05.11.2013 Aufrufe

Download des Heftes Nr. 40 als pdf Datei - Fachverband ...

Download des Heftes Nr. 40 als pdf Datei - Fachverband ...

Download des Heftes Nr. 40 als pdf Datei - Fachverband ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

3<br />

Inhalt<br />

Klaus Draken:<br />

Mitteilungen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>vorsitzenden<br />

4<br />

Anschriften der Verfasser 7<br />

Thomas Metzinger:<br />

Die Selbstmodell-Theorie der Subjektivität –<br />

Eine Kurzdarstellung in sechs Schritten<br />

Christiane Schildknecht:<br />

Phänomenales Bewusstsein<br />

8<br />

23<br />

Programm der Tagung „Interkulturelle Philosophie“ 33<br />

Roland Henke, Eva-Maria Sewing:<br />

Entzaubert die Evolutionstheorie zuletzt auch das Selbst? –<br />

Zur Tragfähigkeit der Ich-Theorien von Blackmore und Metzinger<br />

Bernd Rolf:<br />

Die repräsentationale Tiefenstruktur <strong>des</strong> Bewusstseins nach<br />

Antonio R. Damasio<br />

Helmut Engels:<br />

Bewusstsein von Innen –<br />

Phänomenologie <strong>des</strong> Bewusstseins im Unterricht<br />

Gabriele Münnix:<br />

Solipsismus <strong>als</strong> Gedankenexperiment: Wege zum Ich?<br />

<strong>40</strong><br />

42<br />

52<br />

58<br />

IfL-Tagungsankündigungen 62<br />

Klaus Draken:<br />

Geist und Gehirn – und Lernen<br />

63<br />

Beitrittserklärung und Einzugsermächtigung (Vordrucke) 65<br />

Impressum 67<br />

Zum Titelbild: „There - there’s a place, where I can go, […] and it’s my mind.“ Auf diesen Songtext<br />

bezogen stellt das Bild John Lennon von den Beatles “in-sich-gehend” dar. Doch was wird er dort<br />

finden? Phänomenologisch oder biologistisch betrachtet – zu diesem Bild aus einem Beatles-<br />

Songbook gibt es keine Angaben über seinen Urheber. Schade!<br />

(aus: THE BEATLES Complete. London, New York, Sydney: Wise Publications, 1975. S.16)<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


4<br />

Klaus Draken<br />

Mitteilungen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>vorsitzenden<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

in diesem Heft veröffentlicht der <strong>Fachverband</strong> Philosophie NRW Ergebnisse der Tagung<br />

„Geist und Gehirn“, die in Kooperation mit dem Institut für Lehrerfortbildung Mülheim<br />

am 30.06/01.07.2004 in Schwerte stattfand. Ausdrücklich sei an dieser Stelle<br />

noch einmal unserem ehemaligen Lan<strong>des</strong>vorsitzenden und jetzigen Bun<strong>des</strong>vorsitzenden<br />

Dr. Bernd Rolf für die Organisation dieser äußerst anregenden Tagung gedankt.<br />

Jahrestagung 2005: „Interkulturelle Philosophie – Unterricht zwischen Universalitätsanspruch<br />

und `Kampf der Kulturen´ “<br />

Die diesjährige Fortbildungstagung wird - wiederum <strong>als</strong> Kooperationsveranstaltung mit<br />

dem IfL - am 15./16. November 2005 in Bensberg ausgerichtet. Als Referenten zum<br />

Thema „Interkulturelle Philosophie“ konnte der <strong>Fachverband</strong> namhafte Experten gewinnen:<br />

Prof. Claudia Bickmann (Uni Köln, Präsidentin der Gesellschaft für interkulturelle<br />

Philosophie), Prof. Ram Adhar Mall (Uni München, Gründungspräsident der Gesellschaft<br />

für interkulturelle Philosophie), Heinz Kimmerle (Uni Rotterdam, Professur<br />

für Grundlagen der interkulturellen Philosophie) und Dr. Gabriele Münnix (IfL, Uni<br />

Innsbruck). Die angebotenen Arbeitskreise sind sowohl auf die Interessen der Philosophielehrer/innen<br />

<strong>als</strong> auch auf die der Lehrerinnen und Lehrer der Praktischen<br />

Philosophie ausgerichtet.<br />

Neue Tagung: „Methodenvielfalt im Philosophieunterricht“<br />

Am 14. und 15. Juni fand dieses Jahr zum ersten mal eine vom <strong>Fachverband</strong> in Kooperation<br />

mit dem IfL ausgerichtete Tagung statt, die sich in erster Linie an Referendar/innen<br />

richtete, die im eigenständigen Unterricht das Oberstufenfach Philosophie<br />

erteilen. So sollte ein Forum geboten werden, auf dem Philosophie-Fachleiter der verschiedenen<br />

Seminare ihre aktuellen didaktisch-methodischen Überlegungen für weitere<br />

Kreise anbieten konnten. Nebenbei bemerkt waren die Referenten somit auch die<br />

potentiellen Fremdprüfer der späterer Staatsexamensprüfungen der Teilnehmer/innen,<br />

denen hier ebenfalls ein Forum <strong>des</strong> Austauschs geboten werden sollte. Die Erfahrungen<br />

der Tagung werden noch ausgewertet und über eine Fortsetzung – eine längerfristige<br />

Form würde noch zu erarbeiten sein – wird nachgedacht.<br />

Fach „Philosophie“: Vorgaben für das Abitur 2007<br />

Wie den Philosophiekolleg/innen nicht entgangen sein wird, haben wir nun verbindliche<br />

„Vorgaben zu den unterrichtlichen Voraussetzungen für die schriftlichen Prüfungen<br />

im Abitur in der gymnasialen Oberstufe im Jahr 2007“ in NRW. Im Vorfeld hat der<br />

<strong>Fachverband</strong> schriftlich beim mit der Bearbeitung beauftragten Fachdezernenten auf<br />

die große Bedeutung der bestehenden Freiheiten im derzeitigen Lehrplan – gerade in<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


5<br />

Bezug auf die geforderte Schülerorientierung – hingewiesen. Nach dem Vorliegen der<br />

ersten veröffentlichten Entwurfsfassung haben wir nochm<strong>als</strong> von der Möglichkeit einer<br />

kritischen Rückmeldung Gebrauch gemacht und auf fragwürdige Punkte hingewiesen.<br />

Es kam dann tatsächlich noch zu punktuellen Veränderungen, die an einigen Stellen<br />

sogar grundlegend vorgenommen wurden. Die nun vorliegende Fassung bringt für unser<br />

Fach zwar eindeutige Planungseinschränkungen gegenüber der alten Situation,<br />

stellt im Vergleich zur Situation in anderen Fächern aber – die persönliche Bewertung<br />

sei mir erlaubt – eine insgesamt erträgliche Situation her. Einzusehen ist der aktuelle<br />

und damit verbindliche Stand für den Abiturjahrgang 2007 im Internet unter<br />

http://www.learn-line.nrw.de/angebote/abitur/download/philosophie31012005.<strong>pdf</strong>. Eine<br />

„Implementation“ soll wohl zu Beginn <strong>des</strong> neuen Schuljahres erfolgen. Allerdings gab<br />

es auch Verlautbarungen der CDU, die eine Verschiebung der Einführung <strong>des</strong> Zentralabiturs<br />

möglich erscheinen lassen. Insgesamt wirkt der heutige Stand stark <strong>als</strong> „Übergangslösung“,<br />

da im Zuge <strong>des</strong> Abiturs nach 12 Jahren eine Überarbeitung der<br />

Lehrpläne ansteht. Hier wird für das Fach Philosophie darauf zu achten sein, dass<br />

durch die zweijährige Oberstufe kein Bedeutungsverlust unseres reinen Oberstufenfaches<br />

entsteht.<br />

Fach „Praktische Philosophie“: Die neue APO-SI<br />

Die neue APO SI vom April 2005, ebenfalls im Internet einzusehen unter<br />

http://www.bildungsportal.nrw.de/BP/Schule/System/Recht/Vorschriften/APOen/APO_<br />

SI.<strong>pdf</strong>, sieht wie gehabt „für Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht<br />

teilnehmen, [...] in den Klassen 9 und 10 bei Vorliegen der personellen und sächlichen<br />

Voraussetzungen das Fach Praktische Philosophie“ (§3 (4)) vor. Auch hier hat<br />

der <strong>Fachverband</strong> im Zuge <strong>des</strong> angesetzten Beteiligungsverfahrens schriftlich die Interessen<br />

der Kolleginnen und Kollegen in den Fächern Praktische Philosophie/ Philosophie<br />

eingebracht. Abzuwarten bleibt, inwiefern Praktische Philosophie in Zuge der<br />

kommenden Veränderungen der gymnasialen Oberstufe <strong>als</strong> vollwertig vorbereiten<strong>des</strong><br />

SI-Fach dem SII-Fach Philosophie zugeordnet werden wird. Der <strong>Fachverband</strong> Philosophie<br />

wird sich an den entsprechenden Stellen dafür einsetzen.<br />

Zum Schluss noch eine kurze Richtigstellung: Die Information aus dem letzten Heft,<br />

die vorläufige Unterrichtserlaubnis für PP werde auch ohne Verpflichtung zur Teilnahme<br />

an einem Fortbildungskurs erteilt, beruhte auf einem Irrtum.<br />

Ausbildung: „Praktische Philosophie“ an den Studienseminaren für Gymnasien<br />

und Gesamtschulen<br />

Über die veränderte Situation, dass Quereinsteigern ins Referendariat seit letztem<br />

Jahr das neue „Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen“ mit dem neuen Schrägstrich-Fach<br />

„Praktische Philosophie/Philosophie“ anerkannt wurde, kam Bewegung in<br />

die Diskussion um die Ausbildungssituation in der zweiten Ausbildungsphase. So wird<br />

nun eine Nachqualifizierung aller Fachleiter/innen „Philosophie“ im neuen Fach „Praktische<br />

Philosophie“ angeboten, die in eine entsprechende Erweiterungsprüfung zum<br />

Staatsexamen mündet. Dadurch soll die Seminarausbildung in der zweiten Ausbildungsphase<br />

mit dazugehörigen Abschlussprüfungen inhaltlich vorbereitet und rechtlich<br />

abgesichert werden. Dies ist m.E. eine zu begrüßende Würdigung <strong>des</strong> neuen Faches<br />

in seinem eigenständigen Profil wie in seiner Anbindung an die Leitwissenschaft<br />

Philosophie.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


6<br />

In eigener Sache: Zum neuen Vorsitzenden in NRW<br />

Nachdem ich auf der letzten Mitgliederversammlung<br />

die Wahl zum Vorsitzenden der Lan<strong>des</strong>gruppe NRW<br />

angenommen habe, ist es m. E. angebracht, ein paar<br />

Worte in eigener Sache zu verlieren.<br />

Zu meiner Person:<br />

* 1959 in Krefeld am Niederrhein geboren und dort die<br />

Schule besucht;<br />

* im Bergischen studiert und das Referendariat in<br />

Wuppertal absolviert;<br />

* Seit 1988 an der Städtischen Gesamtschule Solingen<br />

mit den Fächern Sozialwissenschaften, Musik und –<br />

StD Klaus Draken, 1.Vorsitzender<br />

etwas später – Philosophie tätig;<br />

* 1998/99 Teilnahme an einer „Qualifikationserweiternden Maßnahme“ im Rahmen <strong>des</strong><br />

Schulversuchs „Praktische Philosophie“ und seither Unterrichtender in diesem Fach;<br />

* Seit 1998 <strong>als</strong> Mitglied der „Gesellschaft für Sokratisches Philosophieren“ Gesprächsleiter<br />

in der Erwachsenenbildung (Schwerpunkt: Lehrer/innenfortbildung);<br />

* Seit 2003 <strong>als</strong> Fachleiter für Philosophie am Studienseminar Wuppertal für Lehrämter<br />

(Gy/Ge) in der Lehrer/innenausbildung tätig;<br />

* Schulbuchautor (C.C.Buchner) und unregelmäßige Veröffentlichung von Aufsätzen zu<br />

fachdidaktischen Themen in den einschlägigen Zeitschriften (ZDPE / E&U / IP);<br />

Zu meinen Zielen <strong>als</strong> Vorsitzender:<br />

Ich hoffe, dass ich an die Tradition der letzten Jahre anschließen kann und bei den rasanten<br />

Veränderungen in der Schullandschaft – durch den Regierungswechsel sicher nicht<br />

gestoppt – zur Erhaltung bzw. Stärkung der Fächer „Philosophie“ und „Praktische Philosophie“<br />

in NRW beitragen kann. Diese Ziele <strong>des</strong> Fachverban<strong>des</strong> scheinen mir heute fast<br />

wichtiger denn je, da ich Gefährdungen von verschiedenen Seiten kommen sehe.<br />

Mit dem Zentralabitur in NRW scheinen die lange genossenen und m.E. sinnvoll eingeführten<br />

Freiheiten der Themenwahl im Fach Philosophie grundlegend in Frage gestellt.<br />

Die o.g. Vorgaben für das Abitur 2007 sind sicher nur eine Übergangslösung, aber die<br />

kommenden Lehrpläne werden entscheidende Weichenstellungen in dieser Frage treffen.<br />

Mit dem Abitur nach 12-jähriger Schulzeit wird es zu einer Neuordnung der gymnasialen<br />

Oberstufe kommen, in der seit längerem vor allem auf die alten „Hauptfächer“ geachtet<br />

wird. Auch hier müssen wir wachsam die Entwicklungen verfolgen und versuchen die Bedeutung<br />

unseres Faches im Bewusstsein zu halten.<br />

Nach der erfolgreichen Einführung <strong>des</strong> neuen Religionsersatzfaches „Praktische Philosophie“<br />

ist viel erreicht, aber die Herunterführung <strong>des</strong> Faches bis zur Jahrgangsstufe 5 steht<br />

noch aus. Hier gilt es weiterhin Überzeugungsarbeit (bei leeren Kassen) zu leisten und<br />

auch konzeptionell für die unteren Jahrgangsstufen sinnvolle Vorgaben zu entwickeln. Es<br />

hat sich hier in der Vergangenheit oft ein Zweckbündnis mit den Religionslehrerverbänden<br />

bewährt. Die Bedeutung und mögliche Entwicklung <strong>des</strong> Faches „islamische Unterweisung“<br />

werden für die Zukunft im Auge zu behalten sein.<br />

Weiterhin gilt es die Situation konstruktiv zu nutzen, dass Praktische Philosophie und Philosophie<br />

– der gleichen Leitwissenschaft verpflichtet – sich auch in Zukunft wechselseitig<br />

im Blick behalten um eine gegenseitige Stärkung beider Fächer zu erreichen.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


7<br />

Aufforderung zur Zahlung <strong>des</strong> Mitgliedsbeitrages 2005<br />

Kolleginnen und Kollegen, die nicht am zentralen Einzugsverfahren teilnehmen, möchte<br />

ich bitten, ihren Jahresbeitrag 2005 in Höhe von 20 € (Referendare und Mitglieder<br />

im Ruhestand: 8 €. Studenten und arbeitslose Lehrer/innen: 5 €) zu überweisen. Konto<br />

<strong>des</strong> Fachverban<strong>des</strong> Philosophie: 3<strong>40</strong>7-601, Postbank Frankfurt (BLZ 500 100 60),<br />

Kennwort: Lan<strong>des</strong>verband NRW.<br />

Bitte um Änderungsmitteilungen<br />

Bitte vergessen Sie nicht, uns ggf. Änderungen Ihrer Anschrift, Ihrer Bankverbindung<br />

und Ihres Status (immer noch Referendar, inzwischen im Ruhestand?) mitzuteilen. Eine<br />

ganze Reihe von Mitteilungsheften kommen nicht ans Ziel, weil die Adressenkartei<br />

nicht auf dem neuesten Stand ist, und Rückbuchungen ungültigen Angaben der Bankverbindung<br />

sind für den <strong>Fachverband</strong> mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden,<br />

wie auf der letzten Sitzung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>vorstan<strong>des</strong> noch einmal ersichtlich wurde.<br />

Ihr<br />

(Klaus Draken, Lan<strong>des</strong>vorsitzender)<br />

Anschriften der Verfasser dieses <strong>Heftes</strong><br />

Prof. Dr. Thomas Metzinger,<br />

Philosophisches Seminar, Johannes-Gutenberg Universität, D-55099 Mainz<br />

Prof. Dr. Christiane Schildknecht,<br />

Philosophisches Seminar, Universität Bonn, Am Hof 1, D-53113 Bonn<br />

Dr. Roland Henke, Dr. Eva-Maria Sewing,<br />

Philosophisches Seminar, Universität Bonn, Am Hof 1, D-53113 Bonn<br />

Dr. Bernd Rolf, Hubertusstr. 123, D-47623 Kevelaer<br />

StD Helmut Engels, Kantstr. 7, D-47877 Willich<br />

Dr. Gabriele Münnix,<br />

Institut für Lehrerfortbildung Mülheim, Kuhlendahl 63, D-45470 Mülheim/Ruhr<br />

StD Klaus Draken, Am Dönberg 65h, D-42111 Wuppertal<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


8<br />

Thomas Metzinger (Hauptvortrag)<br />

Die Selbstmodell-Theorie der Subjektivität: Eine<br />

Kurzdarstellung in sechs Schritten 1<br />

1. Einleitung: Philosophische Perspektiven auf das Selbstbewusstsein<br />

Das Ziel dieses Beitrags besteht darin, eine sehr kurze Darstellung der „Selbstmodell-<br />

Theorie der Subjektivität“ anzubieten, die auch für solche Leute verständlich ist, die<br />

keine Berufsphilosophen sind. Die Selbstmodell-Theorie der Subjektivität ist eine philosophische<br />

Theorie darüber, was ein Selbst ist, eine Theorie darüber, was es eigentlich<br />

bedeutet, dass geistige Zustände „subjektive“ Zustände sind und auch darüber,<br />

was es heißt, dass ein bestimmtes System eine „phänomenale Erste-Person-<br />

Perspektive“ besitzt. 2 Eine der Kernaussagen dieser Theorie ist, dass es so etwas wie<br />

Selbste in der Welt nicht gibt: Selbste und Subjekte gehören nicht zu den irreduziblen<br />

Grundbestandteilen der Wirklichkeit. Was es gibt, ist das erlebte Ichgefühl und die<br />

verschiedenen, ständig wechselnden Inhalte unseres Selbstbewusstseins – das, was<br />

Philosophen das „phänomenale Selbst“ nennen. Dieses bewusste Erleben eines<br />

Selbst wird <strong>als</strong> Resultat von Informationsverarbeitungs- und Darstellungsvorgängen<br />

im zentralen Nervensystem analysiert. Natürlich gibt es auch höherstufige, begrifflich<br />

vermittelte Formen <strong>des</strong> phänomenalen Selbstbewusstseins, die nicht nur neuronale,<br />

sondern auch soziale Korrelate besitzen. Der Fokus der Theorie liegt jedoch zunächst<br />

auf der Frage nach den minimalen repräsentationalen und funktionalen Eigenschaften,<br />

die ein informationsverarbeiten<strong>des</strong> System wie der Mensch besitzen muss, um<br />

die Möglichkeitsbedingungen für diese höherstufigen Varianten <strong>des</strong> Selbstbewusstseins<br />

zu realisieren. Die erste Frage lautet: Was sind die minimal hinreichenden Bedingungen<br />

dafür, dass überhaupt ein bewusstes Selbst entsteht?<br />

Die Selbstmodell-Theorie geht davon aus, dass die gesuchten Eigenschaften repräsentationale<br />

und funktionale Eigenschaften <strong>des</strong> Gehirns sind. Diejenige psychologische<br />

Eigenschaft, die uns überhaupt erst zu Personen macht, wird <strong>als</strong>o mit den begrifflichen<br />

Mitteln subpersonaler Beschreibungsebenen analysiert. In der Philosophie<br />

<strong>des</strong> Geistes nennt man ein solches Verfahren manchmal auch eine „Naturalisierungsstrategie“:<br />

Ein schwer verständliches Phänomen – etwa das Entstehen von phänomenalem<br />

Bewusstsein mit einer subjektiven Innenperspektive – wird auf eine Weise analysiert,<br />

die es empirisch behandelbar machen soll. Naturalistische Philosophen versuchen,<br />

über eine interdisziplinäre Öffnung klassische Probleme ihrer eigenen Disziplin<br />

für die Naturwissenschaften traktabel zu machen, zum Beispiel für die Neuround Kognitionswissenschaften.<br />

Naturalismus und Reduktionismus sind für solche Philosophen<br />

aber keine szientistische Ideologie, sondern einfach eine rationale Forschungsheuristik:<br />

Wenn es sich zum Beispiel zeigen sollte, dass es – wie viele glauben 3 - etwas am<br />

1<br />

Dieser Text ist unter dem Titel Die Selbstmodell-Theorie der Subjektivität: Eine<br />

Kurzdarstellung für Nicht-Philosophen in fünf [sic!] Schritten zuerst erschienen in W.<br />

Greve (Hrsg.), Psychologie <strong>des</strong> Selbst, Weinheim: BELTZ / Psychologie Verlags Union,<br />

S. 317-336.<br />

2<br />

Vgl. Metzinger 1993.<br />

3 Ein gutes Beispiel ist hier der Philosoph Thomas Nagel. Vgl. Nagel 1992, besonders<br />

Kapitel 4, dazu auch Metzinger 1995a.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


9<br />

menschlichen Selbstbewusstsein gibt, dass sich dem naturwissenschaftlichen Zugriff<br />

aus prinzipiellen Gründen entzieht, dann werden sie auch damit zufrieden sein. Sie<br />

haben das erreicht, was von Anfang an ihr Ziel war: Philosophen nennen es gerne einen<br />

„epistemischen Fortschritt“. Ein Erkenntnisfortschritt könnte nämlich auch darin<br />

bestehen, dass man hinterher auf wesentlich präzisere und gehaltvollere Weise beschreiben<br />

kann, warum es auf bestimmte Fragen prinzipiell keine befriedigende wissenschaftliche<br />

Antwort geben kann.<br />

2. Der erste Schritt: Was genau ist das Problem?<br />

Das wir in alltagspsychologischen Zusammenhängen <strong>als</strong> „das Ich“ bezeichnen, ist das<br />

phänomenale Selbst: Der im subjektiven Erleben unmittelbar gegebene Inhalt <strong>des</strong><br />

Selbstbewusstseins. Das phänomenale Selbst ist vielleicht die interessanteste Form<br />

phänomenalen Gehalts überhaupt - unter anderem dadurch, dass es unserem Bewusstseinsraum<br />

zwei äußerst interessante strukturelle Merkmale verleiht: Zentriertheit<br />

und Perspektivität. Solange es ein phänomenales Selbst gibt, ist unser Bewusstsein<br />

ein zentriertes Bewusstsein und an das gebunden, was in der Philosophie <strong>als</strong> die<br />

„Perspektive der ersten Person“ bezeichnet wird. Zustände, die sich innerhalb dieses<br />

Bewusstseinszentrums befinden, sind dem Erleben nach meine eigenen Zustände,<br />

denn der Mittelpunkt meines Bewusstseinsraums bin immer ich selbst. Dadurch, dass<br />

ich dann im Erleben und im Handeln ständig wechselnde Beziehungen zu meiner<br />

Umwelt und meinen eigenen geistigen Zuständen aufnehme, entsteht die subjektive<br />

Innenperspektive. Die Tatsache, dass ich eine solche Innenperspektive besitze, ist mir<br />

selbst wiederum kognitiv verfügbar. 4<br />

Das Problem besteht nun darin, dass wir eigentlich gar nicht genau wissen, was wir<br />

da sagen, wenn wir so reden. Weder sind wir in der Lage, Begriffe wie „Ich“, „Selbst“<br />

oder „Subjekt“ zu definieren, noch gibt es irgendwelche beobachtbaren Gegenstände<br />

in der Welt, auf die diese Begriffe sich beziehen könnten. Was wir <strong>des</strong>halb zuallererst<br />

verstehen müssen, sind die strukturellen Merkmale unseres inneren Erlebens, die dazu<br />

führen, dass wir so reden. Um die Logik der Selbstzuschreibung psychologischer<br />

Eigenschaften zu analysieren und um zu verstehen, worauf sie sich in Wirklichkeit beziehen,<br />

muss man zuerst die repräsentationale Tiefenstruktur <strong>des</strong> bewussten Erlebens<br />

selbst untersuchen. Es gibt drei phänomenale Eigenschaften höherer Ordnung,<br />

die in diesem Zusammenhang das Zentrum <strong>des</strong> Interesses bilden:<br />

„Meinigkeit“: Dies ist eine höherstufige Eigenschaft einzelner Formen von phänomenalem<br />

Gehalt. Hier sind Beispiele dafür, wie wir sprachlich auf diese phänomenale<br />

Eigenschaft bezugnehmen: „Ich erlebe mein Bein subjektiv <strong>als</strong> immer<br />

schon zu mir gehörend“; „Ich erlebe meine Gedanken und meine Gefühle immer<br />

<strong>als</strong> Teil meines Bewusstseins“; „ Meine Willensakte werden von mir selbst initiiert.“<br />

Selbstheit, „präreflexive Selbstvertrautheit“: Dies ist die phänomenale Kerneigenschaft,<br />

das erlebnismässig unhintergehbare „Ichgefühl“. Wieder einige Beispiele,<br />

dafür, wie wir von außen auf dieses Merkmal unseres inneren Erlebens<br />

hinweisen: „Ich bin jemand.“; „Ich erlebe mich selbst <strong>als</strong> identisch durch die Zeit<br />

hinweg.“; „Die Inhalte meines Selbstbewusstseins bilden eine zusammenhängen-<br />

4<br />

Zumin<strong>des</strong>t ist sie das ab einem gewissen Stadium in meiner psychologischen Entwicklung.<br />

Als erste Einführung in das Problem der kognitiven Selbstbezugnahme <strong>als</strong><br />

einer möglichen Schwierigkeit für den philosophischen Naturalismus eignet sich Baker<br />

1998. Sie dazu auch Metzinger, in Vorbereitung: Abschnitt 6.4.4.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


10<br />

de Ganzheit.“; „Mit dem Inhalt meines Selbstbewusstseins bin ich vor allen gedanklichen<br />

Operationen „immer schon“ vertraut.“<br />

„Perspektivität“: In unserem Zusammenhang ist Perspektivität das dominante<br />

Strukturmerkmal <strong>des</strong> Bewusstseinsraums <strong>als</strong> Ganzem: Er wird durch ein handeln<strong>des</strong><br />

und erleben<strong>des</strong> Subjekt zentriert, durch ein Selbst, das Beziehungen zu sich<br />

selbst und zur Welt aufbaut. Beispiele: „Meine Welt besitzt einen unverrückbaren<br />

Mittelpunkt und dieser Mittelpunkt bin ich selbst.“; „Bewusstsein zu haben bedeutet,<br />

eine individuelle Innenperspektive zu besitzen“; „Im Erleben nehme ich diese<br />

Ich-Perspektive sowohl auf Personen und Dinge in der Welt, <strong>als</strong> auch auf meine<br />

eigenen geistigen Zustände ein“.<br />

Was jetzt geleistet werden muss, ist eine repräsentationale und eine funktionale Analyse<br />

dieser Eigenschaften. Man muss fragen: Was sind die funktionalen und repräsentationalen<br />

Eigenschaften, die ein informationsverarbeiten<strong>des</strong> System min<strong>des</strong>tens besitzen<br />

muss, um die fragliche phänomenale Eigenschaft zu instantiieren? Welche dieser<br />

Eigenschaften sind hinreichend, welche notwendig? Was genau bedeutet es für<br />

ein solches System, eine Erste-Person-Perspektive auf die Welt und auf seine eigenen<br />

mentalen Zustände einzunehmen? Benötigt wird ein konsistenter begrifflicher Hintergrund,<br />

der flexibel genug für eine kontinuierliche Integration neuer empirische Erkenntnisse<br />

ist und gleichzeitig dem Reichtum und der Vielfalt <strong>des</strong> phänomenologischen<br />

Materi<strong>als</strong> Rechnung trägt. Ich werde jetzt versuchen, in fünf kurzen Schritten<br />

die Grundlinien eines solchen Begriffsrahmens skizzieren.<br />

3. Der zweite Schritt: Das Selbstmodell<br />

Der zweite Schritt besteht darin, eine neue theoretische Entität einzuführen: Das phänomenale<br />

Selbstmodell. Es bildet den wichtigsten Teil der repräsentationalen Instantiierungsbasis<br />

5 der zu erklärenden phänomenalen Eigenschaften. Eine unserer Kernfragen<br />

war: Was ist die minimal hinreichende Menge an repräsentationalen Eigenschaften,<br />

die ein System entwickeln muss, um die Zieleigenschaften zu besitzen? Eine<br />

erste, vorläufige Antwort auf diese Frage lautet jetzt: Das System muss in jedem<br />

Fall eine kohärente Selbstrepräsentation besitzen, ein inneres Modell von sich selbst.<br />

Ein Selbstmodell ist in unserem eigenen Fall eine nur episodisch aktive repräsentationale<br />

Entität, deren Gehalt durch Eigenschaften <strong>des</strong> Systems selbst gebildet wird. Immer<br />

dann, wenn eine solche Selbstrepräsentation gebraucht wird um die Interaktion<br />

mit der Umwelt zu regulieren, wird sie vorübergehend vom System aktiviert - zum Beispiel<br />

dann, wenn wir am Morgen aufwachen.<br />

Was wir im Grunde brauchen, ist eine umfassende Theorie <strong>des</strong> Selbstmodells von<br />

Homo sapiens. 6 Ich selbst gehe davon aus, dass ein solche Theorie in wesentlichen<br />

Teilen eine neurokomputationale Theorie sein wird. 7 Das bedeutet, dass das Selbst-<br />

5 Vgl. Cummins 1983.<br />

6<br />

Psychologie kann man – wenn diese metatheoretische Bemerkung eines philosophischen<br />

Außenseiters erlaubt ist – in ihrem methodologischen Kern und auf heuristisch<br />

sehr fruchtbare Weise <strong>als</strong> Selbstmodellforschung analysieren: Sie ist eine wissenschaftliche<br />

Disziplin, die sich mit dem repräsentationalen Gehalt, dem funktionalen<br />

Profil und der neurobiologischen Realisierung <strong>des</strong> menschlichen Selbstmodells beschäftigt<br />

7<br />

Vgl. Churchland 1989.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


11<br />

modell <strong>des</strong> Menschen nicht nur eine wahre repräsentationale und eine wahre funktionale<br />

Beschreibung besitzt, sondern auch ein wahre neurobiologische Beschreibung –<br />

zum Beispiel <strong>als</strong> ein komplexes Aktivierungsmuster im menschlichen Gehirn. 8<br />

Das<br />

phänomenale Selbstmodell ist aber immer nur derjenige Teil <strong>des</strong> mentalen Selbstmodells<br />

der gegenwärtig in die höchststufige, integrierte Struktur eingebettet ist, in das<br />

globale Modell der Welt. 9 Es kann <strong>als</strong>o durchaus unbewusste, aber funktional aktive<br />

Teile <strong>des</strong> Selbstmodells geben. Das phänomenale Selbstmodell ist eine kohärente<br />

multimodale Struktur, die auf einem teilweise angeborenen und „fest verdrahteten“<br />

Modell der räumlichen Eigenschaften <strong>des</strong> Systems beruht (davon später mehr). 10 Bei<br />

diesem Typ von Analyse wird der selbstbewusste Mensch <strong>als</strong>o <strong>als</strong> eine ganz bestimmte<br />

Art von Informationsverarbeitungssystem betrachtet: Der subjektiv erlebte<br />

Gehalt <strong>des</strong> phänomenalen Selbst ist der Gehalt einer jetzt gerade aktiven Datenstruktur<br />

in seinem zentralen Nervensystem.<br />

Man kann parallel zur repräsentationalen Beschreibungsebene auch eine funktionale<br />

Analyse <strong>des</strong> Selbstmodells entwickeln. Ein aktives Selbstmodell ist dann ein subpersonaler<br />

funktionaler Zustand: Eine – unter Umständen sehr komplexe – Menge von<br />

Kausalbeziehungen, die realisiert sein können oder auch nicht. Dadurch, dass dieser<br />

funktionale Zustand eine konkrete neurobiologische Realisierung besitzt, spielt er eine<br />

bestimmte kausale Rolle im System. Man kann sich diesen Gedanken verdeutlichen,<br />

indem man die Perspektive der klassischen Kognitionswissenschaft einnimmt und<br />

sagt: Das Selbstmodell ist ein transientes komputationales Modul, das vom System<br />

vorübergehend aktiviert wird, um seine Interaktion mit der Umwelt zu regulieren. Der<br />

Besitz von immer besseren Selbstmodellen <strong>als</strong> einer neuen Art von „virtuellen Organen“<br />

ermöglichte - diesen Punkt darf man nicht übersehen - überhaupt erst die Bildung<br />

von Gesellschaften. Plastische und immer komplexere Selbstmodelle erlaubten<br />

nicht nur eine fortlaufende Optimierung somatomotorischer, perzeptiver und kognitiver<br />

Funktionen, sondern später auch soziale Kognition und damit die Entwicklung von kooperativem<br />

Verhalten. Mit ihnen entstanden die fundamentalen repräsentationalen<br />

Ressourcen für Perspektivenübernahmen, Empathie und Schuldbewusstsein, später<br />

auch für metakognitive Leistungen wie die Entwicklung eines Selbstkonzepts und einer<br />

theory of mind. 11<br />

Man kann nun der Tatsache, dass die Entwicklung unseres Selbstmodells eine lange<br />

evolutionsbiologische und eine (etwas kürzere) soziale Geschichte besitzt, Rechnung<br />

tragen, indem man im nächsten Schritt das einführt, was in der Philosophie <strong>des</strong> Geistes<br />

<strong>als</strong> eine teleofunktionalistische Zusatzannahme bezeichnet wird. 12 Die Entwicklung<br />

und Aktivierung dieses komputationalen Moduls spielt eine Rolle für das System: Das<br />

8 Vgl. Damasio 1999<br />

9 Vgl. Yates 1975, Baars 1988.<br />

10<br />

Vgl. hierzu den fünften Abschnitt und z.B. den Begriff eines „Long-term body image“<br />

bei O’Shaughnessy 1995; siehe dazu insbesondere auch Damasio 1994, 1999, Metzinger<br />

1993, 1996, 1997.<br />

11<br />

Vgl. hierzu etwa Bischof-Köhler 1996, 1989. Bezüglich möglicher neurobiologischer<br />

Korrelate solcher basalen sozialen Leistungen, die gut in den hier skizzierten Rahmen<br />

passen, vgl. Gallese & Goldman 1999. Eine neuere deutsche Textsammlung ist Newen<br />

& Vogeley 2000.<br />

12<br />

Vgl. etwa Bieri 1987, Dennett 1987, Dretske 1988, 1998, Lycan 1996, Millikan 1984,<br />

1993.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


12<br />

funktionale Selbstmodell besitzt eine wahre evolutionsbiologische Beschreibung, d.h.<br />

es war eine Waffe, die im Verlauf eines „kognitiven Wettrüstens“ erfunden und immer<br />

weiter optimiert wurde. Die funktionale Instantiierungsbasis der phänomenalen Erste-<br />

Person-Perspektive ist somit eine spezifische kognitive Leistung: Die Fähigkeit, zentrierte<br />

Darstellungsräume zu öffnen. Phänomenale Subjektivität (im Sinne <strong>des</strong> Entstehens<br />

einer subsymbolischen, nicht-begrifflichen Erste-Person-Perspektive) ist <strong>als</strong>o eine<br />

Eigenschaft, die nur dann instantiiert wird, wenn das betreffende System ein kohärentes<br />

Selbstmodell aktiviert und dieses in sein globales Weltmodell integriert.<br />

Mit dem Vorhandensein eines stabilen Selbstmodells kann das entstehen, was in der<br />

Philosophie <strong>des</strong> Geistes <strong>als</strong> die „Perspektivität <strong>des</strong> Bewusstseins“ bezeichnet wird:<br />

Die Existenz eines einzigen, kohärenten und zeitlich stabilen Modells der Wirklichkeit,<br />

welches repräsentational um oder „auf“ ein einziges, kohärentes und zeitlich stabiles<br />

phänomenales Subjekt zentriert ist, d.h. um ein Modell <strong>des</strong> Systems <strong>als</strong> erlebend.<br />

Dieses strukturelle Merkmal <strong>des</strong> globalen Darstellungsraums führt episodisch zur Instantiierung<br />

einer zeitlich ausgedehnten und nicht-begrifflichen Erste-Person-<br />

Perspektive. Wenn diese globale repräsentationale Eigenschaft verloren geht, verändert<br />

sich auch die Phänomenologie, und verschiedene neuropsychologische Störungsbilder<br />

oder veränderte Bewusstseinszustände treten hervor. Vielleicht klingen<br />

diese Überlegungen in den Ohren einiger meiner Leser sehr abstrakt. Ein Selbstmodell<br />

ist jedoch nichts Abstraktes, sondern etwas ganz und gar Konkretes. Ein Beispiel<br />

soll <strong>des</strong>halb an dieser Stelle verdeutlichen, was ich – unter vielem anderen – mit dem<br />

Begriff „Selbstmodell“ meine.<br />

Was ein phänomenales Selbstmodell ist, hat der indische Neuropsychologe Vilayanur<br />

Ramachandran in einer Serie von faszinierenden Experimenten gezeigt, bei denen er<br />

mit Hilfe von einfachen Spiegeln Synästhesien und Bewegungsillusionen in Phantomgliedern<br />

auslöste. 13 Phantomglieder sind subjektiv erlebte Gliedmaßen, die typischerweise<br />

nach dem Verlust eines Arms oder einer Hand oder nach chirurgisch durchgeführten<br />

Amputationen auftreten. In manchen Fällen, zum Beispiel nach einer nichttraumatischen<br />

Amputation durch einen Chirurgen, sind die Patienten subjektiv in der<br />

Lage, ihr Phantomglied willentlich zu kontrollieren und zu bewegen. Das neurofunktionale<br />

Korrelat dieser phänomenalen Konfiguration könnte darin bestehen, dass – da es<br />

keine widersprechende Rückmeldung aus dem amputierten Arm gibt – Motorbefehle,<br />

die im motorischen Kortex entstehen, immer noch kontinuierlich durch Teile <strong>des</strong> Parietallappens<br />

überwacht und dabei in denjenigen Teil <strong>des</strong> Selbstmodells integriert werden,<br />

der <strong>als</strong> ein Motoremulator 14 dient. In anderen Situationen dagegen kann die subjektiv<br />

erlebte Beweglichkeit und Kontrolle über das Phantomglied verloren gehen. Solche<br />

alternativen Konfigurationen könnten etwa durch eine präamputationale Lähmung<br />

<strong>als</strong> Folge peripherer Nervenschädigungen oder durch ein längeres Fehlen einer die<br />

Beweglichkeit bestätigenden „Rückmeldung“ durch propriozeptives und kinästhetisches<br />

Feedback entstehen. Das Resultat auf der phänomenalen Darstellungsebene<br />

ist dann ein paralysiertes Phantomglied.<br />

13<br />

Vgl. Ramachandran & Rogers-Ramachandran 1996, eine populäre Darstellung findet<br />

sich in Ramachandran & Blakeslee 1998: 46ff. Ich bin Ramachandran für die<br />

Überlassung der Abbildung im Text zu Dank verpflichtet.<br />

14 Verwandte Überlegungen finden sich bei Grush 1997, 1998: 174; siehe auch Ramachandran<br />

& Rogers-Ramachandran 1996: 378.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


13<br />

Ramachandran und seine Kollegen konstruierten nun eine „virtuelle Realitätskiste“,<br />

indem sie einen Spiegel vertikal in einen Pappkarton ohne Abdeckung einsetzten.<br />

Zwei Löcher in der Vorderseite <strong>des</strong> Kartons ermöglichten es dem Patienten, sowohl<br />

seinen echten <strong>als</strong> auch seinen Phantomarm hineinzuschieben. Ein Patient, der seit<br />

vielen Jahren unter einem paralysierten Phantomglied litt, wurde dann gebeten, das<br />

Spiegelbild seiner normalen Hand im Spiegel zu betrachten, um so – auf der Ebene<br />

<strong>des</strong> visuellen Inputs – die Illusion zu erzeugen, dass er zwei Hände sieht, obwohl er in<br />

Wirklichkeit nur das im Spiegel reflektierte Bild seiner intakten Hand sehen konnte.<br />

Die Fragestellung: Was geschieht mit dem Inhalt <strong>des</strong> phänomenalen Selbstmodells,<br />

wenn man jetzt die Versuchsperson bittet, auf beiden Seite symmetrische Handbewegungen<br />

auszuführen? Ramachandran beschreibt ein typisches Resultat dieses Experiments:<br />

Ich bat Philip, seine rechte Hand innerhalb der Kiste rechts vom Spiegel zu<br />

platzieren und sich vorzustellen, dass seine linke Hand (das Phantom) sich<br />

auf der linken Seite befindet. Dann gab ich die Instruktion: „Ich möchte, dass<br />

Sie gleichzeitig ihren rechten und ihren linken Arm bewegen“.<br />

„Oh, das kann ich nicht“, sagte Philip. „Ich kann meinen rechten Arm bewegen,<br />

aber mein linker Arm ist eingefroren. Jeden Morgen beim Aufstehen<br />

versuche ich, mein Phantom zu bewegen, weil es sich immer in dieser seltsamen<br />

Stellung befindet, und weil ich das Gefühl habe, dass Bewegungen<br />

den Schmerz lindern könnten. Aber“ sagte er, während sein Blick abwärts an<br />

seinem unsichtbaren Arm entlangglitt, „ich war niem<strong>als</strong> in der Lage, auch<br />

nur den Funken einer Bewegung in ihm zu erzeugen.“<br />

“Okay Philip – versuchen Sie es trotzdem.”<br />

Philip drehte seinen Körper und bewegte seine Schulter in die richtige Stellung<br />

um sein lebloses Phantomglied in die Kiste “hineinzuschieben”. Dann<br />

hielt er seine rechte Hand neben die andere Seite <strong>des</strong> Spiegels und versuchte,<br />

synchrone Bewegungen zu machen. Als er in den Spiegel schaute, rang er<br />

plötzlich um Atem und rief dann aus: “Oh mein Gott! Oh mein Gott, Doktor!<br />

Das ist unglaublich. Ich glaube, ich werde verrückt!” Er sprang auf und ab<br />

wie ein Kind. “Mein linker Arm ist wieder angeschlossen. Es ist, <strong>als</strong> ob ich<br />

in der Vergangenheit bin. Ganz viele Erinnerungen aus der Vergangenheit<br />

überfluten mein Bewusstsein. Ich kann meinen Arm wieder bewegen! Ich<br />

kann die Bewegung meines Ellenbogens spüren, auch die meines Handgelenks.<br />

Alles ist wieder beweglich.”<br />

Nachdem er sich etwas beruhigt hatte, saget ich: “Okay Philip – schließen<br />

Sie jetzt Ihre Augen.”<br />

“Oh je,” sagte er, und die Enttäuschung in seiner Stimme war deutlich zu hören,<br />

“es ist wieder eingefroren. Ich fühle wie meine rechte Hand sich bewegt,<br />

aber es gibt keinerlei Bewegungsempfindung im Phantom.”<br />

“Öffnen Sie Ihre Augen.”<br />

“Oh ja – jetzt bewegt es sich wieder.” 15<br />

15<br />

Vgl. Ramachandran 1998: 47f (deutsche Übersetzung Thomas Metzinger). Die klinischen<br />

und experimentellen Details finden sich in Ramachandran & Rogers-<br />

Ramachandran 1996.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


14<br />

Ich hoffe, das bereits<br />

deutlich geworden<br />

ist, wie<br />

solche neuen Daten<br />

den von mir<br />

eingeführten Begriff<br />

eines „Selbstmodells“<br />

illustrieren:<br />

Was sich in<br />

diesem Experiment<br />

bewegt, ist<br />

das phänomenale<br />

Selbstmodell. Das<br />

plötzliche Auftreten<br />

von kinästhetischen<br />

Empfindungsqualitäten<br />

in<br />

der verlorenen<br />

Subregion <strong>des</strong> Selbstmodells wurde durch die Installation einer zweiten Quelle von<br />

„virtueller Information“ möglich gemacht. Sie machte den visuellen Modus der<br />

Selbstrepräsentation sozusagen wieder zugänglich und damit auch die betreffende Information<br />

wieder volitional verfügbar. Was das Experiment ebenfalls zeigt, ist wie<br />

phänomenale Eigenschaften durch komputationale und repräsentationale Eigenschaften<br />

determiniert werden.<br />

4. Der dritte Schritt: Eine repräsentationalistische Analyse der drei Zieleigenschaften<br />

Die Grundidee ist nun, dass Selbstbewusstsein in wesentlichen Aspekten eine Integrationsleistung<br />

ist: Alle repräsentationalen Zustände, die in das gegenwärtig aktive<br />

Selbstmodell eingebettet werden, gewinnen die höherstufige Eigenschaft der phänomenalen<br />

Meinigkeit hinzu. Wenn dieser Einbettungsprozess gestört wird oder hypertrophiert,<br />

resultieren verschiedene neuropsychologische Syndrome oder veränderte<br />

Bewusstseinszustände. Werfen wir wieder einen Blick auf einige Beispiele:<br />

Bewusst erlebte Gedanken sind nicht mehr meine Gedanken: Floride Schizophrenie.<br />

Mein Bein ist nicht mehr mein Bein: Unilateraler Hemi-Neglekt.<br />

Ich bin ein Roboter, verwandele mich in eine Marionette, volitionale Akte sind<br />

nicht mehr meine volitionalen Akte: Depersonalisierung. Verlust <strong>des</strong> phänomenalen<br />

„Vollzugsbewusstseins“ (Jaspers).<br />

Ich bin die ganze Welt, alle Ereignisse in der Welt werden durch meine eigenen<br />

Willensakte kontrolliert: Manien.<br />

Subjektiv erlebte „Meinigkeit“ ist <strong>als</strong>o eine Eigenschaft einzelner Formen phänomenalen<br />

Gehalts, zum Beispiel der mentalen Repräsentation eines Beins, eines Gedankens<br />

oder eines Willensaktes. Diese Eigenschaft ist nicht notwendig mit ihnen verbunden,<br />

denn sie ist keine intrinsische, sondern einer relationale Eigenschaft. Ihre Verteilung<br />

über die Elemente eines bewussten Weltmodells kann variieren. Sie kann verloren<br />

gehen, und zwar genau dann, wenn dem System die Integration bestimmter einzelner<br />

Repräsentationen ins Selbstmodell nicht mehr gelingt. Wenn das richtig ist, dann<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


15<br />

könnte man diese Eigenschaft zumin<strong>des</strong>t prinzipiell operationalisieren, und zwar indem<br />

man nach einer empirisch überprüfbaren Metrik für die Kohärenz <strong>des</strong> Selbstmodells<br />

in den fraglichen Bereichen sucht.<br />

Der höherstufigen phänomenalen Zieleigenschaft der „Ichhaftigkeit“ oder „präreflexiven<br />

Selbstvertrautheit“ dagegen entspricht die Existenz eines einzigen, kohärenten<br />

und zeitlich stabilen Selbstrepräsentats, das den Mittelpunkt <strong>des</strong> repräsentationalen<br />

Gesamtzustands bildet. Wenn dieses repräsentationale Modul beschädigt ist, <strong>des</strong>integriert<br />

oder wenn multiple Strukturen dieses Typs im System alternieren bzw. gleichzeitig<br />

aktiv sind, resultieren wiederum verschiedene neuropsychologische Störungsbilder<br />

oder veränderte Bewusstseinszustände:<br />

Anosognosien und Anosodiaphorien: Verlust höherstufiger Einsicht in bestehende<br />

Defizite, z.B. bei Verleugnung der eigenen Blindheit (Antons Syndrom).<br />

Dissociative Identity Disorder (DID 16 ): Das System verwendet verschiedene und<br />

alternierende Selbstmodelle, um mit extrem traumatisierenden und sozial inkonsistenten<br />

Situationen umzugehen.<br />

„Ich-Störungen“: Eine große Klasse psychiatrischer Störungsbilder, die mit veränderten<br />

Formen <strong>des</strong> Erlebens der eigenen Identität einhergehen. Klassisches<br />

Beispiel: Schizophrenien.<br />

Durch das Vorhandensein eines stabilen Selbstmodells entsteht fast immer auch die<br />

„Perspektivität <strong>des</strong> Bewusstseins“ in Form von vorübergehenden Subjekt-Objekt- Beziehungen<br />

(vgl. Abschnitt 6) 17 . Dieses strukturelle Merkmal <strong>des</strong> globalen Darstellungsraums<br />

führt episodisch zur Instantiierung einer zeitlich ausgedehnten und nichtbegrifflichen<br />

Erste-Person-Perspektive, und es kann ebenfalls verloren gehen.<br />

Vollständige Depersonalisierung: Verlust der phänomenalen Erste-Person-<br />

Perspektive, begleitet von dysphorischen Zuständen und funktionalen Defiziten<br />

(„Angstvolle Ich- Auflösung“ 18 ).<br />

Mystische Erfahrungen: Selbstlose und nicht-zentrierte Globalzustände, die <strong>als</strong><br />

nichtpathologisch und nicht-bedrohlich erlebt bzw. beschrieben werden. („Ozeanische<br />

Selbstentgrenzung“; „Der große Blick von nirgendwo“)<br />

Wenn man dem Reichtum und der Vielfalt menschlicher Erlebnisformen theoretisch<br />

gerecht werden will, dann muss man anerkennen, dass es auch aperspektivische<br />

Formen <strong>des</strong> bewussten Erlebens gibt. Die Selbstmodelltheorie stellt die begrifflichen<br />

Mittel zur Verfügung, um dies zu tun.<br />

5. Der vierte Schritt: Die funktionale Zentrierung <strong>des</strong> phänomenalen Raums<br />

durch leibliche Verankerung<br />

Ich habe eben zwischen einer repräsentationalen und einer funktionalen Analyse der<br />

Erste-Person-Perspektive unterschieden. Das zentrale theoretische Problem auf der<br />

funktionalen Beschreibungsebene entsteht nun durch folgende Frage: Auf welche<br />

Weise unterscheidet sich das phänomenale Selbstmodell überhaupt von den anderen<br />

phänomenalen Modellen, die gegenwärtig aktiv sind? Durch welche funktionale Eigenschaft<br />

wird es ausgezeichnet, wodurch genau wird es zum stabilen Zentrum <strong>des</strong><br />

phänomenalen Darstellungsraums?<br />

16<br />

Zu den aktuellen diagnostischen Kriterien vgl. DSM-IV: 300.14<br />

17<br />

Vgl. Nagel 1992, Metzinger 1993, 1995a, 2000.<br />

18<br />

Vgl. Dittrich 1985.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


16<br />

Hier ist meine vorläufige Antwort: Das Selbstmodell ist die einzige repräsentationale<br />

Struktur, die im Gehirn durch eine kontinuierliche Quelle intern generierten Inputs verankert<br />

ist. Immer dann, wenn es überhaupt zu bewusstem Erleben kommt (<strong>als</strong>o zur<br />

Aktivierung eine stabilen, integrierten Modells der Wirklichkeit), existiert auch diese<br />

kontinuierliche Quelle internen, propriozeptiven Inputs. Es gibt im wesentlichen vier<br />

Typen von intern erzeugter Information, die ein persistieren<strong>des</strong> funktionales Bindeglied<br />

zwischen dem phänomenalen Selbstmodell und seiner körperlichen Basis im<br />

Gehirn erzeugen:<br />

Input aus dem Vestibulärorgan: Der Gleichgewichtssinn.<br />

Input aus dem invarianten Teil <strong>des</strong> Köperschemas: Das „Hintergrundgefühl“ im<br />

räumlichen Modell <strong>des</strong> Körpers.<br />

Input aus den Eingewei<strong>des</strong>ensoren, aber auch aus den Blutgefäßen, z.B. aus<br />

den kardiovaskulären Mechanosensoren: „Bauchgefühle“ und somatoviszerale<br />

Formen der Selbstpräsentation.<br />

Input aus Teilen <strong>des</strong> Hirnstamms und <strong>des</strong> Hypothalamus: Hintergrundemotionen<br />

und „Gestimmtheiten“, verankert in der kontinuierlichen homöostatischen Selbstregulation<br />

<strong>des</strong> „internen Milieus“.<br />

Entscheidend sind hier nicht die neurobiologischen Details, sondern die sehr plausible<br />

Annahme, dass es einen Teil <strong>des</strong> menschlichen Selbstmodells gibt der hochgradig<br />

stimuluskorreliert ist und ausschließlich auf intern erzeugter Information beruht. Die<br />

konstante Aktivität derjenigen Regionen <strong>des</strong> Köperselbstes, der unabhängig von externem<br />

Input ist, wird – das ist meine These - zum funktionalen Mittelpunkt <strong>des</strong> phänomenalen<br />

Darstellungsraums. Marcel Kinsbourne hat in diesem Zusammenhang von<br />

einem „background ‘buzz’ of somatosensory input“ gesprochen 19 , Antonio Damasio<br />

von einem core self 20 ich selbst habe an anderer Stelle den Begriff eines „phänomenalen<br />

Selbstpräsentats“ eingeführt. 21<br />

Als ein erstes Beispiel dafür, was man unter einem Selbstmodell verstehen kann, hatte<br />

ich Ramachandrans Experiment zur Mobilisierung eines gelähmten Phantomglieds<br />

vorgestellt. Ein Selbstpräsentat ist derjenige Teil <strong>des</strong> Phantomglieds, der auch ohne<br />

jede Bewegung ständig im Bewusstsein bleibt. Wenn man diesen Teil verliert, verliert<br />

man im subjektiven Erleben auch die leibliche Präsenz – man wird zu einem „körperlosen<br />

Wesen“. 22 Neuere Forschungsergebnisse aus der Erforschung <strong>des</strong> Schmerzerlebens<br />

in Phantomgliedern deuten auf die Existenz einer genetisch determinierten<br />

Neuromatrix hin, deren Aktivitätsmuster Grundlage dieser starren Teile <strong>des</strong> Körperbilds<br />

und <strong>des</strong> invarianten Hintergrunds der Körperempfindung sein könnte („Phylomatrix<br />

<strong>des</strong> Körperschemas“ 23 )<br />

19<br />

Kinsbourne 1995: 217. Umfangreiche theoretische Überlegungen und zahlreiche<br />

neuere empirische Befunde zur leiblichen Verankerung <strong>des</strong> bewussten Erlebens finden<br />

sich in Damasio 1999.<br />

20 Vgl. Damasio 1999.<br />

21<br />

Vgl. Metzinger 1993: 156ff.<br />

22 Natürlich existieren auch hier wieder die entsprechenden phänomenologischen Zustandsklassen.<br />

In: Metzinger 1993 und 1997 habe ich in diesem Zusammenhang auf<br />

Oliver Sacks‘ Beispiel der „körperlosen Frau“ hingewiesen.<br />

23<br />

Vgl. Melzack 1989, zum Begriff einer „Neurosignatur“ 1992: 93, eine wichtige Studie<br />

zu Phantomgliedern nach Aplasien und Frühamputationen ist Melzack et al. 1997;<br />

siehe dazu wieder Damasio 1994, 1999.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


17<br />

6. Der fünfte Schritt: Autoepistemische Geschlossenheit - Die Transparenzannahme<br />

und das naiv-realistische Selbstmissverständnis<br />

Das zentrale theoretische Problem auf der repräsentationalen Beschreibungsebene<br />

dagegen ergibt sich daraus, dass man mir leicht vorwerfen könnte, ich würde mit der<br />

Einführung <strong>des</strong> Begriffs „Selbstmodell“ einen Etikettenschwindel betreiben. Es scheint<br />

keine notwendige Verbindung von den funktionalen und repräsentationalen Basiseigenschaften<br />

zu den phänomenalen Zieleigenschaften der „Meinigkeit“, „präreflexiven<br />

Selbstvertrautheit“ und „Perspektivität“ zu geben. All das könnte sich durchaus ereignen,<br />

ohne dass es zur Entstehung eines echten phänomenalen Selbst oder einer subjektiven<br />

Innenperspektive kommt: Man kann sich vorstellen, dass biologische Informationsverarbeitungssysteme<br />

durch ein Selbstmodell zentrierte Darstellungsräume entwickeln<br />

und benutzen, ohne dass Selbstbewusstsein entsteht. Ein „Selbstmodell“ ist<br />

noch lange kein Selbst, sondern nur eine Repräsentation <strong>des</strong> Systems - eben bloß ein<br />

Systemmodell. Damit aus der funktionalen Eigenschaft der Zentriertheit aber die phänomenale<br />

Eigenschaft der Perspektivität werden kann, muss aus dem Modell <strong>des</strong><br />

Systems ein phänomenales Selbst werden. Die philosophischen Kernfrage lautet <strong>des</strong>halb:<br />

Wie entsteht in einem bereits funktional zentrierten Repräsentationsraum ein<br />

echtes Ich und das, was wir <strong>als</strong> die phänomenale Erste-Person-Perspektive zu bezeichnen<br />

gewohnt sind? Oder: Wie wird aus dem Selbstmodell ein Selbstmodell?<br />

Ein genuines bewusstes Selbst - so lautet meine Antwort - entsteht immer genau<br />

dann, wenn das System das von ihm selbst aktivierte Selbstmodell nicht mehr <strong>als</strong> Modell<br />

erkennt. Wie <strong>als</strong>o kommt man von der funktionalen Eigenschaft der „Zentriertheit“<br />

und der repräsentationalen Eigenschaft der „Selbstmodellierung“ zu der phänomenalen<br />

Eigenschaft der „präreflexiven Selbstvertrautheit“? Die Lösung liegt in dem, was<br />

Philosophen manchmal „semantische Transparenz“ nennen. Die vom System eingesetzten<br />

repräsentationalen Vehikel sind semantisch transparent, d.h. sie stellen die<br />

Tatsache, dass sie Modelle sind, nicht mehr auf der Ebene ihres Gehalts dar. Deshalb<br />

schaut das System durch seine eigenen repräsentationalen Strukturen „hindurch“, <strong>als</strong><br />

ob es sich in direktem und unmittelbarem Kontakt mit ihrem Gehalt befände. Die fraglichen<br />

Datenstrukturen werden so schnell und zuverlässig aktiviert, dass das System<br />

sie nicht mehr <strong>als</strong> solche erkennen kann, z.B. wegen <strong>des</strong> mangelnden zeitlichen Auflösungsvermögens<br />

metarepäsentationaler Funktionen. Es hat keinen evolutionären<br />

Selektionsdruck auf die entsprechenden Teile der funktionale Architektur gegeben:<br />

Der naive Realismus ist für biologische Systeme wie uns selbst eine funktional adäquate<br />

Hintergrundannahme gewesen.<br />

Transparenz ist eine besondere Form der Dunkelheit. In der Phänomenologie <strong>des</strong> visuellen<br />

Erlebens bedeutet Transparenz, dass wir etwas nicht sehen können, weil es<br />

durchsichtig ist. Phänomenale Transparenz im allgemeinen dagegen bedeutet, dass<br />

etwas Bestimmtes dem subjektiven Erleben nicht zugänglich ist, nämlich der Repräsentationscharakter<br />

der Inhalte <strong>des</strong> bewussten Erlebens. Diese Analyse bezieht sich<br />

auf alle Sinnesmodalitäten und insbesondere auf das integrierte phänomenale Modell<br />

der Welt <strong>als</strong> ganzer. Das Mittel der Darstellung kann selbst nicht noch einmal <strong>als</strong> solches<br />

dargestellt werden und darum wird das erlebende System notwendigerweise in<br />

einen naiven Realismus verstrickt, weil es sich selbst <strong>als</strong> in direktem Kontakt mit dem<br />

Inhalt seines Bewusstseins erleben muss. Was es nicht erleben kann, ist die Tatsache,<br />

dass sein Erleben immer in einem Medium stattfindet. Eine vollständig transparente<br />

Repräsentation zeichnet sich dadurch aus, dass die Mechanismen, die zu ihrer<br />

Aktivierung geführt haben und die Tatsache, dass es einen konkreten inneren Zustand<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


18<br />

gibt, der ihren Gehalt trägt, introspektiv nicht mehr erkannt werden können. Die Phänomenologie<br />

der Transparenz ist die Phänomenologie <strong>des</strong> naiven Realismus.<br />

Phänomenale Repräsentationen sind transparent, weil ihr Inhalt und vor allem <strong>des</strong>sen<br />

Existenz in allen möglichen Kontexten festzustehen scheint: Das Buch, das Sie jetzt in<br />

Händen halten, wird dem subjektiven Erleben nach immer nur dieses Buch bleiben,<br />

egal wie sich die äußere Wahrnehmungssituation ändert. Was Sie erleben, ist nicht<br />

ein „aktiver Objektemulator“, der gerade in ihr globales Realitätsmodell integriert worden<br />

ist, sondern einfach nur den Gehalt <strong>des</strong> zugrundeliegenden Repräsentationsvorgangs,<br />

eben: dieses Buch, <strong>als</strong> Ihnen selbst hier und jetzt anstrengungslos gegebenes.<br />

Die beste Art und Weise, sich den Begriff der Transparenz klarzumachen, besteht<br />

nämlich darin, zwischen dem Vehikel und dem Gehalt einer Repräsentation zu unterscheiden,<br />

zwischen repräsentationalem Träger und repräsentationalem Inhalt. 24<br />

Der repräsentationale Träger ihres Erlebnisses ist ein bestimmter Vorgang im Gehirn.<br />

Diesen Vorgang - der in keiner konkreten Weise etwas „Buchhaftes“ an sich hat – erleben<br />

Sie nicht bewusst, er ist transparent in dem Sinne, dass Sie durch ihn hindurch<br />

schauen. Worauf Sie schauen ist sein repräsentationaler Inhalt, eben die sensorisch<br />

gegebene Existenz eines Buchs, hier und jetzt. Der Inhalt ist <strong>als</strong>o eine abstrakte Eigenschaft<br />

<strong>des</strong> konkreten repräsentationalen Zustands in ihrem Kopf. Wenn der repräsentationale<br />

Träger ein gut und zuverlässig funktionieren<strong>des</strong> Instrument zur Wissensgewinnung<br />

ist, dann erlaubt er Ihnen dank seiner Transparenz „durch ihn hindurch“ direkt<br />

auf die Welt, auf das Buch zu schauen. Er macht die von ihm getragene Information<br />

global verfügbar, ohne dass Sie sich darum kümmern müssen, wie das geschieht.<br />

Das Besondere an der phänomenalen Variante der Repräsentation ist nun, dass Sie<br />

diesen Inhalt auch dann, wenn Sie halluzinieren und es das Buch gar nicht gibt, immer<br />

noch <strong>als</strong> maximal konkret, <strong>als</strong> absolut eindeutig, <strong>als</strong> direkt und unmittelbar gegeben<br />

erleben. Phänomenale Repräsentationen sind solche, für die wir die Unterscheidung<br />

zwischen repräsentationalem Gehalt und repräsentationalem Träger im subjektiven<br />

Erleben nicht machen können.<br />

Es gibt natürlich Gegenbeispiele, und sie sind hilfreich, um den Begriff der „Transparenz“<br />

noch besser zu verstehen. Opake phänomenale Repräsentationen entstehen<br />

zum Beispiel dann, wenn die Information, dass es sich bei ihrem Inhalt um das Resultat<br />

eines inneren Darstellungsvorgangs handelt, plötzlich global verfügbar wird. Wenn<br />

Sie entdecken, dass es das Buch in Wirklichkeit gar nicht gibt, dann wird die Halluzination<br />

zur Pseudohalluzination: Auch auf der Ebene <strong>des</strong> Erlebens selbst ist jetzt die<br />

Information verfügbar, dass Sie nicht auf die Welt schauen, sondern auf einen aktiven<br />

repräsentationalen Zustand, der im Moment allem Anschein nach kein gutes Instrument<br />

zur Wissensgewinnung ist. Der phänomenale Buchzustand wird undurchsichtig.<br />

Was Sie verlieren, ist die sensorische Transparenz. Ihnen wird die Tatsache bewusst,<br />

dass Wahrnehmungen durch Sinnesorgane erzeugt werden und dass diese Organe<br />

nicht in allen Situationen absolut zuverlässig funktionieren.<br />

Nehmen wir weiter an, dass Sie jetzt sogar plötzlich entdecken, dass sich nicht nur die<br />

Buchwahrnehmung, sondern auch Ihr gesamtes philosophisches Nachdenken über<br />

das Problem <strong>des</strong> Bewusstseins in einem Traum ereignet, dann wird dieser Traum zum<br />

Klartraum. Die Tatsache, dass Sie momentan nicht in einer Welt leben, sondern nur in<br />

einem Weltmodell wird nun global verfügbar: Sie können diese Information zur Handlungskontrolle,<br />

im weiteren Nachdenken oder für die Aufmerksamkeitslenkung einsetzen.<br />

Was Sie verlieren, ist globale Transparenz. Interessanterweise ist kognitive Verfügbarkeit<br />

allein nicht hinreichend, um den naiven Realismus <strong>des</strong> phänomenalen Er-<br />

24<br />

Vgl. dazu auch Dretske 1998: 45ff .<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


19<br />

lebens zu durchbrechen. Man kann sich nicht einfach aus dem phänomenalen Modell<br />

der Wirklichkeit „hinausdenken“, indem man seine Meinungen über dieses Modell ändert:<br />

Die Transparenz phänomenaler Repräsentationen ist kognitiv nicht penetrabel,<br />

phänomenales Wissen ist nicht dasselbe wie begrifflich-propositionales Wissen.<br />

Diesen Gedanken muss man nun im letzten Schritt wieder auf das Selbstmodell anwenden.<br />

Wir selbst sind Systeme, die nicht in der Lage sind, ihr eigenes subsymbolisches<br />

Selbstmodell <strong>als</strong> Selbstmodell zu erkennen. Deshalb operieren wir unter den<br />

Bedingungen eines „naiv-realistischen Selbstmissverständnisses“: Wir erleben uns<br />

selbst <strong>als</strong> wären wir in direktem und unmittelbarem epistemischen Kontakt mit uns<br />

selbst. Und auf diese Weise entsteht – das ist der Kern der Selbstmodelltheorie -<br />

erstm<strong>als</strong> ein basales „Ichgefühl“, ein für das betreffende System unhintergehbares<br />

phänomenales Selbst. Sehr poetisch ausgedrückt hat diesen Zusammenhang Antonio<br />

Damasio: „Das Selbst ist die Antwort auf eine Frage, die nie gestellt wurde.“ 25<br />

7. Der sechste Schritt: Das phänomenale Modell der Intentionalitätsrelation<br />

Aus einem transparenten Modell der Welt entsteht eine Wirklichkeit. Aus einem transparenten<br />

Modell <strong>des</strong> Systems entsteht ein in diese Wirklichkeit eingebettetes Selbst.<br />

Wenn nun noch eine transparente Darstellung der wechselnden Beziehungen entsteht,<br />

die dieses Selbst im Wahrnehmen und im Handeln vorübergehend zu Gegenständen<br />

und anderen Personen in dieser Wirklichkeit aufbaut, dann tritt das hervor,<br />

was ich zu Beginn die „phänomenale Erste-Person-Perspektive“ genannt habe. Eine<br />

genuine Innenperspektive entsteht genau dann, wenn das System sich für sich selbst<br />

noch einmal <strong>als</strong> mit der Welt interagierend darstellt, diese Darstellung aber wieder<br />

nicht <strong>als</strong> Darstellung erkennt. Es besitzt dann ein bewusstes Modell der Intentionalitätsrelation.<br />

Sein Bewusstseinsraum ist ein perspektivischer Raum und seine Erlebnisse<br />

sind jetzt subjektive Erlebnisse.<br />

Die Intentionalitätsrelation ist in der Hauptsache die Wissensbeziehung zwischen Subjekt<br />

und Objekt: Ein mentaler Zustand wird dadurch zu einem Träger von Wissen,<br />

dass er über sich selbst hinaus verweist – gewissermaßen wie ein Pfeil, der aus dem<br />

Geist eines Menschen auf einen Gegenstand in der wirklichen oder sogar in einer<br />

möglichen Welt zeigt. Philosophen sagen dann, dass dieser Zustand einen intentionalen<br />

Gehalt besitzt. Der Gehalt ist das, worauf der Pfeil zeigt. Dieser Gehalt kann ein<br />

Bild, eine Aussage oder auch ein Handlungsziel sein. Wenn viele solcher Pfeile im<br />

Bewusstsein verfügbar sind, dann entsteht eine zeitlich ausgedehnte Erste-Person-<br />

Perspektive. Es gibt dann nicht mehr nur ein neurobiologisch verankertes Kernselbst,<br />

ein Selbstpräsentat, sondern auch eine dynamische, phänomenale Simulation <strong>des</strong><br />

Selbst <strong>als</strong> eines über ständig wechselnde Wissens- und Handlungsbeziehungen in die<br />

Welt eingebundenen Subjekts. Der Inhalt höherstufiger Formen <strong>des</strong> Selbstbewusstseins<br />

ist immer eine Relation: Das Selbst im Moment <strong>des</strong> Erkennens, 26 das Selbst im<br />

Akt <strong>des</strong> Handelns.<br />

Natürlich ist die Art und Weise, in der wir diese Relation subjektiv erleben, eine stark<br />

vereinfachte Version der realen Prozesse – gewissermaßen eine funktional adäquate<br />

Konfabulation. Die Evolution hat auch in diesem Fall wieder eine einfache, eine elegante<br />

Lösung favorisiert. Das virtuelle Selbst, das sich in der phänomenalen Welt bewegt,<br />

besitzt kein Gehirn, kein Motorsystem und keine Sinnesorgane: Teile der Um-<br />

25<br />

Vgl. Damasio 1999: 316.<br />

26<br />

Vgl. Damasio 1999: 168ff.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


20<br />

gebung erscheinen direkt in seinem Geist, der Wahrnehmungsprozess ist anstrengungslos<br />

und unmittelbar. Auch Körperbewegungen werden scheinbar „direkt“ ausgelöst.<br />

Solche Effekte sind typisch für unsere Form <strong>des</strong> subjektiven Erlebens und sie<br />

sind – <strong>als</strong> neurokomputationale Strategie betrachtet - die Vorteile einer benutzerfreundlichen<br />

Oberfläche. Das was wir eben <strong>als</strong> „Transparenz“ kennengelernt haben,<br />

ist eine Art, die Geschlossenheit dieser multimodalen, hochdimensionalen Oberfläche<br />

zu beschreiben. Das phänomenale Selbst ist der Teil dieser Oberfläche, den das System<br />

benutzt, um sich selbst zu fühlen, um sich für sich selbst <strong>als</strong> erkennen<strong>des</strong> Ich<br />

darzustellen und um sich selbst <strong>als</strong> Agenten zu begreifen. Dieser virtuelle Agent „sieht<br />

mit den Augen“ und „handelt mit den Händen“. Die intentionalen Pfeile, die diesen A-<br />

genten mit Gegenständen und anderen Selbste innerhalb <strong>des</strong> gerade aktiven Wirklichkeitsmodells<br />

verbinden, sind phänomenale Repräsentationen von vorübergehend<br />

auftretenden Subjekt-Objekt- Beziehungen – und auch sie können nicht <strong>als</strong> Repräsentationsprozesse<br />

erkannt werden.<br />

All dies spielt sich innerhalb eines phänomenalen Gegenwartsfensters ab. Die Inhalte<br />

<strong>des</strong> phänomenalen Erlebens erzeugen nämlich nicht nur eine Welt, sondern auch eine<br />

Gegenwart. Wenn man so will, dann ist phänomenales Bewusstsein sogar in seinem<br />

Kern genau dies: Die Erzeugung einer Gegenwartsinsel im physikalischen Fluss der<br />

Zeit. 27 Erleben heißt „Gegenwärtigsein“. Es bedeutet, Information in einer sehr speziellen<br />

Weise zu verarbeiten. Sie besteht darin, bereits repräsentierte Einzelereignisse<br />

immer wieder und kontinuierlich zu zeitlichen Gestalten zusammenzufassen. Viele<br />

empirische Daten zeigen heute, dass die bewusst erlebte Gegenwart in einem bestimmten<br />

Sinne eine erinnerte Gegenwart ist. 28 Auch das phänomenale Jetzt ist in<br />

diesem Sinne selbst ein repräsentationales Konstrukt, es ist eine virtuelle Gegenwart<br />

und an diesem Punkt kann man sich erstm<strong>als</strong> klarmachen, was es überhaupt bedeutet,<br />

zu sagen, dass der phänomenale Raum ein virtueller Raum ist: Sein Inhalt ist eine<br />

mögliche Realität. 29 Der Realismus <strong>des</strong> phänomenalen Erlebens entsteht dadurch,<br />

dass in ihm eine Möglichkeit – die beste Hypothese, die es im Moment gibt - unhintergehbar<br />

<strong>als</strong> eine Wirklichkeit – eine Aktualität - dargestellt wird. Auch diesen Punkt<br />

muss man am Ende wieder auf den Sonderfall der phänomenalen Selbstmodellierung<br />

anwenden: Weil die Virtualität <strong>des</strong> Selbstmodells nicht auf der Ebene <strong>des</strong> subjektiven<br />

Erlebens verfügbar ist, wird das in ihm dargestellte System zu einem anwesenden<br />

Subjekt.<br />

Zum Schluss biete ich meinen Lesern noch eine Metapher an, die den eben skizzierten<br />

Gedankengang noch einmal illustrieren und verdeutlichen soll. Die Metapher ist interessant,<br />

denn sie enthält einen logischen Fehler. Es ist die „Verwechslungsmetapher“:<br />

De facto sind wir selbst Systeme, die sich selbst ständig mit dem von ihnen<br />

selbst erzeugten subsymbolischen Selbstmodell „verwechseln“. Indem wir dies tun,<br />

generieren wir eine stabile und kohärente Ich-Illusion, die wir auf der Ebene <strong>des</strong> bewussten<br />

Erlebens nicht transzendieren können. Und genau das ist es, was es bedeutet<br />

eine nicht- begriffliche Erste-Person-Perspektive zu besitzen, einen präreflexiven,<br />

phänomenalen Standpunkt, der allen späteren Formen begrifflich vermittelten und reflexiven<br />

Selbstbewusstseins zugrunde liegt, allen späteren Formen von sozialer Kognition<br />

und Ich-Du-Beziehungen: Die Tatsache, dass wir unser subsymbolisches<br />

27<br />

Vgl. Ruhnau 1995<br />

28<br />

Vgl. z.B Edelmann 1989.<br />

29<br />

Meine Vorstellungen konve rgieren in diesem Punkt sehr stark mit denen von Antti<br />

Revonsuo: Virtual reality ist die beste technische Metapher für phänomenales Bewusstsein,<br />

die wir gegenwärtig besitzen. Vgl. Revonsuo 1995, 2000.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


21<br />

Selbstmodell nicht <strong>als</strong> Modell erleben können. Der Kern der Subjektivität <strong>des</strong> Mentalen<br />

liegt <strong>als</strong>o in diesem Akt der „Selbstverwechslung“. Aber Vorsicht - Verfangen Sie<br />

sich nicht in meiner didaktischen Metapher, in der Idee der Selbstverwechslung. Bei<br />

näherem Hinsehen enthalten nämlich der Begriff der „Ich-Illusion“ und die von mir e-<br />

ben angebotene Metapher <strong>des</strong> „Sich-mit-seinem-eigenen-inneren-Bilds-von-sichselbst-Verwechselns“<br />

einen logischen Fehler: Etwas, das noch kein epistemisches<br />

Subjekt in einem starken Sinne begrifflich-propositionalen Wissens ist, kann sich ü-<br />

berhaupt noch nicht mit irgendetwas verwechseln. Wahrheit und F<strong>als</strong>chheit, Realität<br />

und Illusion gibt es für ein bloßes Informationsverarbeitungssystem noch gar nicht. Es<br />

gibt zudem niemand im System, der sich täuschen könnte, denn der Homunkulus e-<br />

xistiert nicht. Hüten Sie sich <strong>des</strong>halb auch auf theoretischer Ebene immer davor, sich<br />

mit ihrem eigenen Bild von sich selbst zu verwechseln. Hüten Sie sich vor dem kleinen<br />

Männchen im Kopf.<br />

______________________________<br />

Literatur:<br />

Baars, B.J. (1988). A Cognitive Theory of Consciousness. Cambridge: Cambridge University<br />

Press.<br />

Bermúdez, J.L., Marcel, A. & Eilan, N. (1995) [eds]. The Body and the Self. Cambridge, MA:<br />

MIT Press.<br />

Cummins, R. (1983). The Nature of Psychological Explanation. Cambridge, MA: MIT Press.<br />

Baker, L.R. (1998). The first-person perspective: A test for naturalism. American Philosophical<br />

Quarterly, 35, 327-46.<br />

Bieri, P. (1987). Evolution, Erkenntnis und Kognition. In Lütterfelds, W. (Hrsg), Transzendentale<br />

oder Evolutionäre Erkenntnistheorie? Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft<br />

Bischof-Köhler, D. (1989). Spiegelbild und Empathie. Bern: Huber. Nachdruck 1993.<br />

Bischof-Köhler, D. (1996). Ichbewusstsein und Zeitvergegenwärtigung. Zur Phylogenese<br />

spezifisch menschlicher Erkenntnisformen. In Barkhaus, A., Mayer, M., Roughley, N. &<br />

Thürnau, D. (Hrsg.), Identität, Leiblichkeit, Normativität. Neue Horizonte anthropologischen<br />

Denkens. Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />

Churchland, P.M. (1989). A Neurocomputational Perspective. Cambridge, MA / London: MIT<br />

Press.<br />

Damasio, A. (1994). Descartes’ Error. New York: Putnam/Grosset.<br />

Damasio, A. (1999). The Feeling of What Happens: Body and Emotion in the Making of<br />

Consciousness. Harcourt Brace & Company.<br />

Dennett, D.C. (1987b). The Intentional Stance. Cambridge, MA und London: MIT Press.<br />

Dittrich, A. (1985). Ätiologie-unabhängige Strukturen veränderter Wachbewusstseinszustände.<br />

Stuttgart: Enke.<br />

Dretske, F. (1988). Explaining Behavior - Reasons in a World of Causes. Cambridge, MA:<br />

MIT Press.<br />

Dretske, F. (1998). Die Naturalisierung <strong>des</strong> Geistes. Paderborn: mentis.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


22<br />

Edelman, G.M. (1989). The Remembered Present: A Biological Theory of Consciousness.<br />

New York: Basic Books.<br />

Gallese, V. & Goldman, A. (1998). Mirror neurons and the simulation theory of mindreading.<br />

Trends in Cognitive Sciences, 2, 493-501.<br />

Grush, R. (1997). The architecture of representation. Philosophical Psychology, 10, 5-25.<br />

Grush, R. (1998). Wahrnehmung, Vorstellung, und die sensomotorische Schleife. In Heckmann,<br />

H.-D. & Esken, F. (Hrsg.), Bewusstsein und Repräsentation. Paderborn: mentis.<br />

Kinsbourne, M. (1995). Awareness of one’s own body: An attentional theory of its nature,<br />

development, and brain basis. In Bermúdez et al. 1995.<br />

Lycan, W.G. (1996). Consciousness and Experience. Cambridge, MA: MIT Press.<br />

Melzack, R. (1989). Phantom limbs, the self and the brain: The D.O. Hebb memorial lecture.<br />

Canadian Psychology, 30, 1-16.<br />

Melzack, R. (1992). Phantom limbs. Scientific American, 266, 90-6.<br />

Melzack, R., Israel, R., Lacroix, R. & Schultz, G. (1997). Phantom limbs in people with congenital<br />

limb deficiency or amputation in early childhood. Brain, 120 (Pt 9), 1603-20.<br />

Metzinger, T. (1993;21999). Subjekt und Selbstmodell. Die Perspektivität phänomenalen<br />

Bewusstseins vor dem Hintergrund einer naturalistischen Theorie mentaler Repräsentation.<br />

Paderborn: mentis.<br />

Metzinger, T. (1995a). Perspektivische Fakten? Die Naturalisierung <strong>des</strong> „Blick von nirgendwo“.<br />

In Meggle, G. & Nida-Rümelin, J. (1997)[Hrsg.], ANALYOMEN 2 - Perspektiven der<br />

Analytischen Philosophie. Berlin und New York: de Gruyter. S. 103-10.<br />

Metzinger, T. (1995b; 3., erweiterte Auflage 1996)[Hrsg.]. Bewusstsein - Beiträge aus der<br />

Gegenwartsphilosophie. Paderborn: mentis.<br />

Metzinger, T. (1996a). „Niemand sein“. In S. Krämer (Hrsg.), Bewusstsein - Philosophische<br />

Positionen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />

Metzinger, T. (1997). Ich-Störungen <strong>als</strong> pathologische Formen mentaler Selbstmodellierung.<br />

In Northoff, G. [Hrsg.], Neuropsychiatrie und Neurophilosophie. Paderborn: mentis.<br />

Metzinger, T. (2000). The subjectivity of subjective experience: A representationalist analysis<br />

of the first-person perspective. In T. Metzinger (ed), Neural Correlates of Consciousness<br />

- Empirical and Conceptual Questions. Cambridge, MA: MIT Press.<br />

Metzinger, T. (in Vorbereitung). The Self-Model Theory of Subjectivity. Cambridge, MA: MIT<br />

Press.<br />

Millikan, R.G. (1984). Language, Thought, and other Biological Categories. Cambridge/MA:<br />

MITPress.<br />

Millikan, R.G. (1993). White Queen Psychology and Other Essays for Alice. Cambridge/MA:<br />

MITPress.<br />

Nagel, T. (1986). Der Blick von nirgendwo. Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />

Newen, A. & Vogeley, K. (2000)[Hrsg.]. Das Selbst und seine neurobiologischen Grundlagen.<br />

Paderborn: mentis.<br />

O’Shaughnessy, B. (1995). Proprioception and the body image. In Bermúdez et al. 1995.<br />

Ramachandran, V.S. & Blakeslee, S. (1998). Phantoms in the Brain. New York: William<br />

Morrow and Company, Inc.<br />

Ramachandran, V.S. & Rogers-Ramachandran, D. (1996). Synaesthesia in phantom limbs<br />

induced with mirrors. Proceedings of the Royal Society London, B, 377-86.<br />

Revonsuo, A. (1995). Consciousness, dreams, and virtual realities. Philosophical Psychology,<br />

8, 35-58.<br />

Revonsuo, A. (2000). Prospects for a scientific research program on consciousness. In<br />

Thomas Metzinger (ed), Neural Correlates of Consciousness: Empirical and Conceptual<br />

Questions. Cambridge, MA: MIT Press.<br />

Ruhnau, E. (1995). Zeit-Gestalt und der Beobachter. In Metzinger 1995.<br />

Yates, J. (1985). The content of awareness is a model of the world. Psychological Review,<br />

92, 249-84.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


23<br />

Christiane Schildknecht (Hauptvortrag)<br />

Phänomenales Bewusstsein<br />

Innerhalb der gegenwärtig im Rahmen der Philosophie <strong>des</strong> Geistes geführten Debatten<br />

nimmt diejenige um das phänomenale Bewusstsein eine – wenn nicht die –<br />

zentrale Position ein. Dabei bezeichnet der Begriff <strong>des</strong> phänomenalen Bewusstseins<br />

selbst bereits ein ganzes Bündel verschiedener Aspekte, die ich zunächst kurz skizzieren<br />

möchte (I). Daran anschließend soll das Problem, das phänomenales Bewusstsein<br />

für gegenwärtige Bewusstseinstheorien darstellt, präzisiert werden (II), bevor abschließend<br />

zwei gegenwärtig zentrale Lösungsstrategien vorgestellt und diskutiert<br />

werden (III).<br />

I Phänomenales Bewusstsein<br />

Lebewesen oder künstliche Systeme weisen eine Vielzahl objektiv verfügbarer und<br />

reproduzierbarer Leistungen auf, die <strong>als</strong> konstitutiv für Bewusstsein angesehen werden<br />

können; die Realisierung dieser Leistungen in den materiellen Strukturen <strong>des</strong><br />

Systems fungiert dabei gleichzeitig <strong>als</strong> Erklärung von Bewusstsein. Zu diesen Leistungen<br />

gehören etwa:<br />

• die Fähigkeit, auf Umweltstimuli zu reagieren, sie zu diskriminieren und zu kategorisieren;<br />

• die Integration von Information durch ein kognitives System;<br />

• die Fähigkeit, von mentaler Zuständen berichten zu können;<br />

• die Fähigkeit eines Systems, auf seine eigenen internen Zustände zugreifen zu können;<br />

• der Fokus der Aufmerksamkeit;<br />

• die willkürliche (intentionale) Kontrolle von Verhalten;<br />

• der Unterschied zwischen Schlaf und Wachsein. 1<br />

Die Erklärung der Phänomene dieser Liste macht cum grano salis das aus, was einer<br />

der gegenwärtig einflussreichsten Philosophen <strong>des</strong> Geistes – nämlich David Chalmers<br />

– die "leichten Probleme <strong>des</strong> Bewusstseins" genannt hat. 2 Dabei sind alle genannten<br />

Phänomene mit dem Begriff <strong>des</strong> Bewusstseins verknüpft: Ein mentaler Zustand wird<br />

z.B. dann <strong>als</strong> bewusst angesehen, wenn man auf verbale Weise über ihn berichten<br />

kann oder wenn er introspektiv zugänglich ist; im Hinblick auf ein System wird zuweilen<br />

behauptet, es sei sich einer Information bewusst, wenn es die Fähigkeit besitzt,<br />

auf der Basis dieser Information reagieren zu können, oder – noch stärker – wenn es<br />

seine Aufmerksamkeit auf sie richten, sie integrieren oder für die Kontrolle seines<br />

Verhaltens ausnutzen kann. Eine Handlung wird beispielsweise genau dann <strong>als</strong> bewusst<br />

klassifiziert, wenn es sich um ein absichtliches, wohlüberlegtes Tun handelt.<br />

Und schließlich ist die Redeweise, dass ein Organismus bewusst ist, häufig nur eine<br />

andere Form <strong>des</strong> Ausdrucks dafür, dass der Organismus wach ist. Eine wissenschaftliche<br />

Erklärung der genannten Phänomene anhand computationaler oder neuronaler<br />

Mechanismen stellt keine wirkliche Herausforderung mehr dar; denn auch wenn von<br />

einer vollständigen Erklärung der Phänomene (noch) nicht die Rede sein kann, so haben<br />

wir doch zumin<strong>des</strong>t eine klare Vorstellung davon, wie Kognitions- und Neurowis-<br />

1 So Chalmers (1999), 222.<br />

2 Vgl. Chalmers (1999), 222f.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


24<br />

senschaft hier methodisch vorzugehen haben – <strong>des</strong>halb die Rede von den "leichten"<br />

Problemen <strong>des</strong> Bewusstseins.<br />

Ein anderes Bild bietet sich jedoch im Falle <strong>des</strong>sen, was wir <strong>als</strong> sinnliches oder phänomenales<br />

Bewusstsein bezeichnen. Mit diesem Begriff sind mentale Zustände bzw.<br />

mentale Eigenschaften oder Qualitäten gemeint, die sich durch folgende Charakteristika<br />

auszeichnen: 3<br />

1. Phänomenales Bewusstsein unterscheidet sich von nicht-phänomenalem Bewusstsein<br />

durch die unmittelbare Präsenz der sinnlichen Qualitäten für das Bewusstsein:<br />

Farbe für das visuelle Bewusstsein, Geschmack für das gustatorische Bewusstsein<br />

etc.<br />

2. Sinnliche Qualitäten charakterisieren materielle Gegenstände nicht so, wie diese<br />

tatsächlich beschaffen sind: Sinnliche Qualitäten kommen an den materiellen Gegenständen<br />

nicht in der Ausprägung vor, in der sie sich dem sinnlichen Bewusstsein präsentieren;<br />

das 'sinnliche Kleid' materieller Gegenstände gehört nicht zu ihrer Natur,<br />

sondern zu den Merkmalen ihres Auftretens für uns. Die sinnlichen oder phänomenalen<br />

Qualitäten, die die Aufmerksamkeit <strong>des</strong> bzw. der Wahrnehmenden fesseln, sind<br />

nur in der Erfahrung exemplifiziert.<br />

3. Wir schreiben qualitative Merkmale dennoch den materiellen Gegenständen vor<br />

oder jenseits der Sinnesorgane zu, d.h., wir halten die Dinge selbst für rot, bitter, heiß<br />

oder leise. Dabei bestimmt die sinnliche Ausprägung dieser Qualitäten im<br />

phänomenalen Bewusstsein die Auffassung, die wir von ihnen haben, wenn wir sie<br />

den Gegenständen vor den Sinnesorganen vermittels von Gedanken oder Sätzen der<br />

Form "a ist rot" oder "a ist bitter" zuschreiben.<br />

4. Sinnliche Qualitäten haben eine Repräsentationsfunktionen, insofern sie Lebewesen<br />

dabei helfen, sich in ihrer Umgebung zu orientieren.<br />

Was genau ist <strong>als</strong>o gemeint, wenn wir von sinnlichem oder phänomenalem Bewusstsein<br />

reden? Blau – etwa in Gestalt eines Rothko-Gemäl<strong>des</strong> – sehen, die Glocken läuten<br />

hören, an einer Rosenblüte der Sorte Winchester Cathedral riechen, Champagnertruffe<br />

naschen, einen Château la Fitte genießen, barfuß am Strand laufen, Haut<br />

berühren, Zahnschmerzen haben, verliebt, müde, faul oder aufgeregt sein, sich energiegeladen,<br />

zurückgewiesen, entspannt, glücklich, alt, geborgen, deprimiert, verantwortlich,<br />

zuversichtlich, krank, zufrieden oder hilflos fühlen – all dies, und vieles mehr,<br />

sind Instantiierungen phänomenalen Bewusstseins. Was diese Instantiierungen auszeichnet,<br />

ist dabei – anders <strong>als</strong> bei so genannten propositionalen Einstellungen (Überzeugtsein,<br />

Hoffen, Fürchten, Bezweifeln etc.) – nicht eine Art <strong>des</strong> Gerichtetseins<br />

auf Objekte (Intentionalität), sondern das Wie ihres Gegebenseins: wie sie sich uns in<br />

der Erfahrung präsentieren. Nichts könnte dieses Wie wohl besser illustrieren <strong>als</strong> folgende<br />

Passage aus A la recherche du temps perdu:<br />

Gleich darauf führte ich, bedrückt durch den trüben Tag und die Aussicht<br />

auf den traurigen folgenden, einen Löffel Tee mit dem aufgeweichten kleinen<br />

Stück Madeleine darin an die Lippen. In der Sekunde nun, <strong>als</strong> dieser<br />

mit dem Kuchengeschmack gemischte Schluck Tee meinen Gaumen berührte,<br />

zuckte ich zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches,<br />

das sich in mir vollzog. Ein unerhörtes Glücksgefühl, das<br />

ganz für sich allein bestand und <strong>des</strong>sen Grund mir unbekannt blieb, hatte<br />

mich druchströmt. Mit einem Schlage waren mir die Wechselfälle <strong>des</strong> Lebens<br />

gleichgültig, seine Katastrophen zu harmlosen Missgeschicken, sei-<br />

3 Vgl. hierzu Lanz (1996), 71 ff.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


25<br />

ne Kürze zu einem bloßen Trug unsrer Sinne geworden; es vollzog sich<br />

damit in mir, was sonst die Liebe vermag, gleichzeitig aber fühlte ich mich<br />

von einer köstlichen Substanz erfüllt,: oder diese Substanz war vielmehr<br />

nicht in mir, sondern ich war sie selbst. Ich hatte aufgehört, mich mittelmäßig,<br />

zufallsbedingt, sterblich zu fühlen. Woher strömte diese mächtige<br />

Freude mir zu? Ich fühlte, dass sie mit dem Geschmack <strong>des</strong> Tees und <strong>des</strong><br />

Kuchens in Verbindung stand, aber darüber hinausging und von ganz anderer<br />

Wesensart war. Woher kam sie mir? Was bedeutete sie? Wo konnte<br />

ich sie fassen?<br />

Ein Stückchen Madeleine mit Tee kosten, Schmerzen haben, den Duft frisch gemahlenen<br />

Kaffees riechen - phänomenale Zustände dieser Art zeichnen sich im Unterschied<br />

zu propositionalen Einstellungen wie Überzeugtsein, Hoffen etc. dadurch aus,<br />

dass hier sinnliche Qualitäten unsere Aufmerksamkeit fesseln, ohne dass dafür eine<br />

begriffliche oder kognitive Kompetenz erforderlich wäre. Das aber bedeutet, dass Erfahrungssubjekte<br />

ein Bewusstsein von etwas haben können, ohne dass sie – anders<br />

<strong>als</strong> im Fall propositionaler Einstellungen – ein Bewusstsein haben, dass das und das<br />

der Fall ist. Im Unterschied zu<br />

(1) S hat ein Bewusstsein davon, daß p<br />

gibt es <strong>als</strong>o auch den Fall<br />

(2) S hat ein Bewusstsein von x.<br />

Genau dieser zweite Fall ist der Fall <strong>des</strong> phänomenalen Bewusstseins - <strong>des</strong> Bewusstseins<br />

von etwas Rotem, Schmerzhaftem oder Heißem, ohne Bewusstsein davon,<br />

dass da etwas Rotes, Schmerzhaftes oder Heißes ist. Ein derartiges Bewusstsein<br />

kann folglich kein kognitives oder epistemisches Bewusstsein sein. In der Forschung<br />

hat sich für diese Art <strong>des</strong> Bewusstseins eine ganze Reihe von Bezeichnungen eingebürgert,<br />

die größtenteils privativer oder negativer Art sind: nicht-epistemisch, nichtkognitiv,<br />

nicht-begrifflich, nicht-propositional, 'non-statemental'; alternativ man spricht<br />

man auch von der 'intrinsischen Qualität der sinnlichen Erfahrung', d.h. davon, wie etwa<br />

aussieht, schmeckt oder sich anfühlt, oder vom spezifisch qualitativen bzw. phänomenal<br />

sinnlichen Charakter der Erfahrung.<br />

Will man diesen phänomenal qualitativen Aspekt <strong>des</strong> Bewusstsein begrifflich präzise<br />

charakterisieren, sieht man sich mit folgendem Dilemma konfrontiert. Einmal abgesehen<br />

von der prinzipiellen Schwierigkeit der sprachlich-begrifflichen Erfassung etwas<br />

genuin Nicht-Begrifflichen, besteht das Problem darin, dass eine nicht-zirkuläre Definition<br />

phänomenalen Bewusstseins nicht einfach zu haben ist; aus diesem Grunde muß<br />

die eingangs vorgenommene Plausibilisierung anhand von Beispielen fürs Erste ausreichen.<br />

Min<strong>des</strong>tens drei Aspekte <strong>des</strong> Phänomenalen bieten sich auf der Seite <strong>des</strong><br />

Definiens an:<br />

(a) die auf Thomas Nagel zurückgehende Bestimmung im Sinne <strong>des</strong> Wie es ist bzw.<br />

sich anfühlt, z.B. eine Fledermaus zu sein ("What is it like to be a bat?", Nagel 1974).<br />

Diese Bestimmung besagt, dass es auf eine bestimmte Weise ist oder sich auf eine<br />

bestimmte Weise anfühlt, sich in einem Zustand mit phänomenalem, qualitativen Gehalt<br />

zu befinden;<br />

(b) die Auszeichnung mentaler Zustände mit phänomenalem Charakter dadurch, dass<br />

man in diesen Zuständen nicht nur ist, sondern dass man sie erlebt. Denn im Unterschied<br />

zu meinen Cholesterinwerten, von denen ich durchaus wissen kann, wie hoch<br />

sie sind, die ich jedoch nicht erlebe, weiß ich von meinem Zahnschmerz nicht nur,<br />

dass ich ihn habe, sondern dieses Wissen beruht gerade darauf, dass ich ihn erlebe,<br />

d.h. sehr heftig spüre. Die Erfahrungen, die wir im Rahmen <strong>des</strong> phänomenalen Be-<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


26<br />

wusstseins machen, sind <strong>als</strong>o Erfahrungen, die durch eine spezifische Erlebnisqualität<br />

gekennzeichnet sind.<br />

(c) der Begriff der subjektiven Erfahrung. Mit den meisten Wahrnehmungen gehen bestimmte<br />

Erfahrungen einher, die den objektiven Aspekt der Wahrnehmung – Information<br />

über Dinge der Außenwelt, auf der der Erwerb von Wissen über unsere Umgebung<br />

basiert – um eine subjektive Seite ergänzen: dass es sich auf eine bestimmte<br />

Weise anfühlt, eine bestimmte Wahrnehmung – z.B. diejenige <strong>des</strong> Rottons einer Rose<br />

– zu machen; dass mit der Wahrnehmung eine bestimmte Erlebnisqualität, z.B. diejenige<br />

<strong>des</strong> Schmerzes verbunden ist etc.<br />

Anhand dieser wenigen Charakterisierungen wird bereits deutlich, dass wir uns begrifflich<br />

in einem Zirkel bewegen: So ist etwa die subjektive Erfahrung <strong>als</strong> einer der<br />

Aspekte <strong>des</strong> phänomenalen Charakters von Empfindungen anhand der Komponenten<br />

<strong>des</strong> Wie es sich anfühlt sowie der Qualität <strong>des</strong> Erlebens erläutert worden. Doch auch<br />

wenn sich der qualitative Charakter mentaler Zustände einer stringenten begrifflichen<br />

Fixierung zu entziehen scheint – exemplarisch kann auf ihn ohne weiteres hingewiesen<br />

werden, etwa indem ich Sie bitte, die bereits erwähnte Flasche 1998er Chateau<br />

Lafont-Rochet aus dem Keller zu holen, zu entkorken und nach einem großzügig bemessenen<br />

Atmungszeitraum zu kosten; dann allerdings bitte ich Sie, einen Zitronenschnitz<br />

auszusaugen, bevor Sie anschließend ein zweites Mal von dem Bordeaux<br />

kosten dürfen. Das was sich - hoffentlich oder vielmehr: leider - in der Zeit zwischen<br />

dem 1. und dem 2. Schluck geändert hat, das ist der gesuchte qualitative Charakter<br />

bzw. das sogenannte Quale eines (in diesem Falle) Geschmackserlebnisses.<br />

II Phänomenales Bewusstsein <strong>als</strong> ein schwieriges Problem für Bewusstseinstheorien<br />

Was <strong>als</strong>o ist das Besondere an Qualia? Und warum - denn das war ja der Ausgangspunkt<br />

- stellt gerade der qualitative Gehalt von Erfahrungen ein sogenanntes hard<br />

problem – ein schwieriges Problem - für den Physikalismus dar? Eine erste Antwort<br />

auf diese Frage hat Thomas Nagel 1974 in seinem mittlerweile klassischen Aufsatz<br />

"What is it like to be a bat?" vorgestellt. Nagel zufolge sind die für Empfindungen charakteristischen<br />

Erlebnisqualitäten insofern subjektiv, <strong>als</strong> sie notwendigerweise an eine<br />

bestimmte Einzelperspektive – nämlich an die <strong>des</strong> jeweiligen Wahrnehmungssubjekts<br />

– gebunden sind. Die Verfahrensweisen der Kognitions- und Neuro-Wissenschaften<br />

sind jedoch wesentlich objektiver Natur, d.h. aus physikalistischer Sicht wird von jeder<br />

einzelnen Perspektive abgesehen. Deshalb gilt Nagel zufolge:<br />

Wenn der Physikalismus verteidigt werden soll, müssen phänomenologische<br />

[d.h. phänomenale] Eigenschaften selbst physikalisch erklärt werden.<br />

Wenn wir aber ihren subjektiven Charakter untersuchen, scheint so<br />

etwas unmöglich zu sein. Der Grund dafür ist, dass je<strong>des</strong> subjektive Phänomen<br />

mit einer einzelnen Perspektive verbunden ist; und es scheint unvermeidlich,<br />

dass eine objektive physikalische Theorie von dieser Perspektive<br />

abstrahieren wird. (Nagel, 1974, 262f.)<br />

In seiner Erklärung <strong>des</strong>sen, was es heißt, dass Erlebnisqualitäten subjektiv sind, bezieht<br />

sich Nagel auf Fledermäuse (bats), von denen wir wissen, dass sie sich auf eine<br />

ganz andere Art im Raum orientieren, <strong>als</strong> wir dies tun: Sie senden Schallwellen aus<br />

und registrieren den Schall, der von den in ihrer Reichweite befindlichen Gegenständen<br />

reflektiert wird. Aufgrund seines Echolot-Verfahrens ist der sensorische Apparat<br />

von Fledermäusen <strong>als</strong>o auf grundlegende Weise von unseren Sinnesorganen unterschieden.<br />

Angesichts der Tatsache, dass auch Fledermäuse Säugetiere sind, scheint<br />

es jedoch andererseits nicht unplausibel anzunehmen, dass sich auch ihre Wahrneh-<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


27<br />

mungen durch einen Erlebnisaspekt auszeichnen, d.h. dass es sich auf eine bestimmte<br />

Weise anfühlt, die beschriebene Art von Echolotwahrnehmung zu haben. Die Frage<br />

ist jedoch: wie genau fühlt es sich an? Gibt es irgendein Verfahren, das Innenleben<br />

von Fledermäusen anhand unseres Innenlebens zu erschließen? Dazu noch einmal<br />

Nagel:<br />

Es wird nicht helfen, sich vorzustellen, dass man Flughäute an den Armen<br />

hätte, die einen befähigen, bei Einbruch der Dunkelheit und im Morgengrauen<br />

herumzufliegen, während man mit dem Mund Insekten finge; dass<br />

man ein schwaches Sehvermögen hätte und die Umwelt mit einem System<br />

reflektierender akustischer Signale aus dem Hochfrequenzbereich<br />

wahrnähme; und dass man den Tag an den Füßen nach unten hängend<br />

in einer Dachkammer verbrächte. (Nagel, 1974, 264)<br />

Aus all diesen Verfahren würde letztlich immer nur folgen, wie es für uns wäre, das<br />

Leben einer Fledermaus zu führen. Der Antwort auf die Frage, wie dies für eine Fledermaus<br />

selbst ist, kämen wir damit nicht näher. Denn was wir uns vorstellen können,<br />

hängt eben von den Ressourcen unseres eigenen Bewusstseins ab - und diese Ressourcen<br />

sind aus Gründen kategorialer Differenz für den geschilderten Fall ungeeignet.<br />

Der spezifische Erlebnischarakter der mentalen Zustände einer Fledermaus kann<br />

uns auf der Basis unseres Vorstellungsvermögens demzufolge nicht durchsichtig werden.<br />

Diese Überlegungen bilden die Grundlage für Nagels Antwort auf die Frage, warum<br />

Erlebnisqualitäten subjektiver Natur sind. Nagel zufolge ist jede Tatsache subjektiv,<br />

die nur mit Hilfe von subjektiven Begriffen erfasst werden kann, wobei subjektive Begriffe<br />

solche Begriffe sind, die man nur dann erwerben kann, wenn man in der Lage ist,<br />

eine bestimmte Erfahrungsperspektive einzunehmen. Genau dieser Aspekt ist zentral,<br />

wenn es etwa darum geht, wie es sich anfühlt, Zahnschmerzen zu haben: Um die Erlebnisqualität<br />

dieser Empfindung adäquat erfassen zu können, benötigt man Begriffe,<br />

deren Erwerb voraussetzt, dass man selbst schon einmal Schmerzen dieser Art gehabt<br />

hat oder dass man sich zumin<strong>des</strong>t vorstellen kann, wie es ist, sie zu haben. Objektive<br />

Tatsachen werden demgegenüber mit Hilfe von Begriffen erfasst, für deren Erwerb<br />

gerade keine spezielle Erfahrungsperspektive erforderlich ist. Nagel zufolge sind<br />

alle physikalischen Tatsachen objektiv. Folglich stehen wir vor dem bereits erwähnten<br />

schwierigen Problem, wie es möglich sein soll, mentale Zustände, die ihrer Natur nach<br />

subjektiv sind, auf objektive physikalische Zustände zu reduzieren. Nagel behauptet<br />

nun nicht, dass dies unmöglich ist, sondern nur, dass keine der gegenwärtigen Konzeptionen<br />

einen Hinweis darauf enthält, wie eine solche Reduktion aussehen könnte.<br />

Insbesondere kann man seiner Meinung nach aus den angeführten Überlegungen<br />

nicht den Schluss ziehen, dass der Physikalismus f<strong>als</strong>ch ist:<br />

Es wäre richtiger zu sagen, dass der Physikalismus eine Position ist, die<br />

wir nicht verstehen können, weil wir gegenwärtig keine Konzeption davon<br />

haben, wie er wahr sein könnte. (Nagel, 1974, 267)<br />

Vielleicht liegt der Grund für diesen Umstand nur darin, dass uns augenblicklich die<br />

begrifflichen Mittel fehlen, um zu verstehen, wie der Physikalismus wahr sein kann.<br />

Dies muss jedoch nicht immer so bleiben. Zusammengefasst lässt sich die Position<br />

Nagels im Hinblick auf den qualitativen Charakter von Erfahrung folgendermaßen zusammenfassen:<br />

4<br />

4 Vgl. Beckermann (2001), 388f.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


28<br />

Thomas Nagel: Der subjektive Charakter von Erfahrung<br />

1. Es gibt Begriffe, die nur derjenige erwerben kann, der in der Lage ist, eine<br />

bestimmte Erfahrungsperspektive einzunehmen.<br />

2. Tatsachen, die man nur erfassen kann, wenn man über derartige Begriffe<br />

verfügt, sind subjektive Tatsachen.<br />

3. Tatsachen, die die Frage betreffen, wie es ist, bestimmte Erfahrungen<br />

(Empfindungen) zu haben, sind in diesem Sinne subjektiv.<br />

4. Im Augenblick haben wir noch keinerlei Vorstellung davon, wie es möglich<br />

sein soll, ihrer Natur nach subjektive mentale Zustände auf objektive physikalische<br />

Zustände zu reduzieren.<br />

Ein anderer Philosoph, der ähnliche Überlegungen wie Nagel angestellt hat, ist Frank<br />

Jackson (1982). Allerdings ist Jackson sehr viel pessimistischer <strong>als</strong> Nagel, was die<br />

Zukunft <strong>des</strong> Physikalismus betrifft. Jackson zufolge behauptet der Physikalismus unter<br />

anderem, dass alle Tatsachen physikalische Tatsachen sind. Wenn man folglich zeigen<br />

kann, dass es nicht-physikalische Tatsachen gibt, muss der Physikalismus f<strong>als</strong>ch<br />

sein. Und genau dies zu zeigen, ist Jacksons Anliegen. Seine Argumente beruhen auf<br />

folgendem, mittlerweile klassisch gewordenen Gedankenexperiment: Mary, ein brillante<br />

Wissenschaftlerin (Physikerin), ist durch nicht näher ausgeführte Umstände gezwungen,<br />

von Geburt an in einer schwarz-weiß-grauen Umgebung zu leben. Die<br />

Zimmer, in denen sie lebt, sind mit schwarzen und weißen Möbeln eingerichtet; die<br />

Kommunikation mit der übrigen Welt vollzieht sich über einen Computer mit Schwarz-<br />

Weiß-Bildschirm. Trotzdem gelingt es ihr, sich zu einer Expertin in Wahrnehmungsphysiologie<br />

zu machen. Am Ende ihrer Studien – so die Prämisse - verfügt sie über alle<br />

physikalischen Informationen hinsichtlich <strong>des</strong>sen, was vorgeht, wenn ein Norm<strong>als</strong>ichtiger<br />

eine reife Tomate oder den blauen Himmel sieht oder wenn er Wörter wie<br />

'rot' und 'blau' verwendet. Sie weiß <strong>als</strong>o, welche Wellenlänge das Licht hat, das bei<br />

schönem Wetter vom Himmel auf die Retina gelangt, und sie weiß, wie dieser Umstand<br />

- durch die Vermittlung von Zentralnervensystem, Stimmbänder und Lungenfunktion<br />

- dazu führt, dass jemand den Satz "Der Himmel ist heute wunderschön tiefblau"<br />

äußert. Im Hinblick auf ihr Wissen über alle mit der Wahrnehmung von Farben<br />

zusammenhängenden physikalischen und physiologischen Prozesse gilt, dass dieses<br />

<strong>als</strong>o so vollständig wie nur möglich ist.<br />

Trotzdem - so argumentiert Jackson - weiß Mary nicht alles, was man über Farbwahrnehmungen<br />

wissen kann. Wenn wir uns nämlich vorstellen, was geschieht, wenn Mary<br />

ihre schwarz-weiß-graue Umgebung verlässt und zum ersten Mal einen roten Gegenstand,<br />

z.B. eine reife Tomate, sieht, dann werden wir annehmen müssen, dass sie<br />

etwas Neues lernt. Denn erst in diesem Augenblick lernt sie, wie es ist, einen Roteindruck<br />

zu haben:<br />

Es scheint ganz offensichtlich, dass sie etwas über die Welt und über unsere<br />

visuelle Erfahrung der Welt lernt. Aber dann ist der Schluss unausweichlich,<br />

dass ihr bisheriges Wissen unvollständig war. Auf der anderen<br />

Seite hatte sie aber alle physikalischen Informationen. Also kann man<br />

mehr <strong>als</strong> diese Informationen haben; und der Physikalismus ist f<strong>als</strong>ch.<br />

(Jackson, 1982, 130). 5<br />

Dieses von Jackson vorgestellte Argument <strong>des</strong> unvollständigen Wissens lässt sich<br />

zusammenfassend folgendermaßen rekonstruieren:<br />

5 Übersetzung nach Beckermann (2001), 390.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


29<br />

Frank Jackson: Das Argument <strong>des</strong> unvollständigen Wissens 6<br />

1. Mary weiß vor dem Verlassen ihrer schwarz-weiß-grauen Umgebung alles,<br />

was es physikalisch und physiologisch über das Farbsehen von Menschen<br />

zu wissen gibt.<br />

2. Mary lernt beim ersten Anblick eines roten Gegenstan<strong>des</strong> nach dem Verlassen<br />

ihrer schwarz-weiß-grauen Umgebung etwas Neues; sie erwirbt neues<br />

Wissen.<br />

3. Also lernt Mary beim ersten Anblick eines roten Gegenstan<strong>des</strong> nach dem<br />

Verlassen ihrer schwarz-weiß-grauen Umgebung eine neue Tatsache.<br />

4. Also kennt Mary vor dem Verlassen ihrer Umgebung nicht alle Tatsachen,<br />

die das Farbsehen von Menschen betreffen.<br />

5. Also gibt es im Hinblick auf das Farbsehen von Menschen Tatsachen, die<br />

keine physikalischen Tatsachen sind.<br />

6. Also gibt es nicht-physikalische Tatsachen.<br />

7. Also ist der Physikalismus f<strong>als</strong>ch.<br />

Ein Überblick über die Kritik, die an der Argumentation Jacksons geübt worden ist,<br />

macht deutlich, dass eigentlich niemand bestreitet, dass Mary bei ihrer Befreiung tatsächlich<br />

etwas Neues lernt. Bestritten wird von vielen jedoch, dass man von dem Satz<br />

(1) Mary lernt etwas Neues<br />

ohne weiteres zu der Schlussfolgerung<br />

(2) Mary lernt eine neue Tatsache<br />

übergehen darf. Denn selbst wenn man (1) im Sinne von<br />

(1') Mary erwirbt neues Wissen<br />

versteht, ist nicht selbstverständlich, dass (2) aus (1) bzw. aus (1') folgt.<br />

Andere Kritiker akzeptieren die Schlussfolgerung (2) – nämlich, dass Mary eine neue<br />

Tatsache lernt; sie bezweifeln im Gegensatz zu Jackson aber, dass dadurch der Physikalismus<br />

in Frage gestellt wird. Von den zwei Gruppen von Kritiken bestreitet die eine<br />

Gruppe <strong>als</strong>o, dass Mary eine neue Tatsache lernt; die andere akzeptiert dagegen<br />

die Annahme, dass Mary eine neue Tatsache lernt, bestreitet aber, dass sich daraus<br />

ein Argument gegen den Physikalismus ergibt. Dabei lässt sich die erste Gruppe noch<br />

weiter dahingehend unterteilen, dass Mary für einige zwar etwas Neues lernt, dass es<br />

sich aber bei diesem Neuen nicht um den Erwerb von Satzwissen (<strong>als</strong>o von Wissen<br />

der Art, 'dass p', d.h. von so genanntem propositionalen Wissen) handelt, sondern um<br />

den Erwerb einer Fähigkeit. 7 Andere Vertreter dieser Gruppe argumentieren, dass es<br />

sich bei dem, was Mary erwirbt, nicht um eine Fähigkeit, sondern um den neuen Zugang<br />

zu einer ihr schon bekannten Tatsache handelt.<br />

Gegen Jacksons Argument lassen sich <strong>als</strong>o folgende 3 Arten von Kritik anführen:<br />

K1a Mary lernt keine neue Tatsache; sie erwirbt vielmehr eine neue Fähigkeit.<br />

(L. Nemirow, D. Lewis)<br />

K1b Mary lernt keine neue Tatsache; sie erwirbt einen neuen Zugang zu einer ihr<br />

schon bekannten Tatsache. (Paul Churchland, M. Tye)<br />

K2 Mary lernt eine neue Tatsache; aus diesem Umstand lässt sich jedoch kein<br />

Argument gegen den Physikalismus ableiten. (M. Tye, B. Loar)<br />

6 Vgl. Beckermann (2001), 390f.<br />

7 Zur Bestimmung von propositionalem und, von diesem abweichenden, nichtpropositionalem<br />

Wissen, vgl. Schildknecht (2002).<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


30<br />

Kritiker aus der Gruppe K2 berufen sich zur Begründung ihrer These, dass der Physikalismus<br />

und das Gedankenexperiment von Jackson durchaus miteinander kompatibel<br />

seien, auf die Unterscheidung zwischen einem grob- und einem feinkörnigen Tatsachenbegriff.<br />

Dabei bedeutet 'grobkörnig' in diesem Zusammenhang folgen<strong>des</strong>:<br />

Zwei Sätze 'Fa' und 'Gb' drücken dieselbe Tatsache aus, wenn 'a' und 'b' denselben<br />

Gegenstand und 'F' und 'G' dieselbe Eigenschaften bezeichnen. (extensionale Betrachtungsweise)<br />

Im Falle 'feinkörniger' Tatsachen gilt dagegen:<br />

Zwei Sätze 'Fa' und 'Gb' drücken verschiedene Tatsachen aus, wenn 'a' und 'b' oder<br />

'F' und 'G' sinnverschieden sind. (intensionale Betrachtungsweise)<br />

Der Differenzierung in grob- und feinkörnige Tatsachen liegt somit Freges Unterscheidung<br />

zwischen dem Sinn <strong>als</strong> der Art <strong>des</strong> Gegebenseins (von Gegenständen) bzw.<br />

dem Gedanken (Sinn eines Satzes) und der Bedeutung <strong>als</strong> dem Gegenstand selbst<br />

bzw. dem Wahrheitswert eines Satzes zugrunde. Im Sinne der Unterscheidung zwischen<br />

grob- und feinkörnigen Tatsachen erwirbt Mary nach dem Verlassen ihrer<br />

schwarz-weißen Umgebung durchaus eine neue Tatsache: nämlich eine Tatsache im<br />

feinkörnigen Sinne. Demgegenüber behauptet der Physikalismus jedoch lediglich,<br />

dass alle Gegenstände physische Gegenstände und alle Eigenschaften physische Eigenschaften<br />

sind. Der Physikalismus impliziert <strong>als</strong>o keinerlei Annahmen darüber, welche<br />

Sinne es in der Welt gibt; dies <strong>des</strong>wegen, weil Sinne nichts mit der Welt selbst zu<br />

tun haben, sondern allein mit der Art und Weise, wie uns die Welt gegeben ist (Sinn<br />

<strong>als</strong> Art <strong>des</strong> Gegebenseins). Dementsprechend lässt sich der Physikalismus so interpretieren,<br />

dass hier lediglich behauptet wird, dass alle grobkörnigen Tatsachen physische<br />

Tatsachen sind. Diese Behauptung – so die Kritiker der zweiten Gruppe – ist mit<br />

der These, dass Mary nach ihrer Befreiung Wissen um eine neue Tatsache erwirbt,<br />

jedoch durchaus vereinbar, vorausgesetzt, dass es sich bei dieser Tatsache um eine<br />

Tatsache im feinkörnigen Sinne handelt.<br />

Als letztes Argument für den qualitativen Gehalt von Erfahrungen <strong>als</strong> eines den reduktionistischen<br />

Bemühungen (Physikalismus bzw. genauer: auf Kausalerklärungen basierender<br />

Funktionalismus) entgegenstehenden schwierigen Problems soll das Argument<br />

der Erklärunglücke von Joseph Levine (1983) vorgestellt werden. Levine geht<br />

von einem Vergleich zwischen den folgenden Aussagen aus:<br />

(1) Schmerz ist durch das Feuern von C-Fasern realisiert.<br />

(2) In einem idealen Gas ist die Temperatur durch die mittlere kinetische Ener<br />

gie seiner Moleküle realisiert. 8<br />

Dabei wird die letzte Aussage <strong>des</strong>wegen <strong>als</strong> vollständig explanatorisch betrachtet,<br />

weil sich unser Begriff von Temperatur sich in einer kausalen Rolle erschöpft, und weil<br />

die Physik <strong>des</strong> weiteren verständlich machen kann, dass die mittlere kinetische Energie<br />

der Moleküle eines Gases genau diese kausale Rolle spielt. Die zentrale Frage,<br />

wenn es darum geht, mentale Zustände auf physikalische zu reduzieren bzw. mit Hilfe<br />

physikalistischer Ansätze zu erklären, ist nun folgende: Können die beiden angeführten,<br />

für Kausalerklärungen zentralen Aspekte nicht auch auf den Bereich der Schmerzen<br />

übertragen werden? Assoziieren wir mit dem Ausdruck 'Schmerzen' nicht ebenfalls<br />

eine kausale Rolle? Schmerzen werden durch die Verletzung von Gewebe verursacht,<br />

sie führen dazu, dass wir schreien, sie bewirken in uns den Wunsch, den<br />

Schmerz so schnell wie möglich loszuwerden. All das gibt Levine zu. Levine bestreitet<br />

auch nicht, dass das Feuern von C-Fasern den Mechanismus erklärt, auf dem die<br />

8 Zum Folgenden vgl. Beckermann (2001), <strong>40</strong>4ff.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


31<br />

kausale Rolle von Schmerzen beruht. Allerdings gibt es Levine zufolge zwischen den<br />

Fällen (1) und (2) einen entscheidenden Unterschied:<br />

Unser Begriff von Schmerzen umfasst [...] mehr <strong>als</strong> ihre kausale Rolle; es<br />

gibt auch einen qualitativen Charakter von Schmerzen, wie es sich anfühlt,<br />

Schmerzen zu haben. Und was durch die Entdeckung der C-Fasern<br />

unerklärt bleibt, ist, warum sich Schmerzen so anfühlen sollen, wie sie<br />

sich anfühlen! Denn am Feuern von C-Fasern scheint es nichts zu geben,<br />

was dafür sorgen würde, dass das Feuern dieser Fasern in natürlicher<br />

Weise zu den phänomenalen Eigenschaften von Schmerzen 'passt'; es<br />

könnte genauso gut zu einer anderen Menge von phänomenalen Eigenschaften<br />

passen. Anders <strong>als</strong> bei der funktionalen Rolle bleibt bei der Identifikation<br />

<strong>des</strong> qualitativen Aspekts von Schmerzen mit dem Feuern von C-<br />

Fasern (oder mit einer Eigenschaft <strong>des</strong> Feuerns von C-Fasern) die Beziehung<br />

zwischen dem qualitativen Aspekt und dem, womit wir ihn identifizieren,<br />

vollständig rätselhaft. Man könnte auch sagen: Diese Identifikation<br />

macht die Art und Weise, wie es sich anfühlt, Schmerzen zu haben, zu einem<br />

factum brutum. (Levine, 1983, 357) 9<br />

Zunächst gilt <strong>als</strong>o, dass die Aussage (1) <strong>des</strong>wegen unvollständig ist, weil sich unser<br />

Begriff von Schmerzen nicht in einer kausalen Rolle erschöpft; er umfasst auch einen<br />

qualitativen Aspekt: die Art und Weise nämlich, wie es sich anfühlt, Schmerzen zu haben.<br />

Allerdings könnte (1) trotzdem vollständig explanatorisch sein, nämlich dann, wenn die<br />

Neurobiologie verständlich machen könnte, dass sich das Feuern von C-Fasern genauso<br />

anfühlt, wie dies für Schmerzen charakteristisch ist. Für den nichtexplanatorischen<br />

Charakter von (1) ist <strong>des</strong>halb folgende Behauptung von größerer<br />

Bedeutung <strong>als</strong> der Hinweis auf die qualitative Komponente: Die Neurobiologie kann<br />

nicht verständlich machen, dass sich das Feuern von C-Fasern genauso anfühlt, wie<br />

dies für Schmerzen charakteristisch ist.<br />

Levines Argument der explanatorischen Unvollständigkeit lässt sich folgendermaßen<br />

zusammenfassen:<br />

Joseph Levine: Das Argument der Erklärungslücke ('explanatory gap')<br />

1. Zu den charakteristischen Merkmalen phänomenaler Zustände gehört nicht<br />

nur eine bestimmte kausale Rolle, sondern auch, dass es sich auf eine jeweils<br />

spezifische Weise anfühlt, in diesen Zuständen zu sein.<br />

2. Für keinen möglichen Gehirnzustand folgt aus den allgemeinen Gesetzen<br />

der Neurobiologie, dass es sich auf eine spezifische Weise anfühlt, in diesem<br />

Zustand zu sein.<br />

3. Also können phänomenale Zustände nicht durch Gehirnzustände realisiert<br />

sein.<br />

Gesteht man zu – und das war unser Ausgangspunkt-, dass es zu den charakteristischen<br />

Merkmalen phänomenaler Zustände, dass mit ihnen jeweils auch eine spezifische<br />

Erlebnisqualität verbunden ist, dann liegt der kritische Punkt <strong>des</strong> Arguments von<br />

Levine offenbar in <strong>des</strong>sen zweiter Prämisse. Wie kann er so sicher behaupten, dass<br />

für keinen Gehirnzustand aus den allgemeinen Gesetzen der Neurobiologie folgt, dass<br />

es sich auf eine spezifische Weise anfühlt, in diesem Zustand zu sein? Bei der Beantwortung<br />

dieser Frage in seinem Aufsatz "On Leaving Out What It's Like" von 1993<br />

9 Übersetzung nach Beckermann (2001), <strong>40</strong>4f.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


32<br />

betont Levine zunächst, dass jede Reduktion zu einer Erklärung <strong>des</strong> reduzierten Phänomens<br />

führen muss. Des weiteren gilt, dass es, wenn diese Erklärung gelingt, tatsächlich<br />

in einem epistemischen Sinn unmöglich ist, sich vorzustellen, dass das<br />

Explanans (das Erklärende bzw. das, was die Erklärung liefert) ohne das Explanandum<br />

(das zu Erklärende) vorliegt:<br />

Die grundlegende Idee ist, dass eine Reduktion das, was reduziert wird,<br />

erklären soll. Und der Weg, um festzustellen, ob dies erreicht wurde, ist zu<br />

prüfen, ob das zu reduzierende Phänomen durch das Phänomen, auf das<br />

es reduziert werden soll, epistemisch notwendig gemacht wird, d.h. ob wir<br />

aufgrund der in der Reduktion angeführten Tatsachen sehen können, warum<br />

die Dinge so sein müssen, wie sie an der Oberfläche erscheinen. (Levine,<br />

1993, 129) 10<br />

So ist es beispielsweise aufgrund der allgemeinen Naturgesetze sowie aufgrund von<br />

Brückenprinzipien, die das Verhalten der gesamten Flüssigkeit mit dem Verhalten ihrer<br />

einzelnen Moleküle in Beziehung setzen, nicht denkbar, dass Wasser bei 20° C<br />

nicht flüssig ist. Im Hinblick auf das Verhältnis von Schmerzen und C-Fasern, liegen<br />

die Dinge Levine zufolge jedoch anders. Auch wenn wir bis ins letzte Detail darüber<br />

informiert sind, welche neurophysiologischen Prozesse (Informationsverarbeitungsprozesse)<br />

im Gehirn ablaufen, ist es immer noch denkbar, dass die Person, in deren<br />

Gehirn diese Prozesse ablaufen, keine Schmerzen empfindet. Worin <strong>als</strong>o besteht der<br />

Unterschied zwischen Schmerzen und dem Verhalten von Wasser bei 20°? Der Versuch<br />

zu zeigen, dass Schmerzen durch das Feuern von C-Fasern realisiert sind, sieht<br />

sich nach Levine mit folgendem Problem konfrontiert: Unser Begriff von Schmerzen<br />

erschöpft sich eben nicht in einer kausalen Rolle, und Schmerzen sind auch nicht allein<br />

durch eine bestimmtes Verhalten charakterisiert; unser Begriff von Schmerzen<br />

umfasst vielmehr einen qualitativen Aspekt – nämlich die Art, wie es sich anfühlt,<br />

Schmerzen zu haben. Allerdings könnten Schmerzen auch dann immer noch durch<br />

das Feuern von C-Fasern erklärt werden, wenn es nur Brückenprinzipien gäbe, aus<br />

denen hervorginge, dass sich das Feuern von C-Fasern auf die für Schmerzen charakteristische<br />

Weise anfühlt. Entscheidend für die diagnostizierte Differenz sind daher<br />

letztlich folgende zwei Aspekte:<br />

1. Aus den Gesetzen der Neurobiologie folgt nur, unter welchen Bedingungen welche<br />

Neuronen mit welcher Geschwindigkeit feuern.<br />

2. Es gibt keinerlei Brückenprinzipien, die das Feuern von Neuronen mit bestimmten<br />

Erlebnisqualitäten verbinden.<br />

Dieses Resultat schließt korrelative Bestimmungen der Art "Immer wenn die C-Fasern<br />

im Nervensystem einer Person feuern, fühlt diese Person Schmerzen" natürlich nicht<br />

aus; es spricht ihnen jedoch den Status eines Brückenprinzips ab. Dies ist letztlich der<br />

Grund für die These Levines, dass es jederzeit denkbar ist, dass im Nervensystem einer<br />

Person die C-Fasern feuern, ohne dass diese Person jedoch Schmerzen fühlt.<br />

Vorausgesetzt <strong>als</strong>o, Levine hätte auch mit seiner These recht, dass phänomenale Zustände<br />

immer durch eine Erlebnisqualität charakterisiert sind, die völlig unabhängig<br />

von einer kausalen Rolle und vom Verhalten der entsprechenden Wesen ist, dann wäre<br />

sein Argument der Erklärungslücke insgesamt <strong>als</strong> überzeugend einzustufen.<br />

Die Qualia-These bzw. die These <strong>des</strong> phänomenalen Bewusstseins stellt den Argumenten<br />

Nagels, Jacksons und Levines zufolge <strong>als</strong>o eine Herausforderung für den reduktionistischen<br />

Ansatz dar, demzufolge mentale Zustände funktionale Zustände sind;<br />

10 Übersetzung nach Beckermann (2001), <strong>40</strong>6.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


33<br />

Der <strong>Fachverband</strong> Philosophie NW<br />

in Verbindung mit dem Institut für Lehrerfortbildung Mülheim<br />

lädt ein zu einer Fortbildungstagung für Philosophielehrer/innen und<br />

Unterrichtende <strong>des</strong> Faches Praktische Philosophie<br />

Thema:<br />

Interkulturelle Philosophie –<br />

Unterricht zwischen Universalitätsanspruch und „Kampf der Kulturen“<br />

Die Tagung findet statt am<br />

15./16. November 2005<br />

im Kardinal-Schulte-Haus in Bensberg<br />

Leitung: StD Klaus Draken (FvP) und Dr. Gabriele Münnix (IfL)<br />

Der Teilnehmerbeitrag beträgt 26 Euro für Lehrer/innen aus NRW und schließt Unterkunft<br />

und volle Verpflegung im Hause ein. Gäste aus anderen Bun<strong>des</strong>ländern<br />

und/oder Berufen sind <strong>als</strong> Selbstzahler willkommen; für sie entstehen Kosten von 60<br />

Euro. Anmeldeverfahren: Bitte benutzen Sie für die Anmeldung die beigefügte Karte<br />

und melden Sie sich bis spätestens 30. September 2004 beim Institut für Lehrerfortbildung<br />

an. Das IfL sendet Ihnen umgehend einen Überweisungsträger mit Angabe<br />

der Kontonummer <strong>des</strong> Instituts zu. Bitte überweisen den Teilnehmerbetrag innerhalb<br />

von 14 Tagen nach Erhalt <strong>des</strong> Überweisungsträgers. Erst danach wird Ihre Anmeldung<br />

rechtskräftig. Die Zahl der Plätze ist begrenzt; die Anmeldungen werden in der<br />

Reihenfolge <strong>des</strong> Eingangs berücksichtigt. Ist die Zahlung <strong>des</strong> Teilnehmerbeitrages<br />

nicht innerhalb von 14 Tagen erfolgt, verfällt die Anmeldung und der Platz wird an<br />

Nachrücker vergeben. Bei einer Abmeldung bis 4 Wochen vor Tagungsbeginn entstehen<br />

Ihnen und uns keine Ausfallkosten. Teilnahmewünsche ohne vorherige Anmeldung<br />

können (aus Gründen der Küchen- und Raumplanung) nicht berücksichtigt werden.<br />

Anreise: Sie erreichen das Kardinal-Schulte-Haus (Thomas-Morus-Akademie)<br />

- per Bus vom Hauptbahnhof Köln (Busbahnhof Breslauer Platz) mit den Schnellbuslinien<br />

31 oder 41 in ca. 30 Minuten (Haltestelle Thomas-Morus-Akademie)<br />

- per S-Bahn vom Kölner Hauptbahnhof mit der S-Bahn Linie 11 zum Bahnhof Bergisch-Gladbach,<br />

Anschluß mit Linie 455, 421 oder 227 (20min-Takt)<br />

- mit Ihrem PKW vom Kreuz Köln-Ost die A4 in Richtung Olpe, Ausfahrt Moitzfeld (<strong>Nr</strong>.<br />

20), erste Kreuzung links Richtung Bensberg, nach ca. 700 m (vor der nächsten Ampel)<br />

rechts durch den Torbogen; Parkplätze sind vorhanden.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


34<br />

Interkulturelle Philosophie<br />

Die interkulturelle Philosophie gehört nicht erst seit dem 11. September 2001 zu den<br />

Gebieten der Philosophie, deren Bedeutung im Bewusstsein Vieler zugenommen hat.<br />

Der Universalitätsanspruch der Vernunft steht immer schon in einem starken Spannungsverhältnis<br />

zu kulturell bestimmtem Denken. Dies ist uns heute vielleicht nur<br />

schmerzhafter bewusst.<br />

TAGUNGSPROGRAMM<br />

Dienstag, 15. November 2005<br />

9:30 Uhr Anreise / Stehkaffee<br />

10:00 Uhr Begrüßung<br />

10:15 Uhr Prof. Dr. Ram Adhar Mall (Gründungspräsident der Gesellschaft<br />

für interkulturelle Philosophie): Grußwort<br />

10:30 Uhr Prof. Dr. Claudia Bickmann (Universität Köln / Präsidentin der<br />

Gesellschaft für interkulturelle Philosophie): Universalismus<br />

versus Partikularität <strong>als</strong> philosophische Herausforderung in interkultureller<br />

Perspektive – anschl. Diskussion<br />

12:30 Uhr Konstituierung der Arbeitskreise<br />

13:00 Uhr Mittagessen (anschl. Zimmerbelegung)<br />

14:30 Uhr 1. Sitzung der Arbeitskreise<br />

15:30 Uhr Kaffee<br />

16:00 Uhr Dr. Gabriele Münnix (IfL / Universität Innsbruck): Ist „die Logik“<br />

universal? – Der Satz vom Widerspruch und die zweiwertige<br />

Logik im europäischen und asiatischen Denken – anschl.<br />

Diskussion<br />

18:00 Uhr Aben<strong>des</strong>sen<br />

19:00 Uhr Mitgliederversammlung <strong>des</strong> Fachverban<strong>des</strong><br />

Mittwoch, 16. November 2005<br />

8:00 Uhr Frühstück<br />

9:00 Uhr 2. Sitzung der Arbeitskreise<br />

10:30 Uhr Pause<br />

11:00 Uhr Prof. Dr. Heinz Kimmerle (Rotterdam): Toleranz ist nicht genug<br />

– unter Berücksichtigung der Situation in Afrika – anschl. Diskussion<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


35<br />

13:00 Uhr Mittagessen<br />

14:00 Uhr 3. Sitzung der Arbeitskreise<br />

15:30 Uhr Kaffee<br />

16:00 Uhr Abschlussplenum: Kurzberichte aus den Arbeitskreisen / Konsequenzen<br />

für die Unterrichtsarbeit in Praktischer Philosophie<br />

und Philosophie<br />

17:00 Uhr Ende der Tagung<br />

Arbeitskreise*:<br />

StD Klaudius Ganszcyk: "Interkultureller Humanismus, planetarisches Bewusstsein,<br />

Weltethos, (an Kant angelehnte) "Weltinnenpolitik“ und Global<br />

Marshallplan für eine weltweite ökosoziale Marktwirtschaft <strong>als</strong> Themengeflecht<br />

zur Reflexion der Globalisierung im Philosophieunterricht der SII"<br />

Dr. Joachim Kalcher: Buddhismus – ein Themenbereich zum 7. Fragenkreis<br />

<strong>des</strong> Kerncurriculums Praktische Philosophie<br />

OStR Stefan Maeger: Unterrichtlicher Umgang mit voraufgeklärten islamischen<br />

Schüler/innen im Unterricht „Praktische Philosophie“ und „Philosophie“<br />

Dr. Gabriele Münnix; Multiperspektivität <strong>als</strong> didaktisches Prinzip praktischen<br />

Philosophierens<br />

NN: Themenformulierung liegt noch nicht vor / Bezugsfach: „Philosophie“ S II<br />

*Änderungen bleiben aus organisatorischen Gründen vorbehalten<br />

✂---------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Anmeldung zur Tagung B 19<br />

„Interkulturelle Philosophie“<br />

Postkarte<br />

Institut für Lehrerfortbildung<br />

Mülheim/Ruhr<br />

Kuhlendahl 63<br />

45470 Mülheim<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


36<br />

Mitgliederversammlung am 15. November 2005, 19:00 Uhr<br />

Hiermit lade ich Sie ein zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung.<br />

Tagesordnung:<br />

1. Tätigkeitsbericht <strong>des</strong> Vorsitzenden<br />

2. Information und Austausch über den aktuellen Stand der Entwicklungen<br />

unserer Fächer „Philosophie“ und „Praktische Philosophie“.<br />

3. Beschlussfassung über fristgerecht eingereichte Anträge (Anträge an die<br />

Mitgliederversammlung müssen eine Woche vorher schriftlich beim Vorstand<br />

vorliegen.)<br />

4. Planung für die kommenden Jahre<br />

5. Verschiedenes<br />

Klaus Draken (Vorsitzender)<br />

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Hiermit melde ich mich an zur Teilnahme an der Tagung <strong>Nr</strong>. B 19 „Interkulturelle<br />

Philosophie“ am 15.-16.November 2005 im Kardinal-Schulte-Haus in Bensberg.<br />

Name: _________________________<br />

Straße: ________________________<br />

Vorname: __________________________<br />

PLZ Ort: __________________________<br />

Schule: ______________________________________________________________<br />

und<br />

Schulanschrift: _________________________________________________________<br />

(bitte unbedingt angeben, falls vorh.)<br />

Übernachtung: ja nein (bitte in Druckschrift ausfüllen)<br />

Spätester Anmeldetermin: 30. September 2005.<br />

Den Tagungsbeitrag von 26 € überweise ich innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt <strong>des</strong><br />

Überweisungsträgers an das Institut für Lehrerfortbildung, Mülheim. Evtl. notwendige<br />

Absagen wegen Überschreitens der Teilnehmerbegrenzung werden umgehend erteilt.<br />

Datum: ___________________ Unterschrift:________________________________<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


37<br />

dies <strong>des</strong>wegen, weil mentale Zustände Aspekte besitzen, die sich gerade nicht auf<br />

kausale Rollen zurückführen lassen. Anders formuliert: Qualia stellen die Position <strong>des</strong><br />

Funktionalismus dadurch in Frage, dass sie deutlich machen, dass es für die kausale<br />

Rolle einer Empfindung letztlich keine Bedeutung haben kann, wie es sich anfühlt,<br />

diese Empfindung zu haben bzw. ob die kausale Rolle mit dem einen oder anderen<br />

qualitativen Eindruck verbunden ist. Insofern das Entscheidende an jeder Empfindung<br />

ist, wie sie sich anfühlt, können kausale Rollen nicht das Entscheidende mentaler Zustände<br />

sein. Der Funktionalismus verfehlt - so das Resultat der skizzierten Thesen der<br />

Qualia-Befürworter - genau das, was wirklich zählt.<br />

III Kritische Überlegungen<br />

Mit ihrer Thematisierung und/oder Bestätigung anti-physikalistischer Intuitionen haben<br />

die Arbeiten insbesondere von Nagel, Jackson und Levine Position für den qualitativen<br />

Gehalt bzw. für das phänomenale Bewusstsein <strong>als</strong> einer harten Nuss für das reduktionistische<br />

bzw. naturalistische Programm bezogen. Wesentlicher Ursprung der<br />

Debatte um phänomenale Qualitäten sind ja gerade Argumente, wonach mentale Zustände<br />

nicht einfach funktionale Zustände sind, da sie Aspekte aufweisen, die sich<br />

nicht auf kausale Rolle zurückführen lassen; und der Ausgangspunkt dieser Argumente<br />

seinerseits besteht in der Überlegung, dass es für die kausale Rolle etwa einer<br />

Schmerz-Empfindung letztlich keine Bedeutung haben kann, 'wie es sich anfühlt', diese<br />

Schmerz-Empfindung zu haben, d.h. ob sie mit diesem oder jenem qualitativen<br />

Eindruck verbunden ist. Aus physikalistischer – und damit aus ontologischer - Sicht<br />

kann diese Rettung <strong>des</strong> Phänomenalen natürlich nicht das letzte argumentative Wort<br />

sein. Min<strong>des</strong>tens zwei zentrale Gegenstrategien verdienen hier, erwähnt zu werden:<br />

1. Der Repräsentationalismus, wonach phänomenale Zustände keine Zustände eigener<br />

Art sind, sondern eine Teilmenge der Gruppe repäsentationaler Zustände insgesamt<br />

bilden, und<br />

2. Der Eliminativismus, wonach Empfindungen nichts anderes sind <strong>als</strong> interne diskriminatorische<br />

Zustände mit primären (z.B. mechanischen) und auf diesen beruhenden<br />

sekundären (rein dispositionellen) Eigenschaften und alles, was durch Qualia erklärt<br />

werden kann, auch schon durch die sekundären Eigenschaften erklärt werden kann.<br />

Darüber hinausgehende 'intrinsische', d.h. subjektive oder private Eigenschaften, die<br />

die Art und Weise ausmachen, wie Dinge für uns sind (aussehen, schmecken, riechen<br />

etc.) gibt es demzufolge nicht. 11<br />

Die repräsentationalistische Position wird gegenwärtig prominent von Michael Tye vertreten.<br />

Dabei besteht die Grundidee <strong>des</strong> Repräsentationalismus bezüglich phänomenaler<br />

Zustände in Folgendem: 12<br />

1. Phänomenale Zustände sind keine Zustände eigener Art, sondern nur eine Teilklasse<br />

der Gruppe repräsentationaler Zustände insgesamt.<br />

2. Die Erlebnisqualität phänomenaler Zustände ist nichts anderes <strong>als</strong> eine bestimmte<br />

Art von intentionalem Gehalt.<br />

Typisch für den Informationsverarbeitungsprozess von Lebewesen, wie wir es sind,<br />

ist, dass zunächst aus den von den Sinnesorganen kommenden Signalen ein System<br />

von sensorischen Repräsentationen (im Falle der visuellen Wahrnehmung: von den<br />

Oberflächen der Dinge sowie von deren Eigenschaften wie Form, Farbe, Entfernung<br />

11 Zum Eliminativismus vgl. beispielsweise Dennett (1994).<br />

12 Vgl. Beckermann (2001), 414f.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


38<br />

etc.) erzeugt wird. Diese Informationen stehen dann für einen zweiten Verarbeitungsprozess<br />

bereit, in dem aus ihnen im engeren Sinn kognitive Repräsenationen erzeugt<br />

werden, in denen der Zustand <strong>des</strong> Lebewesens und seiner Umwelt explizit in einem<br />

begrifflichen Format repräsentiert ist (im Falle der visuellen Wahrnehmung besagen<br />

die kognitiven Repräsentationen, welche Gegenstände sich in unserer Umgebung befinden,<br />

welche Eigenschaften sie haben und in welchen Beziehungen sie zueinander<br />

stehen). Empfindungen sind nun Tye zufolge nichts anderes <strong>als</strong> Repräsentationen <strong>des</strong><br />

ersten Typs, d.h. sensorische Informationen. Wesentliches Merkmal dieser sensorischen<br />

Information ist, dass ihre Inhalte abstrakt (in ihnen kommen keine konkreten<br />

Einzeldinge vor) und nicht-begrifflich (die Unterscheidungsfähigkeit im Hinblick auf<br />

Farben ist weit größer <strong>als</strong> die Fähigkeit zur Wiedererkennung bzw. sprachlichbegrifflichen<br />

Abbildung) sind. Die Inhalte sensorischer Repräsentationen stehen ihrerseits<br />

zur weiteren Verarbeitung durch ein kognitives System bereit. Tye nennt sensorische<br />

Repräsentationen 'PANIC-states': Zustände mit einem zur weiteren Verarbeitung<br />

bereit stehenden abstrakten, nicht-begrifflichen intentionalen Gehalt ('PANIC'<br />

steht für: poised abstract nonconceptual intentional content).<br />

Zusammengefasst sieht die repräsentationalistische Position Tyes <strong>als</strong>o folgendermaßen<br />

aus: 13<br />

Michaeal Tye: PANIC states<br />

1. Phänomenale Zustände sind nichts anderes <strong>als</strong> sensorische Repräsentationen.<br />

2. Sensorische Repräsentationen werden direkt aus den von den Sinnesorganen<br />

kommenden Signalen erzeugt und bilden den input <strong>des</strong> kognitiven Systems. Ihre Inhalte<br />

haben folgende Merkmale:<br />

• sie stehen zur weiteren Verarbeitung durch das kognitve System bereit<br />

• sie sind abstrakt<br />

• sie sind nicht-begrifflich.<br />

3. Die Erlebnisqualitäten phänomenaler Zustände sind nichts anderes <strong>als</strong> die Inhalte<br />

sensorischer Repräsentationen.<br />

Allerdings gilt: Auch wenn die repräsentationalistische Theorie Tyes der phänomenalen<br />

(insbesondere der nicht-begrifflichen) Komponente <strong>des</strong> Bewusstseins Rechnung<br />

zu tragen sucht und dementsprechend (den Gehalt) mentale(r) Zustände nicht über ihre<br />

(seine) funktionale Rolle charakterisiert, so stellt doch die hier vorgenommene Verbindung<br />

<strong>des</strong> phänomenalen Aspekts über den Begriff der Repräsentation mit der intentionalen<br />

Komponente mentaler Zustände diesen Ansatz wieder in Frage: Als vollständig<br />

relationaler ('für mich'), d.h. subjektbezogener Aspekt ist die phänomenale<br />

Komponente von der repräsentationalen gerade <strong>des</strong>wegen kategorial verschieden,<br />

weil letztere eine Bewertbarkeit ihres repräsentationalen Gehalts nach objektiven Kriterien<br />

zur Folge hat. Unter dieser Perspektive weist der intern etwa <strong>als</strong> Knieschmerz<br />

klassifizierte Zustand Erfüllungsbedingungen vor einem objektiven Hintergrund auf,<br />

insofern er eine Repräsentation einer bestimmten Gewebeverletzung in der Meniskus-<br />

Region darstellt. Und natürlich ist dieser Gehalt der Repräsentation für einen Orthopäden<br />

objektiv quantifizierbar. Der Preis, der hier für die Naturalisierung <strong>des</strong> Phänomenalen<br />

gezahlt wird, ist allerdings hoch, insofern mit der repräsentationalen Analyse<br />

<strong>des</strong> Phänomenalen gleichzeitig der subjektive Aspekt – das Wie es sich für mich anfühlt<br />

– verschwindet, während das, was objektiv erfassbar ist – der Gehalt – im Zentrum<br />

steht. (wobei der bereits 'gehabte' subjektive Zugang zum Gehalt allerdings erhalten<br />

bleiben muss).<br />

13 Vgl. Beckermann (2001), 416.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


39<br />

Ganz ähnlich lautet meine Kritik an einem weiteren repräsentationalistischen, von<br />

Thomas Metzinger vertretenen Ansatz, wonach das Phänomenale <strong>als</strong> eine Repräsentation<br />

zu verstehen ist; allerdings nicht <strong>als</strong> eine Repräsentation mentaler Zustände wie<br />

bei Tye, sondern <strong>als</strong> eine Repräsentation <strong>des</strong> Selbst. 14 Metzinger konzediert, dass das<br />

Kardinalproblem der Kognitionswissenschaft darin besteht, von einem kognitiven System<br />

<strong>als</strong> einem phänomenalen Subjekt zu sprechen. Folglich muss es um die Kriterien<br />

gehen, anhand derer man einem informationsverarbeitenden System subjektive Erlebnisse<br />

zuschreiben kann: "Wann genau besitzt ein kognitives System phänomenales<br />

Bewusstsein und eine phänomenale Erste-Person-Perspektive? Wann hat es Zustände<br />

mit qualitativem Gehalt, welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit es eine<br />

bewusste erlebte Innenperspektive besitzt?". 15 Wenn dann aber das phänomenale<br />

Selbst <strong>als</strong> die "vielleicht interessanteste Form phänomenalen Gehalts überhaupt" 16<br />

aufgrund <strong>des</strong>sen skizziert wird, dass dieses phänomenale Selbst "unserem Bewusstseinsraum<br />

zwei äußerst interessante strukturelle Merkmale" –nämlich Zentriertheit<br />

und Perspektivität – verleiht, dann bedeutet das letztlich nichts anderes, <strong>als</strong> dass das<br />

Phänomenale mit diesen Strukturmerkmalen identifiziert wird. Aus dieser Perspektive<br />

ist dann zwar konsequent, jedoch nicht überzeugend, wenn die Entstehung <strong>des</strong> phänomenalen<br />

Selbst ihrerseits aus einem 'Mangel an Information', einem 'Mangel an e-<br />

pistemischer Transparenz' beschrieben wird.<br />

Allen derartigen Integrations- und Marginalisierungsversuchen <strong>des</strong> Phänomenalen im<br />

Rahmen gegenwärtiger repräsentationalistischer Ansätze zum Trotz erweist sich der<br />

phänomenale Aspekt von Bewusstsein <strong>als</strong>o nach wie vor <strong>als</strong> das, zu <strong>des</strong>sen Lösung<br />

diese Ansätze konzipiert waren: <strong>als</strong> ein schwieriges Problem.<br />

Literatur<br />

Beckermann, Ansgar (2001): Analytische Einführung in die Philosophie <strong>des</strong> Geistes, Berlin/New<br />

York: de Gruyter, 2000, 2. Auflage.<br />

Bieri, Peter (ed.) (1981): Analytische Philosophie <strong>des</strong> Geistes, Weinheim: Beltz Athenäum,<br />

1997, 3. Aufl.<br />

Chalmers, David (1999): "Das schwierige Problem <strong>des</strong> Bewusstseins", in: F. Esken/H.-D.<br />

Heckmann (eds.), Bewusstsein und Repräsentation, Paderborn: mentis, 221-253.<br />

Dennett, Daniel (1994): "Instead of Qualia", in: A. Revensuo/M. Kamppinen (eds.), Consciousness<br />

in Philosophy and Cognitive Science,Hillsdale N.J.:Lawrence Erlbaum, 129-139.<br />

Jackson, Frank (1982: "Epiphenomenal Qualia", Philosophical Quarterly 32, 127-136.<br />

Lanz,Peter(1996):Das phänomenale Bewusstsein.Eine Verteidigung,Frankfurt:Klostermann.<br />

Levine, Joseph (1983): "Materialism and Qualia. The Explanatory Gap", Pacific Philosophical<br />

Quarterly 64, 354-361.<br />

Levine, Joseph (1993): "On leaving out what it's like", in: M. Davies/G.W. Humphreys (eds.),<br />

Consciousness: Psychological and philosophical essays, Oxford: Blackwell, 121-136.:<br />

Metzinger, Thomas (1998): "Anthropologie und Kognitionswissenschaft", in: P. Gold/ K. Engel<br />

(eds.), Der Mensch in der Perspektive der Kognitionswissenschaft, Frankfurt a. M.:<br />

Suhrkamp, 326-372.<br />

Nagel, Thomas (1974): "What is it like to be a bat?", Philosophical Review 83, 435-450 (dt.<br />

in Bieri (1981), 261-276).<br />

Schildknecht, Christiane (2002): Sense and Self. Perspectives on Nonpropositionality, Paderborn:<br />

mentis.<br />

14 Vgl. etwa Metzinger (1998).<br />

15 Metzinger (1998, 354).<br />

16 Metzinger (1998, 355).<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


<strong>40</strong><br />

Roland Henke / Eva-Maria Sewing (Arbeitskreisbericht)<br />

Entzaubert die Evolutionstheorie zuletzt auch das<br />

Selbst? – Zur Tragfähigkeit der Ich-Theorien von<br />

Susan Blackmore und Thomas Metzinger<br />

Im Zentrum <strong>des</strong> Arbeitskreises stand die kritische Auseinandersetzung mit den Subjektstheorien<br />

Blackmores und Metzingers im Unterschied zu traditionellen Auffassungen<br />

<strong>des</strong> Selbst. Die Subjektsmodelle wurden methodisch in Form <strong>des</strong> Gruppenpuzzles<br />

erarbeitet.<br />

Zur Vorbereitung und Einführung erhielten die AK-Teilnehmer noch vor der ersten Sitzung<br />

ein Grundlagenpapier, das Blackmores in Anlehnung an Richard Dawkins vertretene<br />

Theorie der Meme <strong>als</strong> Replikatoren kultureller Strukturen und deren Bedeutung<br />

für den Begriff <strong>des</strong> Subjekts vorstellt. Ein Auszug aus dem Grundlagenpapier ist im<br />

Folgenden abgedruckt.<br />

„Alles, wovon Kopien gemacht werden, ist ein Replikator, einschließlich<br />

„aktiver Replikatoren“, deren Natur die Chancen beeinflusst, dass sie erneut<br />

kopiert werden. Ein Vehikel ist eine Einheit, die mit der Umwelt interagiert,<br />

weshalb Hull (1988a) den Terminus „Interaktoren“ vorzieht. Vehikel<br />

oder Interaktoren tragen die Replikatoren in ihrem Inneren mit sich herum<br />

und schützen sie. Der ursprüngliche Replikator war vermutlich ein einfaches,<br />

sich selbst kopieren<strong>des</strong> Molekül in der Ursuppe, doch nun ist die<br />

Desoxyribonucleinsäure (DNA) der uns geläufigste Replikator. Ihre Vehikel<br />

sind Organismen und Organismengruppen in Luft und Wasser, Wald<br />

und Flur, die alle miteinander interagieren. Hier auf der Erde sind Gene<br />

die egoistischen Replikatoren, die die Evolution der biologischen Welt vorantreiben,<br />

doch Dawkins nimmt an, dass es ein fundamentaleres Prinzip<br />

gibt. Er vermutet, dass sich »alles Leben«, wo auch immer es auftritt, ü-<br />

berall im Universum »durch den unterschiedlichen Überlebenserfolg sich<br />

replizierender Einheiten entwickelt« (1976). Das ist die Grundlage der<br />

These vom universellen Darwinismus, der Anwendung darwinistischen<br />

Denkens weit über die Grenzen biologischer Evolution hinaus.<br />

Schließlich stellt Dawkins eine auf der Hand liegende, doch provokative<br />

Frage. Gibt es auf unserem Planeten noch irgendwelche anderen<br />

Replikatoren? Die Antwort, so behauptet er, lautet „ja“. Direkt vor unserer<br />

Nase gibt es einen weiteren Replikator, wenn er auch noch unbeholfen in<br />

seiner Ursuppe der menschlichen Kultur treibt – eine Imitationseinheit.<br />

Wir brauchen einen Namen für den neuen Replikator, ein Substantiv,<br />

das die Assoziation einer Einheit der kulturellen Vererbung<br />

vermittelt, oder einer Einheit der Imitation. Von einer entsprechenden<br />

griechischen Wurzel ließe sich das Wort „Mimem“<br />

ableiten, aber ich suche ein einsilbiges Wort, das ein wenig wie<br />

„Gen“ klingt. Ich hoffe, meine klassisch gebildeten Freunde<br />

werden mir verzeihen. wenn ich „Mimem“ zu „Mem“ verkürze.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


41<br />

Als Beispiel führt er »Melodien, Gedanken, Schlagwörter, Kleidermoden,<br />

die Art, Töpfe zu machen oder Bögen zu bauen« an. Er verweist auf wissenschaftliche<br />

Ideen, die sich durchsetzen und sich rund um die Welt<br />

verbreiten, indem sie von Gehirn zu Gehirn springen. Er bezeichnet Religionen<br />

<strong>als</strong> Memgruppen mit hohem Überlebenswert, die ganze Gesellschaften<br />

mit einem Glauben an Gott oder ein Leben nach dem Tode infizieren.<br />

Er spricht über Moden bei Kleidung oder Ernährung und über Zeremonien,<br />

Gebräuche und Technologien – die allesamt dadurch verbreitet<br />

werden, dass eine Person sie von einer anderen kopiert. Meme werden<br />

im menschlichen Gehirn (oder in Büchern oder Erfindungen) gespeichert<br />

und via Imitation weitergegeben. [...]<br />

Wenn Dawkins recht hat, dann ist das menschliche Leben durch und<br />

durch von Memen und ihren Folgen durchdrungen. Alles, was Sie durch<br />

Imitation eines anderen lernen, ist ein Mem. Doch wir müssen uns klar<br />

darüber sein, was wir mit „Imitation“ meinen, denn unser ganzes Verständnis<br />

von Memetik hängt davon ab. Dawkins sagt, dass Meme »von<br />

Gehirn zu Gehirn überspringen, vermittelt durch einen Prozess, den man<br />

im weitesten Sinne <strong>als</strong> Imitation bezeichnen kann« (1976). Ich werde den<br />

Begriff „Imitation“ ebenfalls in diesem Sinne benutzen. Wenn Sie <strong>als</strong>o von<br />

einer Freundin eine Geschichte erfahren und Sie sich an das Wesentliche<br />

erinnern und sie jemandem weitererzählen, dann gilt das <strong>als</strong> Imitation. Sie<br />

haben nicht je<strong>des</strong> Wort und jede Geste Ihrer Freundin genau imitiert, doch<br />

etwas (der Kern der Geschichte) ist von ihr an Sie und dann an jemand<br />

anderen weitergegeben worden. Das meint dieses »im weitesten Sinne«,<br />

in dem wir den Begriff „Imitation“ verstehen müssen. Wenn Sie sich unsicher<br />

sind, denken Sie daran, dass stets irgendetwas kopiert worden sein<br />

muss.“<br />

(Susan Blackmore. Die Macht der Meme. Heidelberg / Berlin: Spektrum, 2000.<br />

Seite 30–32)<br />

Zu Beginn der Sitzung diente ein Gedankenexperiment einer ersten Verständigung<br />

über das eigene Selbstverständnis und über die Plausibilität von dualistischen Ich-<br />

Theorien.<br />

„Stellen Sie sich einen Moment lang vor, Sie hätten die Wahl (und Sie können nicht<br />

„weder-noch“ antworten a) Ihr Körper wird vollständig gegen einen anderen ausgetauscht,<br />

und Sie behalten Ihr inneres, bewusstes Selbst, oder b) Ihr inneres Selbst<br />

wird gegen ein anderes unspezifisches Selbst ausgetauscht, und Sie behalten Ihren<br />

Körper. Was wählen Sie?“( S. Blackmore. Die Macht der Meme. (Spektrum) Heidelberg/Berlin<br />

2000, S.346<br />

Die Reaktionen auf den hier unterschwellig schon vorausgesetzten Dualismus machten<br />

deutlich, dass dieses Experiment eine eher unbefangene Sichtweise von Schülern<br />

voraussetzt, die sich darauf einlassen. Im Anschluss entwickelte sich eine lebhafte<br />

kontroverse Diskussion, die zu dem Gruppenpuzzle <strong>als</strong> dem zentralen Element <strong>des</strong><br />

Arbeitskreises überleitete:<br />

Es wurden vier Gruppen mit 5 bis 6 Mitgliedern gebildet, von denen drei Gruppen jeweils<br />

eine Text von Blackmore und eine Gruppe einen Text von Metzinger zu bearbeiten<br />

hatten. Die Arbeitsanweisungen waren allen Gruppen gemeinsam. Nach einer ersten<br />

Bearbeitungsphase trennten sich die Gruppen und schickten jeweils einen Experten<br />

in sich neu konstituierende Gruppen. Die auf diese Weise gebildeten Expertengruppen<br />

wurden so in die Lage versetzt, ein Gesamtverständnis der Positionen<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


42<br />

Blackmores und Metzingers zu entwickeln, die Positionen zu vergleichen und zu bewerten.<br />

Die angeregte Abschlussdiskussion im Plenum konzentrierte sich zum Einen auf die<br />

Plausibilität von Theorien, die den Subjektsbegriff zugunsten von genetischen oder<br />

memetischen Modellen verabschieden, zum Anderen auf den didaktischen Nutzen<br />

eher populärwissenschaftlicher, vom philosophischen Standpunkt teilweise undifferenzierter<br />

Texte wie diejenigen Blackmores im Unterricht. Wiewohl auch Bedenken<br />

hinsichtlich ideologischer Hintergründe der Meme-Theorie geäußert wurden, erschien<br />

der Einsatz von Blackmores Texten im Rahmen der Anthropologie gerade in der Jahrgangsstufe<br />

11 auf Grund der verständlichen Sprache und anschaulichen Darstellung<br />

<strong>als</strong> durchaus sinnvoll, da diese die Entwicklung einer kritischen Lesart besonders begünstigen<br />

kann. Nach übereinstimmender Meinung <strong>des</strong> Arbeitskreises ist eine kritische<br />

Auseinandersetzung ein Desiderat, auch weil Blackmores Position sich einfügt<br />

in eine Reihe von naturalistischen Menschenbildern, die die Vorstellung <strong>des</strong> Subjekts<br />

auflösen.<br />

__________<br />

Literatur:<br />

Susan Blackmore. Die Macht der Meme. (Spektrum) Heidelberg/Berlin 2000<br />

Richard Dawkins. Das egoistische Gen. (Rowohlt) Reinbek bei Hamburg 1996<br />

Thomas Metzinger. Subjekt und Selbstmodell. Die Perspektivität phänomenalen Bewusstseins<br />

vor dem Hintergrund einer naturalistischen Theorie mentaler Repräsentation (mentis<br />

Verlag) Paderborn 1999<br />

Bernd Rolf (Arbeitskreisbericht)<br />

Die repräsentationale Tiefenstruktur <strong>des</strong><br />

Bewusstseins nach Antonio R. Damasio<br />

Das allgemeine Verständnis <strong>des</strong> Verhältnisses von Geist bzw. Bewusstsein und Gehirn<br />

ist gegenwärtig noch weitgehend durch den Dualismus von res cogitans und res<br />

extensa geprägt, den Descartes in den Abhandlungen zur Methode wie folgt bestimmt:<br />

„Ich [….] [bin] eine Substanz […], deren ganze Wesenheit oder Natur bloß im<br />

Denken [besteht] und die zu ihrem Dasein weder eines Ortes [bedarf] noch von einem<br />

materiellen Dinge [abhängt] so dass dieses Ich, das heißt die Seele, wodurch ich bin,<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


43<br />

was ich bin, vom Körper völlig verschieden und selbst leichter zu erkennen ist <strong>als</strong> dieser<br />

und auch ohne Körper nicht aufhören [wird], alles zu sein, was sie ist.“ 1<br />

Diese dualistische Auffassung <strong>des</strong> Menschen wurde schon von Descartes Zeitgenossen,<br />

Gassendi und Mersenne 2 , kritisiert und hat seitdem immer wieder philosophische<br />

Gegenentwürfe hervorgebracht. Dass sie sich im allgemeinen Bewusstsein dennoch<br />

so hartnäckig gehalten hat, mag damit zusammenhängen, dass sie dem subjektiven<br />

Erleben <strong>des</strong> Bewusstseins entspricht, worin jeweils ein bestimmter phänomenaler Gehalt<br />

präsent (z.B. die Schwärze dieser Schrift) ist, zugleich aber auch, dass ich es bin,<br />

der diesen phänomenalen Gehalt erlebt. Dieses Ich wird <strong>als</strong> nicht identisch mit dem<br />

Leib erlebt; damit verbunden ist die Vorstellung, dass ich es bin, der Entscheidungen<br />

trifft und Handlungen initiiert.<br />

Gegenwärtig schickt sich die Neurophysiologie an, den Gehalt dieses subjektiven Erlebens<br />

neu zu interpretieren. Das Bewusstsein ist nichts außerhalb <strong>des</strong> Körpers Befindliches,<br />

von diesem getrennt Existieren<strong>des</strong>, sondern etwas aus körperlichen Prozessen<br />

Hervorgehen<strong>des</strong>, und das Ich nichts Anderes <strong>als</strong> ein vom Gehirn geschaffenes<br />

Modell, eine Simulation <strong>des</strong> Gehirns, dem keine Entscheidungsfunktion, sondern<br />

lediglich eine Ratgeberfunktion zukommt.<br />

Der Amerikaner Antonio R. Damasio hat in seinem Buch „Ich fühle <strong>als</strong>o bin ich“ (1999,<br />

dt. 2000) ein neuartiges Modell der Struktur <strong>des</strong> Bewusstseins und <strong>des</strong> Ich entworfen,<br />

das im folgenden skizziert werden soll. Zum besseren Verständnis möchte ich dabei<br />

von einigen Fallbeispiele ausgehen, die Damasio in seinem früheren Werk „Descartes<br />

Irrtum“ (1994, dt. 1995) angeführt hat.<br />

Der Fall Phineas Gage<br />

Damasios Theorie beruht auf der sog. Läsionsmethode: untersucht werden Läsionen<br />

(organische Schädigungen <strong>des</strong> Gehirns infolge von Unfällen, Operationen etc.), um<br />

aus den damit zusammenhängenden psychischen Beeinträchtigungen in Verbindung<br />

mit Introspektion und experimentellen Überprüfungen Rückschlüsse auf die Funktion<br />

<strong>des</strong> nicht lädierten Gehirns zu ziehen. 3 Damasio hat an seinem Institut für Hirnforschung<br />

an der Universität Iowa über 2500 solcher Fälle zusammengetragen, die<br />

weltweit größte Dokumentation dieser Art..<br />

Der vielleicht aufsehenerregendste Fall, der zugleich seine Fgorschungen und die<br />

seiner Frau Hannah angestoßen hat, ist ein historischer: dem Eisenbahnarbeiter Phineas<br />

Gage wurde 1848 bei einem Unfall bei Sprengarbeiten der Schädel von einer<br />

198 cm langen, ca. 3 cm dicken Eisenstange durchschlagen. Die Eintrittsstelle lag unterhalb<br />

<strong>des</strong> leinken Wangenknochens, die Austrittsstelle im mittleren vorderen Schädel.<br />

Der Fall wurde von dem behandelnden Arzt John Harlow im Boston Medical and<br />

Surgical Journal ausführlich dokumentiert. Das Interesse der Zeitgenossen galt der<br />

Tatsache, dass Phineas Gage den schrecklichen Unfall auf wunderbare Weise überlebte<br />

und nach drei Monaten <strong>als</strong> geheilt galt. Für die neuere Hirnforschung ist der Fall<br />

<strong>des</strong>halb interessant, weil Gage - außer dem Verlust <strong>des</strong> linken Auges - offenbar keinerlei<br />

Störungen der Wahrnehmung, <strong>des</strong> Gedächtnisses, der Intelligenz, Sprache,<br />

1 René Descartes: Abhandlung über die Methode <strong>des</strong> richtigen Vernunftgebrauchs, 4. Kap., Stuttgart<br />

1961, S. 31.<br />

2 Vgl. René Descartes, Meditationen. Mit sämtlichen Einwänden und Erwiderungen. Hamburg 1972.<br />

3 Vgl. Antoino Damasio; Ich fühle <strong>als</strong>o bin ich, München 1999, S. 108.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


44<br />

Motorik erfuhr, aber eine auffällige Veränderung der Persönlichkeit mitmachte, die<br />

sich am besten <strong>als</strong> Störung der Kontrolle seiner Emotionen und Störung seiner rationalen<br />

Entscheidungsfähigkeit beschreiben lässt. Galt der puritanisch erzogene Mann<br />

vor dem Unfall <strong>als</strong> verantwortungsbewusst, besonnen und freundlich, so trat er danach<br />

aufbrausend, ungeduldig und respektlos auf; er konnte seine Zukunft nicht mehr<br />

vernünftig planen, traf Entscheidungen, die seinen Interessen völlig zuwider liefen und<br />

stirbt schließlich <strong>als</strong> Gestrandeter im Alter von 38 Jahren. 4<br />

Hannah Damasio gelang es, Gages Schädel, der fünf Jahre nach der Beerdigung geborgen<br />

um im Warren Medical Museum in Boston aufbewahrt wurde, mit Hilfe <strong>des</strong><br />

Computerprogramms Brainvox zu vermessen, ein dreidimensionales Bild seines Gehirns<br />

zu rekonstruieren und so ein genaues Bild der Läsion zu entwerfen. Demnach<br />

entsprachen die beschriebenen psychischen Beeinträchtigungen Gages einer Schädigung<br />

<strong>des</strong> mittleren präfrontalen Cortex (s. untenstehende Abbildung).<br />

Die Hypothese, dass ein Zusammenhang zwischen der Schädigung dieses vorderen<br />

Hirnare<strong>als</strong>, dem Gefühlsempfinden und der Fähigkeit, rationale Entscheidungen zu<br />

treffen besteht, konnte inzwischen an zahlreichen aktuellen Fällen verifiziert werden.<br />

Einer davon ist der Patient Elliot, dem wegen eines Tumors ein Teil <strong>des</strong> mittleren<br />

präfrontalen Cortex entfernt werden musste. Typisch für diesen „modernen Phineas<br />

Gage“ ist beispielsweise, dass er in Situationen, bei denen Probanden ohne entsprechende<br />

Läsion gefühlsmäßige Erregung zeigen (etwa beim Anblick von Bilder von verletzten<br />

Personen), keinerlei Erregungsmuster erkennen lässt – empirisch überprüfbar<br />

etwa durch die Messung der Hautleitfähigkeitsreaktion (s. Abb.). Elliot selbst be-<br />

4 Vgl. Antonio Damasio, Descartes’ Irrtum, München 1995, S. 64ff. Eine Dokumentation <strong>des</strong> Falles findet<br />

sich auch in dem Lehrwerk Zugänge zur Philosophie 2, Cornelsen, Berlin 202, S. 231ff. Aus dem Internet<br />

kann man sich eine Power-Point-Präsentation <strong>des</strong> Falles herunterladen: www.gp.tu-berlin.de/instvl<br />

/biopsy/Ref%20Gage.ppt. Der Fall ist auch filmisch dokumentiert: Auf den Spuren von Phineas, La Sept<br />

arte – Interscoop,1998. Sendung: arte, 24.03.2003.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


45<br />

schrieb seinen Zustand <strong>als</strong> „wissen ohne zu fühlen“. Er war fähig, komplexe Probleme<br />

zu analysieren und verschiedene Lösungswege vorzuschlagen, stellte aber fest: „und<br />

trotzdem wüsste ich nicht, was ich tun sollte“. Offenbar hinderte die Unfähigkeit, Gefühle<br />

zu empfinden, Elliot daran, verschiedenen Handlungsmöglichkeiten einen Wert<br />

zuzuordnen und damit die für ihn richtige Entscheidung zutreffen. 5<br />

Abb.: Hautleitfähigkeitsreaktion<br />

in emotionsauslösenden<br />

Situationen: A: Probanden<br />

ohne Läsion, B: Elliot<br />

Die Theorie der<br />

somatischen Marker<br />

Eine Erklärung derartiger<br />

Fälle liefert die Theorie der<br />

somatischen Marker. Um<br />

sie zu verstehen, muss<br />

kurz auf die biologische<br />

Funktion <strong>des</strong> Gehirns<br />

eingegangen werden. Aufgabe<br />

<strong>des</strong> Gehirns ist es<br />

aus biologisch-evolutionstheoretischer<br />

Sicht, „gut<br />

informiert zu sein über das, was im übrigen Körper und in der Umwelt vorgeht, so<br />

dass geeignete, dem Überleben dienliche Anpassungsprozesse vorgenommen werden<br />

können“ 6 . Die einfachsten und basalen<br />

Formen der Lebensregulation bestehen in<br />

angeborenen, stereotypisierten Reaktionsmustern:<br />

Fällt beispielsweise der Blutzuckerspiegel,<br />

wird diese Veränderung von<br />

Neuronen in der Region <strong>des</strong> Hypothalamus<br />

registriert, ein angeborenes Reaktionsmuster<br />

aktiviert, das ein Hungergefühl auslöst<br />

und ggf. zu entsprechenden Handlungen<br />

führt, die der Nahrungszufuhr dienen. Durch<br />

den Verdauungsprozess wird ein Ansteigen<br />

<strong>des</strong> Blutzuckerspiegels und über die Registrierung<br />

im Hypothalamus ein Sättigungsgefühl<br />

ausgelöst, das in der Regel dazu führt,<br />

dass die Nahrungszufuhr beendet wird. Das<br />

Gehirn reagiert hier wie der Thermostat einer<br />

Heizungsanlage, der auf eine bestimmte<br />

Raumtemperatur eingestellt ist und bei<br />

Über- bzw. Unterschreitung <strong>des</strong> Sollwertes<br />

die Heizung entsprechend ein- oder ausschaltet.<br />

5 Vgl. Descartes’ Irrtum, a.a.O., S. 64 ; auch: Zugänge zur Philosophie 2, a.a.O., S. 234.<br />

6 Descartes’ Irrtum, a.a.O., S. 132.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


46<br />

Vergleichbare Funktion für die Lebensregulation haben auch Emotionen und Gefühle.<br />

Eine Emotion (emotion) wird von Damasio definiert <strong>als</strong> ein von außen beobachtbares<br />

Verhalten, z.B. ein Signal <strong>des</strong> Gehirns an die Muskeln, in bestimmter Weise zu reagieren.<br />

7 Ein Gefühl (feeling) ist die private, mentale Erfahrung der Emotion, das Bewusstsein<br />

der Emotion. Zur Erläuterung sei die Emotion der Angst (z.B. beim Anblick eines<br />

Bären) beschrieben, die zunächst lediglich in vom Gehirn hervorgebrachten („emovierten“)<br />

körperlichen Vorgängen besteht: der Erhöhung der Frequenz <strong>des</strong> Atmens<br />

und <strong>des</strong> Herzschlages, der Weitung der Arterien in den Beinen etc. (was aus biologischer<br />

Sicht der Vorbereitung der Flucht dient). Wenn diese Emotionen die Schwelle<br />

<strong>des</strong> Bewusstseins überschreiten, werden sie <strong>als</strong> Gefühl der Angst erlebt (<strong>als</strong> Pochen<br />

<strong>des</strong> Herzens, Schlottern der Beine etc. wahrgenommen). Bei<strong>des</strong>, sowohl Emotion wie<br />

Gefühl, ermöglicht dem Organismus die Anpassung an Umweltsituationen: entweder<br />

eine starre, instinktive Reaktion (in diesem Falle: Flucht) oder die Entwicklung eines<br />

flexiblen und individuellen, durch Denkprozesse gesteuerten flexible Reaktionsplanes.<br />

Entscheidend ist nun zu sehen, dass ein Zusammenhang besteht zwischen den Emotionen<br />

bzw. Gefühlen und den rationalen Entscheidungen. Die Gefühle und die ihnen<br />

zugrundeliegenden Emotionen beinhalten immer schon bestimmte Bewertungen („Das<br />

ist mir zuträglich bzw. nicht zuträglich“), die Eingang ins bewusste Denken finden und<br />

die Grundlage unserer Entscheidungen darstellen. Das bewusste Denken ermöglicht<br />

uns die Abwägung der Folgen der jeweils gegebenen Handlungsmöglichkeiten in einer<br />

antizipierten Zukunft. Um zu einer Entscheidung zu kommen, bedarf es der Verknüpfung<br />

dieser Vorstellungsbilder mit emotionalen Erfahrungen. Dabei fungieren die<br />

gespeicherten somatischen Vorgänge, die <strong>als</strong> Emotionen bezeichnet werden, <strong>als</strong><br />

Marker, die unserem Denken anzeigen, was uns zuträglich bzw. abträglich ist. Bei<br />

dem System der somatischen Marker handelt es sich um ein automatisches System<br />

der Bewertung von Vorhersagen, das wie eine Alarmglocke bzw. wie ein Startsignal<br />

wirkt. Es nimmt uns das Denken nicht ab, aber unterstützt das Denken, indem es die<br />

vom Denken entworfenen Wahlmöglichkeiten auf der Grundlage der emotionalen Erfahrung<br />

<strong>als</strong> gefährlich oder günstig bewertet. 8<br />

Es lässt sich empirisch nachweisen, dass am emotionalen Erfahrungsgedächtnis die<br />

Regionen <strong>des</strong> Gehirns beteiligt sind, die <strong>als</strong> limbisches System bezeichnet werden.<br />

Das physische Bezugssystem <strong>des</strong> rationalen Denkens ist die Großhirnrinde. Der Teil<br />

der Großhirnrinde, der ermöglicht, auf die im limbischen System gespeicherten Emotionen<br />

zurück zu greifen, die dann <strong>als</strong> somatische Marker wirken, ist der mediale<br />

präfrontale Cortex - eben jene Region <strong>des</strong> Gehirns, der bei Phineas Gage und Elliot<br />

lädiert war. So wird verständlich, dass] der Ausfall der Funktion dieser Gehirnregion<br />

bewirkt, dass die betreffende Person nicht über somatische Marker verfügt, die die im<br />

Denkraum eröffneten Handlungsmöglichkeiten bewerten kann und somit Schwierigkeiten<br />

bei der Entscheidungsfindung hat.<br />

Um diesen Sachverhalt anschaulich zu machen, sei das Alltagsbeispiel eines Geschäftsabschlusses<br />

in einer komplexen Situation aufgeführt. Durch rationale Überlegungen<br />

könnte der Besitzer <strong>des</strong> Unternehmens eine systematische Kosten-Nutzen-<br />

Analyse vornehmen, die die vielfältigen Wahlmöglichkeiten zu verschiedenen Zeitpunkten<br />

in Form einer Verzweigung bis in die letzten Verästelungen erfasst und au-<br />

7 Ich schließe mich hier der Terminologie der Übersetzung von „Ich fühle <strong>als</strong>o bin ich“ an – in Descartes’<br />

Irrtum wird „emotion“ noch missverständlich mit „Gefühl“ und „feeling“ mit „Empfindung“ übersetzt.<br />

8 Vgl. Descartes’ Irrtum, a.a.O., S. 237ff.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


47<br />

ßerordentlich aufwendig und zeitintensiv wäre. So geht er aber in der Regel nicht vor,<br />

sondern er entscheidet sich relativ zügig auf Grund eines Gefühls, das er mit der ein<br />

oder anderen Handlungsalternative verbindet, die ihm blitzartig aufleuchtet. (Umgangssprachlich<br />

spricht man von einer Entscheidung „aus dem Bauch heraus“, Daniel<br />

Goleman würde den Begriff „emotionalen Intelligenz“ 9 ins Spiel bringen.) Personen mit<br />

lädiertem präfrontalen Cortex wie Phineas Gage oder Elliot hätten dagegen Schwierigkeiten,<br />

sich in den Verästelungen ihrer rationalen Erwägungen zu einer Entscheidung<br />

durchzuringen.<br />

Gefühle - darauf haben Philosophen seit der Antike immer wieder hingewiesen - können<br />

sich unter Umständen negativ auf das Denken auswirken; nun zeigt die Neurophysiologie:<br />

das Fehlen jeglicher Gefühle gefährdet unsere rationale Entscheidungsfähigkeit.<br />

Gefühle stehen wiederum im Zusammenhang mit Emotionen, d.h. mit somatischen<br />

Vorgängen. Descartes’ Irrtum bestand darin, dass er eine geistige Substanz<br />

annahm, die unabhängig vom Körper existiert. Zum umfassenden Verständnis <strong>des</strong><br />

menschlichen Geistes ist dagegen eine organische/somatische Perspektive erforderlich.<br />

- Diese allgemeine Ergebnis seiner ersten Untersuchung konkretisiert Damasio in<br />

„Ich fühle <strong>als</strong>o bin ich“ in Form eines Modells <strong>des</strong> Aufbaus <strong>des</strong> Bewusstseins und <strong>des</strong><br />

Selbst.<br />

Der Aufbau <strong>des</strong> Bewusstseins<br />

Bewusstsein - wie Damasio es sieht – ist nichts Monolithisches, sondern entwickelt<br />

sich über mehrere Stufen durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Regionen <strong>des</strong><br />

Gehirns. Das erweiterte Bewusstsein (das, was wir <strong>als</strong> das menschliche Bewusstsein<br />

im eigentlichen Sinne bezeichnen) baut auf einem Kernbewusstsein und auf einer<br />

vorbewussten Wachheit auf. Entsprechend lassen sich drei Stufen <strong>des</strong> Selbst unterscheiden:<br />

das autobiografische Selbst, das Kernselbst und das Proto-Selbst.<br />

Erweitertes Bewusstsein<br />

<br />

Kernbewusstsein<br />

<br />

- Autobiografisches Selbst<br />

<br />

- Kernselbst<br />

<br />

vorbewusste Wachheit - Proto-Selbst<br />

Oben wurde (am Beispiel der Regulierung <strong>des</strong> Blutzuckerspiegels) schon ausgeführt,<br />

dass das Gehirn die Zustände <strong>des</strong> Organismus überwacht, um gegebenenfalls regulierend<br />

in sie eingreifen zu können. Dazu bedarf es einer dynamischen Repräsentation<br />

von Körperzuständen: das Gehirn verzeichnet die Vorgänge im Organismus in „Karten“,<br />

die aus neuronalen Strukturen bestehen. Das geschieht noch unterhalb der<br />

Schwelle <strong>des</strong> Bewusstseins. In dieser vorbewussten Wachheit (awareness) manifestiert<br />

sich bereits Merkmale, die wir dem höheren, bewussten Selbst zuschreiben.<br />

Dieser Sachverhalt lässt sich einsichtig machen durch Rückgriff auf Thomas Metzingers<br />

Charakterisierung <strong>des</strong> Selbst: Ich erlebe mich selbst <strong>als</strong> Zentrum all <strong>des</strong>sen, was<br />

mir bewusst wird, wodurch auch eine bestimmte Perspektive und Zugehörigkeit defi-<br />

9 Daniel Goleman, Emotionale Intelligenz, München 1997.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


48<br />

niert sind. 10 Zentriertheit, Perspektivität und Meinigkeit sind aber nicht erst beim bewussten<br />

Selbst gegeben, sondern schon in der hier beschriebenen Repräsentation<br />

von Körperzuständen enthalten. Wenn beispielsweise der Person A auf der Straße ein<br />

Auto entgegenkommt, ist durch diese Positionierung <strong>des</strong> Organismus eine bestimmte<br />

Perspektive gegeben, die sich unterscheidet von der Perspektive einer Person B, die<br />

sich am Fenster eines anliegenden Hauses befindet. Gesetzt, vom Auto geht eine Gefahr<br />

für A aus, dann wird diese Gefahr im Gehirn von A registriert, das - noch unterhalb<br />

der Schwelle <strong>des</strong> Bewusstseins - über eine entsprechende Emotion eine Ausweichreaktion<br />

einleitet. Dergleichen somatische Vorgänge spielen sich bei B nicht ab,<br />

weil er die Situation aus einer anderen Perspektive wahrnimmt. Perspektivität, ebenso<br />

auch Zentriertheit und Meinigkeit, sind bereits den grundlegenden Repräsentationen<br />

von Körperzuständen zu eigen, die <strong>des</strong>halb <strong>als</strong> Proto-Selbst bezeichnet werden können.<br />

11<br />

Kernbewusstsein und Kernselbst bauen hierauf auf. Es lässt sich empirisch nachweisen,<br />

dass kein Bewusstsein entstehen kann, wenn die Proto-Selbst-Strukturen, die in<br />

der stammesgeschichtlich ältesten Region <strong>des</strong> Gehirns, dem Stammhirn, zu lokalisieren<br />

sind, lädiert sind. Umgekehrt besteht die Fähigkeit, auf Umwelteinflüsse zu reaieren,<br />

unabhängig vom Bewusstsein (etwa bei epileptischer Absence-Anfälle, Fällen<br />

transienter globaler Amnesie oder beim Phänomen der Blindsichtigkeit). 12<br />

Kernbewusstsein entsteht Damasio zufolge durch eine Repräsentation zweiter Ordnung.<br />

Das Gehirn ist nicht nur in der Lage, fortlaufend Körperzustände in Karten zu<br />

verzeichnen, sondern auch, auf einer höheren Ebene Karten zweiter Ordnung anzulegen,<br />

die die Veränderungen der Körperzustände im Laufe der Zeit registrieren.<br />

10 In: Thomas Metzinger: Die Selbstmodell-Theorie der Subjektivität, in: W. Greve (Hg.): Psychologie <strong>des</strong><br />

Selbst, Weinheim 2000.<br />

11 Vgl. Ich fühle <strong>als</strong>o bin ich, a.a.O., S. 168ff.<br />

12 Vgl. Ich fühle <strong>als</strong>o bin ich, a.a.O., S, 17ff, S. 120ff, S. 245ff.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


49<br />

Zur Erläuterung der obenstehenden Abbildung 13 ist folgen<strong>des</strong> auszuführen: 1 sei eine<br />

Karte der neuronalen Strukturen, die einen körperlichen Zustand in einem bestimmten<br />

Moment repräsentieren. Karte 2 sei ein Verzeichnis der neuronalen Strukturen, die ein<br />

Objekt repräsentieren, das den Körper im nächsten Moment affiziert. In Karte 3 wird<br />

der durch das Objekt modifizierte Zustand <strong>des</strong> Körpers registriert. Alle drei Momentaufnahmen<br />

werden in ihrem zeitlichen Ablauf wiederum in einer Karte zweiter Ordnung<br />

festgehalten. Die Veränderung <strong>des</strong> Körperzustan<strong>des</strong>, die sich vom Zeitpunkt 1<br />

zum Zeitpunkt 3 ergeben hat, wird dem Objekt zugeschrieben. Dadurch wird die Aufmerksamkeit<br />

wird so auf das Objekt fokussiert, dass das Objekt verstärkt wahrgenommen<br />

wird, es wird sozusagen aus der Umwelt herausgehoben. Diese Fokussierung<br />

der Aufmerksamkeit auf das Objekt wird nach Damasio <strong>als</strong> Bewusstwerdung erlebt.<br />

„Kernbewusstsein liegt vor, wenn die Repräsentationsmechanismen <strong>des</strong> Gehirns<br />

einen […] Bericht erzeugen, in dem niedergelegt ist, wie der eigene Organismus<br />

davon beeinflusst wird, dass er ein Objekt verarbeitet, und wenn dieser Prozess die<br />

Vorstellung von dem verursachenden Objekt verstärkt, so dass es in einem räumlichen<br />

und zeitlichen Kontext hervorgehoben wird.“ 14<br />

Solches Kernbewusstsein beinhaltet ein Kernselbst, das letztlich nichts anderes ist<br />

<strong>als</strong> ein Empfinden der Körperperspektive <strong>des</strong> Proto-Selbst, das in der Repräsentation<br />

zweiter Ordnung erzeugt wird. 15 Das Kernselbst existiert nicht vordergründig; im Vordergrund<br />

<strong>des</strong> Bewusstseins steht vielmehr jeweils das betreffende Objekt. Ich kann<br />

mir aber jederzeit die im Proto-Selbst angelegte Perspektive bewusst machen, d.h. ich<br />

kann mir bewusst machen, dass ich es bin, der das Objekt wahrnimmt (vgl. Kants Definition<br />

der transzendentalen Apperzeption: „Das: Ich-denke, muss alle meine Vorstellungen<br />

begleiten können.“ 16 ).<br />

Sowenig das Kernbewusstsein identisch ist mit dem erweiterten Bewusstsein, so wenig<br />

ist das Kernselbst identisch mit dem autobiografischen Ich. Das Kernbewusstsein<br />

ist noch nichts Dauerhaftes, sondern etwas Flüchtiges, das für jeden Moment der Erfassung<br />

eines Objekts neu erzeugt wird. Es bedarf der Leistung <strong>des</strong> (Arbeits-) Ge-<br />

13 Ich fühle <strong>als</strong>o bin ich, a.a.O., S. 216.<br />

14 Ich fühle <strong>als</strong>o bin ich, 205.<br />

15 Vgl. Ich fühle <strong>als</strong>o bin ich, a.a.O., S. 208, 211.<br />

16 Kant: Kritik der reinen Vernunft, B 131.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


50<br />

dächtnisses, die kontinuierlichen Impulse <strong>des</strong> Kernbewusstseins zum kontinuierlichen<br />

Bewusstseinsstrom <strong>des</strong> erweiterten Bewusstseins zusammenzufassen. Ebenso<br />

beruht das autobiografische Selbst auf den permanenten Aufzeichnungen von<br />

Kernselbst-Erfahrungen, die erst durch das autobiografische Gedächtnis möglich werden.<br />

17<br />

Das Ich <strong>als</strong> Selbstmodell <strong>des</strong> Gehirns<br />

Es wäre ein Irrtum anzunehmen, mit diesem Modell werde der Anspruch einer vollständigen<br />

Erklärung <strong>des</strong> Bewusstseins im Sinne eines materialen Reduktionismus erhoben.<br />

Damasio weist ausdrücklich darauf hin, dass seine Theorie eine Erklärungslücke<br />

beinhaltet: nicht erklärt werden kann, wie aus neurophysiologischen Daten überhaupt<br />

Vorstellungen entstehen. Vorausgesetzt, dass das Gehirn die Fähigkeit zur<br />

Repräsentation hat, kann jedoch die repräsentationale Tiefenstruktur <strong>des</strong> Bewusstseins<br />

aufgezeigt werden. Deutlich wird, dass das Ich keine Substanz im cartesischen<br />

Sinne ist, keine irreduzible Gegebenheit der Welt, sondern eine Vorstellung, die im<br />

Zusammenspiel verschiedener Regionen <strong>des</strong> ausgehend von Repräsentation somatischer<br />

Prozesse erzeugt wird.<br />

Hier ließe sich nahtlos Thomas Metzingers Hypothese vom Ich <strong>als</strong> Selbstmodell <strong>des</strong><br />

Gehirns anschließen. Metzinger erläutert diese Hypothese durch die Analogie eines<br />

Flugsimulators, der für den Piloten ein Modell der Außenwelt generiert. Im Unterschied<br />

zum einfachen Flugsimulator muss man sich das Gehirn <strong>als</strong> einen totaler Flugsimulator<br />

vorstellen, der nicht nur ein Modell der Außenwelt, sondern darüber hinaus -<br />

in Form <strong>des</strong> Piloten - ein Modell von sich selbst erzeugt. 18<br />

Das neurophysiologische Modell <strong>des</strong> Bewusstseins impliziert eine Einschränkung der<br />

Funktion <strong>des</strong> Ich im Vergleich zu traditionellen Ich-Philosophie. Das bewusste Ich ist<br />

nicht diejenige Instanz, die souverän Entscheidungen trifft und Handlungen initiiert. Es<br />

ist nicht souverän, sondern zur Entscheidungsfindung und Handlungsinitiierung angewiesen<br />

auf Zusammenarbeit mit stammesgeschichtlich älteren Regionen <strong>des</strong> Gehirns.<br />

Es kann lediglich Handlungsmöglichkeiten eröffnen, Handlungsfolgen antizipieren und<br />

Handlungsalternativen aufzeigen. Welche der aufgezeigten Alternativen letztlich gewählt<br />

und in Handlung umgesetzt wird, entscheidet sich im limbischen System auf der<br />

Grundlage lebenslanger emotionaler Erfahrung. Gerhard Roth hat diese Rollenverteilung<br />

auf die griffige Formel gebracht: Das bewusste Ich ist lediglich „Ratgeber“, der<br />

„Chef“ <strong>des</strong> Ganzen ist das „limbische System“. 19<br />

Das Problem <strong>des</strong> freien Willens<br />

Solche Einsicht zieht unausweichlich die Frage nach der Freiheit <strong>des</strong> menschlichen<br />

Willens nach sich. Wenn nicht das bewusste Ich es ist, das entscheidet, kann dann<br />

überhaupt noch von einem freien Willen gesprochen werden? Wiederum lässt sich<br />

Gerhard Roth anführen, der auf diese Frage eine griffige Antwort gegeben hat: „der<br />

17 Vgl. Ich fühle <strong>als</strong>o bin ich, a.a.O., S. 236ff.<br />

18<br />

Thomas Metzinger: Subjekt und Selbstmodell, Paderborn 1993, S. 241-244; vgl. Zugänge zur Philosophie<br />

2, a.a.O., S. 264-269.<br />

19 Gerhard Roth bei der Podiumsdiskussion: Hirnforschung und der Verlust <strong>des</strong> freien Willens, Zeit-<br />

Forum der Wissenschaften am 21.10.2002 in Berlin, Sendung: Phoenix.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


51<br />

Mensch [ist] nicht wirklich frei“, „wir sind determiniert“ 20 . Als Beispiel dienen ihm Brautleute,<br />

die sich das Jawort geben. Der Mensch ist dabei „wahnsinnig verliebt und handelt<br />

praktisch im Affekt. […] Die Natur gibt einem nicht die Freiheit mit, sich für Frau<br />

Meier und gegen Frau Müller zu entscheiden“.<br />

Hier wäre allerdings nach dem zugrunde liegenden Freiheitsbegriff zu fragen. Roth<br />

versteht unter Freiheit Indeterminiertheit, die Möglichkeit <strong>des</strong> Ich, unbeeinflusst von<br />

Naturkausalität frei zwischen Alternativen wählen zu können. Legt man diesen Freiheitsbegriff<br />

zugrunde, sind wir nicht frei; absolute Entscheidungsfreiheit ist dem Ich<br />

nicht gegeben. Dennoch handelt Herr X frei, wenn er Frau Meier, die er liebt, heiratet,<br />

und nicht Frau Müller, die er nicht liebt, denn dies entspricht seinem Willen. Um dies<br />

<strong>als</strong> Freiheit zu begreifen, bedarf es allerdings einer Abkehr vom Konzept der absoluten<br />

Entscheidungsfreiheit <strong>des</strong> Ich bzw. der Indeterminiertheit und einer Hinwendung<br />

zu einem Konzept von Freiheit <strong>als</strong> personaler Selbstbestimmung, wie es in der Geschichte<br />

der Philosophie beispielsweise von David Hume vertreten worden ist und<br />

neuerdings wieder von Peter Bieri und Michael Pauen ins Spiel gebracht wird 21 : Frei<br />

bin ich, wenn ich <strong>als</strong> Person (<strong>als</strong> Gesamtorganismus) von der Vielzahl der denkbaren<br />

Handlungsmöglichkeiten die verwirkliche, die meinen Willen, meinen Gefühlen, Erfahrungen<br />

etc., entspricht.<br />

__________<br />

Literaturhinweise zu den referierten drei Positionen:<br />

Wolfgang Huber: Menschenwürde? Gewalt und Intimität <strong>als</strong> Unterhaltung. In: Wunden,<br />

Wolfgang (Hg.): Öffentlichkeit und Kommunikationskultur. Hamburg/Stuttgart. 1994. S.<br />

181-195.<br />

Jan Sellner: 50 Fernseh-Leichen in einer Nacht: Kommissar Lamprecht ist der Gewalt auf<br />

der Spur. In: Stuttgarter Nachrichten (30. September 2000), <strong>Nr</strong>. 227. S. 3.<br />

Michael Kunczik: Medien und Gewalt. In: Bergmann, Susanne (Hg.): Mediale Gewalt – Eine<br />

reale Bedrohung für Kinder? Bielefeld 2000. S. 18-39.<br />

20 Das Hirn trickst das Ich aus, Interview mit Gerhard Roth, Der Spiegel 52/2004, S. 116; Gerhard Roth:<br />

Wir sind determiniert. Hirnforschung befreit von Illusionen, in: Hirnforschung und Willensfreiheit, hg. v.<br />

Christian Geyer, Frankfurt a. M. 2004 S. 218.<br />

21 Peter Bieri: Das Handwerk der Freiheit, München 2001; Michael Pauen; Grundprobleme der Philosophie<br />

<strong>des</strong> Geistes, Frankfurt a. M. 2001.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


52<br />

Helmut Engels (Arbeitskreisbericht)<br />

Bewusstsein von Innen<br />

Phänomenologie <strong>des</strong> Bewusstseins im Unterricht<br />

Als Ergänzung zu der gegenwärtigen Diskussion über das Bewusstsein, die vor allem<br />

neurobiologisch orientiert ist, halte ich eine phänomenologische Betrachtung, die die<br />

Perspektive der ersten Person einnimmt, für ganz wichtig. Bevor Schüler sich mit den<br />

Ergebnissen und der Auffassung der Neurobiologen auseinandersetzen, sollten sie<br />

sich dem Bewusstsein zuwenden, wie es ihnen selbst zugänglich ist. Nur so können<br />

sie die philosophisch relevanten Deutungen der Befunde der Neurowissenschaften einer<br />

Kritik unterziehen, während sie die Befunde selbst nicht überprüfen können (diese<br />

müssen einfach geglaubt werden). Bewusstsein ist zwar, so könnte man sagen, das<br />

uns Allernächste, aber damit noch lange nicht durchschaut. Es bedarf daher der Reflexion<br />

auf das, was uns so nahe und doch so fremd ist. Schwierigkeiten bietet den<br />

Schülern hier die Unterscheidung der Perspektiven. Fragt man beispielsweise. „Wo tut<br />

es weh, wenn man uns auf den Fuß tritt?“, dann antworten gerade clevere Schüler:<br />

„Im Gehirn.“ Das ist f<strong>als</strong>ch, denn der Fuß tut weh. Ergebnisse einer Forschung, die<br />

den Standpunkt der dritten Person einnimmt, werden verwechselt mit dem, was uns<br />

nur in der Ich-Perspektive zugänglich ist.<br />

Die Hinwendung zum Bewusstsein hat nicht nur eine theoretische Bedeutung, insofern<br />

sie unser Selbstbild korrigieren kann, sie hat auch eine eminent praktische Relevanz.<br />

Denn das Bewusstsein ist keineswegs etwas Einheitliches und Statisches, sondern<br />

hat viele Formen und ist in hohem Maße veränderlich. Wie ich mit ihm umgehe,<br />

hat eine große Bedeutung für die Lebensführung.<br />

Wie könnte die Beschäftigung mit dem Bewusstsein im Unterricht aussehen? Ich stelle<br />

im Folgenden ein Arbeitsblatt vor sowie Angaben zu einer Sammlung von Texten,<br />

die auf unterschiedliche Weise das Bewusstsein thematisieren. Bei der Textbesprechung<br />

ist die Frage eminent wichtig, ob die Schülerinnen und Schüler dem Dargestellten<br />

zustimmen können und ob es der eigenen Erfahrung und dem eigenen Erleben<br />

entspricht. Im Anschluss an die Textsammlung beschreibe ich einige Übungen, die Erfahrungen<br />

mit dem Bewusstsein ermöglichen oder schon eine Einübung in bestimmte<br />

Haltungen darstellen.<br />

Darüber, was aus meinen Vorschlägen in den konkreten Unterricht fließen müsste,<br />

kann ich nichts sagen, da dies abhängig ist von der Intention <strong>des</strong> Unterrichtenden –<br />

z.B. von der Frage, wieweit die Neurowissenschaften zu Wort kommen sollen - und<br />

von der Schülergruppe, mit der das Thema Bewusstsein besprochen werden soll.<br />

Ein Arbeitsblatt<br />

Die folgende Aufgabenliste muss man sich zu einem DIN-A4-Blatt gestreckt denken,<br />

damit genügend Platz für die Antworten vorhanden ist. Das Arbeitsblatt ist für die Sekundarstufe<br />

gedacht, dürfte aber auch den Schülern der Oberstufe Mühe bereiten.<br />

Thema: Bewusstsein<br />

1. Erkläre den Begriff „Bewusstsein“ in den folgenden Sätzen:<br />

a) Katrin ist wieder bei Bewusstsein.<br />

Katrin ...<br />

b) Das Bewusstsein ist das besondere Merkmal <strong>des</strong> Menschen.<br />

Der Mensch ...<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


53<br />

c) Diese köstlichen Erdbeeren musst du mit vollem Bewusstsein essen.<br />

Dieser Satz bedeutet, dass man ...<br />

2. Wo befindet sich das Bewusstsein?<br />

3. Finde Vergleiche für das Bewusstsein!<br />

Das Bewusstsein ist wie ...<br />

Bewusstsein zu besitzen ist, <strong>als</strong> ob ...<br />

4. Zeichne, was du dir unter Bewusstsein vorstellst! (Du kannst „Männchen“ zeichnen<br />

oder Kreise, Quadrate, Pfeile, Punkte, Sternchen, Linien, Sprechblasen und anderes.)<br />

Ich gebe einige diskussionswürdige Ergebnisse wieder; sie stammen, sofern sie nicht<br />

anderen Urhebern zugeordnet werden, von Schülern der Unterstufe.<br />

Zu 1 b: „Der Mensch kann sich beherrschen und denken“, „Der Mensch kann denken,<br />

selbst entscheiden, was er tun will, und weiß, was er tut“.<br />

Zu 2: „Das Bewusstsein findet sich überall im Körper“, „Im Gehirn, weil das Gehirn den<br />

kompletten Körper steuert‘“, „Das Bewusstsein liegt nicht im Kopf, im Körper oder in<br />

der Luft, sondern eher im Geist“.<br />

Zu 3: „Das Bewusstsein ist wie, <strong>als</strong> würde man so gut wie nie schlafen und immer<br />

hellwach sein“, „Das Bewusstsein ist wie wir“, „Bewusstsein zu besitzen ist so, <strong>als</strong> ob<br />

man wirklich lebt“. - Lehrer schlugen vor: „Das Bewusstsein ist wie ein Spotlight“, „Das<br />

Bewusstsein ist ein plappern<strong>des</strong> Kind“, „Es ist ein Vogel, der aus dem Käfig blickt“ und<br />

„Es ist eine Fensterscheibe im Wechsel der Jahreszeiten, auch trüb“.<br />

Zu 4. Gezeichnet wurde ein Männchen im Kopf eines Menschen. Ferner ein Mensch,<br />

der Hallo sagt (er kann sprechen), von <strong>des</strong>sen Augen Sehstrahlen ausgehen (er hat<br />

einen Gesichtskreis), er hat eine Denkblase mit dem Inhalt „Ich bin bei Bewusstsein“<br />

und eine andere, die Geknäueltes enthält (alle möglichen Inhalte), und er steht neben<br />

einem Tisch, auf dem etwas abgelegt ist (der Mensch kann malen, schreiben und lesen).<br />

Seltsam die folgende Darstellung: Sie zeigt einen gehenden Menschen in einem<br />

Längsschnitt, überall im Körper sind leere amöbenartige Gebilde, nur Arme und Beine<br />

sind mit Bleistift dunkel ausgemalt. Neben dem Dunklen steht „Unbewusstsein“, neben<br />

dem Hellen „Bewusstsein“. Gemeint war, dass in diesem Fall das Bewusstsein den<br />

Körper durchdringt, nur das Gehen und die Bewegung der Arme geschieht unbewusst.<br />

Mein eigener Vorschlag zur Veranschaulichung <strong>des</strong> Bewusstseins ist recht abstrakt.<br />

Ich gehe dabei von dem folgenden Definitionsversuch aus: „Bewusstsein ist das Gegenwärtighaben<br />

von etwas, derart, dass der Gegenwärtighabende das Gegenwärtighaben<br />

und sich selbst <strong>als</strong> Gegenwärtighabenden gegenwärtig hat.“ Das klingt monströs<br />

– dies liegt an dem kaum Fassbaren <strong>des</strong> Bewusstseins -, ist aber, so meine ich,<br />

nicht abwegig. Nehmen wir den Satz „Ich sehe ein Haus“. Das bedeutet, dass ich ein<br />

bestimmtes Objekt wahrnehme, ein Haus. Mir ist bewusst, dass ich das Haus sehe,<br />

und mir ist bewusst, dass ich es bin,<br />

der das Haus sieht. Zu unterscheiden<br />

sind <strong>als</strong>o das Objektbewusstsein, das<br />

Vollzugsbewusstsein und das Selbstbewusstsein.<br />

Erst beim Zusammenspiel<br />

dieser drei Momente haben wir<br />

das volle Bewusstsein (ein gar nicht so<br />

häufiger Zustand). Die Veranschaulichung<br />

sieht <strong>als</strong>o so aus (S = Subjekt,<br />

O = Objekt):<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


54<br />

Diese wenigen Beispiele für Ergebnisse mögen zeigen, dass es hier genügend Stoff<br />

zum Analysieren und Diskutieren gibt.<br />

Zu einer möglichen Textsammlung<br />

Die im Folgenden vorgeschlagenen Texte zum Bewusstsein können <strong>als</strong> Unterrichtslektüre<br />

dienen, sie können Anregungen für Übungen mit den Schülerinnen und Schülern<br />

bieten oder Fragen und Probleme eröffnen, die im textfreien Unterrichtsgespräch<br />

erörtert werden.<br />

1. Hans Goller: Das Rätsel von Körper und Geist. Wiss. Buchgesellschaft: Darmstadt<br />

2003. Darin das Kapitel „Merkmale <strong>des</strong> bewussten Erlebens“, S. 19 – 29.<br />

Die 1. These Gollers lautet: „Das Erleben ist subjektiv und privat.“ Er unterscheidet<br />

hier die physikalischen Gegenstände vom Erleben, das auf ganz andere Weise gegeben<br />

ist. Bemerkenswert ist die unterschiedliche Bedeutung von „privat“ mit Blick auf<br />

das Erleben. Fundamental ist die Unterscheidung der Erste-Person-Ontologie und der<br />

Dritte-Person-Ontologie bei John Searle, auf die Goller hier hinweist.<br />

Die 2. These: „Das Erleben ist an eine Perspektive gebunden.“ Goller unterscheidet<br />

zwischen der determinierenden physikalischen Kausalität und der Kausalität <strong>des</strong> Erlebens:<br />

Wir erleben uns <strong>als</strong> Urheber, <strong>als</strong> causa, unseres Handelns. Die Unterscheidung<br />

zwischen dem, was uns widerfährt, und dem, was wir tun, gehört zu Gollers Bestimmung<br />

<strong>des</strong>sen, was unter Handeln zu verstehen ist.<br />

Die 3. These: „Das Erleben ist unräumlich.“ Das Phänomen, dass Erlebniszustände<br />

unausgedehnt sind und nur eine zeitliche Existenz haben, veranlasst Goller zu der<br />

Frage: „Wenn Bewusstsein nicht räumlich ist, wie kann es dann seinen Ursprung in<br />

der räumlichen Welt haben?“<br />

Textunabhängig lässt sich im Unterricht die Frage behandeln, was alles uns bewusst<br />

werden kann. Als Anregung für die Lehrerin oder den Lehrer empfehle ich hierfür das<br />

kurze Kapitel „Das bewusste Erleben, das Mentale“ (S. 13 <strong>des</strong> genannten Buchs), in<br />

dem Goller eine detaillierte Liste <strong>des</strong> dem Bewusstsein Zugänglichen vorstellt, angefangen<br />

bei äußeren und inneren Wahrnehmungen über Wünsche, Triebe und Willensentschlüsse<br />

bis hin zum Selbst-Sinn.<br />

2. Gernot Böhme: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Frankfurt am Main<br />

1985. Wichtig sind hier: Kapitel 2: „Bewusstsein“, S. 29, und Kapitel 14: „Mystik“, S.<br />

208. Böhme spricht weniger vom Bewusstsein im Allgemeinen <strong>als</strong> vielmehr vom<br />

Selbstbewusstsein und seiner Wirkung auf Tun und Lassen <strong>des</strong> Menschen. Dabei<br />

geht er auf Sokrates ein, den er <strong>als</strong> das Urbild eines bewussten Menschen bezeichnet.<br />

Metaphern für das Bewusstsein sind „Hiat“, „Lufthalt, zeitlich gesehen“, „Spalt in<br />

räumlicher Metapher“. Bewusstsein ist für Böhme positiv, insofern es eine unendliche<br />

Handlungsfreiheit eröffnet, negativ, insofern es die Unmittelbarkeit gegenüber dem<br />

Leib aufhebt. Folgerichtig ist der Hinweis auf Kleists „Marionettentheater“ (s.u.). – In<br />

seinem Mystik-Kapitel weist Böhme auf die Trennungen, die unser alltägliches Dasein<br />

bestimmen. Mystik aber ist die Erfahrung der Einheit mit dem Ganzen, zugleich ein<br />

Zustand <strong>des</strong> Nicht-Ich-Seins. Böhme unterscheidet hier die aufsteigende platonische<br />

und christliche Mystik von der absteigenden Mystik <strong>des</strong> Zen, bei der es darauf ankommt,<br />

mit einem einzelnen Ding wirklich in Berührung zu kommen.<br />

Ders.: Weltweisheit, Lebensform, Wissenschaft. Eine Einführung in die Philosophie.<br />

Frankfurt am Main 1994. Hierin findet sich eine knappe Darstellung von<br />

„Leibbewusstsein“ (S. 178); dieses sei weder reflexiv noch intentional, es sei eher <strong>als</strong><br />

eine innere Helle oder Wachheit zu bezeichnen.<br />

3. Die folgenden Texte von Bollnow halte ich für lesens- und bedenkenswert, da der<br />

Autor sehr differenzierte phänomenologische Bechreibungen gibt, die auch den Schülern<br />

einleuchten müssten. Bollnow geht fast immer von der Sprache aus, genauer:<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


55<br />

vom üblichen Sprachgebrauch und von geläufigen Redewendungen (eine Methode,<br />

auf die schon Aristoteles gewiesen hat). Wichtig scheint mir auch, dass die beschriebenen<br />

Phänomene stets im Lebenszusammenhang gesehen werden, dies vor allem<br />

in ihrer Bedeutung für Sittlichkeit.<br />

Otto Friedrich Bollnow: Einfache Sittlichkeit. Göttingen 1962. Darin a) das Kapitel:<br />

„Das Bewusstsein“ (S. 118 ff.), b) das Kapitel „Die Bewusstheit“ (S. 131 f.) und c) das<br />

Kapitel „Die Wachheit“ (S. 135 f. ).<br />

a) Bollnow zeigt, in welchen außerwissenschaftlichen Zusammenhängen Bewusstsein<br />

überhaupt thematisch wird und in welcher Form dies geschieht. Er untersucht Wendungen<br />

wie „Ich bin mir <strong>des</strong>sen nicht bewusst“, „Ich bin mir keiner Schuld bewusst“<br />

und „Etwas wird mir bewusst“. Bewusstsein im Zusammenhang mit Bewusstwerden<br />

kann von uns nicht hervorgerufen werden, sondern entspringt bestimmten Erfahrungen,<br />

die wir machen müssen.<br />

b) Bollnow fragt, ob Bewusstheit überhaupt wünschenswert ist und gibt die unterschiedlichen<br />

Auffassungen der Aufklärung und der Romantik wieder. Bewusstheit ist<br />

für Bollnow nicht identisch mit Achtsamkeit oder awareness, sondern etwas, das bezogen<br />

ist vor allem auf das Handeln <strong>des</strong> Menschen in einer Welt oder auch gegen eine<br />

Welt: Ich weiß genau, was ich tue.<br />

c) Hier stellt Bollnow der Wachheit die Verschlafenheit und der Bewusstheit die Unbewusstheit<br />

gegenüber. Zur Überwachheit gehören Zerstreutheit, Nervosität und Unstetigkeit,<br />

zur Verschlafenheit aber Ruhe, Stetigkeit, Sicherheit und Gesundheit.<br />

Wachheit und Verschlafenheit haben jeweils ihre Stärken und Schwächen. Gleichwohl<br />

ist nach Bollnow die Wachheit eine der größten Tugenden <strong>des</strong> Menschen überhaupt.(Hier<br />

berührt sich die Auffassung Bollnows mit der <strong>des</strong> Buddhismus.)<br />

Ders.: Wesen und Wandel der Tugenden. Frankfurt am Main 1958. Darin das Kapitel<br />

„Die Besonnenheit“ ( S. 89. ff.) mit den Unterkapiteln: 4. Die Besinnung, 5. Die Nähe<br />

der Vernunft, 6. Besonnenheit und Selbstbeherrschung. Hier gibt es wieder eine Reihe<br />

sinnvoller Unterscheidungen, z.B. Besinnungslosigkeit und Bewusstlosigkeit. – Besonnenheit<br />

<strong>als</strong> die im Abstandnehmen gewonnene Fähigkeit zur Reflexion hängt zwar<br />

eng mit der Vernunft zusammen, ist aber nicht identisch mit ihr. Auch sind Besonnenheit<br />

und Selbstbeherrschung nicht identisch; denn wer wirklich besonnen ist, braucht<br />

sich nicht krampfhaft selbst zu beherrschen.<br />

Es ist möglich, die bei Bollnow vorkommenden Grundbegriffe auch unabhängig vom<br />

Text zu besprechen.<br />

4. Arthur Koestler: Der göttliche Funke. Bern, München 1966. Darin die mit vielen<br />

Beispielen angereicherte Darstellung von a) Analogien für das Bewusstsein (S. 164<br />

ff.) und b) von Bewusstseinsabstufungen (S. 159 ff.).<br />

a) Verglichen wird das Bewusstsein mit dem Sehen, insofern dieses fokussierend o-<br />

der auch verschwommen peripher sein kann. Fruchtbar ist die Analogie mit einer<br />

Bootsfahrt auf einem See (beim Wachträumen etwa treiben wir vor dem Wind). Angeregt<br />

durch Koestlers Vergleiche, könnten die Schüler weitere Analogien erproben.<br />

b) Bewusstsein ist etwas Relatives, insofern es verschiedene Grade der Bewusstheit<br />

impliziert. Es gibt eine kontinuierliche Skala, deren oberstes Ende der Zustand äußerster<br />

Konzentration ist. Bewusstsein ist etwas, „das mit zunehmender Beherrschung<br />

einer Fertigkeit verblasst und entschwindet“.<br />

Ders.: Der Mensch – Irrläufer der Evolution. Frankfurt am Main 1989. Darin das<br />

Kapitel „Freier Wille im Rahmen der Hierarchie“ S. 267 ff. – Auch hier wird Bewusstsein<br />

mit einer Treppe verglichen. Gewohnheit bewirkt eine Reduzierung <strong>des</strong> Bewusstseins,<br />

wir handeln dann mehr oder minder automatisch. Die plötzliche Kontrollverlagerung<br />

auf eine komplexere Stufe unserer Tätigkeiten ist die Essenz <strong>des</strong> bewussten Entscheidungsprozesses<br />

und der subjektiven Erfahrung <strong>des</strong> freien Willens. Freiheit ist<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


56<br />

relativ: Es gibt Freiheitsgrade, mit jedem Schritt nach „oben“ nimmt die Bedeutung <strong>des</strong><br />

Zwanges ab und die Zahl der Alternativen zu. Geschwächt wird Freiheit durch Routinen<br />

und durch Leidenschaften. – Eine praktische Frage, die man mit Schülern besprechen<br />

könnte, wäre: „Wie lassen sich uns einengende Routinen aufbrechen?“ Zu<br />

fragen wäre auch, ob der Freiheitsbegriff Koestlers ausreichend ist.<br />

5. Tor Nørretranders: Spüre die Welt. Die Wissenschaft <strong>des</strong> Bewußtseins. Reinbek<br />

bei Hamburg 1991. Darin: „Ich – Illusion <strong>des</strong> Akteurs“, S. 368 f. - Nørretranders beschreibt<br />

anschaulich eine spontane, ganz und gar unbewusste Entscheidung zu einem<br />

Verhalten, das wir <strong>als</strong> sittlich bezeichnen würden. Wer hat entschieden? Gibt es<br />

hier den freien Willen?<br />

6. Marvin Minsky: Mentopolis. Stuttgart 1990. – Darin: Kapitel 1.3: „Die Geistesgesellschaft“,<br />

S. 20. – Selbst einfach erscheinende Tätigkeiten benötigen eine unüberschaubare<br />

Vielzahl von uns unbewussten „Agenturen“ und „Agenten“. – Umsetzung<br />

im Unterricht: Ein Schüler kommt nach vorne und liest einen kleinen Text. Mit verteilten<br />

Aufgaben achten die Mitschüler auf Stimmführung, Betonung, Mimik, Blick, Gestik,<br />

Körperhaltung, Bewegung, Fußstellung usw. Sie schildern anschließend, was sie bemerkt<br />

haben. Der Proband teilt mit, worauf er überhaupt geachtet hat. Die Schüler erfahren,<br />

was alles für uns – von uns unbemerkt – erledigt wird und wie eng doch unser<br />

Bewusstsein ist.<br />

7. Heinrich von Kleist: Sämtliche Werke und Briefe. München 1961. Darin: „Von der<br />

Überlegung“, S. 1087, und „Über das Marionettentheater“, S. 1088 ff. – Die beiden<br />

klassischen Texte schildern anschaulich die hindernde Rolle <strong>des</strong> Bewusstseins. Kleist<br />

sieht aber auch die Notwendigkeit, das Bewusstsein zu vervollkommnen. 1<br />

8. Erich Fromm: Die Kunst <strong>des</strong> Liebens, Frankfurt am Main: 1979. S. 23 – 27<br />

(Problematik der menschlichen Existenz). – Fromm betont, wie Kleist auf den Sündenfallmythos<br />

weisend, das Trennende <strong>des</strong> Bewusstseins. Eine Rückkehr ins Paradies<br />

gibt es aber nicht, <strong>als</strong>o muss der Mensch sein Bewusstsein bzw. seine Vernunft<br />

weiterentwickeln. 1<br />

9. Charlotte Joko Beck: Zen im Alltag. München 1990. S. 27 – 30: Die Autorin<br />

schildert eindrucksvoll, bis zu welchem Grad Aufmerksamkeit möglich ist und wie diese<br />

im Zen geübt wird.<br />

Übungen zum Bewusstsein<br />

- Zehn Minuten mit geschlossenen Augen nur hören, ohne zu denken. Es stellt sich<br />

heraus, dass sich immer wieder abschweifende Gedanken einstellen. Dies trifft allerdings<br />

weniger auf den zu, der beispielsweise durch Yoga Übungen in Gegenwärtigkeit<br />

praktiziert.<br />

- Einen Abschnitt <strong>des</strong> gewohnten Schulweges aufmerksam wahrnehmen. Erfahren<br />

wird, in welchem Maße Wahrnehmungsroutinen die äußere Realität auf Minimalmerkmale<br />

schrumpfen lassen und dass es sich lohnt, diese Routinen aufzubrechen.<br />

- Versuchen, eine kleine Gewohnheit (z.B. das automatische Anschalten <strong>des</strong> Radios<br />

beim Betreten <strong>des</strong> eigenen Zimmers) für eine Zeit abzulegen. (Old habits die hard!)<br />

1 Eine aus ausführliche Interpretation der beiden Texte findet sich in: Helmut Engels:<br />

Die kognitive und pragmatische Rolle <strong>des</strong> Unbewussten – oder: Das Bewusstsein ist<br />

für unser Erkennen und Handeln nicht so wichtig wie wir glauben. In: Mitteilungen <strong>des</strong><br />

Fachverban<strong>des</strong> Philosophie e. V., Heft 34, Mai 1993, S. 8 – 26. – Angesichts <strong>des</strong><br />

erdrückenden Befun<strong>des</strong> unbewusster Leistungen unseres Geistes (unseres Gehirns?)<br />

bleibt <strong>als</strong> offene Frage, welche Funktion dann das Bewusstsein überhaupt noch hat.<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


57<br />

- Diktat eines leichten Satzes: Das Schreiben gelingt mühelos. - Diktat eines Satzes<br />

mit schwieriger Rechtschreibung: Routine hilft nicht weiter, bewusstes Nachdenken<br />

und Entscheiden wird nötig. (Möglich: Übertragung auf andere Lebenssituationen.)<br />

- Erfahrung der Selbsttätigkeit unserer Sinne: Eine „Kippfigur“ wie den Neckerschen<br />

Würfel oder einen aus sechs Rauten bestehenden Stern lange anschauen. Veränderungen<br />

ergeben sich von selbst.<br />

- Eine Liste mit Städten, die mit M anfangen, erstellen. Im Nachhinein überlegen: Welche<br />

Suchstrategie hat man unbemerkt benutzt (die Ähnlichkeit <strong>des</strong> Wortklangs, die<br />

geographische Lage oder ...)?<br />

- Sorgfältig auf ein DIN-A4-Blatt freihändig parallele Linien zeichnen. Wie lange hält<br />

man die Konzentration auf Sorgfalt durch?<br />

- Eine Viertelstunde im eigenen Zimmer in aufrechter Haltung bewegungslos sitzen<br />

(ohne Musik oder Fernsehen). Spüren, wie stark die inneren Impulse sind, aufzustehen<br />

und dies oder das zu tun.<br />

Zukunftsmusik?<br />

Hinter dem bis jetzt Vorgetragenen steht die Auffassung: Es ist notwendig, dass – neben<br />

dem berechtigten theoretischen Interesse an mentalen Phänomenen – das Bewusstsein<br />

auch Gegenstand praktischer Bemühungen sein sollte. 2 Thomas Metzinger,<br />

der schon 1996 auf die Notwendigkeit einer Bewusstseinskultur, einer cultura animi,<br />

hinwies, 3 hat vor kurzem die Skizze einer Bewusstseins-Ethik vorgelegt. 4 Angesichts<br />

der Fortschritte der Hirnforschung und der sich daraus ergebenden Möglichkeiten und<br />

Gefahren müsse man folgenden Fragen nachgehen: „Wie darf, wie soll unser Bewusstseinszustand<br />

aussehen?“ Und: „Haben Bewusstseinszustände einen Wert, den<br />

man auch maximieren könnte?“ Für den Bereich der Pädagogik macht er folgenden<br />

Vorschlag: „So könnte man an Schulen eine Einführung in Meditationstechniken, autogenes<br />

Training, das Klarträumen und so weiter anbieten.“ Ein Meditationsunterricht<br />

würde - so stellt Metzinger sich dies vor – den Schülern folgende Schlüsselqualifikationen<br />

vermitteln: „Erstens, die Begrenztheit der ,Ressource Aufmerksamkeit‘ zunächst<br />

für sich selbst wahrzunehmen; zweitens, eine Technik zu erlernen, mit der sie anstrengungslos<br />

Wachheit und Konzentrationsfähigkeit trainieren können; und drittens,<br />

ein Mittel besitzen, mit dem sie dem Infosmog entfliehen können.“ Religionslehrer sollten,<br />

so meint Metzinger, wegen der notwendigen weltanschaulichen Neutralität den<br />

Meditationsunterricht auf keinen Fall erteilen, er stellt sich eher Sportlehrer <strong>als</strong> Ansprechpartner<br />

vor. Warum nur vergisst er hier die Lehrerinnen und Lehrer, die Philosophie<br />

unterrichten?<br />

2 Siehe meinen Aufsatz Gernot Böhmes ,Philosophie <strong>als</strong> Lebensform‘ in der Schule?<br />

Didaktische Rechtfertigung von Theorie und Praxis einer Weise <strong>des</strong> Philosophierens.<br />

In: ZDPE Heft 1/2004, S. 38. Unter dem Titel „Das Verhältnis zur Zeit“ habe ich mich<br />

zur Notwendigkeit von Achtsamkeit und Gegenwärtigkeit geäußert und weiterführende<br />

Literatur genannt.<br />

3 Thomas Metzinger: Wenn die Seele verlorengeht. Der Fortschritt in den Neurowissenschaften<br />

erfordert eine neue Bewußtseinskultur. In: DIE ZEIT <strong>Nr</strong>. 45, 1. Nov.<br />

1996, 46.<br />

4 Thomas Metzinger: Führerschein zur Erleuchtung. In: ZEITWISSEN 1/05, S. 76.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


58<br />

Gabriele Münnix (Arbeitskreisbericht)<br />

Solipsismus <strong>als</strong> Gedankenexperiment:<br />

Wege zum Ich?<br />

In seinem Gedankenexperiment „Keinen Kopf zu haben“ beschreibt D.E. Harding die<br />

Erfahrung eines 33-jährigen auf einer Himalaya-Wanderung 1 , der plötzlich „aufhörte<br />

zu denken“: Verstand und Einbildung „verstummten“, Vergangenheit und Zukunft „fielen<br />

von ihm ab“, er vergaß, wer und was er war, und es war ihm, <strong>als</strong> sei er neugeboren<br />

und frei von allen Erinnerungen. Solchermaßen unbelastet gab es in diesem<br />

Jetztmoment nur noch die reine Wahrnehmung, und diese Erfahrung verschlug ihm<br />

die Sprache. Doch seine Begrifflichkeit ist offenbar noch vorhanden: Das reine<br />

Schauen zeigt ihm: er hat keinen Kopf. Was nach oben hin auslief, war Nichts, aber<br />

nicht das reine Nichts: eine „umfassende Leere, in der Platz für alles war: Gras, Bäume,<br />

Berge Wolken“ in atemberaubender Präsenz. Er hatte seinen Kopf verloren und<br />

die Welt gewonnen: Ihre totale Gegenwart war seine totale Abwesenheit.<br />

Er weiß nicht, ob er zwei, drei oder hundert Augen hat, die reine Wahrnehmung zeigt<br />

ihm „nur ein einziges Fenster“. Augen und Gesicht haben immer nur andere, niem<strong>als</strong><br />

er. Daraus folgt für ihn, dass es wohl zwei Sorten von Menschen geben muss: Solche<br />

mit Kopf und eine andere Sorte, von der er nur ein einziges Exemplar kennt: ohne<br />

Kopf. Nur in einem Anfall von Geistesverwirrung habe er sich seinen Kopf einbilden<br />

können und scheinbar etwas wahrgenommen, was in Wirklichkeit nicht vorhanden<br />

war. Auch die Nase in der bisher geglaubten Vorhandenheit und in ihrem „Sosein“ erweist<br />

sich <strong>als</strong> nichtexistent: Er nimmt nun „zwei verschwommene rötliche Wolken links<br />

und rechts von sich wahr. Und wenn man mit den Händen nach dem tastet, was man<br />

<strong>als</strong> Kopf zu haben glaubt, dann verschwinden auch die Hände, werden verschlungen<br />

von dem „Leuchtfeuer“, das alles verzehrt, was in seine Nähe kommt, sogar auch den<br />

unbeteiligten Beobachter im Maße seine Näherkommens. Solchermaßen erleuchtet 2<br />

ist er nicht imstande zu sehen, was er ist oder nicht ist: „zu geistig, zu erwachsen, zu<br />

wissend zu sein“ verhindere solche lichten Momente. Und auch die vielen Köpfe, die<br />

ihm aus Tassen, Löffeln, Spiegelbildern entgegensehen, kann er nur <strong>als</strong> fremd und<br />

nicht zu ihm gehörig empfinden: „Dieser fremde Spanner da drüben, der die ganze<br />

Zeit damit verbringt, in dieses Zimmer hereinzustarren“ und „in dem anderen Zimmer<br />

hinter dem Spiegel wohnt“ ist das „gerade Gegenteil meines wirklichen Jetzt und<br />

Selbst hier.“ Denn das Spiegel-Ich, „jenes glotzende Gespenst da drüben“ ist mir äußerlich,<br />

hat mit mir selbst, mit dem Hier und Jetzt, nichts zu tun.: es ist verschieden<br />

von der „zeitlosen, unerschütterlichen, großen und unbefleckten Leere“, <strong>als</strong> die er sein<br />

Selbst wahrnimmt.<br />

Liest man den Text nicht buddhistisch ( „Wahres Sehen ist <strong>als</strong>o Sehen in der ersten<br />

Person und <strong>als</strong>o augenlos“ 3 ) , so haben wir hier ein Ich nicht im reinen Bewusstsein<br />

seiner selbst , sondern in der reinen Wahrnehmung seiner selbst: Das solum ipse, das<br />

1 D.E. Harding, On Having no Head, in: Douglas Hofstadter / Daniel Dennett, (Hg.),<br />

Einsicht ins Ich, Stuttgart 1991, S. 30-37 . Alle Texte <strong>des</strong> Buches, auch Nagels berühmter<br />

Fledermausaufsatz, sind mit Reflexionen versehen und kommentiert.<br />

2 Vgl. Magrittes Bild „Das Prinzip der Lust“ ((1937), das den Kopf durch eine Art<br />

Leuchtfeuer auflöst<br />

3 a.a.O., S. 37<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


59<br />

Ich selbst, ist mit sich allein und kann diese Selbstwahrnehmung nicht denkend überschreiten,<br />

um zum Begriff <strong>des</strong> Ich vorzudringen, was die Fremdperspektive konstitutiv<br />

mit einbeziehen würde. Nach Hegel ist ja erst das reine Für sich, das sich ins Ansichseiende<br />

entäußert hat und auf einer höheren Stufe von Bewusstheit zu sich zurückkehrt,<br />

mit dem Begriff seiner selbst und <strong>als</strong>o mit Selbstbewusstsein, der ersten Stufe<br />

von Geist ausgestattet.<br />

Das Gedankenexperiment imaginiert einen Zustand davor und macht deutlich, wie<br />

sehr in unsere Alltagsvorstellung von Wahrnehmung immer schon Wissen mit eingeht,<br />

wie sehr wir das „sehen“, was wir nur zu sehen glauben, aber in Wirklichkeit immer<br />

schon voraussetzen:Unseren naiven Alltagsverstand. Immer schon geht Fremdwahrnehmung<br />

in unser Selbstbild mit ein. Doch in der radikal subjektivistischen Sicht, die<br />

auch in Wittgensteins Tractatus zum Tragen kommt („Das Auge sieht man wirklich<br />

nicht“ 4 ) können wir mit Gewissheit nichts behaupten, was über diese Perspektive hinausgeht.<br />

Die nur scheinbar objektive Welt der Tatsachen und Sachverhalte erweist<br />

sich am Ende <strong>als</strong> eine, in der jeder sich sein eigenes Bild von der Welt macht. 5 Die radikal<br />

subjektivistische Sicht <strong>des</strong> „esse est percipi“ sorgt auch dafür, dass der Ofen<br />

weg ist, wenn ich mich umdrehe: „Die Dinge existieren nicht in den Wahrnehmungspausen“.<br />

6<br />

Was nicht wahrgenommen wird, ist <strong>als</strong>o nicht, nicht die Augen, nicht die Nase, nicht<br />

der Kopf.<br />

In seiner Phänomenologie der Wahrnehmung redet Merleau-Ponty vom blinden Fleck,<br />

der zur Metapher <strong>des</strong> Vorgangs wird, den wir hier beobachten können: Wir sehen und<br />

erkennen immer von bestimmten Standpunkten aus, doch gerade diese, <strong>als</strong> Bedingung<br />

der Möglichkeit unseres Sehens, werden uns <strong>als</strong> solche nicht bewusst, geraten<br />

uns nicht in den Blick. 7 (Der blinde Fleck ist derjenige Punkt der Netzhaut, an dem die<br />

Sehnerven zusammenlaufen und der <strong>des</strong>halb nicht mit Rezeptoren bestückt ist, aber<br />

wir sehen nicht, dass wir an dieser Stelle nicht sehen.) Gleichwohl ist dieser blinde<br />

Fleck die Bedingung der Möglichkeit <strong>des</strong> Sehens, so dass Waldenfels von einem<br />

transzendentalen Selbstentzug mitten im Sehen spricht. Der blinde Fleck nämlich ist<br />

nicht einfach „eine Lücke im Panorama <strong>des</strong> Gesehenen“, eine „Ausfallerscheinung…,<br />

die im übrigen durch das doppeläugige Sehen wettgemacht wird“, sondern es handelt<br />

sich um einen „Selbstentzug im Fremdbezug“: Die Öffnung <strong>des</strong> Gesichtsfel<strong>des</strong> „stellt<br />

ein Ereignis dar, das uns sehen lässt, ohne selbst sichtbar zu werden“, so wie „das<br />

Schweigen den Hintergrund der Rede bildet“. 8 Diese Unsichtbarkeit <strong>des</strong> Eigenen ist<br />

ein Problem, denn sie wird uns normalerweise <strong>als</strong> solche nicht bewusst. Doch wir<br />

müssen diese reine Ichperspektive denkend überschreiten.<br />

4 Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, 5.633. vgl. auch 5.64: „Das Ich<br />

<strong>des</strong> Solipsismus schrumpft zum ausdehnungslosen Punkt zusammen, und es bleibt<br />

die ihm koordinierte Realität.“.<br />

5 vgl. auch die Arbeitsfragen zu Wittgensteins Solipsismus im Beiheft 2 der Gesamtausgabe<br />

6 Über diesen Satz diskutiert Wittgenstein mit dem Wiener Kreis, in: Friedrich Waismann,<br />

Wittgenstein und der Wiener Kreis, in: Wittgenstein, Schhriften, Bd 3. Frankfurt<br />

1967, S. 48<br />

7 Maurice Merleau-Ponty. Die Phänomenologie der Wahrnehmung, Berlin 1966, umschreibt<br />

das Phänomen auf S. 117<br />

8 Bernhard Waldenfels, Sinnesschwellen, Frankfurt 1999, S. 126<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


60<br />

„Man könnte, wollte man der Perspektive der Wahrnehmung sich selbst gegenüber ihr<br />

Recht verschaffen, jetzt höchstens sagen, ein jeder von uns habe eine Privatwelt.<br />

Doch diese Privatwelten sind „Welten“ nur für ihre Inhaber, sie sind nicht die Welt.“ 9<br />

Fremdwahrnehmung kann Wahrnehmung <strong>des</strong> Fremden im doppelten Sinne sein: Ich<br />

kann Subjekt und Objekt dieser Wahrnehmung sein, d.h. nicht nur Frem<strong>des</strong> von außen<br />

wahrnehmen (zur Problematisierung dieses Geschehens diente Nagels Fledermausaufsatz<br />

10 ), sondern auch von außen wahrgenommen werden – oder mich im<br />

Spiegel selber von außen wahrnehmen. Michel Foucault philosophiert in einem frühen<br />

Aufsatz über „Heterotopien“, virtuelle Orte wie dem Spiegel, an denen ich nicht bin,<br />

Gegenplatzierungen, Orte ohne Ort, die es gleichwohl erlauben, die Wirklichkeit besser<br />

in den Blick zu bekommen. „Vom Spiegel aus entdecke ich mich <strong>als</strong> abwesend auf<br />

dem Platz, wo ich bin, da ich mich dort sehe: Von diesem Blick aus, der sich auf mich<br />

richtet, und aus der Tiefe dieses virtuellen Raumes hinter dem Glas kehre ich zu mir<br />

zurück und beginne meine Augen wieder auf mich zu richten und mich da wieder einzufinden,<br />

wo ich bin.“ 11 Jacques Lacan spricht denn auch vom „Spiegelstadium <strong>als</strong><br />

Bildner der Ich-Funktion“ (er betont damit das Ich nicht <strong>als</strong> denkende Substanz, sondern<br />

in seiner Relationalität) und nennt dieses zu sich selbst zurückgekehrte Ich im<br />

Bewusstsein seiner selbst „moi“, im Unterschied zum einfachen „je“, das sich an die<br />

Welt verliert bzw. sich noch nicht <strong>als</strong> ein solches Ich gefunden hat. 12<br />

Doch es muss nicht immer die konkrete Spiegelerfahrung sein, die uns zum Bewusstsein<br />

unserer Selbst verhilft: Auch jeder Mensch, dem man begegnet, kann solche<br />

Spiegelfunktion haben und uns etwas von uns selbst zurückspiegeln 13<br />

Die Fremdperspektive und Fremdwahrnehmung „von anderswo“ geht <strong>als</strong>o konstitutiv<br />

in unser Selbstbild mit ein und führt uns aus dem Solipsismus heraus: es gibt ein Außen.<br />

Die Monade hat Fenster, durch die man aus ihr heraus und in sie hineinschauen<br />

kann. Das Verständnis und die Erkenntnis <strong>des</strong> Fremden ist allerdings begrenzt, wie<br />

man mit Thomas Nagel reflektieren kann: Wir wissen nicht, wie es ist, ein Fledermaus<br />

zu sein, und das Phänomen <strong>des</strong> Fremdpsychischen bleibt uns letztlich verschlossen,<br />

auch zwischen Mensch und Mensch: Einfühlung hat Grenzen, die Innenseite fremder<br />

Subjektivität können wir uns nur per Analogie vorstellen. Aber: „Aus dieser Rasenfläche<br />

vor mir glaube ich die Wirkung <strong>des</strong> Grüns auf das Sehen <strong>des</strong> Anderen erahnen zu<br />

können, durch die Musik habe ich einen Zugang zu seiner musikalischen Empfindung,<br />

und das Ding selbst verschafft mir Zutritt zur Privatwelt <strong>des</strong> Anderen“ 14 Zwar ist das<br />

9 Maurice Merleau-Ponty, Das Sichtbare und das Unsichtbare, München 1986, S. 24-<br />

55 (gekürzt) lag <strong>als</strong> Arbeitstext vor. Hier redet Merleau-Ponty auch im übertragenen<br />

Sinn davon, dass das „Auge <strong>des</strong> Geistes … seinen blinden Punkt“ hat, aber ihn qua<br />

Reflexion nicht ignorieren darf.<br />

10 Thomas Nagel, What is it like to be a bat? Erstm<strong>als</strong> in Philosophical Review 1972,<br />

deutsch in: Douglas/Hofstadter (Hg.) Einsicht ins Ich, a.a.O., S. 375-388<br />

11 Michel Foucault, Andere Räume, in: M.F., Short Cuts, Frankfurt 2001, S. 26f<br />

12 Jacques Lacan, Das Spiegelstadium <strong>als</strong> Bildner der Ich-Funktion, in J.L., Das Seminar,<br />

Olten 1980, S, 63-70<br />

Eine ähnliche Unterscheidung treffen übrigens auch George Herbert Mead und William<br />

James, indem sie das „me“ vom bewussten „I“ unterscheiden.<br />

13 Didaktisch gut geeignet ist hier ein kleiner Text von Robert M. Pirsig aus Lila- oder<br />

ein Versuch über die Moral, Frankfurt 1992, S. 283f , auch in Münnix, Wirklich? Erkenntnis<br />

und Ethik, Leipzig 1996, S.S.<strong>40</strong>f<br />

14 Merleau-Ponty, Das Sichtbare und das Unsichtbare, a.a.O., S. 36<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


61<br />

Ding, das ich sehe, immer das Ding, das ich sehe, doch die Dinge verbinden uns,<br />

auch wenn wir vielleicht objektiv zunächst nichts über sie sagen können. Sie sind eine<br />

Brücke für die transversale Vernunft. 15<br />

Es bleibt <strong>als</strong>o u.a. die Aufgabe der Konstruktion eines angemessenen Selbstmodells,<br />

um Metzingers Formulierung zu verwenden.<br />

Hier beschäftigte sich die Gruppe mit Metzingers Metapher <strong>des</strong> totalen Flugsimulators<br />

16 . Dieser Simulator ruht zwar mit Teleskopfüßen auf der Realität auf, in seinem<br />

Inneren aber wird diese Realität nur simuliert, so wie in unserem Gehirn Repräsentationen<br />

<strong>des</strong> Realen für innere Bilder sorgen, die wir von dieser Realität – und auch von<br />

uns selbst – haben.<br />

Die visuelle Simulation ist der Realität ähnlich und daher lebensdienlich: wir lernen<br />

uns zurechtzufinden, auch wenn die Tatsache, dass es sich um Simulationen handelt,<br />

von unserem Gehirn eben aus Gründen dieser Lebensdienlichkeit ausgeblendet wird,<br />

denn in der Simulation ist der halluzinierte Bär vom realen Bären ununterscheidbar,<br />

und wir bleiben handlungsfähiger (so Metzinger in der Diskussion), wenn wir die Tatsache,<br />

dass es sich um Repräsentationen unseres Gehirns handelt, vergessen. Zugang<br />

zur unmittelbaren „objektiven“ Realität außerhalb unseres Ichs haben wir <strong>als</strong>o<br />

nicht, sie ist uns nur mittelbar gegeben. Die visuelle Simulation wird anhand der jeweiligen<br />

Sinnesdaten fortlaufend aktualisiert und ist immer unsere Simulation. Es entsteht<br />

ein Modell der Wirklichkeit, wobei menschliche Gehirne viel komplexer sind <strong>als</strong> Flugsimulatoren:<br />

Sinneserfahrungen und Eigenwahrnehmung sind in das Bilder der Welt<br />

integriert und wir müssen uns selbst <strong>als</strong> Teil <strong>des</strong> Ganzen positionieren. Aber im Unterschied<br />

zum wirklichen Flugsimulator „simulieren menschliche Gehirne den Piloten<br />

gleich mit“. Das Selbst ist <strong>als</strong>o eine Konstruktion, oder genauer: eine Repräsentation<br />

unseres realen Selbst für unser inneres Selbst, ein Selbstmodell. Das mentale<br />

Selbstmodell eines Organismus – mit Augen, Nase und Kopf – ist ein Werkzeug, das<br />

die Selbstorganisation <strong>des</strong> Gehirns bewältigt. Im Unterschied zum wirklichen Flugsimulator<br />

wird dieses Subjekt vom Gehirn aber selbst erzeugt und kann nicht wie ein Pilot<br />

ein- und aussteigen, <strong>als</strong>o mal drinnen und mal draußen sein. Daher kann man<br />

auch vom Menschen wie auch von seinem Gehirn Autopoiesis-Prozesse, und in der<br />

Folge Selbstbildung, <strong>als</strong> Ausbildung eines Selbst behaupten. Dieses Selbst ist aber<br />

nicht immer präsent (im Gegensatz zum Platonischen Bild vom Steuermann), sondern<br />

„das Gehirn aktiviert den Piloten, wenn es ihn <strong>als</strong> repräsentationales Werkzeug benötigt,<br />

um die Aktivitäten <strong>des</strong> Gesamtsystems zu überwachen und mental abzubilden.<br />

Braucht ein System für einen bestimmten Zeitraum kein funktional aktives Selbstmodell<br />

mehr, so wird es einfach abgeschaltet“ 17 , wie im Schlaf zum Beispiel oder bei Hardings<br />

Himalaya-Erfahrung.<br />

„Ein Selbstmodell ist ein in ein internes Modell der Welt eingebundenes Analogrepräsentat<br />

<strong>des</strong> es konstruierenden Systems in seiner Umwelt.“ 18 Es ist aber wichtig, dass<br />

dieses Modell nicht für sich bleibt, sondern in einer Relation zum Modell der Welt<br />

steht: „Ein System, das kein Modell der Welt besitzt, oder – parallel zur Wahrnehmung<br />

15 vgl. Gabriele Münnix, Zum Ethos der Pluralität. Postmoderne und Multiperspektivität<br />

<strong>als</strong> Programm, Münster 2004, S. S.52-57<br />

16 Thomas Metzinger, Subjekt und Selbstmodell, Paderborn 1993, S. 241ff<br />

17 Metzinger, a.a.O., S.243<br />

18 Metzinger, a.a.O., S. 159<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


62<br />

der Umwelt – in isolierten solipsistischen Phantasien schwelgt, wird auch seine Interaktionen<br />

mit dieser Umwelt nicht optimieren können.“ 19<br />

Selbstmodelle sind <strong>als</strong>o <strong>als</strong> subjektive Konstruktionen relationale Strukturen. Sie ermöglichen<br />

die Zentrierung <strong>des</strong> Weltmodells und setzen Subjektbildung in Gang.<br />

Für diese Subjektbildung, und das dürfte deutlich geworden sein, benötigen sie etwas<br />

außerhalb der reinen Subjektivität, und daher sind Subjekte auch aufeinander verwiesen,<br />

auch wenn sie uns immer nur <strong>als</strong> Repräsentationen dieser Subjekte verfügbar<br />

sein sollten. Um mit Bloch zu reden: „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Also werden<br />

wir erst.“ 20<br />

_____________________________________<br />

IfL-Tagungsankündigungen<br />

(verantwortlich und Information: gabriele@muennix.de)<br />

Stammzellethik (Prof. Dr. Ludger Honnefelder, Dr. Rauch, Dr. Münnix)<br />

10./11.11.05, Wolfsburg Mülheim, Falkenweg 6 (26,-€)<br />

Technik und Philosophie (Prof. Teichmann, Dr. Becker, Dr. Münnix)<br />

28.11.-2.12.05, Deutsches Museum München, Museumsinsel 1 (110,-€)<br />

Zur Anthropologie der Geschlechtlichkeit (Dr. Sistermann, Dr. Münnix, N.N.)<br />

6./7.12.05, Maternushaus Köln, Kardinal-Frings-Str. 1-3 (26,-€)<br />

Hochbegabung und Begabtenförderung (Prof. Solzbacher, Dr. Arens, Dr. Münnix),<br />

2./3.3.06, Kardinal-Hengsbach-Haus Essen-Werden (ca. 50,-€)<br />

Was ist schön? (Prof. Speer, StD Engels, Dr. Münnix)<br />

3./4.5.06 Kardinal-Schulte-Haus Bensberg (ca 50,-€)<br />

(weitere Tagungen unter www.muennix.de)<br />

LEIDER MUSS DAS IFL AB 2006 FÜR TAGUNGEN ERHEBLICH HÖHERE<br />

BEITRÄGE ERHEBEN ALS BISHER: ES MÜSSEN 30% EINGESPART WERDEN.<br />

DAHER MÜSSEN DIE TAGUNGEN MIT GRÖßERER KOSTENDECKUNG<br />

DURCHGEFÜHRT WERDEN. DIE TATSÄCHLICH IM HAUS ENTSTENDEN<br />

KOSTEN (ÜBERNACHTUNG, ESSEN, RAUMMIETEN, REFERENTEN, MEDIEN)<br />

FALLEN AUCH BEI KURZFRISTIGER NICHTTEILNAHME AN. SIE SIND NOCH<br />

HÖHER ALS DER ZUKÜNFTIG VORGESEHENE BEITRAG. BITTE GEBEN SIE<br />

ALSO UNBEDINGT BESCHEID, SOBALD SIE WISSEN, DASS SIE VERHINDERT<br />

SEIN WERDEN UND GEBEN SIE NACHRÜCKERN EINE CHANCE.<br />

19 ebenda<br />

20 Ernst Bloch, Spuren,<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


63<br />

Klaus Draken (Diskussionshinweis)<br />

Geist und Gehirn – und Lernen<br />

Neurobiologische Erkenntnisse in der pädagogisch-didaktischen Diskussion<br />

Nicht nur die Philosophen wurden in den letzten Jahren durch neue Erkenntnisse der<br />

Neurobiologie zum Nachdenken gebracht. Auch bei den Pädagogen und Didaktikern<br />

wurden Diskussionen angestoßen, die derzeit Konjunktur haben. Aber noch ist umstritten,<br />

wie aussagekräftig diese Erkenntnisse tatsächlich für unsere Unterrichtspraxis<br />

sein können:<br />

„`Ziehen Sie Ihr Kind nicht in einem Schrank auf, lassen Sie es nicht verhungern,<br />

und schlagen Sie es nicht mit einer Bratpfanne auf den Kopf´,<br />

seien die einzigen neurowissenschaftlichen Implikationen für die Pädagogik,<br />

die er vertreten könne, so der amerikanische Hirnforscher Steve Petersen.<br />

Andere Neurowissenschaftler, wie der Ulmer Professor Dr. Dr.<br />

Manfred Spitzer sind sich dagegen sicher: `Ein Lehrer, der weiß, wie das<br />

Lernen im Gehirn funktioniert, wird besser lehren können [...]´“ 1<br />

Heinz Schirp <strong>als</strong> stellvertretender Direktor <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>instituts für Schule in Soest vertritt<br />

dabei die Überzeugung: „Nichts <strong>des</strong>to weniger und bei aller Einschränkung, was<br />

den Stand der Neuro-Forschung betrifft: die Befunde der Neurowissenschaften können<br />

dabei helfen [...] `gehirn-affine´ Lehr- und Lernkonzepte zur Gestaltung <strong>des</strong> Unterrichts<br />

zu nutzen“ 2 . Im Folgenden werde ich beispielhaft einige Aussagen von ihm zitieren,<br />

die ich für Überlegungen zur Konzeption unseres Philosophieunterrichts – auch in<br />

Bezug auf ihren Neuigkeitsgehalt – zur Diskussion stellen möchte:<br />

Muster und Mustererkennung:<br />

„Wenn ein Lerngegenstand mehrere spezifische Muster, <strong>als</strong>o unterschiedliche aber<br />

aufeinander bezogene Inputmuster aufweist ( z.B. fachbezogene, alltagsnahe, sozialkooperative,<br />

emotionale ...), dann führt auch dies zu einer Ausweitung neuronaler<br />

Repräsentanz. [...] Da der Lerngegenstand so mit seinen unterschiedlichen Aspekten<br />

auch an unterschiedlichen Stellen unseres Gehirns neuronale Repräsentationen aufweist,<br />

ist er leichter, besser, genauer und über unterschiedliche Zugänge wieder zu<br />

erinnern.“<br />

„Deklaratives Wissen erwerben wir eher bewusst; [...] soziale Einstellungen, emotionale<br />

Reaktionen, Attitüden, Haltungen, Motivationen ..., aber auch lebens- und alltagsweltliche<br />

Kenntnisse erlernen wir häufig unbewusst, implizit. Wir lernen sie z.B. dadurch,<br />

dass wir über längere Zeit uns in Kontexten bewegen, in denen diese Muster<br />

von den uns umgebenden Personen und Gruppen durchgängig oder doch überwiegend<br />

in ihren Verhaltensweisen benutzt werden und sich uns somit <strong>als</strong> erfolgreich, alltagstauglich<br />

und viabel erweisen. [...] Wenn es um Wertorientierung und um ein entsprechen<strong>des</strong><br />

soziales Verhalten geht, dann bleiben alle dazu gehaltenen Unterrichtsstunden<br />

umsonst, sind sogar contrafinal, wenn die Werte, die <strong>als</strong> wichtig dargestellt<br />

werden, nicht auch von allen in der Schule arbeitenden Personen und Gruppen res-<br />

1<br />

Ulrike Büttner, Wie lernen wir? In: nds, 4/2005, Seite 18<br />

2<br />

Diese und die folgenden Zitate sind einem Vortag vom 24.04.04 (s. Literaturhinweis:<br />

Heinz Schirp: Neurowissenschaften und Lernen) entnommen.<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


64<br />

pektiert und durch eigenes Verhalten („musterhaft“ im doppelten Sinne !) beglaubigt<br />

werden. Hier bestätigt sich neuronal das, was in einem anderen Beschreibungsparadigma<br />

„geheimer Lehrplan“ genannt wird.“<br />

Sinn, Relevanz, Bedeutung:<br />

„[...] Unser Gehirn nimmt - anders <strong>als</strong> ein Computer - nicht einfach alles auf, verarbeitet<br />

es zu Mustern und speichert diese ab; vielmehr bewertet und gewichtet es die<br />

Vielzahl der über unsere Sinne einstürmenden Eindrücke und beteiligt sich bearbeitend,<br />

sortierend und vernetzend am Aufbau von Gedächtnissen.“<br />

„Lehrer/-innen sollten Angebote machen, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen,<br />

ihre individuellen und subjektiven Erfahrungen mit den jeweiligen Lerngegenständen<br />

zu verbinden. [...] Lernangebote sollten ganz gezielt mit hohen Neuigkeitswerten,<br />

überraschenden Darstellungen, auch „Rätseln“, kognitiven „Widerständen“<br />

etc. operieren und durch außergewöhnliche Aspekte und situative Besonderheiten<br />

Aufmerksamkeitssteigerung erzielen. Nur wenn unser Hippocampus angeregt<br />

wird, leistet er seinen Beitrag für eine erste Speicherung und später für eine Weiterleitung<br />

an unseren Kortex. [...] Sie sollten darüber hinaus lernerspezifische Strukturierungsangebote<br />

beinhalten, die beim Aufbau stabiler Repräsentations- und Behaltensmuster<br />

helfen können und die Übertragbarkeit in unserer Langzeitgedächtnis erleichtern.<br />

Das kann durch einfache Strukturskizzen, mind-maps, Kernsätze, Kurz-Memos<br />

etc geschehen.“<br />

Emotionalität und Kognition:<br />

„Aus neurobiologischer Sicht ist es weiterhin unabweislich, dass Fühlen und Denken<br />

eng zusammengehören, und dass eine Trennung von emotionalen, affektiven und<br />

kreativen Zugängen und Sachinformationen, Fakten und Fachdisziplinen nicht gehirnfreundlich<br />

ist. [...] Nicht alle müssen alles zur gleichen Zeit können. Erst wer sich sicher<br />

ist und keine Angst vor Leistungsbewertung haben muss, kann seine optimale<br />

Leistung auch erbringen. [...] Kooperative und soziale Lernarrangements sollten Lernund<br />

Verstehensprozesse dort verstärken, wo sie einen Beitrag zur Verbesserung tragfähiger<br />

Selbstkonzepte der Lernenden leisten können. Sie sollten dabei ganz bewusst<br />

die emotionalen Erfahrungen der Lernenden einbeziehen und diese auch zur Sprache<br />

bringen. [...] Das gegenseitige Wertschätzen von Anstrengungen und Ergebnissen<br />

muss zu einem festen Bestandteil von Schulklima und unterrichtlicher Lernatmosphäre<br />

werden. Wie Lehrer/-innen miteinander kooperieren, ob und wie sie gemeinsame<br />

Zielvorstellungen verdeutlichen können, wie sie ihr Interesse an ihrem Beruf, an der<br />

Entwicklung ihrer Schüler/-innen zeigen, ist von entscheidender Bedeutung für positive<br />

und leistungsfördernde Selbstkonzepte der Lernenden. [...]“<br />

Einige (lohnende?) Literaturhinweise:<br />

Heinz Schirp: Neurowissenschaften und Lernen, überarbeiteter Vortrag gehalten am 24.04.04<br />

beim Bun<strong>des</strong>elternrat. (Schriftliche Fassung kann per mail angefordert werden über<br />

angelika.maedel@mail.lfs.nrw.de - Zusendung <strong>als</strong> e-mail-Anhang erfolgt umgehend) Eine<br />

Kurzfassung der vertretenen Thesen ist abgedruckt unter Heinz Schirp: Belehrungen sind<br />

nutzlos! In: nds 4/2005, Seite 23<br />

Franz Mechsner: Serie „Besser Lernen“. Teil 1: Die neurobiologischen Grundlagen <strong>des</strong> Lernens. In<br />

GEO 10/2004; Teil 2: Die Lust am Lernen. In GEO 11/2004; Teil 3: Kleine Weltentdecker. In<br />

GEO 12/2004; Teil 4: Doping fürs Gehirn. In: GEO 1/2005<br />

Gerhard Roth: Warum sind Lehren und Lernen so schwierig? In: Zeitschrift für Pädagogik 50/2004.<br />

Seite 496ff.<br />

Manfred Spitzer: Lernen. Gehirnforschung und die Schule <strong>des</strong> Lebens. Heidelberg; Berlin: Spektrum,<br />

2002<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


Antrag auf Mitgliedschaft im <strong>Fachverband</strong> Philosophie<br />

65<br />

An den<br />

<strong>Fachverband</strong> Philosophie, Lan<strong>des</strong>gruppe NRW<br />

Klaus Draken<br />

Am Dönberg 65 H<br />

42111 Wuppertal<br />

Hiermit beantrage ich die Mitgliedschaft im <strong>Fachverband</strong> Philosophie,<br />

Name: _______________________________________________________________<br />

Straße: ______________________________________________________________<br />

PLZ, Ort: _____________________________________________________________<br />

Tel.: ________________________________________________________________<br />

Ich bin<br />

im aktiven Dienst<br />

Referendar(in) / im Ruhestand<br />

Student(in) / zur Zeit arbeitslos<br />

(Zutreffen<strong>des</strong> bitte ankreuzen!)<br />

(Mitgliedsbeitrag 20 €/Jahr)<br />

(Mitgliedsbeitrag 8 €/Jahr)<br />

(Mitgliedsbeitrag 5 €/Jahr)<br />

Die Einzugsermächtigung ist beigefügt.<br />

Mit der Weitergabe meiner Adresse an einen philosophischen Verlag (betrifft Zusendung<br />

der Verbandsmitteilungen)<br />

bin ich einverstanden<br />

(Zutreffen<strong>des</strong> bitte ankreuzen!)<br />

bin ich nicht einverstanden.<br />

____________________________________________________________________<br />

(Ort) (Datum) (Unterschrift)<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)


66<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE E.V.<br />

Einzugsermächtigung<br />

Einzug von Forderungen mittels Lastschrift<br />

Hiermit ermächtige ich Sie widerruflich, die von mir zu entrichtenden Beitragszahlungen<br />

für den <strong>Fachverband</strong> Philosophie e.V. bei Fälligkeit zu Lasten meines Kontos<br />

<strong>Nr</strong>.: ________________________________________________________________<br />

Kontoinhaber:________________________________________________________<br />

bei Kontoinstitut: ______________________________________________________<br />

Bankleitzahl: _________________________________________________________<br />

mittels Lastschrift einzuziehen. Wenn mein Konto die erforderliche Deckung nicht<br />

aufweist, besteht seitens <strong>des</strong> Kreditinstitutes keine Verpflichtung zur Einlösung.<br />

Zur Sicherheit <strong>des</strong> Kontoinhabers ist gesetzlich geregelt, dass für jede Lastschrift vom<br />

Kontoinhaber innerhalb von sechs Wochen die Rückbuchung verlangt werden kann.<br />

Sollte die Lastschrift mangels Kontodeckung nicht ausgeführt werden können oder<br />

nehme ich eine ungerechtfertigte Rückbuchung vor, so werden die dadurch entstehenden<br />

Buchungskosten durch den <strong>Fachverband</strong> Philosophie e.V. von mir zurückgefordert.<br />

Name: _______________________________________________________________<br />

Straße: ______________________________________________________________<br />

PLZ, Ort: _____________________________________________________________<br />

Tel.: ________________________________________________________________<br />

____________________________________________________________________<br />

(Ort) (Datum) (Unterschrift)<br />

FACHVERBAND PHILOSOPHIE NRW


67<br />

Hefttitel seit 1996<br />

28 (1996): Ersatzfach Philosophie – Literarische Texte im Philosophieunterricht<br />

29 (1996): Philosophie im Schulprogramm<br />

30 (1997): Demokratische Handlungsfähigkeit<br />

31 (1997): Praktische Philosophie – Religion im Philosophieunterricht<br />

32 (1998): Natur und Ethik<br />

33 (1999): Vollendung der Aufklärung oder Neue Moderne?<br />

34 (2000): Praktische Philosophie<br />

35 (2000): Menschenrecht und Menschenwürde<br />

36 (2001): Neue Arbeitsformen im Philosophieunterricht<br />

37 (2002): Medizin- und Bioethik<br />

38 (2003): Wirtschaft und Ethik<br />

39 (2004): Praktische Philosophie praktisch<br />

<strong>40</strong> (2005): Geist und Gehirn<br />

Impressum:<br />

Philosophieunterricht in Nordrhein-Westfalen – Beiträge und Informationen<br />

Mitteilungsblatt <strong>des</strong> Fachverban<strong>des</strong> Philosophie e. V., Lan<strong>des</strong>gruppe Nordrhein-<br />

Westfalen<br />

Erscheinungsweise: min<strong>des</strong>tens einmal im Jahr. Anzeigenpreise auf Anforderung.<br />

Beiträge werden erbeten an den Lan<strong>des</strong>vorsitzenden (s. u.).<br />

Herausgeber:<br />

Der Vorstand <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>verban<strong>des</strong> Philosophie in Nordrhein Westfalen:<br />

Vorsitzender: StD Klaus Draken, Am Dönberg 65h, 42111 Wuppertal<br />

Stellv. Vors.: Dr. Brigitte Wiesen, Stauffenbergstr. 9, 41063 Mönchengladbach<br />

Schriftführer: Dr. Andreas Siekmann, Am Frölenberg 5, 33647 Bielefeld<br />

Kassierer: Dr. Klaus Blesenkemper, Hoher Heckenweg 17, 48249 Dülmen<br />

Beisitzerin: Katrin Gülden-Klesse, Beringweg 28, 59457 Werl<br />

Beisitzerin: Dr. Eva-Maria Sewing, Am Burgfriedhof 1, 53177 Bonn<br />

Assoziierte Mitglieder <strong>des</strong> Vorstands:<br />

Dr. Gabriele Münnix,<br />

Institut für Lehrerfortbildung Mülheim, Kuhlendahl 63, 45470 Mülheim/Ruhr<br />

Prof. Dr. Volker Steenblock,<br />

Institut für Philosophie, Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum<br />

Verantwortlich im Sinne <strong>des</strong> Pressegesetzes: Klaus Draken, Am Dönberg 65h, 42111<br />

Wuppertal, Klaus.Draken@gmx.de, http://www.fv-philosophie-nrw.de<br />

PHILOSOPHIEUNTERRICHT IN NRW <strong>40</strong> (2005)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!