gPDF - SFB 580 - Friedrich-Schiller-Universität Jena
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Die Situation in Politik und<br />
Wirtschaft gegen Ende der DDR<br />
Seite 16<br />
Der angestrebten und auch umgesetzten Öffnung<br />
des Zugangs zu Elitepositionen wirkten<br />
jedoch zwei Faktoren als Schließungsmechanismen<br />
entgegen: der Führungsanspruch der<br />
SED und die eng damit verbundene Bedeutung<br />
der Parteiloyalität als wichtigstes Elitenselektionskriterium.<br />
Die zentralen Elitenpositionen<br />
in allen Bereichen – mit Ausnahme<br />
der Kirchen – wurden von SED-Anhängern<br />
eingenommen. Auch die Elitenauswahl selbst<br />
wurde in den Händen der politischen (SED-)<br />
Elite im engeren Sinne monopolisiert und<br />
hierarchisiert, sodass nur ein relativ kleiner<br />
Kreis von ca. 500 bis 600 Funktionsträgern zur<br />
politischen Elite der DDR im eigentlichen<br />
Sinne zu rechnen ist, wobei innerhalb dieser<br />
Gruppe der größte Einfluss den Mitgliedern<br />
des SED-Politbüros und den Ersten SED-<br />
Sekretären auf Bezirksebene zugeschrieben<br />
wird (Meyer 1991: 76ff.). Die Kombination<br />
des Machtmonopols in den Händen einer<br />
zahlenmäßig sehr kleinen politischen Elite<br />
verursachte allein durch die Fülle von zu<br />
treffenden Entscheidungen eine faktische<br />
Überlastung der politischen Elite.<br />
Trotz der Dominanz der Parteiloyalität lassen<br />
sich insgesamt drei Rekrutierungskriterien benennen,<br />
die einen Einfluss auf die Karrieren<br />
von Eliten in der DDR hatten (Salheiser 2009:<br />
42): politische Loyalität (Parteimitgliedschaft,<br />
gesellschaftliche Aktivitäten), soziale Herkunft<br />
(beispielsweise die soziale Stellung<br />
der Eltern) und Professionalität, die<br />
sich z.B. in der Gewichtung akademischer<br />
Qualifikationen niederschlug.<br />
Durch sozialwissenschaftliche Analysen des<br />
Zentralen Kaderdatenspeichers des Ministerrates<br />
der DDR (vgl. Best/Remy 2006; Salheiser<br />
2009) sind heute detaillierte Aussagen über<br />
den unterschiedlichen Stellenwert der drei Dimensionen<br />
möglich (Abbildung 1, Abbildung<br />
2 und Abbildung 3).<br />
Zwar spielten Leistungskriterien, insbesondere<br />
akademische Abschlüsse, eine wichtige Rolle<br />
bei der Entscheidung über die Besetzung<br />
oberster Leitungspositionen in der DDR-<br />
Wirtschaft, doch noch wichtiger war politische<br />
Loyalität, die durch Mitgliedschaft in der kommunistischen<br />
Partei (der SED) nachgewiesen<br />
werden musste. Demgegenüber wurde der<br />
soziale Hintergrund, etwa in der Weise, dass die<br />
Eltern zur Arbeiterschaft gehörten, im Laufe<br />
der DDR-Geschichte für die Rekrutierung der<br />
Wirtschaftselite immer unwichtiger. Stattdessen<br />
lassen sich schon für die 1970er und 1980er<br />
Jahre starke Tendenzen der sozialen Schließung<br />
und der Selbstrekrutierung der Eliten beobachten,<br />
die sich nach der Wende 1989 noch<br />
verstärken sollten.<br />
Diese soziale Schließung fand vor dem Hintergrund<br />
einer Bildungsexpansion in der DDR<br />
statt, die zu einer stetigen Vergrößerung des<br />
Anteils an Personen mit Hochschulabschlüssen,<br />
der so genannten „sozialistischen Intelligenz“,<br />
führte. Hatte die DDR nun in ihren<br />
Gründungsjahren den Anspruch tatsächlich<br />
eingelöst, die Angehörigen der unteren Schichten<br />
über den Doppelweg von Bildung und<br />
Parteiarbeit in Führungspositionen zu bringen,<br />
so blockierten genau diese Kohorten spätestens<br />
seit den 1980er Jahren die Elitepositionen in<br />
allen gesellschaftlichen Sektoren. Vor allem<br />
die fehlenden Ablösungsmechanismen und die<br />
weit verbreitete Ämterkumulation führten zu<br />
einer Überalterung der Eliten.