gPDF - SFB 580 - Friedrich-Schiller-Universität Jena
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Martens, Vogel, Gerstenhauer<br />
Die Kombination aus hohem formalen<br />
Bildungsabschluss und Blockade der Aufstiegschancen<br />
führte zur Unzufriedenheit<br />
innerhalb der jüngeren und gut ausgebildeten<br />
Geburtskohorten. Gleichzeitig sahen sich<br />
diese Personen in der autonomen Ausübung<br />
ihrer spezifischen Fachkompetenzen, seien es<br />
Ärzte, Wissenschaftler oder Künstler, durch<br />
den allgegenwärtigen Vorbehalt und die<br />
Eingriffsmöglichkeit der politischen Eliten<br />
eingeschränkt. Der Personenkreis der „sozialistischen<br />
Intelligenz“ mit blockierten Aufstiegsmöglichkeiten<br />
in Elitepositionen bildete<br />
das Reservoir einer potentiellen Gegenelite, die<br />
sich jedoch aufgrund der bis 1989 effektiven<br />
Repressionsmechanismen nicht offen als Träger<br />
einer Systemkritik darstellte (Welzel 1997:<br />
234). Eine Ausnahme stellen die explizit oppositionellen<br />
Bürgerrechtsbewegungen dar, die im<br />
Verlauf der 1980er Jahre immer deutlicher ihre<br />
Anliegen als vornehmlich unter dem Schutz<br />
der Kirche stehende Umweltschutzgruppen<br />
öffentlich vertraten.<br />
Doch potentielle Gegeneliten fanden sich<br />
auch unter den Angehörigen der im engeren<br />
Sinne politischen „Sub-Eliten“, also der Positionsinhaber,<br />
die auf den Absprungpositionen<br />
in die eigentlichen Elitepositionen blockiert<br />
waren. Beschreiben manche Autoren deren<br />
politische Grundeinstellungen im Vergleich<br />
zur „Gründergeneration“ um Honecker als<br />
pragmatischer, so bleibt doch festzuhalten, dass<br />
sich sogar noch in der Auseinandersetzung<br />
mit der Reformpolitik Gorbatschows keine<br />
öffentlich auftretende Gegenelite formierte.<br />
Erst die massiven Flucht- und Demonstrationsbewegungen<br />
ab Sommer 1989 stärkten<br />
die jüngere Generation, wie sich zunächst in<br />
dem Rücktritt Erich Honeckers (18. Oktober<br />
1989) und kurze Zeit darauf in der Demission<br />
des gesamten Politbüros (3. Dezember 1989)<br />
zeigte. Der damit erzwungene Elitenwechsel<br />
im innersten Führungskreis brachte dann<br />
Personen in Entscheidungspositionen, deren<br />
Gestaltungsspielraum aufgrund der vorangegangenen<br />
Entwicklungen bereits deutlich<br />
geschrumpft war.<br />
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass<br />
das Reservoir politischer Gegeneliten durch<br />
die monopolistischen und ideologischen<br />
Erwägungen Priorität einräumende Kaderpolitik<br />
vor allem innerhalb der „sozialistischen<br />
Intelligenz“ zu suchen ist, deren Angehörige<br />
trotz ihres Bildungsstatus nicht in adäquate<br />
Elitepositionen aufrücken konnten. Diese blockierten<br />
Kohorten fanden sich innerhalb der<br />
SED, aber auch innerhalb der Blockparteien,<br />
in oppositionellen Bürgerrechtsbewegungen,<br />
in den unteren Leitungsfunktionen von<br />
Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur etc. Allerdings<br />
entwickelte sich dieses Potential nicht<br />
zu aktiv die alten politischen Eliten herausfordernden<br />
Gegeneliten. Diese Formierung fand<br />
erst in dem Moment statt, in dem die gesamte<br />
Basis für den Aufstieg in Elitepositionen – die<br />
DDR selbst – in Auflösung begriffen war.<br />
Eine handlungsbereite Gegenelite stand damit<br />
für die Gestaltung der Transformation in<br />
Ostdeutschland zu Beginn der Transformation<br />
nicht zur Verfügung, jedoch eine blockierte<br />
Generation, die sich allerdings bis in<br />
den Herbst 1989 hinein äußerlich<br />
systemloyal und aufstiegsorientiert<br />
verhielt.<br />
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