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gPDF - SFB 580 - Friedrich-Schiller-Universität Jena

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Die Situation in Politik und<br />

Wirtschaft gegen Ende der DDR<br />

Seite 18<br />

Die Wirtschaft der DDR zeichnete sich durch<br />

einen Primat der Politik aus, der sich als Allmachtsanspruch<br />

der SED äußerte. Dies bedeutete,<br />

dass Entscheidungen über Produkte und<br />

Produktionsprozesse durch Parteigremien und<br />

staatliche Plankommissionen gefällt wurden.<br />

Strategische Unternehmensentscheidungen<br />

wurden nicht vor Ort in den Volkseigenen<br />

IRTSCHAFTSELITENINDER<br />

Betrieben (VEB) oder den Kombinaten, sondern<br />

immer an zentraler Stelle getroffen.<br />

Die Beschäftigten in den Betrieben waren<br />

im Grunde nur planausführende Einheiten<br />

in einer bürokratischen Organisation. Wobei<br />

die Direktoren – als Wirtschaftselite – für<br />

die ordnungsgemäße Umsetzung des Plans<br />

verantwortlich waren.<br />

Damit befanden sie sich in einer „Sandwich-<br />

Position“, weil sie bei Problemen mit der<br />

Planerfüllung den übergeordneten Stellen<br />

Rechenschaft geben mussten, gleichzeitig<br />

aber kaum über Sanktionsmittel gegenüber<br />

den Beschäftigten verfügten. Es gab eine<br />

faktische Beschäftigungsgarantie, die Entlassungen<br />

als Druckmittel stark erschwerte.<br />

Auch materielle Anreize, um die Motivation<br />

seitens der „Werktätigen“ zu steigern, lagen<br />

kaum in der Verfügungsgewalt der Wirtschaftskader<br />

(Aderhold u.a. 1994).<br />

Probleme mit dem Plan waren der<br />

Normalzustand der DDR-Wirtschaft.<br />

Die Produktion konnte nur durch<br />

Improvisationen auf allen Ebenen<br />

mit Hilfe eines umfassenden „Chaos-<br />

Managements“ aufrechterhalten werden. Dabei<br />

war es notwendig, andauernd inoffiziell gegen<br />

Planvorgaben oder Vorschriften zu verstoßen,<br />

damit überhaupt produziert werden konnte.<br />

Üblich war beispielsweise Planziffern ganz<br />

bewusst zu niedrig anzusetzen, damit die<br />

Übererfüllung der Wirtschaftspläne leichter<br />

möglich wurde (Dokument 1), und es mussten<br />

vielfältige Netzwerke zu Kunden, Zulieferern,<br />

Behörden, Parteistellen und anderen Betrieben<br />

geknüpft werden, um die Probleme der<br />

Produktion, mit Hilfe von Tauschvorgängen<br />

in einer inoffiziellen „Schattenwirtschaft“,<br />

bewältigen zu können (Pohlmann/Meinerz/<br />

Gergs 1996).<br />

Die Folgen dieser Strategien beinhalteten<br />

einen strukturellen Widerspruch: die Wirtschaftskader<br />

mussten offiziell die Planziele und<br />

die Planungsmethoden verteidigen und verfolgen,<br />

zugleich wurde aber durch ihr alltägliches<br />

Handeln immer wieder deutlich, dass dies die<br />

ideologische Fassade einer im Wesentlichen<br />

chaotischen Produktion war, die nur mittels<br />

ganz anderer Gesetzmäßigkeiten aufrecht<br />

zu erhalten war. Diese Widersprüchlichkeit<br />

untergrub die Legitimation der Gesellschaftsordnung,<br />

weil Funktionseliten wie die Wirtschaftskader<br />

nicht nur ihre Aufgaben erfüllen,<br />

sondern zugleich sozialistische Vorbilder, also<br />

Werteliten, sein sollten. 4 Nach Auffassung des<br />

Soziologen Stefan Hornbostel entstand indes<br />

vor allem in der Wirtschaft ein „Kadertypus,<br />

den man als pragmatisch orientierten ‚Macher‘<br />

umschreiben könnte. Sie waren also keine<br />

[aktiv opponierenden] Gegeneliten, sondern<br />

eher eine politisch tendenziell indifferente<br />

Führungsgruppe, die auf Problemlösungen<br />

unter widrigen Umständen orientiert war und<br />

nicht selten am Rand der Legalität agierte,<br />

ohne jedoch das politische System in Frage zu<br />

stellen“ (Hornbostel 2000: 127).

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