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kultur im karree Foto: Monika Nonnenmacher SÜLZ UND KLETTENBERG – EIN STETER FLUSS DER VERSE Auf der Suche Text und Fotos: Thomas Dahl nach dem lyrischen Ich Lyrik wird zwar gerne gelesen, aber ungerne gekauft.“ Dieser Ausspruch einer Angestellten einer Kölner Buchhandlung bringt ein ganzes Literaturgenre auf den Punkt. Unabhängig vom kommerziellen Nullwert glimmt sie jedoch – die Lust an gedichteten Versen funkelt im Schatten der Belletristik- oder Sachbuchbestseller, und nicht selten offenbaren sich dem Lyrikliebhaber kleine Sterne der Gegenwartsliteratur. Ob gereimt oder in freien Zeilen, als Sonett oder Hexameter, die Möglichkeit zum vielleicht unmittelbarsten Ausdruck auf dichtestem Raume lockt Menschen durch alle Zeiten an die Feder. Die Nähe zur Popmusik lässt auch junge Autoren die vermeintliche Scham vor den innersten Ansichten der Seele vergessen. Letztlich sind Songs nichts anderes als vertonte Lyrik. Die Wege in Sülz und Klettenberg sind zwar nicht mit Poesie gepfl astert, aber ihr Geist liegt in der Luft. In Schulen, Bibliotheken, Ateliers, Cafés und Parkanlagen fl ießt ein Fluss von Versen. Wir haben die Segel gesetzt und uns durch eine bemerkenswerte Wortlandschaft treiben lassen. 18
Post vom Dichter: postpoetry. Annika Fricke, Leiterin der Stadtteilbibliothek Köln-Sülz. Bisher war das Interesse an Lyrik bei uns eher bescheiden“, gesteht die Leiterin der Stadtteilbibliothek Sülz, Annika Fricke. Um diesen Zustand zu ändern, beteiligt sich die städtische Einrichtung in der Wichterichstraße seit zwei Jahren am Projekt postpoetry. Der landesweite Wettbewerb prämiert die Texte junger Literaten mit dem Abdruck auf eigens gestalteten Postkarten. Über 20.000 dieser Kleinkunstwerke liegen in Büchereien und Buchhandlungen aus. Darüber hinaus stellen die Preisträger ihre Gedichte auf Lesereisen zusammen mit bereits etablierten Lyrikern vor. Initiiert durch die Gesellschaft für Literatur in Nordrhein-Westfalen unterstützt der Förderverein der Sülzer Stadtteilbibliothek, Lesezeichen e. V., die Veranstaltung mittlerweile nachhaltig. „Lyrik ist grundsätzlich ein schwieriges Thema. Wenn wir das nicht ein wenig fördern, lesen die Leute noch weniger, als dies eh schon der Fall ist“, unterstreicht Margarete Verweyen ein Anliegen des Fördervereins, in dem sie als Vorsitzende tätig ist. Leibhaftig erlebten im Januar dieses Jahres zwei Schulklassen des Hildegardvon-Bingen-Gymnasiums den Auftritt der postpoetry.-Preisträgerin von 2011, Christiane Reinert. Die Abiturientin aus St. Augustin zog die Achtklässler mit Selbstreflektionen und Sozialkritik in Lyrikform in ihren Bann. „Manchmal hat man einfach das Gefühl, dass man etwas sagen muss. Gedichte bieten dafür eine ideale Möglichkeit. Sie können derart verknappt werden, dass alles Überflüssige verschwindet“, warb die 18-Jährige bei den Schülern für das Genre. Während der anschließenden Diskussion mit postpoetry.-Organisatorin Monika Littau sowie der Kölner Autorin Eva Weissweiler waren sich alle einig: „Gedichte berühren. Lyrik kann glücklich machen. Wer selber schreibt, ist nicht uncool!“ Stadtteilbibliothek Sülz, www.stbib-koeln.de Lesezeichen e. V., www.lesezeichen-koeln.de postpoetry., http://postpoetry2011.blogspot.com fähig CHRISTEL ARINGs Freiraum-Plaudereien Manche behaupten, die Lyrik friste ein Spartendasein, dabei ist sie uns in die Wiege gelegt: Von Brahms’ Wiegenlied bis zum Popsong, ob in den bildenden oder darstellenden Künsten, die Lyrik ist Bestandteil unseres Lebens; wir nennen Momente „poetisch“ und köstliche Torten „ein Gedicht“. Ich lese Gedichte auf, wie ich Steine oder Muscheln am Strand sammle, zufällig und sporadisch, und auf meinem Rechner ist ein Ordner mit Lieblingsgedichten, darunter solche, die mich beflügeln und solche wie Lichter in der Hölle. Das Gedicht ist eine Partitur und braucht einen Ort, wo es erklingen kann, braucht die Bühne und die Intimität, die Berührung und Verwandlung ermöglicht. Ein solcher Ort wollte der Freiraum immer sein, und es gibt wunderbarerweise Menschen, die uns nur um der Poesie willen großzügig unterstützen und Dichter wie Niklas Schütte oder Rolf Persch, die uns Abende bereiteten, die noch immer nachklingen. Glauben wir den Neurowissenschaften, macht es uns glücklich, lauthals Gedichte zu lesen. Der brillante Peter von Matt jedoch nennt die Lyrik „die verborgene Pracht“. Des Luxus und der Lüge verdächtig, scheint sie die rätselhafteste und vielleicht sogar gefährlichste aller Künste zu sein. Gedichte sind Stolpersteine – und in der Tat, nichts könnte Sie so leicht und gründlich aus dem Tritt bringen, wie morgens und abends ein Gedicht zu rezitieren. Lyrik ist verführerisch: “she comes in beauty“. www.freiraum-galerie.de 19
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