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Magistrale Zubereitungen

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THERAPIE-TIPPS<br />

Nr. 40 Dezember 2005<br />

<strong>Magistrale</strong> <strong>Zubereitungen</strong><br />

In der Fülle der therapeutischen Maßnahmen, die der Ärztin/dem Arzt zur Verfügung<br />

stehen, haben die magistralen <strong>Zubereitungen</strong> neben den industriell erzeugten<br />

pharmazeutischen Spezialitäten einen fixen Platz. Im Europäischen Arzneibuch sind<br />

alle Kriterien und Vorschriften für einzelne <strong>Zubereitungen</strong> angeführt:<br />

- <strong>Zubereitungen</strong> zur Anwendung auf der Haut<br />

- <strong>Zubereitungen</strong> zur Anwendung am Auge<br />

- <strong>Zubereitungen</strong> zur rektalen Anwendung<br />

- <strong>Zubereitungen</strong> zur vaginalen Anwendung<br />

- <strong>Zubereitungen</strong> zur oralen Anwendung<br />

Vor- und Nachteile:<br />

Unter einer magistralen Zubereitung versteht man eine Einzelanfertigung auf Grund<br />

einer ärztlichen Verschreibung. Diese ist unverzichtbar zur Abdeckung therapeutischer<br />

Lücken, wo ein Arzneimittel nicht als Spezialität verfügbar ist. Weitere Vorteile einer<br />

magistralen Rezeptur liegen in der Möglichkeit, bestimmte Wirkstoffe zu kombinieren<br />

sowie sie an die individuellen Bedürfnisse des Patienten optimal anzupassen.<br />

Der Vorteil der zugelassenen Arzneispezialitäten liegt wiederum in der Sicherung der<br />

galenischen Qualität. Außerdem wurden klinische Prüfungen durchgeführt und<br />

Wirksamkeitsnachweise erbracht.<br />

Nachteile der magistralen Rezeptur:<br />

- Galenische Qualität ist nicht immer gegeben<br />

- Fehlen der notwendigen Stabilität, wenn Inkompatibilitäten nicht erkannt werden<br />

- Sind häufig nur sehr begrenzt haltbar<br />

- Wirksamkeitsnachweise können vor der Anwendung nicht erbracht werden<br />

- Sind häufig sehr unwirtschaftlich<br />

./2


Inkompatibilitäten und Haltbarkeit:<br />

- 2 -<br />

Zu erwartende Inkompatibilitäten oder unzureichende Wirksamkeiten sollten vor der<br />

Anfertigung geklärt werden. Als Inkompatibilität wird die Unverträglichkeit zwischen zwei<br />

oder mehreren Bestandteilen eines Dermatikums bezeichnet. Sie können zwischen<br />

Arzneistoffen untereinander, zwischen Hilfsstoffen oder zwischen Wirk- und Hilfsstoffen<br />

auftreten. Eine Verdünnung von Fertigarzneimitteln sollte daher möglichst nur mit der<br />

identischen Grundlage oder aber mit dem gleichen Emulsionstyp hergestellt werden.<br />

Inkompatibilitäten mit Wirk- oder Hilfsstoffen machen die anzufertigende Rezeptur<br />

instabil. Mehr oder weniger starke Unverträglichkeiten der Wirkstoffe mit der Grundlage<br />

oder der Wirkstoffe untereinander sowie galenische Unverträglichkeiten der Grundlagen<br />

bei der Mischung von Arzneispezialitäten bestimmen auch die Haltbarkeit der<br />

Anfertigung.<br />

Im Folgenden werden Beispiele für Unverträglichkeiten von häufig in magistralen<br />

Rezepturen verordneten Arzneistoffen genannt: 1<br />

Arzneistoff<br />

Clotrimazol<br />

Dithranol<br />

Erythromycin<br />

Prednisolon, Betamethasonvalerat<br />

Metronidazol<br />

Salicylsäure<br />

Unverträglichkeit mit<br />

sauren Wirk- und Hilfsstoffen, zB Salicylsäure, Sorbinsäure<br />

alkalisch reagierenden Stoffen, wie Zinkoxid;<br />

oxidierenden Stoffen, wie Iod<br />

sauren Wirk- und Hilfsstoffen, zB Salicylsäure, Milchsäure,<br />

Sorbinsäure<br />

Salicylsäure<br />

alkalisch reagierenden Wirkstoffen, wie Erythromycin<br />

Eisen-(III)-Salzen (Rotfärbung), Iod, Zinkoxid<br />

Haltbarkeit:<br />

Bei zugelassenen Arzneispezialitäten wird zwischen der Haltbarkeit und der<br />

Aufbrauchfrist bei der Patientin/beim Patienten unterschieden. Bei Ad-hoc-<br />

Herstellungen sind Haltbarkeit und Aufbrauchfrist nur bei sterilen <strong>Zubereitungen</strong> zu<br />

unterscheiden. Bei unsterilen Rezepturen gibt es nur die Aufbrauchfrist bei der<br />

Patientin/dem Patienten.<br />

• Für Augentropfen gelten folgende Haltbarkeitsregeln<br />

Augentropfen müssen grundsätzlich immer mit einem geeigneten Konservierungsmittel<br />

(in Abhängigkeit vom verwendeten Arzneistoff) versehen werden. Ist der Zusatz eines<br />

Konservierungsmittels aus medizinischen Gründen nicht vertretbar (zB bei<br />

Konservierungsmittelunverträglichkeit), so muss dies vom verschreibenden Arzt<br />

ausdrücklich auf dem Rezept vermerkt werden („sine conservans“). Für die Haltbarkeit<br />

der Verschreibung ergibt sich dabei folgender Unterschied: Augentropfen mit<br />

Konservierungsmittel dürfen maximal 4 Wochen ab Anbruch verwendet werden, jene<br />

./3


- 3 -<br />

ohne Konservierungsmittel maximal 4 Wochen ab Herstellungsdatum, das auf dem<br />

Behältnis angegeben wird.<br />

Wahl der Salbengrundlage:<br />

Die Wahl der Grundlage von Dermatika sollte in Abhängigkeit vom jeweils vorliegenden<br />

Krankheitsstadium erfolgen. Dabei gilt die Faustregel: „Feucht auf feucht“, was<br />

bedeutet, dass bei akuten Erkrankungen eher hydrophile Grundlagen und bei<br />

chronischen Erkrankungen eher lipophile Systeme verwendet werden sollten. 2<br />

Therapieschema von Dermatika 2<br />

Grundlage Tiefenwirkung Strömungsrichtung<br />

Puder<br />

Schüttelmixtur<br />

feuchter Umschlag<br />

Lösung<br />

Flüssige O/W-Emulsion<br />

O/W-Creme<br />

Amphiphile Cremes<br />

von innen zur<br />

Hautoberfläche<br />

Verdunstung<br />

akut<br />

subakut<br />

Hydrogel<br />

Paste<br />

W/O-Creme<br />

Hydrophob<br />

von außen<br />

nach innen<br />

Okklusionsverband<br />

chronisch<br />

Kostensituation:<br />

1.250.000<br />

Entwicklung der Kosten für magistrale <strong>Zubereitungen</strong><br />

seit dem Jahr 2003<br />

1.200.000<br />

1.150.000<br />

Kosten<br />

€<br />

1.100.000<br />

1.050.000<br />

1.000.000<br />

950.000<br />

900.000<br />

2003Q1 2003Q2 2003Q3 2003Q4 2004Q1 2004Q2 2004Q3 2004Q4 2005Q1 2005Q2<br />

./4


- 4 -<br />

Obwohl die Entwicklung der Kosten für magistrale <strong>Zubereitungen</strong> der<br />

Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse einen grundsätzlich relativ uneinheitlichen<br />

Verlauf zeigt, sind sie seit dem 1. Quartal 2004 zurückgegangen. Von Jänner bis Juni<br />

dieses Jahres betrugen die Aufwendungen für magistrale <strong>Zubereitungen</strong> dennoch rund<br />

2 Mio. €.<br />

Rezepturübliche Mengen von Dermatika:<br />

LÖSUNG<br />

PUDER<br />

PASTE<br />

CREME, SALBE<br />

Rezepturübliche Mengen 3<br />

Inhaltsmenge (g)<br />

Fläche (cm²) 5 10 15 20 25 30 50 100 200 500<br />

ausreichend für Tage<br />

25 20 50 100 100<br />

50 25 50 100<br />

100 12 25 50<br />

250 10 20<br />

25 27 53<br />

50 13 27 40 53<br />

100 7 13 20 27<br />

200 3 7 10 13 33 66<br />

300 2 4 6 9 22 44<br />

400 3 5 7 16 33<br />

600 2 3 4 11 22<br />

25 13 33<br />

50 6 16<br />

100 3 8<br />

200 4 8 16<br />

400 4 8 20<br />

600 5 13<br />

25 5 10 20 30<br />

50 5 10 15 25 50<br />

100 5 7 12 25 50<br />

200 3 6 12 25 62<br />

400 3 6 12 31<br />

600 4 8 20<br />

./5


- 5 -<br />

50 – 100 g<br />

Ohr: 5 – 10 g<br />

Gesicht: 20 – 50 g<br />

50 g<br />

20 - 50 g<br />

100 g<br />

50 g<br />

Die verordnete Menge sollte grundsätzlich der Größe der zu behandelnden Fläche und<br />

der voraussichtlichen Behandlungsdauer angepasst werden.<br />

Voraussetzungen für die Kostenübernahme von magistralen<br />

<strong>Zubereitungen</strong> durch die Österreichischen Krankenversicherungsträger:<br />

Seit Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelungen mit Beginn des heurigen Jahres<br />

(ASVG-Novelle, Heilmittel-Bewilligungs- und Kontroll-Verordnung) ist die Bewilligung für<br />

Heilmittel von der Vertragsärztin/dem Vertragsarzt selbst von der Krankenkasse<br />

einzuholen und darf nicht mehr auf Dritte (PatientIn, ApothekerIn) übertragen werden.<br />

Unter folgenden Voraussetzungen ist eine Bewilligung durch den chefärztlichen Dienst<br />

für die Kostenübernahme einer magistralen Zubereitung notwendig:<br />

- Überschreitung der frei verschreibbaren Höchstmengen (siehe dazu auch rosa<br />

Seiten des Erstattungskodex):<br />

Darreichungsform<br />

Pulver und Pulvermischungen<br />

Abgeteilte Pulver, Kapseln<br />

Suppositorien<br />

Höchstmenge<br />

200 g<br />

30 Tagesdosen (max. 90 Stk.)<br />

24 Stk.<br />

./6


- 6 -<br />

Darreichungsform<br />

Flüssige Arzneimittel (ausgenommen Tinkturen<br />

und Tropfen)<br />

Tinkturen und reine Mischungen aus Tinkturen<br />

Tropfen aller Art (ohne Separandum oder<br />

Venenum)<br />

Topische Arzneimittel (Cremes, Gels, Pasten,<br />

Salben, Emulsionen)<br />

Tees<br />

Hustensirup lt. ÖAB<br />

300 g<br />

100 g<br />

100 g<br />

100 g<br />

Höchstmenge<br />

500 g bei IND Psoriasis, Neurodermitis, Ichthyosis<br />

vulgaris, Mycosis fungoides<br />

100 g<br />

200 g oder Überschreitung des 14. Lebensjahres<br />

- Infusionen, wenn eine der magistralen Zubereitung entsprechende Arzneispezialität<br />

zugelassen und im Handel ist, oder wenn es sich um eine Mischung von<br />

Arzneispezialitäten handelt.<br />

- Verarbeitung von Substanzen, die lt. Österreichischer Arzneitaxe (ebenfalls in den<br />

rosa Seiten des Erstattungskodex nachzulesen) chefarztpflichtig sind.<br />

- Verarbeitung von Substanzen, die nicht in der Österreichischen Arzneitaxe<br />

angeführt sind.<br />

- Verarbeitung von Arzneispezialitäten, die nicht im Erstattungskodex enthalten sind<br />

Achtung: Die jeweils geltenden Bestimmungen zur Bewilligung bzw. Dokumentation<br />

von Arzneispezialitäten sind zu beachten!<br />

- Verarbeitung von Arzneispezialitäten unter Überschreitung der für sie jeweils<br />

gültigen Abgabebeschränkungen: zB Verarbeitung von einer Arzneispezialität in<br />

einer Menge, die die freie Verschreibbarkeit überschreitet.<br />

Ökonomische Betrachtung:<br />

Angesichts der angespannten finanziellen Situation der österreichischen<br />

Krankenversicherungsträger ist die Frage berechtigt, welchen Stellenwert magistrale<br />

Verordnungen einnehmen. Die magistrale Rezeptur sollte selbstverständlich nicht nur<br />

als Kostenfaktor bzw. Verlustbringer angesehen werden, sondern als eine individuelle<br />

Behandlungsmöglichkeit für die Versicherten und ihre Angehörigen. Insbesondere in<br />

der Dermatologie kann das Behandlungsziel vielfach nur mit individuellen Rezepturen<br />

erreicht werden. Bei Verschreibungen einer magistralen Zubereitung ist jedoch<br />

unbedingt zu berücksichtigen, dass durch den Preis für die Arbeit der Apothekerin/des<br />

Apothekers sowie das Gefäß Mehrkosten entstehen.<br />

• Mischungen mehrerer Spezialitäten<br />

Eine reine Mischung von zwei oder mehreren Arzneispezialitäten ist unökonomisch und<br />

höchstens bei Vorliegen schlechter Compliance seitens der PatientInnen in Erwägung<br />

zu ziehen. In der Praxis werden derartige Mischungen aber oftmals mit dem<br />

./7


- 7 -<br />

vordergründigen Zweck verordnet, für die Patientin/den Patienten Rezeptgebühren zu<br />

sparen.<br />

Solche Rezepturen beinhalten mitunter bis zu fünf Arzneispezialitäten. Zum Preis für die<br />

Arzneimittel (zB topische Arzneimittel, orale Antihypertonika) kommen die Vergütung für<br />

die Arbeit der Apothekerin/des Apothekers und das Gefäß. Der/dem Versicherten<br />

werden bis zu vier Rezeptgebühren erspart, die im Endeffekt zur Lasten der<br />

Allgemeinheit gehen. Ob dieselbe Freisetzung und Wirksamkeit bei den zusammen<br />

gemischten Arzneispezialitäten wie bei den jeweiligen Einzelpräparaten gegeben ist, ist<br />

allerdings nicht belegt.<br />

Zu der Kategorie der unökonomischen Verschreibungen gehören weiters magistrale<br />

<strong>Zubereitungen</strong>, die Ersatz für nicht mehr auf dem Markt befindliche, in der Regel<br />

obsolete Arzneispezialitäten oder für generell nicht mehr erstattungsfähige Präparate<br />

sind.<br />

Der Stellenwert von magistralen <strong>Zubereitungen</strong> im Spektrum der der Ärztin/dem Arzt<br />

zur Verfügung stehenden therapeutischen Maßnahmen sollte weder über- noch<br />

unterbewertet werden, allerdings sollte jeder Verschreibung eine strenge Kosten-<br />

Nutzen-Analyse vorausgehen.<br />

Literatur:<br />

1 Empfehlung der GD Gesellschaft für Dermopharmazie: Wirkstoffdossiers für externe dermatologische<br />

Rezepturen, Juni 2005<br />

2 C. Valenta, Salbengrundlagen; ÖAZ 16 (2005), 770-773<br />

3 U.-F. Haustein, J. Barth, E. Fickweiler: Moderne Arzneimitteltherapie

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