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Berliner anarchistisches Jahrbuch - North-East Antifascists [NEA]

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APRIL<br />

Letztere Szene hat sich aber in den<br />

vergangenen Jahrzehnten von einer<br />

authentischen Selbstsuche und experimentierfreudigen<br />

Lebensformen zu<br />

einer Szene vielfacher Konformitäten,<br />

sinnentleerter Nachahmungen und<br />

retromoderner Verhaltensweisen verändert.<br />

Vielfach ist diese selbstgenügsame<br />

Szene auch in das Hamsterrad<br />

des Konsumismus eingestiegen und<br />

besorgt sich ihre identitätsstiftenden<br />

Versatzstücke auf dem kapitalistischen<br />

Markt – oft ohne mehr nach der<br />

Herkunft und den Bedingungen ihrer<br />

Produktion zu fragen. Die Kommunikation<br />

innerhalb dieser Subkulturen<br />

erweist sich häufig als schwierig und<br />

bewegt sich in tief eingegrabenen Spuren,<br />

die sich mehr oder weniger im<br />

Kreise drehen.<br />

Sich den Fragestellungen und Herausforderungen<br />

der Mehrheitsgesellschaft<br />

stellen heißt aber, sich auf das Ungewohnte<br />

einzulassen und auch auf das<br />

Abzulehnende, um es argumentativ<br />

und gegenbeispielgebend herauszufordern.<br />

Einfache Provokationen wie in<br />

der 1968er Zeit sind selten noch Mittel,<br />

mit denen sich die daran aus der Werbewirtschaft,<br />

Kino, Theater und Politik<br />

gewöhnte Bevölkerung aus der Reserve<br />

locken lässt. Schließlich und endlich<br />

wäre es aber absurd, die Normalbevölkerung<br />

zu Lebensformen auffordern zu<br />

wollen, wie sie in manchen abgeranzten<br />

Wohnprojekten oder einst besetzten<br />

Häusern zu finden sind. Mensch<br />

muss die Leute dort abholen, wo sie<br />

sind und darf nicht ausschließen, auch<br />

von ihnen etwas lernen zu können.<br />

Der heute existierende diffuse Anarchismus,<br />

der osmotisch, also langsam<br />

durchdringend auf die Gesellschaft<br />

wirkt, wird zweifellos weiterbestehen<br />

und hat seine Vorteile – beispielsweise<br />

den einer relativen Unangreifbarkeit,<br />

weil es keine öffentlich wahrnehmbaren<br />

Leitfiguren und kaum physisch<br />

angreifbare Projekte gibt. Der diffuse<br />

Anarchismus garantiert eine weitere<br />

langsame Durchdringung gesellschaftlicher<br />

Verhältnisse, allerdings um den<br />

Preis einer Langsamkeit, die der Dringlichkeit<br />

heute zu lösender Probleme<br />

wenig gerecht wird. Im Weltmaßstab<br />

erleben wir ökologisch und wirtschaftlich<br />

apokalyptische Entwicklungen,<br />

die uns sehenden Auges in die Vernichtung<br />

führen. Vieles davon ist längst<br />

irreversibel – nicht mehr rückgängig<br />

zu machen, und wenn, dann nur noch<br />

in Jahrhunderten oder Jahrtausenden.<br />

Das betrifft zum Beispiel offensichtlich<br />

den weiter anwachsenden Atommüll<br />

und die Klimaerwärmung aufgrund<br />

des Industrialismus und der devastierenden<br />

Flächenverbräuche (LandGrabbing),<br />

von tausenden ausgerotteten Arten<br />

in der Tier- und Pflanzenwelt gar<br />

nicht zu reden.<br />

Diese letztere Problemstellung verdeutlicht,<br />

dass es mit einer langsamen<br />

Durchdringung der Gesellschaft alleine<br />

nicht getan sein kann, sondern<br />

dass es erheblicher Kursveränderun-<br />

gen menschlichen Lebens bedarf, um<br />

zu retten was noch zu retten ist. Nicht<br />

nur ökodiktatorische Verhältnisse, gepaart<br />

mit einem neuerlichen „grünen“<br />

Kapitalismus ökogerechtfertigter Ausbeutungsverhältnisse<br />

drohen, sondern<br />

eine außer Rand und Band geratene<br />

mutagene Umwelt und der Untergang<br />

des Menschen, wie wir ihn kennen<br />

oder gar als Art. Hinzu kommen neue<br />

Gefährdungen durch energetische<br />

Kriegführung und eine außer Kontrolle<br />

geratene Roboter- und Elektronenhirn-Kultur.<br />

Es wäre also Zeit, alle Kräfte zusammenzunehmen<br />

und libertärem Leben<br />

zu mehr Daseinsberechtigung<br />

zu verhelfen, indem mensch sich zu<br />

existenzfähigen, experimentellen und<br />

potentiell beispielgebenden Gesellschafts-Clustern<br />

zusammentut und<br />

viele anarcho-gallische Dörfer im römischen<br />

Imperium des Kapitalismus<br />

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