Erfolgreich Scheitern - BrainJuicer
Erfolgreich Scheitern - BrainJuicer
Erfolgreich Scheitern - BrainJuicer
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
GABLE: Was bedeutet das für Unternehmen?<br />
McCRACKEN: Das Spiel war für Unternehmen bisher relativ<br />
simpel. Es ging faktisch nur ums Gewinnen. Man hat nach<br />
Wettbewerbsvorteilen Ausschau gehalten, den Vorteil<br />
ergriffen, damit den Wettbewerber geschlagen und somit<br />
kurzfristig gewonnen. Der kurzfristige Gewinn hat dann auch<br />
längerfristige Gewinne gestattet und außerdem ermöglicht,<br />
sich langfristig anzupassen. Das bedeutete, dass man seinen<br />
Kurs fortlaufend um wenige Grade korrigieren musste, um sich<br />
so langfristig auf dem richtigen Kurs zu halten.<br />
Wenn aber die neue Finanz-Strategie, nicht in den Marktführer<br />
zu investieren, korrekt ist, dann sind Gewinnen und Anpassung<br />
offensichtlich zwei völlig verschiedene Dinge. Die Faktoren,<br />
durch die man gewinnt, sind nicht diejenigen Dinge, die einem<br />
bei der Anpassung helfen.<br />
Aus diesem Grund braucht jedes Unternehmen ein internes<br />
„zweites Unternehmen“, das dafür geschaffen wird, an der<br />
Anpassung zu arbeiten. Dessen Aufgabe ist es, die<br />
Entwicklungen von Geschmack und Präferenzen der<br />
Konsumenten zu lesen und diese gewonnenen Erkenntnisse an<br />
das eigentliche Unternehmen weiterzuleiten, sodass es seine<br />
Geschäfte an den Markt anpassen kann. In diesem Modell steht<br />
das erste Unternehmen, welches sich mit der Aufgabe des<br />
Gewinnens beschäftigt, im Zentrum. Es wird umrahmt von dem<br />
zweiten Unternehmen, welches für die Anpassung zuständig ist.<br />
Sie arbeiten eng zusammen, um die Veränderungen in der Welt<br />
wahrnehmen und dann die beste Strategie finden zu können,<br />
die einen Nutzen aus den Veränderungen zieht.<br />
GABLE: Fallen Ihnen Unternehmen ein, die diese Strategie<br />
bereits tatsächlich praktizieren?<br />
McCRACKEN: Ja, im Ansatz. Das Unternehmen Coca Cola<br />
beschäftigt einige Mitarbeiter für die Beobachtung globaler<br />
Trends. Hier wird weit vorausschauend auf das Gesamtbild<br />
geblickt. Coca Cola zieht auch undenkbare, durchdringende<br />
Veränderungen bewirkende Szenarien in Betracht, wie zum<br />
Beispiel die Möglichkeit, dass Zucker eines Tages der neue<br />
Tabak sein könnte, der von der Gesellschaft verpönt und<br />
geächtet wird. Man muss also auch darüber nachdenken, wie<br />
man sich auf eine Welt vorbereiten kann, in der eine solch<br />
heute noch unvorstellbare Haltung wahr wird. Aber sie haben<br />
bisher kein wirkliches zweites Unternehmen etabliert.<br />
GABLE: Sie schlagen vor, dass wir unterschiedliche Techniken<br />
für Bewertung neuer Ideen verwenden müssen, um Insights vor<br />
dem Hintergrund kultureller Phänomene generieren zu können,<br />
die uns zu der Entwicklung wirklich neuer und später auch<br />
erfolgreicher Ideen verhelfen?<br />
McCRACKEN: Absolut. An diesem Punkt macht es meiner<br />
Ansicht nach Sinn, mithilfe von Culturematic-Laboren zu<br />
arbeiten, in denen wir neue Dinge ausprobieren können, die<br />
einfach Irrlichter sind.<br />
Einige unserer besten Ideen sprudeln bei Meetings und<br />
Brainstormings heraus, aber werden von den Leuten<br />
niedergemacht. Typischerweise starten sie mit einen Satz wie<br />
„Was wäre wenn?“. Dann kommt eine alberne Idee, die über<br />
den Tellerrand hinaus gedacht ist. Und irgendjemand aus dem<br />
Unternehmen sagt dann direkt: „Oh bitte, das ist eine wirklich<br />
blöde Idee. Wir sind alle nüchterne Geschäftsleute und machen<br />
keinen wirklichkeitsfremden Kram, sondern tun praktische,<br />
realistische, pragmatische Dinge.“<br />
Denn das war einmal die Methode, die zum Sieg führte, aber<br />
heute ist es genau das, was uns davon abhält, die Welt zu<br />
erforschen und neue außergewöhnliche und unwahrscheinliche<br />
Ideen zu entwickeln. Es könnte genau diese Methode sein, die<br />
wir an die neue, zukünftige Welt anpassen müssen.<br />
GABLE: Das bedeutet also, dass traditionelle<br />
Forschungsmethoden Unternehmen eher davon abhalten,<br />
innovativ zu sein. Wäre es nicht unfair, das so zu sagen – dass<br />
die traditionelle Forschung Innovationen unterdrückt?<br />
McCRACKEN: Manchmal ist es genauso. Ich glaube, dass es sich<br />
bei nahezu allen von uns verwendeten Methoden um eine<br />
Verbesserung des Umgangs mit denjenigen Dingen handelt, die<br />
uns vor einigen Jahren noch erhebliche Schwierigkeiten<br />
bereitet haben. Ich sage, man sollte die alten Methoden<br />
weiterhin anwenden, aber man sollte zusätzlich neue Systeme<br />
einführen, um die schwer verständlichen Gebiete ergreifen und<br />
erforschen zu können. Es geht im Grunde genommen darum,<br />
nach Dingen Ausschau zu halten, von denen man sich gar nicht<br />
bewusst war, dass man sie nicht weiß.<br />
GABLE: Es gibt Beispiele einiger großer Unternehmen, die<br />
untergegangen sind und anderer, die überlebt haben und schon<br />
in den 1960er Jahren auf demselben Niveau wie heute waren –<br />
zum Beispiel, wenn man an Kodak und IBM denkt. Beiden<br />
waren schon damals Blue Chips und doch existiert Eastman<br />
Kodak nicht mehr und IBM weist kaum noch Ähnlichkeit mit<br />
dem Unternehmen auf, das es damals war. Wie hätte<br />
Culturematics ihnen helfen können?<br />
McCRACKEN: Ich habe sowohl für IBM und für Kodak<br />
gearbeitet. Ich weiß, dass Kodak die digitale Revolution vor 15<br />
Jahren kommen sah, weil ich einige dieser Arbeit für sie<br />
gemacht habe. Veränderung ist sehr schwierig. Es ist eine Sache<br />
zu sagen „wir glauben, dass diese Entwicklung auf uns<br />
zukommt“ aber es ist eine vollkommen andere Sache mit deren<br />
Auswirkungen umzugehen – vor allem wenn diese den Kern der<br />
eigenen Unternehmenskultur betreffen.<br />
IBM ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Damals ging es vor allem<br />
um Großrechner mit dem Ausmaß ganzer Häuser und sie haben<br />
den Wandel dennoch geschafft. Sie erfanden den PC, der so<br />
wichtig war für die weitere Veränderung ihres<br />
Geschäftsmodells, indem Sie einer kleinen Gruppe von<br />
Entwicklern am Rande ihrer Organisation eine Aufgabe stellten:<br />
„Erzählt uns, wie Computerarbeit aussehen würde, wenn sie<br />
nicht in Großrechnern stattfinden würde. Was wäre, wenn Sie<br />
in kleinen Gehäusen funktionieren würde, auf dem Schreibtisch<br />
der Menschen? Wie könnten diese Geräte aussehen?“ Diese<br />
Gruppe war de facto eine Culturematic: Menschen<br />
systematisch von der Unternehmenskultur zu trennen, da diese<br />
blind machen kann für die Erwägung neuer Ideen.<br />
Es ist für Mitarbeiter, die innerhalb des Unternehmens<br />
arbeiten, äußerst schwierig, diese neuen Ideen zu erkennen<br />
oder mit ihnen zu arbeiten. An diesem Punkt ist ein<br />
Culturematic-Labor sinnvoll. Sie erstellen ein Experiment, und<br />
schicken es hinaus in die Welt. Die Teilnehmer werden<br />
hierdurch zu einer Art Hybrid, sie sind sowohl Mitglied des<br />
Unternehmens als auch jemand der weiß, was in der Welt<br />
draußen vor sich geht. Sie sehen welche ihrer vielen kleinen<br />
Experimente dort funktionieren – und welche nicht.<br />
GABLE: Grant, vielen Dank für dieses sehr anregende Gespräch!