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Berliner anarchistisches Jahrbuch - North-East Antifascists [NEA]

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APRIL<br />

VON BOLO’BOLO ZU KRAFTWERK1,<br />

KRAFTWERK2 USW… USW…<br />

Jochen Knoblauch<br />

Rundumpaket Lust & Luxus<br />

Im Jahre 2011 konnte das Wohnprojekt<br />

KraftWerk1 in Zürich seinen 10. Geburtstag<br />

feiern und die gleichnamige<br />

Bau- und Wohnungsgenossenschaft<br />

konnte 2010 bereits auf ein 15jähriges<br />

Bestehen zurückblicken. Sicherlich<br />

gibt es ältere Bau- und Wohnungsgenossenschaften,<br />

aber das interessante<br />

an diesem Projekt ist, dass dies ein<br />

Ergebnis der Zürcher Jugendrevolte<br />

zu Beginn der 1980er Jahre war, mit<br />

seinen Kämpfen um Wohnraum, den<br />

Hausbesetzer*innen. Und am Anfang<br />

war ein Buch: Bolo’bolo vom Schweizer<br />

Autor P. M.<br />

»Wer hat’s erfunden? Die Schweizer.«<br />

Nun, dass wäre mit Sicherheit etwas<br />

übertrieben. Der Wunsch nach einem<br />

solidarischen, einem guten Leben ist<br />

sicherlich so alt wie die Menschheit,<br />

und die recht betuchte Schweiz nicht<br />

zwingend der Ausgangspunkt für revoltierende<br />

Massen. Aber 1980–1982<br />

erlebte auch die Schweiz für ihre Verhältnisse<br />

recht radikale Kämpfe um<br />

bezahlbaren Wohnraum.<br />

In dieser Zeit tauchte ein kleines<br />

Büchlein mit dem kryptischen Titel<br />

Bolo’bolo auf. Der Autor wählte als<br />

Pseudonym die Initialen P. M. (die<br />

häufigsten Buchstaben im Zürcher Telefonbuch),<br />

um nicht als Leitfigur einer<br />

undogmatischen Linken hingestellt zu<br />

werden. Ebenso wie in seinem Buch,<br />

ging es um Vorschläge, um eine »reale<br />

Utopie«, die sofort umsetzbar sei,<br />

wenn nur genügend Menschen mitmachen<br />

würden. Ganz so einfach ist die<br />

Sache dann doch nicht, aber aus der<br />

Bolo’bolo-Idee wuchs langsam aber<br />

stetig mit langen Diskussionen und<br />

Kämpfen die Idee zu »KraftWerk1« heran.<br />

Es war die Beharrlichkeit der Aktivist*<br />

innen, der Glaube daran, dass Wohnen<br />

nicht immer auch teuer sein muss,<br />

dass Ökologie kein Verzicht bedeutet,<br />

dass biologische Ernährung nicht<br />

nur Besserverdiener*innen vergönnt<br />

ist. Ein Rundumpaket, wo Lust und<br />

Luxus mit drin sein sollte, wo alles,<br />

wofür die Straßenschlachten<br />

der 1980er Jahre standen, umgesetzt<br />

werden sollte. An den hohen Ansprüchen<br />

sind schon manche Projekte<br />

zerbrochen. Auch KraftWerk1<br />

musste auf seinem langen Weg über<br />

5 Jahre verschiedene Probleme lösen,<br />

Kompromisse machen. Wenn etwa<br />

von Seiten der Radikalen KraftWerk1<br />

die Zusammenarbeit mit Banken vorgeworfen<br />

wird. Aber wenn wir schon<br />

nicht alle Banken ausrauben können,<br />

warum dann nicht deren Geld für unsere<br />

Häuser benutzen? (Wer letztlich<br />

natürlich wen benutzt, bleibt eine Frage<br />

der Ideologie.)<br />

Und bei aller Kritik: Die KraftWerklerInnen<br />

mischen sich auch weiterhin in<br />

stadtpolitische Kämpfe ein, sie begnügen<br />

sich nicht nur mit ihrem warmen<br />

Plätzchen, sondern es geht weiter…<br />

Im Februar 2012 wurde KraftWerk2<br />

bezogen, KraftWerk3 scheint gescheitert<br />

zu sein, aber inzwischen gibt<br />

es weitere Menschen, die an Kraft-<br />

Werk4 stricken. Auch das ist eine<br />

Bolo’bolo-Idee: Jeder Stein, der ins<br />

Wasser fällt, verursacht Wellen. Und<br />

trägt somit die Idee weiter und immer<br />

mehr Menschen schließen sich ihnen<br />

an, bzw. bauen ‘ wortwörtlich ‘ auf bestehende<br />

Erfahrungen auf und treiben<br />

das Gesamte weiter voran.<br />

Die Idee bzw. das Projekt KraftWerk1<br />

ist ein Teil einer Bewegung, die auf<br />

Genossenschaften, auf solidarisches<br />

Handeln und soziales wirtschaften<br />

Kraftwerk1 - Heizenholz (Foto: Katrin Simonett)<br />

abzielt. Ein Mosaiksteinchen. Aber<br />

je entfernter die Draufsicht auf das<br />

Ganze ist, desto deutlicher wird<br />

das Bild sein. Ein KraftWerk an das<br />

andere, bis es ‘ zumindest in der<br />

Schweiz ‘ zu einem Neustart kommt.<br />

Allein die Idee besitzt schon viel Kraft,<br />

so wie eben aus einem kleinen Büchlein<br />

eine recht große Genossenschaft geworden<br />

ist.<br />

P. M. gibt in seinem Artikel einen kleinen<br />

geschichtlichen Überblick. Andreas<br />

Hofer, einer der Mitbegründer der<br />

Genossenschaft KraftWerk1, nähert<br />

sich unserem Thema eher auf theoretischer<br />

Ebene mit der Frage nach<br />

der Partizipation in Genossenschafte<br />

und ein kleines Interview mit dem<br />

Verleger, Buch- und Weinhändler Thomas<br />

Geiger sollen einen kleinen Einblick<br />

in den Alltag von KraftWerk1<br />

geben.<br />

aus CONTRASTE Nr. 331<br />

(April 2012, Schwerpunktthema, Seite 1)<br />

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