehmen konnten). Sie waren aber als Betriebsdirektoren<br />

persönlich für die Planerfüllung<br />

verantwortlich, die ständig Improvisationen<br />

und die Mobilisierung informeller Netzwerke<br />

bei Materialbeschaffung und Anlagenreparaturen<br />

notwendig machte. Zudem konnten<br />

die Belegschaften nicht zur Kooperation gezwungen<br />

werden. Diese besaßen eine relativ<br />

große passive Stärke, die eine „Beziehungsarbeit“<br />

der Wirtschaftskader gegenüber den<br />

Belegschaften erforderte – oder auch autoritäre<br />

Führungsmethoden hervorrief, die bis heute<br />

manchem Direktor nachgesagt werden.<br />

Zur Beschreibung der betrieblichen Situation<br />

wird oft der Begriff der „Duz-Kultur“<br />

verwendet. Das Duzen von Mitarbeitern und<br />

Vorgesetzten, das in den DDR-Betrieben<br />

üblich war, drückt die besondere und auch<br />

widersprüchliche Situation den Mitarbeitern<br />

gegenüber aus, vor die sich Wirtschaftskader<br />

häufig gestellt sahen.<br />

Diesen Kompetenzen bei der Improvisation<br />

bzw. des Agierens innerhalb bürokratischer Organisationsstrukturen<br />

standen Eigenschaften<br />

gegenüber, die von den Wirtschaftskadern<br />

gerade nicht erwartet wurden, weil sie in der<br />

DDR-Wirtschaft nicht notwendig waren.<br />

Daraus resultierten Defizite an Kompetenzen,<br />

insbesondere in den Bereichen Markterschließung,<br />

konsumentennahe Produktentwicklung<br />

und Vermarktung von Innovationen. Es gab eine<br />

starke Fokussierung der leitenden Wirtschaftskader<br />

auf die jeweilige Binnenperspektive ihres<br />

Betriebes und eine fehlende Außenperspektive<br />

auf den Markt (Schmidt 2005: 236).<br />

Diese Kompetenzmängel im DDR-Management<br />

wurden nach 1989 sichtbar, als neue Fähigkeiten<br />

wichtig wurden, um ein Überleben<br />

der Betriebe in Ostdeutschland während der<br />

Wendezeit zu sichern.<br />

Traditionell war das deutsche Management<br />

schon immer stark durch Ingenieure und<br />

Techniker beeinflusst, weil technische Entwicklungsarbeit<br />

und die Sicherstellung der<br />

Produktionsprozesse seit der beginnenden Industrialisierung<br />

im 19. Jahrhundert einen hohen<br />

Stellenwert in der deutschen Wirtschaft<br />

hatten. Hingegen wurden die Vorstände der<br />

großen Aktiengesellschaften traditionell von<br />

Juristen beherrscht. Dieses „Juristenmonopol“<br />

der nationalen Wirtschaftselite hielt sich in<br />

Westdeutschland bis in die 60er/70er Jahre des<br />

20. Jahrhunderts. Seitdem wuchs der Anteil<br />

wirtschaftswissenschaftlicher Qualifikationen<br />

in den Leitungen der großen westdeutschen<br />

Konzerne kontinuierlich an (Tabelle 5; Hartmann<br />

2006: 435), was auch der Entwicklung<br />

in anderen westeuropäischen Ländern oder<br />

den USA entspricht.<br />

Im Gegensatz dazu waren in der DDR häufig<br />

Techniker und Ingenieure an führender Stelle<br />

in den Wirtschaftskombinaten tätig. Damit<br />

folgten sie der deutschen Tradition, die schon<br />

lange vor der DDR begonnen hatte.<br />

Bis 1989 war die DDR das Industrieland<br />

mit dem weltweit größten<br />

Prozentsatz von Ingenieuren an der<br />

Gesamtbeschäftigtenzahl (Gergs/<br />

Pohlmann 1999: 226). Doch die Anteile<br />

ökonomischer Qualifikationen und auch<br />

gesellschaftswissenschaftlichen Wissens auf<br />

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