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Pädagogische Hochschule Salzburg Beiträge aus Wissenschaft und ...

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Ausgabe 06 2013<br />

<strong>Pädagogische</strong> <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong><br />

<strong>Beiträge</strong> <strong>aus</strong> <strong>Wissenschaft</strong> <strong>und</strong> Lehre


EDITORIAL / INHALT<br />

Lernwege<br />

Sehr geehrte Leserinnen <strong>und</strong> Leser!<br />

„Lernwege“ lautet der Schwerpunkt der vorliegenden<br />

sechsten Nummer von ph.script.<br />

Menschen bevorzugen – abhängig vom<br />

Lerntyp, von Interessen, Fähigkeiten u.a. – unterschiedliche<br />

Lernwege. Um für SchülerInnen<br />

möglichst passende Lernsituationen zu<br />

schaffen, müssen LehrerInnen unterschiedliche<br />

Lernwege eröffnen <strong>und</strong> ermöglichen.<br />

Im vorliegenden Band werden unterschiedliche<br />

Lernwege vorgestellt, wie z.B. die Methode<br />

des Open Space, die Marchtalplan-<br />

Pädagogik oder Blogs <strong>und</strong> Podcasts im<br />

Musikunterricht. Margret Rasfeld wiederum<br />

stellt in ihrem Gastkommentar Wege der<br />

Evangelischen Schule Berlin vor.<br />

Es ist nicht möglich,<br />

DEN besten Lernweg<br />

vorzustellen, denn<br />

adäquate Lernwege<br />

sind sehr individuell,<br />

hängen von den einzelnen<br />

SchülerInnen,<br />

aber auch von den<br />

LehrerInnen <strong>und</strong> der<br />

Schule ab. Daher ist<br />

es das Ziel dieses Bandes,<br />

gelungene Beispiele vorzustellen <strong>und</strong><br />

darüber zu reflektieren.<br />

Mag. a Dr. in Elfriede Windischbauer<br />

Rektorin <strong>Pädagogische</strong> <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

EDITORIAL<br />

Lernwege<br />

Elfriede Windischbauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG<br />

Von Sammelnden zu Suchenden<br />

Silvia Giger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3<br />

EH & EPICT<br />

Ursula Buchner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Einladen - Ermutigen - Inspirieren<br />

Bärbel Linsmeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

Förderung der exekutiven Funktionen durch Bewegung in der Volksschule<br />

Sebastian Hörl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

Rhythmik<br />

Maria Imani-Geyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

Blogs <strong>und</strong> Podcasts im Musikunterricht der Sek<strong>und</strong>arstufe <strong>und</strong> der dazugehörigen Hochschul<strong>aus</strong>bildung<br />

Fritz Höfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

Lebende Fremdsprachen an der Volksschule<br />

Michael Manhart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

EDITORIAL / INHALT<br />

|3


AUSGABE 06/2013<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Modulare Oberstufe am Akademischen Gymnasium <strong>Salzburg</strong><br />

Karl Lahmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

Eine Geschichte für das Gedächtnis<br />

Nicola Sommer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

Sprache entdecken, über Sprache nachdenken<br />

Viktoria Buttler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

Das Bilderbuch - Nicht nur Bilder im Buch<br />

Elisabeth Landsgesell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

BEITRÄGE AUS WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG<br />

Visueller Dreiklang<br />

Franz Dunzinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

GASTBEITRAG<br />

Das Lernen der Zukunft<br />

Margret Rasfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

PROJEKTE<br />

Die Neue Mittelschule – Dienst- <strong>und</strong> verwaltungsrelevante Aspekte<br />

Eva-Maria Engelsberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

Open Space<br />

Walter Buchacher / Silvia Giger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71<br />

Vernetzte Klasse<br />

Elisabeth Riedel-Fischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

KOOPERATIONEN<br />

Funktionenlehre<br />

Karl Josef Fuchs / Jochen Gaderer / Georg Wengler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

ARBEITEN VON STUDIERENDEN<br />

Leni Riefenstahl <strong>und</strong> ihr „Triumph des Willens“<br />

Sibylle Kampl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />

Trennung/Scheidung als Thema der Kinderliteratur<br />

Maria Schmidinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />

PUBLIKATIONEN VON MITARBEITERiNNEN DER PH SALZBURG<br />

Selbstbestimmung <strong>und</strong> Kontroll reduzierung in Lehr-<strong>und</strong> Lernprozessen<br />

Daniela Martinek / Rezension von Franz Hofmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

AUTORINNEN / AUTOREN<br />

Kurzporträts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />

4| INHALT


Silvia Giger VON SAMMELNDEN ZU SUCHENDEN<br />

Von Sammelnden zu Suchenden<br />

Die PH <strong>Salzburg</strong> beschreitet neue Wege in der LehrerInnenbildung <strong>und</strong><br />

versteht sich dabei selber als lernende Organisation<br />

Silvia Giger<br />

„Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“<br />

Um SchülerInnen mit den Kompetenzen<br />

<strong>aus</strong>zustatten, die sie für eine erfolgreiche<br />

zukünftige Lebensbewältigung benötigen,<br />

bedarf es der Etablierung einer neuen Lernkultur.<br />

Dies gelingt nur, wenn Studierende<br />

die eigene schulische Sozialisation kritisch<br />

hinterfragen, den Lernbegriff neu definieren<br />

<strong>und</strong> ihren Lernprozess weitgehend selbstverantwortlich<br />

organisieren. Wird Lernen in<br />

der Ausbildung als inspirierendes, lustvolles<br />

Tun erlebt, kann diese Erfahrung später<br />

an SchülerInnen weitergegeben werden.<br />

Weitreichende gesellschaftliche Veränderungen,<br />

deren Ursache mit Schlagwörtern<br />

wie Globalisierung, Umgang mit Diversität,<br />

Technologisierung, Wissensexplosion oder<br />

Mediatisierung begründet werden, stellen<br />

die Erfordernisse für schulisches Lernen auf<br />

den Prüfstand <strong>und</strong> führen seit Jahren zu umfassenden<br />

bildungspolitischen Diskussionen<br />

mit der Forderung nach Kompetenzorientierung<br />

<strong>und</strong> Qualitätssicherung in allen schulischen<br />

Bereichen. Ziel ist es, eine Schulkultur<br />

zu implementieren, die aktuellen Erkenntnissen<br />

der Neurowissenschaften sowie der<br />

Lehr- <strong>und</strong> Lernforschung folgt <strong>und</strong> dabei<br />

die Lernenden mit ihren individuellen Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> Vorerfahrungen als aktiv Handelnde<br />

ins Zentrum stellt. Die Schule soll auf<br />

„das Leben“, also die Zukunft, vorbereiten.<br />

Festzuhalten gilt dabei, dass zukünftige Entwicklungen<br />

noch nie so schwer abzusehen<br />

waren wie heute <strong>und</strong> damit der Umgang<br />

mit Ungewissheit <strong>und</strong> Flexibilität in unerwarteten<br />

Situationen – auch für Bildungsbereiche<br />

- an Bedeutung gewinnt. LehrerInnen<br />

sind demnach auf Schulen vorzubereiten,<br />

in denen persönliche Entwicklungsprozesse<br />

von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen im Vorder-<br />

gr<strong>und</strong> stehen, die ihre Talente <strong>und</strong> Begabungen<br />

erkennen <strong>und</strong> Interessen verfolgen.<br />

Entdeckendes, selbstgesteuertes, selbstverantwortliches<br />

Lernen bildet dazu den<br />

Rahmen (vgl. BMUKK 2010: 7). Welche Persönlichkeit,<br />

Haltungen <strong>und</strong> Kompetenzen<br />

müssen PädagogInnen dafür mitbringen?<br />

Die Kultusministerkonferenz erarbeitete 2004<br />

für Deutschland verbindliche Standards, die<br />

einen Hinweis darauf geben. Von besonderem<br />

Interesse scheint dabei im Hinblick auf<br />

ein geändertes Verständnis von Unterrichten<br />

<strong>und</strong> Erziehen die Gestaltung von Lernsituationen,<br />

die das Lernen von SchülerInnen<br />

unterstützen, sie befähigt Zusammenhänge<br />

herzustellen <strong>und</strong> das Gelernte zu nutzen, die<br />

selbstbestimmtes Lernen <strong>und</strong> Arbeiten bei<br />

SchülerInnen fördert sowie die Vermittlung<br />

von Werten <strong>und</strong> Normen, die das selbstbestimmte<br />

Urteilen <strong>und</strong> Handeln von SchülerInnen<br />

unterstützen (vgl. KMK 2004: 7-10). Die<br />

ExpertInnengruppe zur LehrerInnenbildung<br />

NEU (BMUKK 2010: 21) erachtet Personen als<br />

geeignet, die „‚dynamische Einstellungen‘<br />

wie Unternehmergeist, Flexibilität, Innovationsbereitschaft,<br />

Leadership-Interessen <strong>und</strong><br />

eine forschende Haltung“ mitbringen. Lehrende<br />

der PH <strong>Salzburg</strong> haben im Rahmen<br />

eines Workshops den Wunsch geäußert, Studierende<br />

von „Sammelnden“ in „Suchenden“<br />

umzuwandeln, <strong>und</strong> verbinden damit<br />

eine Trendwende in der Ausbildung künftiger<br />

Lehrpersonen: weg vom Abarbeiten <strong>und</strong><br />

Noten-Sammeln, hin zu mehr Selbstverantwortung<br />

<strong>und</strong> Selbstorganisation. In ein Bild<br />

gebracht, könnten diese Veränderungen<br />

folgendermaßen skizziert werden. Genforscher<br />

(Hengstschläger 2012) <strong>und</strong> Neurowissenschaftler<br />

(Hüther 2012, Spitzer 2009) wei-<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |5


VON SAMMELNDEN ZU SUCHENDEN Silvia Giger<br />

sen auf die Bedeutung individueller Talente<br />

<strong>und</strong> Begabungen hin. Wenn „Individualität<br />

die einzige Möglichkeit ist, sich auf Fragen<br />

<strong>aus</strong> der Zukunft, die wir heute noch nicht<br />

kennen, vorzubereiten“ (Hengstschläger<br />

2012: 5), gilt es zukünftig, die Fähigkeiten des<br />

Einzelnen über das erforderliche Mittelmaß<br />

zu stellen. Spitzer erklärt dazu: „Wer lernt,<br />

kann in Zukunft besser auf die Welt reagieren<br />

bzw. sich in ihr verhalten.“ Unser Gehirn<br />

bildet dafür die besten Vor<strong>aus</strong>setzungen,<br />

denn „…das Gehirn lernt immer… [es] kann<br />

nichts besser <strong>und</strong> tut nichts lieber.“ (Spitzer<br />

2009: 5). Lernen bildet sich im Gehirn durch<br />

die Verstärkung neuronaler Synapsenverbindungen<br />

ab. Jeder verarbeitete Impuls führt<br />

zu Veränderungen <strong>und</strong> damit zu Lernprozessen.<br />

Lernen als individueller Prozess kann somit<br />

als Schlüssel für die Zukunftsbewältigung<br />

gelten.<br />

Gerald Hüther konstatiert, dass moderne Gesellschaften<br />

keine „Pflichterfüller“ brauchen,<br />

sondern „Menschen, die Lust darauf haben,<br />

sich mit ihren besonderen Kenntnissen, Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> Fertigkeiten einzubringen,<br />

die Initiative ergreifen <strong>und</strong> Verantwortung<br />

übernehmen“ (Hüther/H<strong>aus</strong>er 2012 : 72). Die<br />

„Pflichterfüller“-Schule sieht er in diesem Zusammenhang<br />

als einen Ort, an dem Lernen<br />

verwaltet <strong>und</strong> bereits Bekanntes vermittelt<br />

wird, wo es um gute Noten anstatt um Neugierde,<br />

Entdecken <strong>und</strong> Begreifen geht (vgl.<br />

ebd. 101f). Auch die innere Landkarte des<br />

Lernens entsteht durch Repräsentation von<br />

Erlebtem, ist also erfahrungsabhängig <strong>und</strong><br />

kann, einmal verfestigt, nur schwer verändert<br />

werden. Emotionen im Lernprozess <strong>und</strong> ein<br />

positiver Kontext wirken sich auf die spätere<br />

Erinnerungsleistung <strong>aus</strong> (vgl. Spitzer 2009:<br />

8). Neue Wahrnehmungen werden mit Erinnerungen<br />

auf Übereinstimmungen hin überprüft.<br />

Gibt es eine völlige Übereinstimmung,<br />

wird der Eindruck routinemäßig verarbeitet.<br />

Es kann davon <strong>aus</strong>gegangen werden, dass<br />

sich Bilder verfestigen. Ist keinerlei Übereinstimmung<br />

gegeben, so wird das „Trugbild“<br />

verworfen. Gibt es Überlappungspunkte, so<br />

kann in Lernprozessen am besten an bereits<br />

gemachte Erfahrungen, Vorstellungen<br />

oder Erwartungen angeschlossen werden<br />

(vgl. Hüther 2012: 229). Das lässt vermuten,<br />

dass durch jahrelang selbst gemachte Erfahrungen<br />

bei Studierenden schon klare<br />

Pfade schulischen Lernens im Gehirn verankert<br />

sind. Diese - mitunter kontraproduktiven<br />

- Muster müssen hinterfragt werden. Studierende<br />

müssen beispielhaft, oft <strong>und</strong> vielfältig<br />

das erleben, was sie später anwenden<br />

sollen. Die kompliziertesten neuronalen <strong>und</strong><br />

synaptischen Netzwerke werden im Frontalhirn<br />

her<strong>aus</strong>gebildet, sie bewirken personale<br />

<strong>und</strong> soziale Kompetenzen (Selbstkonzept),<br />

intrinsische Motivation, Problemlösekompetenz<br />

<strong>und</strong> antizipierendes Handeln. Für deren<br />

Aufbau braucht es die eigene Erfahrung,<br />

Her<strong>aus</strong>forderungen zu bewältigen oder Vorbilder,<br />

von denen sie übernommen werden<br />

(vgl. Hüther 2012: 233). In problemorientiert<br />

gestalteten Lernumgebungen sieht Mandl<br />

eine Möglichkeit, Konstruktion mit Instruktion<br />

zu verbinden <strong>und</strong> so im aktiven, selbstgesteuerten<br />

Lernprozess bei Bedarf auch<br />

Anleitung, Unterstützung <strong>und</strong> Beratung zu<br />

erfahren. Als Gestaltungsprinzipien für problemorientierte<br />

Lernumgebungen nennt<br />

er reale Problemstellungen, um den Erwerb<br />

anwendungsbezogenen Wissens zu fördern,<br />

Mehrperspektivität, soziale Lernarrangements<br />

zur Förderung kooperativen Lernens<br />

<strong>und</strong> Problemlösens sowie instruktionale Anleitung<br />

<strong>und</strong> Unterstützung (vgl. Mandl 2004:<br />

48f). Lehrende der PH setzen sich laufend<br />

mit aktuellen Forschungsergebnissen <strong>aus</strong>einander<br />

<strong>und</strong> richten ihre Lehre danach <strong>aus</strong>.<br />

Insofern geht es in einem Veränderungsprozess<br />

darum, bewährte Ansätze selbstgesteuerten<br />

Lernens in ein Gesamtkonzept<br />

zu bringen <strong>und</strong> jene Gr<strong>und</strong>haltung spürbar<br />

zu machen, auf der selbstverantwortliches,<br />

selbstgesteuertes Lernen aufbaut.<br />

Angeregt durch einen Vortrag des Neurowissenschaftlers<br />

Gerald Hüther <strong>und</strong> einen<br />

Besuch in der Evangelischen Schule Berlin<br />

Zentrum (esbz) organisierte Rektor Sampl im<br />

6| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Silvia Giger VON SAMMELNDEN ZU SUCHENDEN<br />

WS 2011eine Fortbildung für die Lehrenden<br />

der PH <strong>Salzburg</strong> mit der Schulleiterin Margret<br />

Rasfeld. Diese beschreibt Schule visionär<br />

als „Werkstätten des Entdeckens <strong>und</strong><br />

Gestaltens, Erfahrungsräume zur Entfaltung<br />

der in allen Kindern angelegten Potenziale,<br />

Begegnungsorte für das Voneinander- <strong>und</strong><br />

Miteinanderlernen, Basislager des Erlebens<br />

von gegenseitiger Achtung <strong>und</strong> Wertschätzung<br />

<strong>und</strong> des Gefühls, aneinander <strong>und</strong> miteinander<br />

über sich hin<strong>aus</strong>wachsen zu können.“<br />

(Rasfeld/Spiegel 2012: 14). Wie sich<br />

die esbz dieser Vision annähert, schildert sie<br />

in ihrem Vortrag. Auf sehr beeindruckende<br />

Weise stellen SchülerInnen, die Frau Rasfeld<br />

begleiten, eloquent, selbstbewusst <strong>und</strong><br />

kritisch in Workshops vor, wie sie sich in den<br />

von Lehrpersonen gestalteten Lernumgebungen<br />

(Lernbüros) selbstständig Wissen,<br />

Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten aneignen, ihren<br />

Lernzuwachs in einem Logbuch protokollieren<br />

sowie in Projekten Verantwortung im öffentlichen<br />

Bereich übernehmen <strong>und</strong> durch<br />

selbstgewählte Her<strong>aus</strong>forderungen wachsen.<br />

Die Lehrpersonen erarbeiten Lernunterlagen<br />

<strong>und</strong> unterstützen den Lernprozess als<br />

ExpertInnen <strong>und</strong> Coaches.<br />

Inspiriert durch den selbstsicheren, kompetenten<br />

Auftritt <strong>und</strong> die präsentierten Inhalte<br />

der SchülerInnen, fühlen sich viele Lehrende<br />

in ihrem pädagogischen Denken bestätigt<br />

<strong>und</strong> es wächst das Bedürfnis, für Studierende<br />

ähnliche Lernerlebnisse zu schaffen.<br />

Unter dem Motto „Bildung durch Verantwortung<br />

<strong>und</strong> Lernen durch Engagement“<br />

werden in einem zweitägigen Workshop einer<br />

Gruppe von Lehrenden der PH <strong>Salzburg</strong><br />

(Februar in Öblarn) in einem sehr konstruktiven<br />

Prozess Zielsetzungen erarbeitet, die im<br />

Rahmen eines Studienversuches umgesetzt<br />

werden sollen. Schnell wird klar, dass die PH<br />

über entsprechende personelle Ressourcen<br />

verfügt, nämlich Personen mit Sach- <strong>und</strong><br />

Sozialkompetenz, Kreativität <strong>und</strong> Problemlösungsstrategien,<br />

die visionär denken <strong>und</strong><br />

die Bereitschaft zur Entwicklung neuer Konzepte<br />

mitbringen – mit Mut zur Veränderung,<br />

zur Lücke, zum Fehler. Die Begleitung der<br />

Schulpraxis <strong>und</strong> mehrjährige Berufserfahrung<br />

als LehrerInnen gewährleisten einen<br />

optimalen Theorie-Praxis-Bezug <strong>und</strong> damit<br />

die Unterstützung der Studierenden beim<br />

Aufbau von Handlungskompetenz. Folgende<br />

Schwerpunkte für die Weiterarbeit an<br />

einem Studienversuch bilden sich her<strong>aus</strong>:<br />

Selbstverantwortung - Lehrende <strong>und</strong> Lernende<br />

übernehmen Verantwortung für den<br />

Lernprozess. Dazu werden eigene Lehrveranstaltungen<br />

zu begleiteter Selbstreflexion<br />

der Studierenden <strong>und</strong> zur Entwicklung von<br />

persönlichen Lernwegen angeboten. Basics<br />

<strong>und</strong> Spezialisierung - Basics sollen inhaltlich<br />

einerseits <strong>aus</strong> den Fachwissenschaften <strong>und</strong><br />

-didaktiken kommen, andererseits Anteile<br />

enthalten, die allgemein für das Lerndesign<br />

gelten, u.a. „Auftrittskompetenz“ (Berücksichtigung<br />

von diversity management, gender,<br />

mentoring...). Spezialisierungen orientieren<br />

sich an Erfordernissen in Schulen <strong>und</strong><br />

an den individuellen Begabungen <strong>und</strong> Neigungen<br />

der Studierenden. Kriterien für Leistung<br />

<strong>und</strong> Leistungsbewertung sind klar zu<br />

definieren. Feedback-Kultur muss als Unterrichtsprinzip<br />

von Lehrenden <strong>und</strong> Lernenden<br />

in allen Lehrveranstaltungen gelebt werden.<br />

Strukturen müssen aufgr<strong>und</strong> der Inhalte gestaltet<br />

werden, z.B. flexible Zeitmodelle, Einbeziehen<br />

der Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung in die<br />

Ausbildung oder andere Organisations- <strong>und</strong><br />

Lerneinheiten (z.B. Ateliers, Auflösung der Fächerstrukturen).<br />

Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung<br />

muss ein Element des Pflichtcurriculums<br />

werden, welches von der Institution<br />

oder von den Studierenden vorgeschlagen<br />

wird <strong>und</strong> in begleitende Lernprozesse eingebettet<br />

ist. Qualitätskriterien sind dafür zu<br />

entwickeln. In Arbeitsgruppen werden die<br />

Ergebnisse intensiv diskutiert.<br />

Eine weitere Konkretisierung erfährt der Prozess<br />

im Rahmen von zwei Fortbildungstagen<br />

mit Hüther im Juli, an dem auch das designierte<br />

Rektorat teilnimmt. Neben Ausführun-<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |7


VON SAMMELNDEN ZU SUCHENDEN Silvia Giger<br />

gen zu Lernen <strong>aus</strong> neurobiologischer Sicht<br />

erklärt Hüther, wie Studierende fürs Lernen zu<br />

gewinnen sind. „Die Zauberworte, mit denen<br />

sich die Begeisterung bei jedem Menschen<br />

wiedererwecken lässt, egal, wie alt er ist <strong>und</strong><br />

wie viele negative Erfahrungen er schon<br />

gemacht hat, sind ganz einfach: Wir laden<br />

Dich ein, wir ermutigen <strong>und</strong> inspirieren Dich,<br />

Dich auf Neues einzulassen <strong>und</strong> die Freude<br />

am Lernen wiederzuentdecken.“ (Hüther/<br />

H<strong>aus</strong>er 2012: 119) Einladen meint eine Beziehung<br />

herstellen. Ermutigen heißt dem anderen<br />

etwas zutrauen. Inspirieren bedeutet,<br />

den Funken der Begeisterung zu entzünden.<br />

Am Ende des Entwicklungsprozesses soll eine<br />

<strong>Hochschule</strong> stehen, <strong>aus</strong> der Studierende<br />

kommen, die ihre SchülerInnen <strong>und</strong> deren Eltern<br />

einladen, neue Erfahrungen zu machen.<br />

Als Schlüsselbegriffe nennt Hüther Selbstorganisation<br />

<strong>und</strong> kollektive Erfahrungsräume.<br />

Lehrende sollen bereits im Herbst damit beginnen<br />

den Rahmen so zu gestalten, dass<br />

Studierende sich das Wissen in individualisierten<br />

Gemeinschaften selbstorganisiert aneignen<br />

können. Das bedeutet wählen können,<br />

Fragen stellen, sich selber Ziele stecken <strong>und</strong><br />

geeignete Wege für deren Erreichung erproben,<br />

eigene Lernprozesse reflektieren <strong>und</strong><br />

Ergebnisse evaluieren – Selbstorganisation<br />

<strong>und</strong> Selbststeuerung sowie lustvolles Tun in<br />

kooperativen Gemeinschaften.<br />

Als nächsten Schritt hat die designierte Rektorin<br />

Windischbauer einen Bildungstag im<br />

Herbst angekündigt, in dessen Rahmen die<br />

Weichen weiter gestellt werden. Damit kann<br />

es der <strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong><br />

gelingen, sich als Institution zu positionieren,<br />

die Erfahrung mit einer zukunftsorientierten<br />

LehrerInnenbildung in den Dialog r<strong>und</strong> um<br />

die LehrerInnenbildung NEU einbringt.<br />

Literatur:<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Unterricht, Kunst <strong>und</strong> Kultur (BMUKK) (Hg.) (2010):<br />

LehrerInnenbildung NEU. Die Zukunft der pädagogischen Berufe. URL:<br />

<br />

[Stand: 11. 08. 2012].<br />

Hengstschläger, Markus (2012): Die Durchschnittsfalle. Gene-Talente-<br />

Chancen. <strong>Salzburg</strong>: Ecowin.<br />

Hüther, Gerald (2012): Vor<strong>aus</strong>setzungen für gelingende Bildungsprozesse<br />

<strong>aus</strong> neurobiologischer Sicht. In: Erziehung & Unterricht. 162. H. 3-4/226-234.<br />

Hüther, Gerald/Uli H<strong>aus</strong>er (2012): Jedes Kind ist hoch begabt. Die angeborenen<br />

Talente unserer Kinder <strong>und</strong> was wir <strong>aus</strong> ihnen machen. Noch unveröffentlichtes<br />

Manuskript.<br />

Mandl, Heinz (2004): Gestaltung problemorientierter Lernumgebungen. In:<br />

Journal für LehrerInnenbildung. Studierende aktivieren. 4. H. 3/47-51.<br />

Rasfeld, Margret / Peter Spiegel (2012): EduAction. Wir machen Schule.<br />

Hamburg: Murmann.<br />

Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland (KMK) (Hg.): Standards für die Lehrerbildung:<br />

Bildungswissenschaften. URL: <br />

[Stand: 11. 08. 2012].<br />

Spitzer, Manfred (2009): Gehirnforschung <strong>und</strong> schulisches Lernen. Ergebnisse,<br />

Einsichten <strong>und</strong> Anregungen. In: Schulmagazin 5-10. Impulse für kreativen<br />

Unterricht. H. 3/5-12.<br />

8| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Ursula Buchner EH & EPICT<br />

EH & EPICT<br />

Bericht über einen Erstversuch zur Integration von EPICT in die Didaktik<br />

der fachpraktischen Übungen in „Ernährung <strong>und</strong> H<strong>aus</strong>halt“<br />

Ursula Buchner<br />

Menschen versorgen sich in privaten H<strong>aus</strong>halten, stellen h<strong>aus</strong>wirtschaftliche Dienstleistungen bereit,<br />

die der Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> dem Wohlbefinden dienen sollen, <strong>und</strong> fällen dabei Konsumentscheidungen,<br />

die in Summe genommen Dimensionen erreichen, für die die Welt nicht mehr <strong>aus</strong>reichend Kapazitäten<br />

hat. Und auch wenn wir den ökologischen Fußabdruck mit Hilfe von Computertechnologie simulieren<br />

können, handlungswirksam im täglichen Verbrauch mit Ressourcen ist dies nicht. Hunger nach<br />

Nahrung lässt sich ebenso wenig virtuell stillen wie der Bedarf an sozialer Arbeit, die in h<strong>aus</strong>wirtschaftlichen<br />

Versorgungsleistungen enthalten ist. Wie lässt sich die dem Lernen an <strong>und</strong> mit materiellen<br />

Gegenständen <strong>und</strong> in Auseinandersetzung mit sozialen Realitäten verpflichtete Didaktik in „Ernährung<br />

<strong>und</strong> H<strong>aus</strong>halt“ (EH) mit dem Einsatz von computerunterstützter Technologie verbinden?<br />

EPICT - ein Wegbegleiter<br />

Im Rahmen ihrer Gr<strong>und</strong><strong>aus</strong>bildung zum Bachelor<br />

of Education absolvieren die Studierenden<br />

der <strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong><br />

<strong>Salzburg</strong> (PHS) auch Lehrveranstaltungen<br />

zum Einsatz computergestützter Technologien<br />

im Unterricht (pädagogische IKT). Die Ausbildung<br />

orientiert sich am Programm EPICT<br />

(European Pedagogical Information and<br />

Communication Technology). EPICT fokussiert<br />

die methodisch-didaktische Seite des Computereinsatzes<br />

in der Schule. Die PHS forciert<br />

die Implementierung von EPICT in die Lehrveranstaltungen<br />

der Didaktiken der Gr<strong>und</strong><strong>aus</strong>bildung.<br />

Interessierte Lehrende erhalten<br />

EPICT-Einführungen <strong>und</strong> werden ermutigt,<br />

innerhalb der Institution Lernpartnerschaften<br />

einzugehen <strong>und</strong> sich von EPICT-MentorInnen<br />

<strong>und</strong> IKT-Fach<strong>aus</strong>bildnerInnen Unterstützung<br />

zu holen. So werden quasi beide Seiten der<br />

in der Ausbildung beteiligten Personen – Studierende<br />

<strong>und</strong> Lehrende – in ihrem Bemühen<br />

unterstützt, die Möglichkeiten des Computereinsatzes<br />

für das Lernen im jeweiligen Fach zu<br />

nutzen. In diesem Sinne wurde ein fächerverbindendes<br />

Vorhaben EPICT <strong>und</strong> „Ernährung<br />

<strong>und</strong> H<strong>aus</strong>halt“ (EH) mit den Studierenden<br />

des 4. Semesters im Studiengang Lehramt für<br />

Sonderschule realisiert.<br />

„Ernährung“ - ein weitläufiges Lernfeld<br />

Die Ernährung des Menschen ist ein weitläufiges<br />

Wissensgebiet mit zahlreichen Bezugswis-<br />

senschaften, die sich spezielleren Fragen der<br />

Ernährung des Menschen mit ihren jeweils<br />

eigenen Perspektiven, methodischen Zugängen,<br />

Arbeitsweisen <strong>und</strong> theoretischen Modellen<br />

unter Rückgriff auf die einschlägigen<br />

fachlichen Systematiken <strong>und</strong> Begrifflichkeiten<br />

zuwenden. Von Atomen <strong>und</strong> Elementen über<br />

Zellstrukturen biologischer Organismen bis hin<br />

zu Gruppen, Gesellschaften <strong>und</strong> Zivilisationen<br />

werden sämtliche Wissensgebiete durchlaufen:<br />

Physik, Chemie, Biologie, Psychologie, Soziologie<br />

<strong>und</strong> Kulturwissenschaften liefern eine<br />

Fülle von Theorien <strong>und</strong> Gesetzmäßigkeiten.<br />

Weil die Ernährung des Menschen in Verbindung<br />

mit allen Lebensbereichen steht, spricht<br />

der Soziologe Marcel M<strong>aus</strong>s (vgl. M<strong>aus</strong>s 1968:<br />

17-18) von einem totalen gesellschaftlichen<br />

Phänomen, bei dem alle Arten von Institutionen<br />

gleichzeitig zum Ausdruck kommen: religiöse,<br />

rechtliche, moralische, ökonomische,<br />

ästhetische ebenso wie technisch-instrumentelle.<br />

Aus dieser Tatsache leitet sich auch der<br />

Anspruch an Ernährungsbildung in der Schule<br />

ab, diese nicht auf normative Ernährungserziehung<br />

zu reduzieren <strong>und</strong> zu verzwecken<br />

(„Hauptsache ges<strong>und</strong>“), sondern Bildung im<br />

Sinne der Fähigkeit, die Phänomene der Welt<br />

<strong>aus</strong> unterschiedlicher Perspektive „lesen“ zu<br />

können, zu verstehen. Eine in diesem Sinn verstandene<br />

Ernährungsbildung (nutrition literacy)<br />

soll zu einem reflektierten Verhältnis zu<br />

sich, zur Sache <strong>und</strong> zur Welt führen.<br />

Schulisches Lernen im Lernfeld „Ernährung“<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |9


EH & EPICT Ursula Buchner<br />

ist einer angewandten Lehre <strong>und</strong> handlungsorientierten<br />

Didaktik verpflichtet, die<br />

Ernährungspraxis im Sinne von Nahrungszubereitung<br />

im Unterricht mit einschließt. Die<br />

Handlung „Nahrung zubereiten“ umfasst<br />

neben den einschlägigen handwerklichtechnischen<br />

Küchenfertigkeiten auch das<br />

Küchenmanagement (Arbeitsorganisation<br />

unter Beachtung von Sicherheits- <strong>und</strong> Hygienerichtlinien<br />

bei Beschaffung, Lagerung,<br />

Zubereitung, Aufbewahrung <strong>und</strong> Ausgabe<br />

von Speisen) sowie das Gestalten von Essenssituationen<br />

unter Berücksichtigung kultureller<br />

Fragen, subjektiver Motive <strong>und</strong> Problemlagen<br />

menschlichen Ernährungshandelns. Auch<br />

wenn Alltagssituationen wie die tägliche Ernährungspraxis<br />

gerne trivialisiert werden, die<br />

Zubereitung einer Tagesmahlzeit ist ein komplexer<br />

Lernanlass, gekennzeichnet durch Polytelie<br />

<strong>und</strong> Paradigmenvielfalt.<br />

In den fachpraktischen Übungen in Schule<br />

<strong>und</strong> Ausbildung muss es zwangsläufig zu einer<br />

Reduktion <strong>und</strong> Konzentration auf einen<br />

<strong>aus</strong>gewählten Verstehensweg kommen.<br />

Wird im 3. Semester der sinnästhetische Zugang<br />

zur Ernährung des Menschen durch<br />

naturwissenschaftliche Gr<strong>und</strong>lagen erweitert<br />

(„entdeckendes <strong>und</strong> forschendes Lernen“),<br />

ist im 4. Semester das Selbständigkeitstraining<br />

(„Arbeiten lernen“) die handlungsleitende<br />

didaktische Konzeption, während im 5. Semester<br />

Werte, Einstellungen <strong>und</strong> Haltungen,<br />

die dem Handeln im H<strong>aus</strong>halt zugr<strong>und</strong>e liegen,<br />

in den Fokus der hochschuldidaktischen<br />

Auseinandersetzung rücken (wie lehren bzw.<br />

lernen wir „Entscheidungen fällen“?).<br />

Arbeiten lehren – ein Routenplan<br />

Die Lehrveranstaltung „Arbeiten im H<strong>aus</strong>halt“<br />

im Studiengang für das Lehramt an Sonderschulen<br />

beschäftigt sich mit den Gr<strong>und</strong>lagen<br />

der Arbeitsorganisation. Die Lehrveranstaltung<br />

wird als Übung angeboten, das Ziel ist<br />

die Fähigkeit zum Selbständigkeitstraining.<br />

Anhand der Zubereitung einfacher Speisen<br />

zur Optimierung von Tageskostplänen lernen<br />

die Studierenden gr<strong>und</strong>legende arbeitsorganisatorische<br />

Strategien für den Unterricht in<br />

der Schulküche kennen <strong>und</strong> gute schriftliche,<br />

mündliche <strong>und</strong> praktische Anleitungen den<br />

spezifischen Lernbedürfnissen entsprechend<br />

aufzubereiten.<br />

„Handlungen sind mehr als Fertigkeiten: es<br />

sind zielgerichtete, in ihrem inneren Aufbau<br />

verstandene Vollzüge, die ein fassbares Ergebnis<br />

erzeugen.“ (Aebli 2011: 182)<br />

Für die Entwicklung von Denk- <strong>und</strong> Handlungsstrategien<br />

wird in der Didaktik der fachpraktischen<br />

Übungen in EH ein Modell <strong>aus</strong><br />

der kognitiven Handlungstheorie eingesetzt<br />

(siehe Abb. 1). Der Aufbau von Denk- <strong>und</strong><br />

Handlungsstrategien erfolgt über das Verknüpfen<br />

von Denken <strong>und</strong> Handeln in den<br />

verschiedenen Phasen des Handlungsablaufs:<br />

Entwicklung des Problembewusstseins,<br />

Gestaltung des Arbeitsplanes, Ausführung<br />

der Arbeit <strong>und</strong> Bewertung der Arbeit (Rückkoppelung<br />

zum Ziel nach dem TOTE 1 -Schema).<br />

„Der Erwerb von prozeduralem Wissen stellt<br />

[…] immer eine interpretative Anwendung<br />

von deklarativem Wissen im Rahmen von<br />

Problemlöseprozessen dar.“ (Dubs 2009:<br />

236)<br />

Die zukünftigen Lehrpersonen werden angehalten,<br />

eine Meta-Analyse des Handlungsablaufes<br />

im Sinne einer Situationsanalyse vorzunehmen<br />

<strong>und</strong> relevante Rahmenbedingungen<br />

in den Planungsprozess einzubeziehen:<br />

• Soziale Rahmenbedingungen: Wer?<br />

Wer mit wem? Wo liegt das Problem?<br />

• Zeitliche Rahmenbedingungen: Wann?<br />

Wie lange? In welcher Reihenfolge?<br />

• Materielle Rahmenbedingungen:<br />

Womit? Wo?<br />

• Zielsetzung: Wohin? Wozu?<br />

Die gemeinsame Wegstrecke<br />

Lernen am Modell, durch Beobachtung <strong>und</strong><br />

nachahmendes Üben, ist ein sehr wirksames<br />

Lernen (wenn die Lehrerdemonstration gut<br />

1 Test-Operation-Test-Exit<br />

10| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Ursula Buchner EH & EPICT<br />

ist, vgl. Dubs 2009: 187) <strong>und</strong> spielt in allen<br />

Gegenständen, in denen handwerklichtechnische<br />

Fertigkeiten gelehrt werden,<br />

eine große Rolle. Schriftliche <strong>und</strong> graphisch<br />

aufbereitete Arbeitsanleitungen können<br />

den Aufbau von Denk- <strong>und</strong> Handlungsstrategien<br />

unterstützen. Abbildungen helfen,<br />

sich ein Bild vom Zielzustand zu machen.<br />

Das Erfassen von Inhalten <strong>aus</strong> Bildern muss<br />

jedoch ebenso wie Lesen erlernt werden.<br />

Bild-Text-Informationen können red<strong>und</strong>ant<br />

oder einander ergänzend sein. Statt einer<br />

einzigen Abbildung veranschaulicht eine<br />

verständnisfördernde Sequenz von in sich<br />

geschlossenen Text-Bild-Kombinationen das<br />

Verständnis komplexer Abläufe besser (vgl.<br />

Weidenmann & Krapp 1994: 523-530).<br />

Wenn die Studierenden in der Lehrwerkstatt<br />

Küche exemplarisch gr<strong>und</strong>legende<br />

Techniken der Lebensmittelverarbeitung,<br />

der Hygiene <strong>und</strong> Sicherheit anwenden,<br />

fällt - fotografisch festgehalten - eine Fülle<br />

von Anschauungsmaterial an, welches<br />

für die Herstellung von Anleitungen für den<br />

Schulgebrauch verwendet werden kann,<br />

um die Fähigkeit, „schriftliche Arbeits- <strong>und</strong><br />

Gebrauchsanleitungen <strong>und</strong> Rezepte sinngemäß<br />

erfassen <strong>und</strong> in Handlungen umsetzen“<br />

2 zu können, zu trainieren.<br />

Hier besteht auch der inhaltliche Schnittpunkt<br />

der Lehrveranstaltung „Arbeiten lehren“<br />

mit der Lehrveranstaltung EPICT mit ihrem<br />

speziellen Schwerpunkt:<br />

„…Evaluierung von Texten <strong>und</strong> Identifizierung<br />

von Faktoren, die die Lesbarkeit eines<br />

Textes beeinflussen; …digitalisierte Texte,<br />

Fotos „Was macht man mit Texten, digitalen<br />

Fotos, Videos […] im Unterricht, um<br />

Lernen wirklich zu bereichern <strong>und</strong> zu unterstützen?“<br />

(http://epict.virtuelle-ph.at/)<br />

Als gemeinsame Aufgabenstellung für den<br />

fächerverbindenden Unterricht im 4. Semester<br />

wurde die Erstellung eines „Kochbuchs“<br />

angeregt. Als Leistungsnachweis sowohl<br />

für die Lehrveranstaltung EH als auch<br />

für die Lehrveranstaltung EPICT (zumindest<br />

für den auf die fächerverbindende Arbeit<br />

bezogenen Anteil) sollten auf spezifische<br />

Lernbedürfnisse abgestimmte Rezeptanleitungen<br />

erstellt werden, die sinnerfassendes<br />

Lesen ebenso wie serielles Denken fördern:<br />

grafisch aufbereitete Lesetexte, Schritt-für-<br />

Schritt-Anleitungen, Bilderfolgen frei oder<br />

in der Reihenfolge geb<strong>und</strong>en, gr<strong>und</strong>legende<br />

Arbeitstechniken, die in vielen Rezepten<br />

wiederholt einsetzbar sind, u. dgl.<br />

Erfahrungen: Einblick in Verstehenswege<br />

Miteinander lernen <strong>und</strong> sich mitteilen kann<br />

die schulische/hochschulische Lernkultur<br />

verbessern. Zur Evaluation des fächerverbindenden<br />

Vorhabens EPICT <strong>und</strong> EH wurde ein<br />

Fragebogen an die Studierenden (23 TN)<br />

<strong>aus</strong>gegeben, 17 Bögen wurden <strong>aus</strong>gefüllt<br />

retourniert.<br />

Die Mehrheit der Studierenden (15 TN)<br />

schätzt das Vorhaben EPICT <strong>und</strong> EH miteinander<br />

zu verknüpfen als „positiv, sehr gut,<br />

<strong>aus</strong>gezeichnet, sinnvoll, gut oder nützlich“<br />

ein <strong>und</strong> befürwortet es gr<strong>und</strong>sätzlich. 2 Personen<br />

meinen, dass die Verbindung EPICT-<br />

EH als „nicht sehr sinnvoll“ (TN 3) einzuschätzen<br />

ist bzw. die Lehrveranstaltungen „lieber<br />

getrennt“ (TN 12) anzubieten wären.<br />

Die Bewertung, wie gut die Verknüpfung<br />

EPICT <strong>und</strong> EH im konkreten Fall gelungen ist,<br />

wird allerdings mehrheitlich mit den Schulnoten<br />

3-4 bewertet, das heißt, hier sehen<br />

die Studierenden noch eindeutig Verbesserungsbedarf.<br />

Auf die Frage, welche Gr<strong>und</strong>intentionen der<br />

LV EPICT im 4. Semester innewohnen, die in<br />

die LV „Arbeiten lehren“ (EH) eingebracht<br />

werden sollten, konnten nur 7 Personen eine<br />

dem EPICT-Lehrplan sinngemäße Aussage<br />

treffen. Mehr Personen konnten die umgekehrt<br />

gestellte Frage, welche Gr<strong>und</strong>intentionen<br />

der LV „Arbeiten lehren“ (EH) innewohnen,<br />

die über EPICT-Skills bewältigt werden<br />

sollten, beantworten. 10 Personen führen die<br />

Ausarbeitung schriftlicher <strong>und</strong> grafischer Rezeptanleitungen<br />

<strong>und</strong> Hilfen zur Erarbeitung<br />

2 Fachlehrplan Ernährung <strong>und</strong> H<strong>aus</strong>halt: Beitrag zum Bildungsbereich Sprache <strong>und</strong> Kommunikation<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |11


EH & EPICT Ursula Buchner<br />

von Denk- <strong>und</strong> Handlungsstrategien an <strong>und</strong><br />

bewerten dies auch als „sehr handlungsorientiert<br />

<strong>und</strong> praxisbezogen“ (TN 7).<br />

Mit der Frage „Das habe ich gelernt <strong>und</strong><br />

werde ich in Zukunft im Unterricht in der<br />

Schule/EH anwenden“ sollte ein Einblick in<br />

den individuellen Lerngewinn gewonnen<br />

werden. Hier spiegeln sich die vielfältigen<br />

Verarbeitungsmuster <strong>und</strong> mentalen Strukturen<br />

wider, die angesichts der Komplexität<br />

des Lernfeldes heterogener nicht sein könnten:<br />

Gewinnen die einen mehr Mut <strong>und</strong><br />

Sicherheit bei handwerklich-technischen<br />

Fertigkeiten (es werden hier explizit Schneidetechniken<br />

oder Hilfen beim Abschätzen<br />

von Mengen angeführt), ist für die anderen<br />

das Problembewusstsein für die Bedeutung<br />

einer detaillierten Planung gestiegen, während<br />

wieder andere vom Spaß am Kochen<br />

mit Kindern berichten.<br />

„EH war sehr lehrreich. Ich fühle mich gut<br />

auf den EH-Unterricht in der Praxis vorbereitet.<br />

Außerdem konnte ich im Blockpraktikum<br />

bereits einiges <strong>aus</strong>probieren (Getränke<br />

– Stationenbetrieb, Pizza) <strong>und</strong> war mit meinem<br />

St<strong>und</strong>enverlauf sehr zufrieden“. (TN 7)<br />

„Ruhe in die Küche einbringen“ (TN 15)<br />

Die Antworten auf die Bitte um Anregungen/Tipps<br />

für die Ausbildenden für die Planung<br />

weiterer gemeinsamer Lehrveranstaltungen<br />

EPICT mit Didaktik 2 beinhalten<br />

fast einhellig den Wunsch nach einem gemeinsamen<br />

Einstieg mit klar artikulierten Arbeitsanforderungen.<br />

„Gemeinsamer Einstieg mit beiden Lehrpersonen,<br />

da es am Anfang zu einigen<br />

Missverständnissen kam, die man im Vorhinein<br />

durch eine gemeinsame Einführung<br />

umgehen kann. Außerdem würde ich es für<br />

sehr nett <strong>und</strong> angenehm empfinden, die<br />

beiden Lehrpersonen gleich am Anfang zu<br />

Gesicht zu bekommen“.(TN 4)<br />

Die zweite Intention von EPICT, computerunterstützte<br />

Kollaboration, wurde weniger<br />

genutzt, um die Erarbeitung einer gemeinsamen<br />

Vorlage abzustimmen, was sich in 6<br />

Rückmeldungen mit dem Ruf nach einer<br />

zentralisierenden Kraft niederschlug:<br />

„Sinnvoller wäre jedoch ein Schema, das<br />

gemeinsam <strong>aus</strong>gewählt wurde, zu nehmen<br />

<strong>und</strong> alle Rezepte gleich zu bearbeiten.<br />

So haben wir 23 unterschiedliche Varianten!“<br />

(TN 15)<br />

Ausblick<br />

Für die Wiederholung des Erstversuchs sind<br />

die Anregungen der Studierenden, insbesondere<br />

jene zum Projektstart, dankbar aufgenommene<br />

Hinweise.<br />

Im Zuge der Curriculum-Reform an der PHS<br />

ist es überlegenswert, eine gemeinsame<br />

Einführung in die Handlungstheorie für jene<br />

fachpraktischen Übungen zu konzipieren,<br />

die den Erwerb von prozeduralem Wissen<br />

zum Inhalt haben (Fächerverb<strong>und</strong> Humanwissenschaften-Didaktik<br />

2). Auf diesem theoretischen<br />

F<strong>und</strong>ament aufbauend, könnte<br />

die fachbezogene Übungszeit effektiver für<br />

das Training fachspezifischer Fertigkeiten<br />

genutzt werden. Schriftliche <strong>und</strong> grafisch<br />

aufbereitete Arbeitsanleitungen unterstützen<br />

den Lernprozess in allen handwerklichtechnischen<br />

Fächern. Exemplarisch erstellte<br />

fachbezogene Arbeitsanleitungen wären<br />

ein möglicher Kompetenznachweis für eine<br />

solche fächerübergreifende <strong>und</strong> fächerverbindende<br />

Einführungsveranstaltung.<br />

Literatur<br />

Aebli, Hans (2011). Zwölf Gr<strong>und</strong>formen des Lehrens. 14. Auflage Stuttgart:<br />

Klett-Cotta.<br />

Buchner, Ursula, Kernbichler, Gerda & Gabriela Leitner (2011): Methodische<br />

Leckerbissen. <strong>Beiträge</strong> zur Didaktik der Ernährungsbildung. In: Schulheft<br />

141.<br />

Dubs, Rolf (2009): Lehrerverhalten. Stuttgart: Franz Steiner Verlag.<br />

Edelmann, Walter (2000). Lernpsychologie. Weinheim: Beltz.<br />

Gudjons, Herbert (2001): Handlungsorientiert lehren <strong>und</strong> lernen. Bad Heilbronn<br />

/Obb.: Klinkhardt.<br />

M<strong>aus</strong>s, Marcel (1968): Die Gabe. Die Form <strong>und</strong> Funktion des Aust<strong>aus</strong>chs in<br />

archaischen Gesellschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />

Weidenmann, Bernd & Andreas Krapp (1994): <strong>Pädagogische</strong> Psychologie.<br />

Weinheim: Beltz.<br />

http://epict.virtuelle-ph.at/<br />

http://www.phsalzburg.at/informatik/lehre/epict/EPICT_Curricula.pdf<br />

[1.9.2012].<br />

http://www.cisonline.at/index.php?id=8&L=de [1.9.2012].<br />

http://www.bmukk.gv.at/medienpool/22513/bgbla_2012_ii_185_anl1.pdf<br />

[1.9.2012].<br />

12| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Bärbel Linsmeier EINLADEN - ERMUTIGEN - INSPIRIEREN<br />

Einladen - Ermutigen - Inspirieren<br />

Bärbel Linsmeier<br />

Was haben szenische Lernformen mit gehirngerechtem Lernen zu tun?<br />

„Indem Kinder mit sich selbst, mit anderen Menschen <strong>und</strong> dem, was sie umgibt, in Beziehung<br />

treten, stellen sie auch in ihrem Gehirn Beziehungen zwischen den dabei aktivierten neuronalen<br />

Netzwerken her [...]. Die Gelegenheiten […] sind Sternst<strong>und</strong>en für Kindergehirne.“ (Hüther<br />

2011:167) Wie eine Beschreibung szenischen Handelns lesen sich <strong>aus</strong> theaterpädagogischer Sicht<br />

viele der modernen Erkenntnisse <strong>aus</strong> der Hirnforschung. Eignen sich theatrale Unterrichtsmethoden,<br />

um die Forderungen nach gehirngerechtem Lernen zu erfüllen?<br />

Hirnforschung <strong>und</strong> Theaterpädagogik<br />

Drei Bedingungen, die in der modernen Hirnforschung<br />

immer wieder genannt werden,<br />

um Vor<strong>aus</strong>setzungen <strong>und</strong> Möglichkeiten für<br />

gelingendes Lernen zu schaffen, möchte<br />

ich hier her<strong>aus</strong>greifen: 1.Begeisterung <strong>und</strong><br />

positive Atmosphäre, 2.Potenzialentfaltung<br />

in Gemeinschaft, 3. Lernen muss „unter die<br />

Haut gehen“. Alle drei sind dem Theaterspiel<br />

immanent. Daher lohnt es sich <strong>aus</strong> meiner<br />

Sicht, szenisches Spiel als Lernform auf diese<br />

Aspekte hin zu betrachten <strong>und</strong> mit einem<br />

Praxisbeispiel <strong>aus</strong> der Deutschdidaktik Möglichkeiten<br />

aufzuzeigen, diese in den Unterricht<br />

zu integrieren. „Ja ich behaupte, dass<br />

das Theaterspiel eines der machtvollsten Bildungsmittel<br />

ist, die wir haben, ein Mittel, die<br />

eigene Person zu überschreiten, ein Mittel<br />

der Erk<strong>und</strong>ung von Menschen <strong>und</strong> Schicksalen<br />

<strong>und</strong> ein Mittel der Gestaltung der so<br />

gewonnenen Einsicht.“ (Hentig 1996:119)<br />

1.Begeisterung <strong>und</strong> positive Atmosphäre<br />

- Die Rolle der PädagogInnen<br />

„Begeisterung wirkt also wie Dünger fürs Gehirn<br />

[…]. Aber die Begeisterung am Lernen<br />

kann niemand erzwingen oder anordnen.<br />

Sie lässt sich nur wecken. Die Zauberworte,<br />

mit denen sich die Begeisterung bei jedem<br />

Menschen wiedererwecken lässt, […]<br />

sind ganz einfach: Man muss ihn einladen,<br />

ermutigen <strong>und</strong> inspirieren, sich […] auf Neues<br />

einzulassen.“ (Hüther 2012:17) Diese drei<br />

„Zauberworte“ des Neurobiologen Gerald<br />

Hüther könnten <strong>aus</strong> einer Job-Deskription für<br />

TheaterpädagogInnen <strong>und</strong> SpielleiterInnen<br />

stammen. Sie beschreiben deren professionelle<br />

Gr<strong>und</strong>haltung, wenn SchülerInnen zum<br />

Theaterspielen angeregt <strong>und</strong> dabei begleitet<br />

werden sollen, in einer „Gemeinschaft<br />

über [sich] hin<strong>aus</strong>zuwachsen“. (Hüther<br />

2011:49) In der theaterpädagogischen Arbeit<br />

muss die Atmosphäre so gestaltet sein,<br />

dass die Teilnehmenden sich in ihrer ganzen<br />

Person angenommen fühlen, um den Mut<br />

zu bekommen, vor anderen zu sprechen, zu<br />

spielen <strong>und</strong> sich zu zeigen. Bestärkung <strong>und</strong><br />

Ermutigung sind also Vor<strong>aus</strong>setzung für die<br />

Gestaltung ästhetischer Erfahrung. „…dort,<br />

wo Darstellendes Spiel stattfindet, begegnen<br />

sich Schüler <strong>und</strong> Lehrer in neuen Rollen:<br />

die einen sind in ihrer Persönlichkeit individuell<br />

gefordert, <strong>und</strong> die anderen verlieren ihre<br />

Überlegenheit als Wissensvermittler“. (Hoffmann1999:12)<br />

2. Potenzialentfaltung in Gemeinschaft -<br />

Theaterspielen trainiert Teamfähigkeit<br />

„Menschliches Lernen vollzieht sich immer<br />

schon in der Gemeinschaft, <strong>und</strong> gemeinschaftliche<br />

Aktivitäten bzw. gemeinschaftliches<br />

Handeln ist wahrscheinlich der bedeutsamste<br />

Verstärker.“ (Spitzer 2009:181)<br />

Theaterspielen findet immer in Gemeinschaft<br />

statt, ist mehr als alle anderen Künste<br />

Gemeinschaftskunst. „Ein Mann geht durch<br />

den Raum, während ihm ein anderer zusieht,<br />

das ist alles, was zur Theaterhandlung nötig<br />

ist.“(Brook 1983:9) So bringt der Regisseur Peter<br />

Brook den Theaterbegriff auf den kleinstmöglichen<br />

Nenner <strong>und</strong> beschreibt dabei<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |13


EINLADEN - ERMUTIGEN - INSPIRIEREN Bärbel Linsmeier<br />

die Notwendigkeit des Vorhandenseins von<br />

mindestens zwei Personen, um von einem<br />

Theaterereignis sprechen zu können. Im Theaterspiel<br />

wird aber Interaktion nicht nur dargestellt,<br />

es findet im Entstehen <strong>und</strong> im Aufführen<br />

selbst Interaktion statt. „Theaterspielen ist<br />

ein sozialer Prozess, der in der <strong>und</strong> durch die<br />

Gemeinschaft entsteht.“ (Bidlo 2006:21) Jede<br />

Theaterszene lebt von der Zusammenarbeit<br />

der SpielerInnen: Verabredungen müssen getroffen,<br />

Texte, Stichworte <strong>und</strong> Auftritte eingehalten<br />

werden. Es ist sowohl für SpielerInnen<br />

als auch für Zuschauende ein befriedigendes<br />

Erlebnis, gelungene Zusammenarbeit zu erleben.<br />

„Im Theater kann man zum Glück nichts<br />

allein machen. Vorbereiten heißt zusammenarbeiten,<br />

spielen heißt teilen“ (Peter Brook<br />

zit.n.Hoffmann:85) Vielfältige Trainingsmöglichkeiten<br />

des Zusammenspiels ergeben sich<br />

durch die Methode der Improvisation, die ihren<br />

Ursprung in der Sch<strong>aus</strong>pielpädagogik K.S.<br />

Stanislawskis hat <strong>und</strong> von Keith Johnstone zu<br />

einer eigenen Theaterform entwickelt wurde.<br />

In der Improvisation lassen sich SpielerInnen<br />

auf unvorbereitete Situationen ein, agieren<br />

intuitiv, spontan <strong>und</strong> im Spiel aufeinander<br />

bezogen. Dieses aufeinander Angewiesensein<br />

<strong>und</strong> damit die Notwendigkeit des Offenseins<br />

für die Spielangebote der PartnerInnen<br />

werden speziell in diesen Übungen erlebbar.<br />

Diese Erfahrung kann dann auch in weitere<br />

schulische Lernprozesse hineinwirken: Teamarbeit<br />

<strong>und</strong> Beziehungsfähigkeit statt Konkurrenz<br />

<strong>und</strong> Wettbewerb. „Wettbewerb erzeugt<br />

stromlinienförmige Angepasstheit, nicht aber<br />

Komplexität <strong>und</strong> Beziehungsfähigkeit. Auch<br />

nicht im Gehirn.“ (Hüther 2011:81)<br />

3.Szenisches Lernen geht unter die Haut<br />

„Was den Menschen umtreibt, sind nicht Fakten<br />

<strong>und</strong> Daten, sondern Gefühle <strong>und</strong> Geschichten<br />

<strong>und</strong> vor allem andere Menschen.“<br />

(Spitzer 2009:160) Szenisches Lernen ist „die<br />

Umsetzung des Lernstoffes in eine szenische<br />

Darstellung“ (Linck 2008:73). Daten, Fakten<br />

<strong>und</strong> Textmaterial müssen in konkrete Situationen<br />

<strong>und</strong> in die darin handelnden Personen<br />

übertragen werden. Der Körper <strong>und</strong> das Verkörpern<br />

einer Rolle sind das zentrale Element.<br />

Lernen in der Szene ist eine ganzheitliche Methode<br />

im Sinne Pestalozzis, dessen berühmtes<br />

Zitat Manfred Schewe folgendermaßen erweitert<br />

hat: „Lernen mit Kopf, Herz, Hand <strong>und</strong><br />

Fuß.“ (Schewe 1993: 7) „Der Mensch ist nun<br />

mal ein leibliches Wesen, das – auch bei seinen<br />

kühnsten abstrakten Gedanken - nicht<br />

<strong>aus</strong> seiner Haut kann.“(Liebau 2008:19) Um<br />

zu einer Darstellung zu kommen, müssen die<br />

SchülerInnen ihr Vorwissen aktivieren <strong>und</strong> mit<br />

neuen Informationen zum Thema verknüpfen<br />

<strong>und</strong> ihre Bilder im Kopf in einen konkreten Zusammenhang<br />

bringen. “Die Sache ist ganz<br />

einfach: Es geht darum, dass Schüler das Gelernte<br />

mit ihren eigenen Erfahrungen verbinden<br />

müssen. Das ist keine Kann-Bestimmung<br />

[…]. Wenn es der Schüler nicht schafft, die Inhalte<br />

[…] mit seiner individuellen Erfahrung in<br />

Verbindung zu bringen, wird er letztlich nichts<br />

lernen.“ (Spitzer 2006:416) Die Erfahrung des<br />

dem Theaterspiel immanenten Perspektivenwechsels<br />

fördert den emotionalen Zugang<br />

zum Lerngegenstand <strong>und</strong> gibt Möglichkeit<br />

zum Probehandeln in fremden Figuren <strong>und</strong><br />

Situationen. „Das Lernen funktioniert ja bei<br />

Kindern (wie bei Erwachsenen) immer dann<br />

am besten, wenn es ein bisschen unter die<br />

Haut geht, wenn also die emotionalen Zentren<br />

im Gehirn aktiviert werden <strong>und</strong> all jene<br />

Botenstoffe vermehrt gebildet <strong>und</strong> freigesetzt<br />

werden, die das Knüpfen neuer Verbindungen<br />

zwischen den Nervenzellen fördern“.<br />

(Hüther 2011:164f)<br />

Deutschdidaktik <strong>und</strong> szenisches Spiel<br />

Kaspar H. Spinner sieht literarische Bildung<br />

als „ Identitätsstiftung, Weltverstehen <strong>und</strong><br />

Handlungsfähigkeit“ <strong>und</strong> fordert die „Überwindung<br />

der Antinomie von Emotion <strong>und</strong><br />

Kognition“ (Spinner 2001:144). Bartnitzky<br />

spricht von einer Didaktik des sprachlichen<br />

Handelns, in der „Kinder sprachlich authentisch<br />

agieren <strong>und</strong> ihre Sprachfähigkeiten<br />

in für sie sinnvollen Situationen nützen“ <strong>und</strong><br />

„der Umgang mit Sprache ein eigenakti-<br />

14| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Bärbel Linsmeier EINLADEN - ERMUTIGEN - INSPIRIEREN<br />

ver <strong>und</strong> handelnder Prozess ist.“(Bartnitzky<br />

2011:28f),Gerhard Haas prägte den Begriff<br />

„handlungs- <strong>und</strong> produktionsorientierter Literaturunterricht“<br />

(vgl. Haas 2001). Auch hier<br />

lesen sich die Definitionen deutschdidaktischer<br />

Inhalte wie Aufforderungen zu szenischen<br />

Arbeitsformen, um die handlungsorientierten<br />

Konzepte umzusetzen. „Szenisches<br />

Spiel hat in der schulischen Bildung […] neue<br />

Bedeutung gewonnen. Gründe sind dafür in<br />

der Entwicklung einer produktionsorientierten<br />

Literaturdidaktik, in der neuen Aufmerksamkeit<br />

für eine umfassende ästhetische Bildung<br />

<strong>und</strong> im pädagogischen Anliegen einer Verbindung<br />

von Emotion, Imagination, Kognition<br />

<strong>und</strong> körperlichem Ausdruck zu sehen.“<br />

(Spinner 2004:5) Im Literaturunterricht haben<br />

szenische Verfahren bereits Tradition. Schon<br />

in den achtziger Jahren entwickelte Ingo<br />

Scheller für die Sek<strong>und</strong>arstufe I <strong>und</strong> II sein<br />

Konzept der szenischen Interpretation mit<br />

der Begründung, „dass im Literaturunterricht<br />

die Imagination der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

angestoßen <strong>und</strong> ihre Vorstellungen <strong>und</strong><br />

Lesarten thematisiert werden sollen. Das ist<br />

im Unterrichtsgespräch nur schwer zu leisten.<br />

Formen des kreativen Schreibens, des mündlichen<br />

Sprachgestaltens, des bildlichen, körperlichen<br />

<strong>und</strong> szenischen Darstellens regen<br />

dagegen sinnliche Vorstellungen an <strong>und</strong> geben<br />

diesen eine ästhetische Gestalt“ (Scheller<br />

2004:28). Auch in der Primarstufe kann<br />

szenisches Spiel vielfältiger Bestandteil des<br />

Deutschunterrichts sein. Fördert doch sprachliches<br />

Handeln in spielerischen Prozessen<br />

„sprachliche Fertigkeiten (Sprechen, Schreiben,<br />

Hör-<strong>und</strong> Leseverstehen), Kenntnisse (Lexik,<br />

Syntax, Morphologie) <strong>und</strong> Kompetenzen<br />

(in den Funktionsbereichen Ausdruck, Darstellung,<br />

Verständigung)“ (Hoppe 2011:138).<br />

Praxisbeispiel – Balladen lebendig werden<br />

lassen (GS II <strong>und</strong> Sek I)<br />

„Imagination ist also die Vor<strong>aus</strong>setzung<br />

für das Verstehen von Gedichten; für den<br />

Unterricht heißt dies, dass imaginierendes<br />

Lesen entfaltet werden muss.“ (Spinner<br />

2001:177) Förderung der Imaginationsfähigkeit<br />

passiert im szenischen Spiel auf zwei<br />

Ebenen: Einerseits verwandeln SchülerInnen<br />

sich selbst in eine Figur, <strong>und</strong> zwar, „indem<br />

[…] die Grenzen des Ich nicht nur imaginativ<br />

im Kopf, sondern auch im körperlichen<br />

Ausdruck, in Haltung, Gestik, Mimik <strong>und</strong> Körpergefühl<br />

überschritten werden“ (Spinner<br />

2001:181). Andererseits erleben auch die<br />

Zusehenden, wie Sprache bildhaft <strong>und</strong> lebendig<br />

wird. Gerade bei Gedichten <strong>und</strong><br />

Balladen können diese beiden Ebenen in einer<br />

szenischen Aufbereitung mit der ganzen<br />

Klasse gut umgesetzt werden. Im nun vorgeschlagenen<br />

Verfahren wird gleichzeitig gelesen<br />

<strong>und</strong> gespielt. Die in komprimierte Bilder<br />

<strong>und</strong> verdichtete Sprache gefasste Handlung<br />

wird also nach <strong>und</strong> nach auf die „Bühne“<br />

gebracht. Anhand der ersten Strophe<br />

der Ballade „Der Handschuh“ von Friedrich<br />

Schiller möchte ich einen möglichen Ablauf<br />

beispielhaft skizzieren, den ich in vielen<br />

Schulklassen in einer Unterrichtseinheit (50<br />

Minuten) <strong>aus</strong>probiert habe:<br />

Die SchülerInnen haben die Ballade einmal<br />

gelesen <strong>und</strong> sitzen nun vor einer leeren<br />

Spielfläche. Wir sammeln alle Figuren, die in<br />

der Handlung vorkommen, <strong>und</strong> verteilen die<br />

Rollen. Ich lese den SchülerInnen nun den<br />

Text Zeile für Zeile vor <strong>und</strong> die genannten<br />

SpielerInnen betreten die Bühne.<br />

„Vor seinem Löwengarten, das Kampfspiel<br />

zu erwarten, saß König Franz,…“<br />

Zuerst wird der Ort der Szene geklärt, z.B. wo<br />

sich der Löwengarten befindet <strong>und</strong> der König<br />

sitzt. Anschließend nimmt der Spieler, der<br />

die Rolle des Königs übernommen hat, auf<br />

der „Bühne“ seinen Platz ein, d.h., er setzt<br />

sich auf seinen mitgebrachten Stuhl. Nun<br />

beginnt meist eine Diskussion darüber, wie<br />

die Haltung eines Königs zu sein hat, dass<br />

er eine Krone, einen Thron <strong>und</strong> ein Zepter<br />

bräuchte. Das jugendliche Bedürfnis nach<br />

Realismus <strong>und</strong> Requisiten ist in einer Klassensituation<br />

nur bedingt zu befriedigen, also<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |15


EINLADEN - ERMUTIGEN - INSPIRIEREN Bärbel Linsmeier<br />

bitte ich um Geduld <strong>und</strong> hole mir Hilfe bei<br />

Schiller.<br />

„<strong>und</strong> um ihn die Großen der Krone…“<br />

Nachdem geklärt ist, wer mit den „Großen<br />

der Krone“ gemeint ist, werden die SpielerInnen<br />

gebeten diese Rollen zu übernehmen<br />

<strong>und</strong> sich zum König zu setzen. Hier bietet es<br />

sich nun an, Überlegungen zum Status der<br />

handelnden Personen anzustellen <strong>und</strong> dies in<br />

Sitzordnung <strong>und</strong> Verhalten szenisch umzusetzen.<br />

Denn nach Bert Brechts Sch<strong>aus</strong>pieltheorie<br />

spielen den König immer die „anderen“.<br />

(vgl.Hoffmann1999b:249) Das heißt, nicht die<br />

Krone macht den König, sondern das Verhalten<br />

der Untergebenen, die seinen hohen<br />

Status akzeptieren. (Im alltäglichen Berufsleben<br />

ist zu beobachten, dass über Witze von<br />

Vorgesetzten besonders laut gelacht wird,<br />

unabhängig von der Qualität der Pointe)<br />

„<strong>und</strong> rings auf hohem Balkone, die Damen<br />

in schönem Kranz.“<br />

Wenn die SpielerInnen die Rollen der Damen<br />

einnehmen, klären wir ihre Haltung, ihre<br />

Erwartungen <strong>und</strong> ob „in schönem Kranz“<br />

die Form der Balkons oder die schöne Kleidung<br />

beschreibt.<br />

Zum Abschluss wird die ganze Ballade ohne<br />

Unterbrechung durchgespielt. In einer weiteren<br />

Unterrichtseinheit können die SchülerInnen<br />

in Gruppen zu anderen Balladen (z.B.<br />

„Die Brücke am Tay“, John Maynard, „Der<br />

rechte Barbier“) szenische Darstellungen finden<br />

<strong>und</strong> diese einander präsentieren.<br />

Sich einen Text auf diese Weise zu erarbeiten,<br />

macht den SchülerInnen erfahrungsgemäß<br />

viel Spaß <strong>und</strong> erfüllt mit Mitteln des<br />

Theaters die oben bereits genannte Vor<strong>aus</strong>setzungen<br />

für das Verstehen von Gedichten:<br />

imaginierendes Lesen.<br />

Und was sagt die Hirnforschung dazu? Manfred<br />

Spitzer nimmt Bezug auf eine 2008 von<br />

Univ. Prof. Dr. Max Friedrich <strong>und</strong> Dr. Brigitte Sindelar<br />

in fünf Wiener Volksschulklassen durchgeführten<br />

Studie über die Auswirkungen des<br />

Theaterspielens im Rahmen des Schulunterrichts<br />

<strong>und</strong> kommt zu dem Schluss, dass „Theaterspielen<br />

wichtige <strong>und</strong> ganz allgemeine<br />

Bildungsfunktionen übernehmen kann <strong>und</strong><br />

zu deutlichen Verbesserungen in für das Lernen<br />

wesentlichen psychologischen Funktionen<br />

beiträgt.“ (Spitzer 2010:11).<br />

Literatur<br />

Bartnitzky, Horst (2011): Sprachunterricht heute.15. überarbeitete Auflage.<br />

Berlin: Cornelsen Verlag.<br />

Bidlo, Tanja (2006): Theaterpädagogik. Einführung. Essen: Oldib Verlag Oliver<br />

Bidlo.<br />

Brook, Peter (1983): Der leere Raum. 9.Auflage. Berlin: Alexander Verlag.<br />

Haas, Gerhard (2001): Handlungs- <strong>und</strong> produktionsorientierter Literaturunterricht.<br />

Theorie <strong>und</strong> Praxis eines „anderen“ Literaturunterrichts für die<br />

Primar <strong>und</strong> Sekndarstufe.4.Auflage. Seelze-Velber: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung.<br />

Hentig, Hartmut von (1996): Bildung. Ein Essay.Weinheim: Beltz Verlag.<br />

Hoffmann, Christl (2003): Ensemble. In: Gerd Koch/ Marianne Streisand<br />

(Hg) : Wörterbuch der Theaterpädagogik. Uckerland: Schibri Verlag.85f.<br />

Hoffmann, Christel (1999): Die Kunst des Spielleiters. In: Hoffman Christel/<br />

Annett Israel (Hg) : Theater spielen mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen. Konzepte,<br />

Methoden <strong>und</strong> Übungen. Weinheim, München: Juventa Verlag.11 – 31.<br />

Hoffmann, Christel (1999b): Den König spielen immer die anderen. In: Hoffman<br />

Christel/ Annett Israel (Hg): Theater spielen mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />

Konzepte, Methoden <strong>und</strong> Übungen. Weinheim, München: Juventa<br />

Verlag. 249 – 256.<br />

Hoppe, Hans (2011): Theater <strong>und</strong> Pädagogik.Gr<strong>und</strong>lagen, Kriterien, Modelle<br />

pädagogischer Theaterarbeit. 2. Überarbeitete Auflage. Berlin: LIT<br />

Verlag Dr. W.Hopf.<br />

Hüther, Gerald (2012): Einführung von Gerald Hüther. In : Rasfeld, Margret/<br />

Spiegel, Peter: EduAction. Wir machen Schule. Hamburg: Murmann Verlag<br />

GmbH.12 – 19.<br />

Hüther, Gerald (2011): Was wir sind <strong>und</strong> was wir sein könnten. Ein neurobiologischer<br />

Muntermacher. 8. Auflage. Frankfurt am Main: S. Fischer<br />

Verlag.<br />

Liebau, Eckart (2008): Was das Schultheater für die Schule leistet. Dimensionen<br />

theatraler Bildung. In: Volker Juke / Dieter Linck / Joachim Reiss (Hg):<br />

Zukunft Schultheater. Das Fach Theater in der Bildungsdebatte. Hamburg:<br />

edition Körber – Stiftung.19 – 25.<br />

Linck, Dieter (2008): Lernen mit allen Sinnen. Zur Theorie der Unterrichtsmethode<br />

Szenisches Lernen. In: Volker Juke / Dieter Linck / Joachim Reiss<br />

(Hg): Zukunft Schultheater. Das Fach Theater in der Bildungsdebatte. Hamburg:<br />

edition Körber – Stiftung.71 – 78.<br />

Scheller, Ingo (2004): Szenische Interpretation. Theorie <strong>und</strong> Praxis eines<br />

handlungs- <strong>und</strong> erfahrungsbezogenen Literaturunterrichts in Sek<strong>und</strong>arstufe<br />

I <strong>und</strong> II. Seelze-Velber: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung.<br />

Schewe, Manfred (1993): Fremdsprachen inszenieren. Zur F<strong>und</strong>ierung einer<br />

dramapädagogischen Lehr – <strong>und</strong> Lernpraxis. Oldenburg: Didaktisches<br />

Zentrum. Carl von Ossiezky Universität Oldenburg.<br />

Spinner, Kaspar H. (2001): Kreativer Deutschunterricht. Identität – Imagination<br />

– Kognition. Seelze – Velber: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung.<br />

Spinner, H. Kaspar (2004): Vorwort. In: Gabriele Czerny.: Theaterpädagogik.<br />

Ein Ausbildungskonzept im Horizont personaler, Ästhetischer <strong>und</strong> sozialer<br />

Dimension. 7. unveränderte Auflage. Augsburg: Wißner – Verlag.5f.<br />

Spitzer, Manfred (2009): Lernen. Gehirnforschung <strong>und</strong> die Schule des Lebens.<br />

Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.<br />

Spitzer, Manfred (2010): Kindertheater: Von der Forschung zur Vorstellung.<br />

In: Silvia Rotter, Brigitte Sindelar (Hg.): Vorhang auf fürs Leben! Theaterpädagogische<br />

Spiele <strong>und</strong> Übungen, Verlag für Schule <strong>und</strong> <strong>Wissenschaft</strong>.11.<br />

16| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Sebastian Hörl EXEKUTIVE FUNKTIONEN FÖRDERN<br />

Förderung der exekutiven Funktionen<br />

durch Bewegung in der Volksschule<br />

Sebastian Hörl<br />

Kinder brauchen Bewegung - auch fürs Gehirn? Neue Ergebnisse in der Hirnforschung zeigen,<br />

dass körperliche Aktivität Gehirnprozesse, im B tesonderen die exekutiven Funktionen, bei Kindern<br />

fördert. Diese wichtigen Basisfähigkeiten steuern das Denken bzw. die Aufmerksamkeit <strong>und</strong><br />

das Verhalten sowie die Emotionen. Die didaktische Umsetzung der neurowissenschaftlichen Erkenntnisse<br />

von der Theorie in die tägliche Praxis in der Volksschule kann im Rahmen eines bewegten<br />

Unterrichts erfolgen.<br />

Auf die Bedeutung der Bewegung für eine<br />

optimale kognitive, psychische, physische<br />

<strong>und</strong> soziale Entwicklung von Kindern <strong>und</strong> der<br />

damit verb<strong>und</strong>enen Forderung nach einer<br />

bewegten Schule ist nicht nur in der sportpädagogischen<br />

Fachliteratur bereits eingehend<br />

hingewiesen worden (vgl. Illi 1998,<br />

Regensburger Projektgruppe 2001, Größing/<br />

Größing 2002, Müller 2003).<br />

Auch von Seiten des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />

Unterricht, Kunst <strong>und</strong> Kultur wird im Rahmen<br />

der Bewegungsinitiative „Ges<strong>und</strong> & Munter“<br />

die Relevanz von Bewegung im Schulalltag<br />

von Volksschulkindern betont: „Für die Volksschule<br />

gilt ganz allgemein, dass sich Kinder<br />

täglich zumindest einmal <strong>aus</strong>reichend<br />

bewegen sollen. Nicht nur bei ‚Bewegung<br />

<strong>und</strong> Sport’, sondern auch in den anderen<br />

Gegenständen <strong>und</strong> in den P<strong>aus</strong>en soll dem<br />

langen Stillsitzen entgegengewirkt werden.“<br />

(BMUKK 2012)<br />

Bei der Umsetzung einer bewegten Volksschule<br />

besteht jedoch weiterhin großer<br />

Handlungsbedarf.<br />

Denn die Auswirkungen der gesamt immer<br />

bewegungsärmeren Lebenswelt der Kinder<br />

betreffen nicht nur das allgemeine Befinden<br />

<strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heit der Heranwachsenden,<br />

denn Körper <strong>und</strong> Psyche reifen nicht unabhängig<br />

voneinander (vgl. Ayer 2009: 32).<br />

Der Einfluss von Sport <strong>und</strong> Bewegung auf<br />

Gehirnprozesse wird seit einigen Jahren in-<br />

tensiver erforscht. Durch den Einsatz neurowissenschaftlicher<br />

Untersuchungsmethoden<br />

kann gezeigt werden, dass körperliche Aktivität<br />

Gehirnprozesse fördert, indem sie auf<br />

Struktur <strong>und</strong> Funktionsweise des Gehirns einwirkt<br />

(vgl. Spitzer/Kubesch 2008: 8).<br />

Aus pädagogischer Sicht geht es dabei um<br />

die spannende Frage, inwiefern Bewegung<br />

kognitive Prozesse bzw. das Lernen in der<br />

Schule unterstützen kann.<br />

In der Zeitschrift „Sportwissenschaft“ erschien<br />

dazu 2009 der richtungsweisende<br />

Artikel „Körperliches <strong>und</strong> kognitives Training<br />

exekutiver Funktionen in Kindergarten <strong>und</strong><br />

Schule“ (Kubesch), indem es den beiden<br />

Autorinnen <strong>und</strong> Mitarbeiterinnen des bekannten<br />

Neurologen Manfred Spitzer vom<br />

Transferzentrum für Neurowissenschaften<br />

<strong>und</strong> Lernen (ZNL) der Universität Ulm um die<br />

Umsetzung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse<br />

zum Lernen von der Theorie in die Praxis<br />

geht.<br />

Was sind exekutive Funktionen?<br />

Exekutive Funktionen bezeichnen Fähigkeiten,<br />

die das Denken bzw. die Aufmerksamkeit<br />

<strong>und</strong> das Verhalten sowie die Emotionen<br />

gezielt steuern. Dieses selbstregulierte Verhalten<br />

ist erst im jungen Erwachsenenalter<br />

voll <strong>aus</strong>gebildet <strong>und</strong> stellt eine wichtige Basis<br />

für den Erfolg in der Schule <strong>und</strong> im Leben<br />

dar (vgl. Kubesch/Emrich/Beck 2011: 312).<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |17


EXEKUTIVE FUNKTIONEN FÖRDERN Sebastian Hörl<br />

Zu den exekutiven Funktionen zählen die<br />

kognitive Kontrolle des Verhaltens <strong>und</strong> der<br />

Aufmerksamkeit, die sogenannte Inhibition<br />

bzw. Impulskontrolle, das Arbeitsgedächtnis<br />

<strong>und</strong> die kognitive Flexibilität. Mittels Inhibition<br />

können spontane Impulse unterdrückt, die<br />

Aufmerksamkeit bewusst gelenkt <strong>und</strong> Störreize<br />

<strong>aus</strong>blendet werden. Diese Fähigkeit unterstützt<br />

somit situationsangepasstes Verhalten,<br />

wodurch es gelingt, Verhalten zu hemmen<br />

<strong>und</strong> diejenigen Aktivitäten oder Handlungen<br />

zu vermeiden, die einem angestrebten Ziel<br />

oder der aktuellen Situation entgegenstehen.<br />

Eine gute Impulskontrolle führt zu einer<br />

besseren Selbstdisziplin, d.h., Kinder können<br />

die H<strong>aus</strong>aufgaben leichter dem Computerspiel<br />

vorziehen <strong>und</strong> zu verbessertem Sozialverhalten,<br />

d.h., Meinungsverschiedenheiten<br />

können auf sprachlicher Ebene gelöst werden<br />

(vgl. Kubesch/Emrich/Beck 2011: 312).<br />

Das Arbeitsgedächtnis ist zuständig für die<br />

vorübergehende Speicherung von Informationen<br />

<strong>und</strong> für die Arbeit mit den gespeicherten<br />

Informationen. Das Kurzzeitgedächtnis<br />

als ein Teil besitzt eine stark<br />

begrenzte Speicherkapazität von etwa<br />

sieben Elementen wie Worte, Buchstaben,<br />

Objekte oder Ziffern über einen Zeitraum<br />

von nur wenigen Sek<strong>und</strong>en. Um kognitive<br />

Tätigkeiten wie Sprachverarbeitung oder<br />

Problemlösen <strong>aus</strong>führen zu können, müssen<br />

zudem eine Menge verschiedener Elemente<br />

in schneller Folge verknüpft werden (vgl.<br />

Zimbardo/Gerrig 2004: 303f).<br />

Im schulischen Bereich kommt das Arbeitsgedächtnis<br />

beispielsweise dann zum Einsatz,<br />

wenn sich SchülerInnen Zwischenergebnisse<br />

einer Kopfrechnung merken, längere Sätze<br />

verstehen bzw. mehrere Anweisungen befolgen<br />

sollen.<br />

Bei der kognitiven Flexibilität handelt es<br />

sich um die Fähigkeit, sich auf neue Anforderungen<br />

<strong>und</strong> Situationen schnellstmöglich<br />

einstellen zu können. Kognitive Flexibilität ist<br />

zudem gefragt, um Personen oder Situatio-<br />

nen <strong>aus</strong> einer anderen, neuen Perspektive<br />

zu betrachten <strong>und</strong> auch zwischen den verschiedenen<br />

Perspektiven zu wechseln (vgl.<br />

Kubesch/Emrich/Beck 2011: 313).<br />

Aus Sicht der Neurowissenschaft kommt den<br />

exekutiven Funktionen eine hohe Bedeutung<br />

zu. Für Kubesch/Emrich/Beck (2011:<br />

313) ist „die Fähigkeit zur Selbstregulation<br />

folglich auch die Gr<strong>und</strong>lage für selbstverantwortliches,<br />

eigenaktives <strong>und</strong> selbstwirksames<br />

Lernen <strong>und</strong> Arbeiten. Sie ist gleichzeitig<br />

die Basis für die Entwicklung sozial-emotionaler<br />

Kompetenzen von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

<strong>und</strong> damit für ein friedliches Zusammenleben<br />

in Gemeinschaften.“<br />

Training exekutiver Funktionen<br />

mit Bewegung<br />

Exekutive Funktionen lassen sich bei Heranwachsenden<br />

nicht nur kognitiv, sondern<br />

auch körperlich trainieren, denn sie profitieren<br />

neben einer kognitiven Förderung<br />

ebenso von körperlicher Beanspruchung<br />

(vgl. Kubesch/Walk 2009: 315).<br />

Nach derzeitiger Studienlage kann festhalten<br />

werden, „dass exekutive Funktionen von<br />

Kindern sowohl von einer akuten körperlichen<br />

Belastung als auch von einer gesteigerten<br />

Fitness profitieren“ (Kubesch/Emrich/<br />

Beck 2011: 314). So verfügen Kinder mit mehr<br />

körperlicher Fitness über bessere kognitive<br />

Gr<strong>und</strong>funktionen als Kinder mit einer geringeren<br />

motorischen Leistungsfähigkeit.<br />

Ein kombiniert körperlich-kognitives Training<br />

ist somit einem rein kognitiven vorzuziehen,<br />

auch da das kognitive Training meist mit Hilfe<br />

von Computerspielen ohne Bewegung<br />

erfolgt (vgl. Kubesch/Walk 2009: 315).<br />

Beispiel eines Trainings exekutiver Funktionen<br />

mit einem kleinen Sportspiel<br />

Als Beispiel für ein Training exekutiver Funktionen<br />

mit Bewegung in der Volksschule soll<br />

18| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Sebastian Hörl EXEKUTIVE FUNKTIONEN FÖRDERN<br />

im Folgenden das Laufspiel „Frosch frisst<br />

Fliege“ <strong>aus</strong> der empfehlenswerten Spielesammlung<br />

„Achtung! Fertig! Fex!“, das vom<br />

ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften<br />

<strong>und</strong> Lernen an der Universität Ulm gemeinsam<br />

mit den Firmen Wehrfritz <strong>und</strong> HABA<br />

entwickelt wurde, vorgestellt werden (vgl.<br />

Beck/Emrich/Kubesch 2011: 9).<br />

Das Spiel erinnert in seiner Konzeption an<br />

das Laufspiel „Drittabschlagen“, womit ersichtlich<br />

wird, dass sich viele Spiele <strong>und</strong><br />

Übungen unabhängig vom Fach Bewegung<br />

<strong>und</strong> Sport mit gewissen Adaptionen<br />

für diese Art des Trainings eignen.<br />

Spielablauf mit Hinweisen zum Training<br />

der exekutiven Funktionen<br />

Jedes Kind bekommt eine Schleife, an der<br />

eine von zwei Tierkarten (Frosch oder Fliege)<br />

sichtbar befestigt ist, wobei beide Tiere<br />

gleichmäßig verteilt sein sollten. Ein Kind<br />

mit einer Frosch-Karte <strong>und</strong> ein Kind mit einer<br />

Fliege-Karte sind Fänger bzw. Gejagter.<br />

Alle anderen Kinder befinden sich jeweils<br />

als Paare mit den Armen eingehakt verteilt<br />

im Raum. Sobald der/die SpielleiterIn ein Signal<br />

gibt, versucht der Frosch die Fliege zu<br />

fangen. Das Kind mit der Fliegen-Karte kann<br />

sich retten, indem es sich bei einem anderen<br />

Kind mit dem Arm einhakt. Das äußere<br />

Kind vergleicht jetzt schnell mit dem Fänger<br />

die Karten, wobei folgende Regeln gelten:<br />

Frosch fängt Fliege. Haben beide Kinder die<br />

Karten mit dem gleichen Tiersymbol, wird<br />

der Fänger zum Gejagten. Die exekutiven<br />

Funktionen werden bei diesem Fangspiel<br />

trainiert, indem alle Regeln im Arbeitsgedächtnis<br />

gespeichert werden müssen, bei<br />

der Entscheidung Fänger-Wechsel bzw.<br />

Nicht-Wechsel kognitive Flexibilität benötigt<br />

wird <strong>und</strong> Aufmerksamkeit auf den Fänger<br />

<strong>und</strong> den Gejagten fokussiert werden muss.<br />

Eine verstärkte Förderung der exekutiven<br />

Funktionen kann mit drei Tieren (Schlange,<br />

Frosch <strong>und</strong> Fliege) <strong>und</strong> erweiterten Regeln<br />

erfolgen: Schlange fängt Frosch, Frosch<br />

fängt Fliege, Fliege fängt Schlange. Bei gleichen<br />

Karten wird wieder der Fänger zum<br />

Gejagten. Diese Regeln müssen nun erneut<br />

im Arbeitsgedächtnis behalten <strong>und</strong><br />

die ursprünglichen Regeln inhibiert werden.<br />

Inhibition, kognitive Flexibilität <strong>und</strong> Arbeitsgedächtnis<br />

werden noch mehr gefordert,<br />

wenn sich die Regeln durch ein Signal des/<br />

der Spielleiters/in umkehren, d.h., Fliege<br />

fängt Frosch, Frosch fängt Schlange, Schlange<br />

fängt Fliege. Beim anschließenden Signal<br />

gelten wieder die vorherigen Regeln (vgl.<br />

Kubesch 2009: 315; Beck/Emrich/Kubesch<br />

2011: 10-11).<br />

Didaktische Überlegungen für die Umsetzung<br />

des Trainings exekutiver Funktionen<br />

mit Bewegung in die schulische<br />

Praxis in der Volksschule<br />

Prinzipiell eignen sich alle Spiel- <strong>und</strong> Übungssituationen<br />

im Besonderen mit Bewegung<br />

zum Training der exekutiven Funktionen in<br />

der Volksschule, in denen Informationen<br />

im Arbeitsgedächtnis gespeichert werden<br />

müssen, beispielsweise Regeln in einem Spiel<br />

oder Aufgabenstellungen wie Merk- oder<br />

Rechenaufgaben.<br />

Zudem sind Spiele <strong>und</strong> Übungen mit wechselnden<br />

Aufgabenstellungen, die rasch<br />

nacheinander erfolgen <strong>und</strong> bei denen Richtungsänderungen,<br />

Änderungen der Bewegungsform<br />

oder Rollenwechsel beispielsweise<br />

durch optische oder akustische Signale<br />

verlangt werden, für die inhibitorische Verhaltenskontrolle<br />

förderlich, dabei muss die<br />

geltende Spielaufgabe im Arbeitsgedächtnis<br />

aufrechterhalten werden <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

flexibel reagiert werden. So können beim<br />

bekannten Bewegungsspiel „Feuer - Wasser<br />

- Sturm“ einfach die zu erfüllenden Bewegungsaufgaben<br />

von der Lehrperson immer<br />

wieder geändert werden. Die Inhibition fällt<br />

hier umso schwerer, je länger die ursprüngliche<br />

Aufgabe bestanden hat bzw. je ähnlicher<br />

sich die Bewegungsformen sind.<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |19


EXEKUTIVE FUNKTIONEN FÖRDERN Sebastian Hörl<br />

Die Variationen <strong>und</strong> wechselnden Aufgabenstellungen<br />

sorgen für eine gesteigerte<br />

Motivation bei den Kindern. Der Schwierigkeitsgrad<br />

sollte zu Beginn nicht zu hoch angesetzt<br />

werden, anfänglich reichen drei bis<br />

vier unterschiedliche Merkelemente <strong>aus</strong>.<br />

Beispielsweise können beim Ballspiel „Völkerball“<br />

folgende zusätzliche Regeln eingeführt<br />

werden: Wenn der Spielleiter/ die Spielleiterin<br />

die Zahl 1 ruft, wird, ohne zu sprechen,<br />

weitergespielt, bei der Zahl 2 darf nur mit der<br />

nicht-dominanten Hand geworfen werden,<br />

bei Zahl 3 zählen nur Bodenauf-Treffer <strong>und</strong><br />

bei 4 darf nicht mehr gefangen werden. Die<br />

zu erfüllenden Aufgaben können nach einiger<br />

Spielzeit zudem weiter variiert werden.<br />

Lehrpersonen sind bei dieser Art des Trainings<br />

angewiesen, auf SchülerInnen mit<br />

entsprechenden Defiziten - beispielsweise<br />

die Arbeitsgedächtnisleistung betreffend<br />

- zu achten, damit es zu keinen Bloßstellungen<br />

vor der Klasse kommt. Dazu eignen sich<br />

Organisationsformen, bei denen die Kinder<br />

entweder individuell, wie z.B. bei Laufdiktaten<br />

oder als Teil der Großgruppe wie bei<br />

Bewegungsgeschichten, wo bei Schlüsselwörtern<br />

Bewegungen von den Kindern <strong>aus</strong>geführt<br />

werden müssen, agieren können.<br />

Im Allgemeinen sollte ein Training der exekutiven<br />

Funktionen mit Bewegung in allen<br />

Fächern im Rahmen eines bewegten Unterrichts<br />

erfolgen. Im Fach Bewegung <strong>und</strong><br />

Sport ist darauf zu achten, dass die Bewegungszeit<br />

der Kinder auch mit einem diesbezüglichen<br />

Training hoch gehalten wird.<br />

So kann es beispielsweise in das Aufwärmen<br />

integriert werden.<br />

Ausblick<br />

Die Hirnforschung liefert mit ihren Ergebnissen<br />

zur Förderung der exekutiven Funktionen<br />

ein weiteres Argument für die Umsetzung einer<br />

bewegter Schule. Besonders in der Volksschule<br />

sollte dem gesamten Bewegungsangebot<br />

<strong>und</strong> dem Fach Bewegung <strong>und</strong> Sport<br />

eine noch größere Bedeutung zukommen,<br />

damit Kinder körperlich <strong>und</strong> gleichzeitig kognitiv<br />

optimal gefördert werden.<br />

Die Forschung bezüglich der exekutiven<br />

Funktionen geht in viele Richtungen. So lassen<br />

sich einer aktuellen schwedischen Studie<br />

zufolge durch die Ergebnisse bei der Testung<br />

der exekutiven Funktionen der sportliche<br />

Erfolg bei BallsportspielerInnen beispielsweise<br />

in Form von erzielten Toren <strong>und</strong> Torassists<br />

bei FußballerInnen der höchsten Spielklasse<br />

vorhersagen. Je <strong>aus</strong>geprägter die exekutiven<br />

Funktionen bei FußballspielerInnen sind,<br />

desto öfter landet auch der Ball im Spiel im<br />

gegnerischen Tor (vgl. Vestberg u.a. 2012).<br />

Literatur<br />

Ayer, Steve (2009): Neurofitness. Bewegung für den Geist. In: Gehirn&Geist<br />

5. 30-39.<br />

Beck, Friedrich/ Emrich, Andreas/Kubesch, Sabine (2011): Training exekutiver<br />

Funktionen in Kleinen <strong>und</strong> Großen Sportspielen. Teil 1 - Gr<strong>und</strong>schule. In:<br />

Lehrhilfen für den Sportunterricht 60. Heft 10. 9-13.<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Unterricht, Kunst <strong>und</strong> Kultur (2012). Online verfügbar<br />

unter: URL: (Stand:<br />

27.08.2012).<br />

Größing, Stefan/ Größing, Nikol<strong>aus</strong> (2002): Kinder brauchen Bewegung: Ein<br />

Leitfaden für Eltern <strong>und</strong> Erzieher. Wiebelsheim: Limpert.<br />

Illi, Urs (1998): Bewegte Schule - Ges<strong>und</strong>e Schule. Zur Einleitung. In: Illi, Urs/<br />

Breithecker, Dieter/ M<strong>und</strong>igler, Sepp (Hrsg.): Bewegte Schule - Ges<strong>und</strong>e<br />

Schule. Aufsätze zur Theorie. Wäldi: IFB. 1-19.<br />

Kubesch, Sabine (2009): Körperliches <strong>und</strong> kognitives Training exekutiver<br />

Funktionen in Kindergarten <strong>und</strong> Schule. In: Sportwissenschaft 4(2009), 309-<br />

317.<br />

Kubesch, Sabine/ Emrich, A./ Beck, F. (2011): Exekutive Funktionen im<br />

Sportunterricht fördern. In: Sportunterricht 60. Heft 10. 312-316.<br />

Müller, Christina (2003): Bewegte Gr<strong>und</strong>schule. Aspekte einer Didaktik der<br />

Bewegungserziehung als umfassende Aufgabe der Gr<strong>und</strong>schule. 2. Auflage.<br />

Sankt Augustin: Academia.<br />

Regensburger Projektgruppe (2001): Bewegte Schule – Anspruch <strong>und</strong><br />

Wirklichkeit. Gr<strong>und</strong>lagen, Untersuchungen, Empfehlungen. Schorndorf:<br />

Hofmann.<br />

Spitzer, Manfred / Kubesch, Sabine (2008): Lernprozesse durch Bewegung<br />

fördern. In: Bayrisches Staatsministerium für Unterricht <strong>und</strong> Kultus (Hrsg.):<br />

Voll in Form. Leitfaden für die Gr<strong>und</strong>schulen. Online verfügbar unter: URL:<br />

<br />

(Stand: 29.08.2012). 8-11.<br />

Vestberg, Torbjörn/ Gustafson, Roland/ Maurex, Liselotte/ Ingvar, Martin/<br />

Petrovic, Predrag (2012): Executive Functions Predict the Success<br />

of Top-Soccer Players. In: PLoS ONE 7(4): e34731.doi:10.1371/journal.<br />

pone.0034731. 1-5.<br />

Zimbardo, Philipp G./ Gerrig Richard J. (2004): Psychologie. 16. aktualisierte<br />

Auflage. München: Pearson Studium.<br />

20| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Maria Imani-Geyer RHYTHMIK<br />

Rhythmik<br />

Eine Standort- <strong>und</strong> Standard-Bestimmung<br />

Imani-Geyer Maria<br />

In der schulischen Erneuerung durch die Bildungsstandards werden in der Gr<strong>und</strong>schule nicht<br />

nur Zielvorgaben transportiert, sondern auch Prinzipien, woran sich Unterricht orientieren soll.<br />

Dies gilt besonders für die Unterrichtsfächer Deutsch <strong>und</strong> Mathematik, für die Bildungsstandards<br />

erstellt worden sind. Auch in anderen Fächern strebt man danach, Prinzipien der Bildungsstandards<br />

– beispielsweise die Betonung von Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Individualisierung - in<br />

den Unterricht einfließen zu lassen. Damit entsteht eine Neuorientierung. Da Rhythmik in den<br />

Unterrichtsfächern Deutsch <strong>und</strong> Mathematik fächerübergreifend eingesetzt wird, wird auch für<br />

Rhythmik eine neue Standortbestimmung notwendig.<br />

Zunächst wird der Begriff „Rhythmik“ erläutert.<br />

Die genauere Recherche eröffnet<br />

mehrere Sichtweisen. Es ist die Frage, ob<br />

man auch für Rhythmik einen Katalog von<br />

Standards erstellen sollte, wie die Bildungsstandards<br />

für die Fächer Deutsch <strong>und</strong> Mathematik<br />

festgeschrieben wurden – Bestrebungen<br />

dazu sind im Gange. Da einerseits<br />

die Rhythmische Erziehung als fächerübergreifendes<br />

Prinzip mit den Bildungsstandards<br />

der genannten Fächer in Berührung kommt,<br />

werden diese folglich auch fächerübergreifend<br />

für Rhythmik gültig.<br />

1. Orientierung durch<br />

Begriffsbestimmungen<br />

Der Begriff „Rhythmik“ wird manchmal<br />

missverstanden, weil er mehrere verschiedenartige<br />

Bedeutungen hat. Ein besseres<br />

Verständnis sollen die folgenden Begriffsklärungen<br />

schaffen.<br />

1.1 Was ist Rhythmik?<br />

„Die Unterscheidung des Verfahrens Rhythmik<br />

(rhythmisch-musikalische Erziehung)<br />

<strong>und</strong> des Phänomens Rhythmik ist bereits<br />

ein wichtiger Schritt“ (Ring/Steinmann 1997:<br />

236). Rhythmustheorien werden von der systematischen<br />

Musikwissenschaft <strong>und</strong> der allgemeinen<br />

Ideengeschichte kreiert. So steht<br />

also „Rhythmik“ für die „Lehre vom Rhythmus“<br />

(Ring/Steinmann1997: 237).<br />

1.1.1 Definitionen des Begriffes Rhythmus<br />

Der ursprüngliche Begriff Rhythmus bezeichnet<br />

seit der Antike „diejenige Ordnung<br />

der Bewegung, des Langsamen oder des<br />

Schnellen, oder der Zeit, des Langen <strong>und</strong><br />

des Kurzen, die dem menschlichen Sinn faßlich<br />

<strong>und</strong> angenehm ist. Rhythmus ist neben<br />

‚Harmonie‘, ‚Melodie‘ <strong>und</strong> Sprache (logos)<br />

einer der Gr<strong>und</strong>begriffe der Musik (Ring/<br />

Steinmann1997: 236). Die Gr<strong>und</strong>bedeutung<br />

des Wortes von der Etymologie <strong>aus</strong> ist „ein<br />

Fließen im Duktus der Regelmäßigkeit (Th.<br />

Plüss). […] Seit dem 5. JH. vor Chr. wird die<br />

Vokabel mit dem Bereich des Musischen<br />

in Zusammenhang gebracht <strong>und</strong> bezeichnet<br />

die regelmäßigen Bewegungen des<br />

menschlichen Körpers, des Tanzes <strong>und</strong> der<br />

Instrumentalmusik“ (Busch 1987: 69).<br />

Die „Rhythmus-Definition“ im engeren Sinne<br />

sagt <strong>aus</strong>: „Rhythmus entsteht durch absichtsvolle<br />

Wiederholung von Ähnlichem.“(Ring/<br />

Steinmann 1997: 236). In der Tanzerziehung<br />

wird dies von Mahler ähnlich gesehen:<br />

„Durch Bewegung gestaltete Zeit führt zum<br />

Rhythmus“ (Mahler 1989: 20).<br />

1.1.2 Rhythmik als Rhythmische Erziehung<br />

Rhythmische Erziehung oder Rhythmischmusikalische<br />

Erziehung ist „eine musikpädagogische<br />

Richtung […] um 1900 von É.<br />

Jaques-Dalcrozes entwickelt […] Sie gründete<br />

darauf, dass die musikalische Wahrnehmung<br />

nicht nur durch das Gehör, son-<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |21


RHYTHMIK Maria Imani-Geyer<br />

dern vor allem im Bereich von Rhythmus,<br />

Tempo, Metrum, Phrasierung <strong>und</strong> Dynamik<br />

auch über den gesamten Körper […] erfolgt,<br />

[…] Aus dieser Teilfunktion innerhalb<br />

der musikalischen Ausbildung emanzipierte<br />

sich die Rhythmik. […]zu einer selbständigen<br />

Form musikalischer Erziehung im frühen Kindesalter,<br />

die eine ganzheitliche Entwicklung<br />

der motorischen <strong>und</strong> musikalischen Wahrnehmungs-<br />

<strong>und</strong> Ausdrucksfähigkeiten des<br />

Kindes anstrebt“. (Honegger u.a. 1987: 69)<br />

In der Gr<strong>und</strong>schule ist Rhythmische Erziehung<br />

Unterrichtsfach nach dem Lehrplan<br />

der Vorschulstufe (vgl. bmukk 2003 : 1ff.). Für<br />

die vier Jahre der Gr<strong>und</strong>schule ist das Unterrichtsprinzip<br />

„Rhythmische Erziehung“ fächerübergreifend<br />

wirksam. Dazu erfolgt die<br />

Ausbildung der LehrerInnen an der <strong>Pädagogische</strong>n<br />

<strong>Hochschule</strong> über zwei Semester.<br />

1.1.3 Rhythmik als eigenständige Kunstform<br />

Rhythmik hat eine weitere Bedeutung als<br />

„selbständige künstlerische Ausdrucksform,<br />

der Rhythmik im engeren Sinne. Dabei werden<br />

Musik <strong>und</strong> Bewegung unter Einbeziehung<br />

von Elementen des Spiels, des Tanzes,<br />

der Gymnastik, auch der stimmlichen <strong>und</strong><br />

instrumentalen Improvisation, vereint. Ein<br />

wichtiges Ziel […] ist die Entwicklung spontaner<br />

Kreativität […] An fast allen Musikhochschulen<br />

sind Professuren für Rhythmik eingerichtet“.<br />

(Honegger 1987 : 69) Improvisation<br />

<strong>und</strong> Kreativität sollen besonders den Unterricht<br />

der Studierenden in Rhythmischer Erziehung<br />

bereichern.<br />

1.1.4 Rhythmik als therapeutische Methode<br />

Als therapeutische Methode wurde Rhythmik<br />

unter anderem in der Sonderpädagogik<br />

weiterentwickelt. Neben den anderen<br />

beiden Bedeutungen bildet die Rhythmik<br />

„eine wichtige therapeutische Methode“<br />

(Honegger 1987 : 69). Es können Verknüpfungen<br />

zwischen sozialen Kompetenzen<br />

<strong>und</strong> Rhythmus hergestellt werden. „In der<br />

Musiktherapie kann Rhythmus gezielt als Hilfe<br />

zum In-Kontakt-Treten mit sich selber <strong>und</strong><br />

dem Gegenüber, zur Selbstwahrnehmung,<br />

zum Bewusstmachen, zum Erleben <strong>und</strong> Gestalten<br />

von Beziehungssituationen verwendet<br />

werden“ (Smeysters 1994: 1999). Für die<br />

Arbeit an der Sozialkompetenz braucht es<br />

einen Wissenstransfer von der Musiktherapie<br />

in die Musikpädagogik. Es geht dabei nicht<br />

um eine Therapeutisierung der Musikpädagogik,<br />

sondern um den „pädagogisch professionellen<br />

Umgang mit den musikalischen<br />

Äußerungen der Kinder“ (Huber 2008: 141).<br />

1. 2 Rhythmische Prinzipien<br />

Rhythmik als rhythmisch-musikalische Erziehung<br />

ist gekennzeichnet durch die vier<br />

Prinzipien Raum, Zeit, Kraft <strong>und</strong> Form. „Form<br />

wird als viertes Element bezeichnet, das den<br />

drei anderen, Raum, Zeit, Kraft, übergeordnet<br />

ist… Bei Feudel liest sich das so: Form<br />

‚stellt sich ein‘, wenn Raum, Zeit <strong>und</strong> Kraft im<br />

rechten Verhältnis sind; dann hebt die Form<br />

‚auf eigentümliche Weise das Materielle<br />

des Körpers auf <strong>und</strong> läßt Seelisch-Geistiges<br />

durchschimmern‘ (Rhythmisch-musikalische<br />

Erziehung, Wolfenbüttel 1956, S 131).“ (Ring/<br />

Steinemann 1997: 90).<br />

Abb. 1: Die vier rhythmischen Prinzipien<br />

Zeit – Raum – Kraft – Form (Ring 1997 : 90)<br />

22| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Maria Imani-Geyer RHYTHMIK<br />

Rhythmische Erziehung umfasst immer auch<br />

die Einheit von Musik, Rhythmus, Sprache<br />

<strong>und</strong> Bewegung. Der Mensch ist in seiner<br />

Ganzheit ist angesprochen. Mir scheint, man<br />

kann von keiner Neubestimmung, sondern<br />

eher einer Rückbesinnung sprechen, die auf<br />

die Beteiligung des Menschen mit allen seinen<br />

Sinnen abzielt.<br />

1.3 Rhythmische Materialien, Instru<br />

mente <strong>und</strong> Rahmenbedingungen<br />

Einen nicht unwesentlichen Beitrag zur rhythmischen<br />

Erziehung leisten die klassischen<br />

Rhythmikmaterialien in den kräftigen Farben<br />

Rot, Blau, Gelb <strong>und</strong> Grün: Tücher, Bälle, Reifen,<br />

Seile, Keulen, Stäbe, Reissäckchen, Jonglierbälle<br />

etc.<br />

Daneben werden Materialien <strong>aus</strong> der Umwelt<br />

verwendet wie Kastanien, Eicheln, Nüsse,<br />

Blätter, Holzstäbchen, Verschraubspäne,<br />

Bleischnürchen, Luftballons, Steine usw. oder<br />

Verpackungsmaterialien wie Joghurtbecher<br />

oder Schuhschachteln. Diese dienen ebenso<br />

der Wahrnehmungsschulung, machen<br />

in den kreativen Übungen Bewegung <strong>und</strong><br />

Rhythmen erfahrbar <strong>und</strong> wecken Interesse,<br />

Fantasie <strong>und</strong> Lust zum Erfinden.<br />

Das Unterrichten in Rhythmischer Erziehung<br />

braucht bequeme Bewegungskleidung<br />

<strong>und</strong> einen geeigneten Bewegungsraum mit<br />

Rhythmikinstrumenten, Orff-Instrumentarium<br />

oder lateinamerikanischen Instrumenten.<br />

Auch selbstgebastelte Instrumente werdendem<br />

kreativen Prinzip folgend - gerne zum<br />

Improvisieren <strong>und</strong> Gestalten verwendet.<br />

1.4 Tonbeispiele <strong>und</strong> der<br />

Einsatz neuer Medien<br />

Die Tonbeispiele der Rhythmik werden – sofern<br />

die Möglichkeit besteht – mit Instrumenten<br />

selbst musiziert. Als unverzichtbares Medium<br />

für die Rhythmische Erziehung werden<br />

Computer, andere Abspiel- <strong>und</strong> Aufnahmegeräte<br />

<strong>und</strong> Aufnahmen von Musik- <strong>und</strong><br />

Tanz wiedergaben genutzt. Der Einsatz ist<br />

aktiv <strong>und</strong> passiv zur Vorbereitung, Durchführung<br />

oder Gestaltung des Unterrichts.<br />

Diese Vielfalt gibt Anlass dazu, über die Auswahl<br />

an Tonmaterial <strong>und</strong> Stilrichtungen, herkömmliche<br />

<strong>und</strong> neue, auch interkulturelle<br />

Musikbeispiele nachzudenken, den Einsatz<br />

im Unterricht zu prüfen, wobei besonders<br />

auf die Polarität der Beispiele <strong>und</strong> Abwechslung<br />

zu achten ist. Es ist eine gr<strong>und</strong>legende<br />

didaktische Entscheidung, welches Musikbeispiel<br />

der rhythmisch-musikalischen Förderung<br />

des Kindes am besten dient. Eine kritische<br />

Einschätzung der Qualität von Musik<br />

<strong>und</strong> Bewegung verlangt musikalische <strong>und</strong><br />

rhythmische Kenntnisse, ein gutes Gespür<br />

für die Passung von Formverläufen in Musik<br />

<strong>und</strong> Bewegung. Ästhetische Kriterien <strong>und</strong><br />

der Schwierigkeitsgrad spielen beim didaktischen<br />

Einsatz verschiedener Tonbeispiele<br />

eine wesentliche Rolle.<br />

2. Die Begegnung der Rhythmik<br />

mit den Bildungsstandards<br />

2.1 Kann man rhythmische Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> Fertigkeiten auch rhythmische<br />

Kompetenzen nennen?<br />

Beim Erwerb rhythmischer Fähigkeiten <strong>und</strong><br />

Fertigkeiten geht es um rhythmisches Lernen,<br />

aber auch um das Erlernen anderer<br />

Kompetenzen mit dem Medium Rhythmik<br />

- sozusagen als „rhythmischer Methode“.<br />

Benischek & Beer beschreiben die Aspekte<br />

kompetenzorientierten Lernens <strong>und</strong> Lehrens<br />

nach Weinert (bifie 2011: 9): „ ‚Kompetenzen<br />

sind die bei Individuen verfügbaren<br />

oder durch sie erlernbaren kognitiven<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten, um gewisse<br />

Probleme zu lösen, sowie die damit verb<strong>und</strong>enen<br />

motivationalen, volitionalen <strong>und</strong><br />

sozialen Bereitschaften <strong>und</strong> Fähigkeiten,<br />

um die Problemlösungen in variablen Situationen<br />

erfolgreich <strong>und</strong> verantwortungsvoll<br />

nutzen zu können“ (Weinert, 2003, S 27-28)‘<br />

(bifie 2011: 9).<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |23


RHYTHMIK Maria Imani-Geyer<br />

Es trifft nicht zu, dass rhythmische Kompetenzen<br />

nur kognitive Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten<br />

sind, sind sie doch vor allem auch handlungsorientierte,<br />

motorische, emotionale<br />

<strong>und</strong> soziale. Diese werden durch den Satz<br />

„Kompetenzen verbinden Wissen <strong>und</strong> Können“<br />

(Weinert 2003 : 27), der der Definition<br />

vorangestellt wird, mit einbezogen.<br />

Auch die fächerübergreifende rhythmische<br />

Erziehung orientiert sich neu, wenngleich<br />

sich dadurch die Prinzipien der Rhythmischen<br />

Erziehung <strong>und</strong> die „Bestandteile“ -<br />

nämlich Rhythmus <strong>und</strong> Musik, Sprache, Bewegung<br />

<strong>und</strong> Tanz - nicht verändern. Bei der<br />

Rhythmik verhält es sich so, dass Prinzipien<br />

der Rhythmik die Kriterien der Bildungsstandards<br />

bereits erfüllen, so zum Beispiel die Forderungen<br />

nach Nachhaltigkeit, Individualisierung<br />

<strong>und</strong> Differenzierung.<br />

2.2 Nachhaltigkeit<br />

Ein besonderes Kennzeichen des neuen<br />

Lernens <strong>und</strong> Lehrens ist die Nachhaltigkeit<br />

des Wissens- <strong>und</strong> Könnenserwerbs (vgl. bifie<br />

2011:12). Mit Nachhaltigkeit „ wird […] die<br />

Gr<strong>und</strong>lage für lebenslanges Lernen geschaffen.<br />

Dies wiederum fördert Kreativität <strong>und</strong><br />

Innovation <strong>und</strong> ermöglicht den Bürgern eine<br />

uneingeschränkte Teilhabe an Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft (Rat der Europäischen Union,<br />

2008, S2)“ (bifie 2011:12). Analog zu den<br />

Erfahrungen der Lernpsychologie wird rhythmisches<br />

Lernen handelnd erfahren. „Kinder<br />

hören anderen Menschen […] zu, versuchen<br />

diese mit ihrer Stimme <strong>und</strong> ihrem Körper<br />

nachzuahmen, erk<strong>und</strong>en dabei viele Möglichkeiten,<br />

ihre Klangerzeugung einzusetzen.<br />

[…] Dabei wiederholen sie die Abläufe viele<br />

Male (Schmid 2008: 152). Für lebenslanges<br />

Lernen wird auch die Bereitschaft zu üben<br />

gefördert. Das entspricht der Forderung nach<br />

„Nachhaltigkeit“ in den Bildungsstandards.<br />

Rhythmik macht Unterricht für die Kinder<br />

„eindringlich“ – er dringt ein. Lernen ist verb<strong>und</strong>en<br />

mit besserer Aufnahmefähigkeit, ja<br />

mit direkter körperlicher <strong>und</strong> seelischer, lustvoller<br />

Beteiligung. Oftmaliges Wiederholen<br />

heißt „Präsenz des Gelernten“, viele Areale<br />

des Großhirns sind aktiv - wie es die Aktivierungsmuster<br />

in den Forschungen zeigen –<br />

<strong>und</strong> darum erhält man Nachhaltigkeit. Kognitionswissenschaftlich<br />

<strong>aus</strong>gedrückt geht<br />

es um das Bilden von Routinen, die automatisch<br />

ablaufen – also in tieferen Gedächtnisstrukturen<br />

verankert <strong>und</strong> mit mehreren Gehirnzentren<br />

vernetzt werden.<br />

2.3 Individualisierung, Differenzierung<br />

<strong>und</strong> Fördern<br />

„Um in der Klasse lernen zu können, brauchen<br />

Lernende nicht nur ein förderliches<br />

Lernklima; sie müssen fähig sein, auf verschiedene<br />

Lernsituationen (einschließlich Frustrationen)<br />

adäquat zu reagieren […] aber immer<br />

wieder zum Thema zurückzukehren! Diese<br />

Bewegungsmöglichkeiten, die Lernenden zur<br />

Verfügung stehen, um sich auf verschiedene<br />

Lernbedingungen einzustellen, bezeichne<br />

ich als ‚Freiheitsgrade des Lernens“ (Salner-<br />

Gridling 2009: 26f). Diese „Bewegungsmöglichkeiten“<br />

kann man für den Bereich Rhythmik<br />

sowohl im übertragenen als auch im<br />

konkreten Sinne schaffen als möglichst großen<br />

„Spielraum“ für die Individuen.<br />

3. Folgerungen von Nachhaltigkeit<br />

<strong>und</strong> Individualisierung für die<br />

pädagogische Praxis<br />

Für den Unterricht ist Individualisierung der<br />

siebte allgemein didaktische Gr<strong>und</strong>satz: „Individualisieren,<br />

Differenzieren <strong>und</strong> Fördern“<br />

(bmukk 2003: 25) bedeutet, dass sich jedes<br />

Kind individuell entwickeln kann. Lehrpersonen<br />

ermöglichen die Rücksichtnahme auf<br />

das Individuum. Differenzierung im Unterricht<br />

ermöglicht Individualisierung. „Nach<br />

Klafki lässt sich innere Differenzierung in zwei<br />

Gr<strong>und</strong>formen unterscheiden: jene durch<br />

Methoden <strong>und</strong> Medien auf der einen, jene<br />

nach Lernzielen <strong>und</strong> Lerninhalten auf der<br />

anderen Seite“ (Bifie 2004:15).<br />

24| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Maria Imani-Geyer RHYTHMIK<br />

Das einzelne Kind braucht besondere Beobachtung.<br />

Die Lehrperson muss registrieren,<br />

wenn es beispielsweise im Gruppenprozess<br />

ein anderes Lerntempo entwickelt. Das<br />

kann im Sinne von Integration <strong>und</strong> Inklusion<br />

möglicherweise heißen: Man wird als Lehrperson<br />

versuchen das Tempo beim gemeinsamen<br />

Laufen zur Trommel nicht zu erhöhen,<br />

wenn ein Kind sehr langsam ist. Sind die Kinder<br />

beim Laufen noch nicht synchron, wird<br />

dies nicht kritisiert, sondern es gibt die Aufforderung,<br />

gut auf die Trommel zu hören. Wenn<br />

es ein Kind noch nicht schafft, wird es in keinem<br />

Falle bloßgestellt. Es werden mehrere<br />

Übungen nötig sein, bis das Kind ein angemessenes<br />

Tempo erreicht.<br />

Man kann als Lehrperson die Übungen an<br />

die Gruppe oder an einzelne Kinder anpassen<br />

<strong>und</strong> so modifizieren, dass der bestmögliche<br />

Lernfortschritt erreicht wird. Dies bedeutet,<br />

dass die Lehrperson situationsspezifisch<br />

handeln <strong>und</strong> ihre Planung auf Gr<strong>und</strong> des<br />

Feedbacks der Kinder neu festsetzen muss.<br />

Dabei ist gr<strong>und</strong>sätzlich für die Lehrperson<br />

die positivste Einstellung von Nutzen: „Individuelle<br />

Lösungen sind richtig. “ Die Kinder er-<br />

fahren in der Gruppe eine besondere Wertschätzung.<br />

Diese wird dem Individuum auf<br />

Gr<strong>und</strong> seiner eigenen persönlich kreierten<br />

Leistung gegeben <strong>und</strong> es wird weiter ermutigt<br />

seine kreativen Aufgabenstellungen mit<br />

Freude zu lösen. Positive Erlebnisse begünstigen<br />

die „Nachhaltigkeit des Lernens“.<br />

4. Fächerübergreifender Unterricht:<br />

Die Vernetzung der Rhythmischen<br />

Erziehung an einem Beispiel <strong>aus</strong> den<br />

Bildungsstandards Deutsch<br />

Die Verbindung von Rhythmischer Erziehung<br />

<strong>und</strong> Deutschunterricht ist eine über<strong>aus</strong> fruchtbare<br />

Kombination: Rhythmus der Sprache,<br />

Betonung in Gedichten, Versmaße, die rhythmischen<br />

B<strong>aus</strong>teine – eine endlose gemeinsame<br />

Geschichte. Dies nahm ich zum Anlass,<br />

die Vorgaben der Bildungsstandards Deutsch<br />

mit den Studierenden im Seminar auf „rhythmische<br />

F<strong>und</strong>e“ zu überprüfen – wir wurden<br />

fündig! Es konnte eine Vielzahl direkter Anwendungsbeispiele<br />

genannt werden. Diese<br />

flossen in die Portfolios <strong>und</strong> Unterrichtsplanungen<br />

der Studienaufträge ein <strong>und</strong> wurden in<br />

Schulklassen erprobt. Hier folgt ein Beispiel:<br />

Abb. 2:<br />

Tabelle 1: Beispiel<br />

zum Vergleich des<br />

BIST 1 - Deutsch 4:<br />

„Hören Sprechen<br />

<strong>und</strong> Miteinander<br />

Reden“ (bifie 2009:<br />

20) mit der Umsetzung<br />

in der rhythmischen<br />

Erziehung<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |25


RHYTHMIK Maria Imani-Geyer<br />

Man kann deutlich sehen, dass in diesem<br />

Beispiel die „Methode der rhythmischen<br />

Erziehung“ zu Gunsten der Inhalte des Faches<br />

„Deutsch“ eingesetzt wird. Durch mehr<br />

Erlebniskraft <strong>und</strong> Erlebnisqualität wird die<br />

Nachhaltigkeit erhöht. Kreativität ist gefragt.<br />

Individualisierung erfolgt durch Variationen<br />

<strong>und</strong> durch die freie Auswahl der Parameter<br />

Dynamik, Tonhöhe, Tempi, Klangfarben. Es<br />

sei besonders betont, dass „fächerübergreifend“<br />

über die klassischen Fächergrenzen<br />

hin<strong>aus</strong>gehende Herangehensweise meint,<br />

eine „ganzheitliche“ Betrachtung der Phänomene<br />

der Welt. Die Ganzheit der Person<br />

als bio-psycho-soziale Einheit ist beteiligt.<br />

Zum Schluss ein Wort von U. Kasemets<br />

(Meyer-Denkmann 1971: 91):<br />

„Man beginnt über Pädagogik nachzudenken<br />

<strong>und</strong> am Ende denkt man über das Leben nach.<br />

Zwischen beiden gibt es keine Trennungslinie.<br />

Leben bedeutet Lernen<br />

<strong>und</strong> Lernen bedeutet Leben.“<br />

Literaturverzeichnis<br />

bifie Wien (Hg.) 2011. Standards. Kompetenzorientierter Unterricht in Theorie<br />

<strong>und</strong> Praxis. Graz: Leykam.<br />

bmukk (2003). Lehrplan der Volksschule. Sechster Teil, Bild- <strong>und</strong> Lehraufgaben,<br />

Lehrstoff <strong>und</strong> didaktische Gr<strong>und</strong>sätze der verbindlichen Übungen<br />

der Vorschulstufe, Rhythmisch-musikalische Erziehung. Wien: bmukk.<br />

bmukk (2005). Lehrplan der Volksschule. DritterTeil. Allgemeine didaktische<br />

Gr<strong>und</strong>sätze. I. Allgemeine didaktische Gr<strong>und</strong>sätze für die Gr<strong>und</strong>schule.<br />

Wien: bmukk.<br />

Busch, H.J.(1987): Rhythmische Erziehung. Rhythmik. In: Marc Honegger,<br />

Günther Massenkeil (Hg.): Das große Lexikon der Musik Band 7. Freiburg<br />

im Breisgau: Herder.<br />

Huber, Thomas (2007). Rhythmus, ein Zugang zum Kind. In: Hascher, Tina;<br />

Badertscher, Hans (Hg.). Rhythmisches <strong>und</strong> musikalisches Lernen. Bern<br />

Stuttgart Wien: Haupt.<br />

Klicpera, Ruth 2005. Rhythmik. Ein fächerübergreifendes Prinzip. Wien: Verlag<br />

Lernen mit Pfiff.<br />

Mahler, Madeleine (1987). Tanz als Ausdruck <strong>und</strong> Erfahrung. Bern: Zytglogge<br />

Verlag.<br />

Ring, Reinhard; Steinmann (1997). Lexikon der Rhythmik. Kassel: Gustav<br />

Bosse Verlag.<br />

Salner-Gridling Ingrid (2009): Querfeldein: individuell lernen – differenziert<br />

lehren. Wien: özeps, bmukk.<br />

26| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Fritz Höfer BLOGS UND PODCASTS IM MUSIKUNTERRICHT<br />

Blogs <strong>und</strong> Podcasts im Musikunterricht<br />

der Sek<strong>und</strong>arstufe <strong>und</strong> der dazugehörigen<br />

Hochschul<strong>aus</strong>bildung<br />

Fritz Höfer<br />

Schon immer eignete sich der Musikunterricht hervorragend für den Einsatz von Medien aller Art.<br />

Dieser Umstand führte zu einer Entwicklung, die von der Verwendung des Monochords zu musiktheoretischen<br />

Demonstrationszwecken in der Antike über die musikpädagogische Innovation des<br />

Schulfunks von Carl Orff bis hin zur Integration von Internet, Web 2.0, social software <strong>und</strong> Neuen<br />

Medien im Musikunterricht reicht. Der folgende Artikel beschäftigt sich mit der Fragestellung, inwiefern<br />

Blogs <strong>und</strong> Podcasts dem Musikunterricht neue didaktische Möglichkeiten eröffnen können<br />

<strong>und</strong> wie deren Einsatz einen Paradigmenwechsel innerhalb unserer Lernkultur erwirken kann.<br />

1. Begriffsklärungen<br />

Das Internet hat sich in den letzten Jahren<br />

zum Web 2.0 weiterentwickelt. Aus einem<br />

‚Read Web’ wurde ein ‚Read-write-Web’,<br />

d.h., dass jede/r UserIn ohne Spezialwissen<br />

mit einfacher Handhabung sowohl KonsumentIn<br />

als auch ProduzentIn (‚Prosument’)<br />

von E-learning (‚user generated’)-content<br />

(Inhalt) sein kann.<br />

„Das Web ist zum zentralen Repositorium<br />

menschlichen Wissens geworden, das jedem<br />

per M<strong>aus</strong>klick 24 St<strong>und</strong>en am Tag zur Verfügung<br />

steht. Und in Zeiten des Web 2.0 stellt<br />

das Internet nicht mehr länger nur ein beeindruckendes<br />

Reservoir menschlichen Wissens<br />

dar, sondern wird zunehmend auch zu dem<br />

Ort, an dem Wissen generiert wird. Was Lernen<br />

angeht, hat somit das Web 2.0 das Internet<br />

zu einem noch bedeutsameren Instrument<br />

gemacht.“ (Rager & Schumann, o.J.)<br />

Der Begriff ‚Web 2.0’ geht auf eine gleichnamige<br />

Konferenz <strong>aus</strong> dem Jahre 2004 <strong>und</strong><br />

den Artikel „What is Web 2.0“ des Verlegers<br />

Tim O´Reilly (vgl. O´Reilly, o.J.) zurück <strong>und</strong> gilt<br />

als ‚buzzword’, als ein Begriff, der sich <strong>aus</strong><br />

der Praxis entwickelt hat <strong>und</strong> keine allgemeingültige<br />

Definition zulässt. Web 2.0-Programme<br />

(Anwendungen) sind auf einem Internetserver<br />

<strong>und</strong> nicht am lokalen Rechner<br />

gespeichert. Jede/r BenutzerIn kann sich so<br />

ortsungeb<strong>und</strong>en in die entsprechende Onlineplattform<br />

einloggen. Durch die zunehmende<br />

Verbreitung so genannter Mobile<br />

Devices (Smartphone, E-Book-Reader oder<br />

Tablets) passiert dies mittlerweile im Auto, bei<br />

der Busstation oder auf der Skihütte. Technische<br />

Innovationen wie Cloud-Services<br />

(Daten werden über Netzwerke mehreren<br />

Nutzern zur Verfügung gestellt) oder Virtualization<br />

(Hardware wird durch Softwareprogramme<br />

ersetzt) versprechen so maximale<br />

Mobilität <strong>und</strong> Partizipation ohne Funktionalitätsverlust.<br />

Innerhalb dieser Rahmenbedingungen<br />

stellen Blogs <strong>und</strong> Podcasts zentrale<br />

Web 2.0-Anwendungen dar <strong>und</strong> lassen sich<br />

in die Gruppe der Social Software (auch social<br />

Media genannt) einordnen.<br />

Jan Schmidt definiert Social Software als<br />

„(...) onlinebasierte Anwendungen (...), die<br />

das Informations-, Identitäts- <strong>und</strong> Beziehungsmanagement<br />

in (Teil)-Öffentlichkeiten<br />

hypertextueller <strong>und</strong> sozialer Netzwerke unterstützen.“<br />

(Schmidt 2006: 37)<br />

Der wohl bekannteste Vertreter dieses Softwaretyps<br />

ist Facebook (vgl. www.facebook.<br />

com), eine Plattform, auf der jede/r UserIn Informationen,<br />

Medien <strong>und</strong> Anwendungen mit<br />

der Community <strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>chen kann. Ergänzt<br />

werden die Möglichkeiten durch onlinebasierte<br />

synchrone <strong>und</strong> asynchrone Kommunikationsformen<br />

(Chat, Forum, E-Mail...).<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |27


BLOGS UND PODCASTS IM MUSIKUNTERRICHT Fritz Höfer<br />

Wesentlich erscheint hier, dass die eigene<br />

Persönlichkeit, Identität <strong>und</strong> Privatsphäre<br />

von den Nutzern bewusst für die virtuelle<br />

Gemeinschaft publiziert <strong>und</strong> präsentiert<br />

wird, wodurch auch Gefahren wie Cyber-<br />

Mobbing oder Urheberrechtsverstöße entstehen<br />

können.<br />

Weitere Beispiele für Social Software sind<br />

das Videoportal YouTube (vgl. www.youtube.com)<br />

<strong>und</strong> die Fotoplattform Flickr (vgl.<br />

www.flickr.com). Neben diesen Portalen<br />

können auch Blogs <strong>und</strong> Podcasts als Social<br />

Software genützt werden. Wie können nun<br />

diese beiden Anwendungen definiert werden<br />

bzw. welche Merkmale zeichnen diese<br />

<strong>aus</strong>?<br />

Ein Blog (auch Weblog) kann als Art Onlinejournal<br />

betrachtet werden, ähnlich einem<br />

Logbuch oder einem Tagebuch. Die <strong>Beiträge</strong><br />

erscheinen in chronologisch umgekehrter<br />

Reihenfolge <strong>und</strong> jeder Beitrag, genannt<br />

Posting, kann als separater Link (PermLink)<br />

abgerufen werden. Ferner können die <strong>Beiträge</strong><br />

mit ‚Tags’ (Schlagwörtern) versehen<br />

werden, sodass ähnliche Inhalte verlinkt <strong>und</strong><br />

schneller von NutzerInnen mit gleichen Interessen<br />

gef<strong>und</strong>en werden. Darüber hin<strong>aus</strong><br />

können die <strong>Beiträge</strong> von Außenstehenden<br />

interaktiv kommentiert werden <strong>und</strong> durch<br />

die Trackback-Funktion können diese Kommentare<br />

<strong>und</strong> der dar<strong>aus</strong> entstehende kollaborative<br />

Diskurs auch zwei Blogs miteinander<br />

verknüpfen. Blogs nutzen auch die<br />

Dienste anderer Social Software Anbieter (in<br />

der Fachsprache bezeichnet als ‚Mashup’),<br />

wie zum Beispiel Bilder- <strong>und</strong> Videodienste.<br />

Wichtige Open-Source-Anbieter sind Wordpress<br />

(vgl. www.wordpress.com), blogger.<br />

com (vgl. www.blogger.com), myblog.de<br />

(www.myblog.de), blog.de (vgl. www.blog.<br />

de), sowie eine dafür vorgesehene Lernaktivität<br />

innerhalb der Lernplattform Moodle<br />

(vgl. www.moodle.org).<br />

Auf der Webseite für Hochschullehre e-teaching.org<br />

(vgl. http://www.e-teaching.org,<br />

1.9.2012) werden folgende wesentliche<br />

Merkmale von Blogs zusammengefasst:<br />

• Einzel- <strong>und</strong> Gruppenprozesse werden<br />

unterstützt<br />

• es kann unter richtigem Namen oder<br />

unter einem Pseudonym geschrieben<br />

werden<br />

• Aktualität hat hohe Bedeutung<br />

• <strong>Beiträge</strong> sind oft sehr subjektiv verfasst<br />

(besonders Kommentare)<br />

• diskursives Schreiben wird gefördert<br />

• selbstgesteuerte kollaborative <strong>und</strong> individuelle<br />

Lernprozesse werden angeregt<br />

Für den Bildungsbereich ergeben sich für<br />

Christa Stocker drei wesentliche Funktionen<br />

des Einsatzes von Weblogs (vgl. Stocker<br />

2007: 101 f.):<br />

a) als persönlicher oder institutioneller Informationsspeicher<br />

b) als Reflexionsmedium<br />

c) als Diskurs- <strong>und</strong> Publikationsmedium für<br />

den Wissens- <strong>und</strong> Erfahrungstransfer<br />

Will Richardson betont den didaktischen<br />

Nutzen im Vergleich zu traditionellen<br />

Schreibmedien wie folgt:<br />

• „writing stops; blogging continues.<br />

• writing is inside; blogging is outside.<br />

• writing is monologue; blogging is conversation.“<br />

(Richardson 2006: 31)<br />

Eine Sonderform des Blogs ist der Podcast:<br />

Die Wortkreuzung entstand <strong>aus</strong> einer Kombination<br />

der Begriffe iPod (digitaler Medienplayer<br />

der Firma Apple) <strong>und</strong> Broadcast<br />

(R<strong>und</strong>funk). Ulrike Höbarth definiert einen<br />

Podcast wie folgt:<br />

„Als Podcasting bezeichnet man das Produzieren<br />

<strong>und</strong> Anbieten von Mediendaten<br />

(als Audio-Podcast oder als Video-Podcast)<br />

über das Internet. (...) Man kann Podcasts<br />

als Radio- oder Fernsehsendungen<br />

28| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Fritz Höfer BLOGS UND PODCASTS IM MUSIKUNTERRICHT<br />

auffassen, die sich unabhängig von den<br />

Sendezeiten konsumieren lassen.“ (Höbarth<br />

2010: 219)<br />

Blogs <strong>und</strong> Podcasts sind wesentliche Inhalte<br />

einer zweiten E-learning-Generation, welche<br />

als „E-learning 2.0“ (vgl. Downes 2005)<br />

bezeichnet wird <strong>und</strong> bei der die Lernperson,<br />

das Individuum <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

auch die Lerngruppe in den Mittelpunkt gestellt<br />

wird.<br />

Wesentlich erscheint hier das Erreichen folgender<br />

drei Ziele (vgl. Reinmann-Rothmeier<br />

2003):<br />

a) E-learning by distributing<br />

b) E-learning by interacting<br />

c) E-learning by collaborating<br />

Klassische Lernplattform einer ersten E-learning-Generation<br />

werden durch ein ‚Personal<br />

Learning Environment’ (PLE) abgelöst,<br />

eine auf Web 2.0 basierende Lernumgebung,<br />

welche sich den Bedürfnissen der NutzerInnen<br />

anpasst. (vgl. Kerres 2006)<br />

Zusammenfassend sollen also Blogs <strong>und</strong><br />

Pod casts neben anderen E-learning- <strong>und</strong><br />

Web 2.0-Tools Rahmenbedingungen schaffen,<br />

um Inhalte bereitzustellen, Interaktionen<br />

zwischen Lernendem/r <strong>und</strong> Zielgruppe zu<br />

ermöglichen <strong>und</strong> schließlich die Zusammenarbeit<br />

innerhalb einer Lerngruppe fördern.<br />

2. Lerntheoretische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Die Web 2.0-Tools Blog <strong>und</strong> Podcast können<br />

die onlinebasierte kollaborative Aneignung<br />

<strong>und</strong> Generierung von Wissen ermöglichen,<br />

dadurch wird ein Paradigmenwechsel der<br />

Lernkultur herbeigeführt. Experten bezeichnen<br />

deshalb unsere Gesellschaft, in der Internet<br />

sich zur Kulturtechnik erhob, auch als<br />

Wissensgesellschaft.<br />

Der Umgang mit der Informationsflut, ihrer<br />

Verarbeitung <strong>und</strong> der dazugehörige Trans-<br />

formationsprozess von Information zu Wissen<br />

gelten als Basisqualifikationen zukünftiger<br />

Generationen.<br />

Diese neue Lernkultur muss den Lernenden<br />

<strong>und</strong> die Reflexion des Lernprozesses in den<br />

Mittelpunkt stellen. In diesem Sinne müssen<br />

unsere SchülerInnen bzw. unsere StudentenInnen<br />

‚Lernen lernen’ durch eine zweidimensionale<br />

Sichtweise, bei der sowohl<br />

der Prozess des Wissensaufbaues als auch<br />

Wissen als Produkt betrachtet werden. So<br />

kann auch der Schritt von „trägem Wissen“<br />

zur Kompetenzorientierung gelingen. (vgl.<br />

Baumgartner 2005: 33f.)<br />

Konstruktivismus<br />

Dem oben beschriebenen Paradigmenwechsel<br />

liegt die Lerntheorie des Konstruktivismus<br />

zugr<strong>und</strong>e. Demnach entsteht<br />

Wissen <strong>aus</strong> einem aktiven Konstruktionsprozess,<br />

der von individuellen, emotionalen,<br />

sozialen <strong>und</strong> situativen Momenten beeinflusst<br />

wird. (vgl. Kurz 2006: 64f.) Niemand<br />

kann ‚gelernt werden’ bzw. kann Wissen<br />

nicht einfach ‚weitergegeben’ werden. In<br />

Anlehnung an die erkenntnistheoretische<br />

Herkunft dieser Auffassung muss konstatiert<br />

werden, dass es keine Erkenntnis ohne<br />

Subjekt geben kann.<br />

Eine genaue Analyse dieses individuellen<br />

Konstruktionsprozesses, der im Web 2.0 auch<br />

als ‚sozio-technisch’ beschrieben wird, stellt<br />

die Gr<strong>und</strong>lage der Erforschung von Lehr<strong>und</strong><br />

Lernprozessen mit Neuen Medien dar:<br />

„Die Kenntnis, wie das Individuum Wissen<br />

aufbaut <strong>und</strong> unter welchen Einflüssen dies<br />

passiert, muss im E-learning besonders beachtet<br />

werden, da es sich hier meist um<br />

selbstregulierendes, lernerzentriertes Lernen<br />

handelt.“ (Höfer 2011a: 21)<br />

Beim Lernen mit Neuen Medien <strong>und</strong> im Speziellen<br />

mit Blogs <strong>und</strong> Podcasts müssen demgemäß<br />

folgende Aspekte berücksichtigt<br />

werden:<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |29


BLOGS UND PODCASTS IM MUSIKUNTERRICHT Fritz Höfer<br />

• Neue SchülerInnenrolle:<br />

Der/die Lernende ist für den Lernerfolg<br />

größtenteils selbstverantwortlich. Selbstreguliertes<br />

<strong>und</strong> selbstgesteuertes Lernen<br />

bestimmen den Lernprozess <strong>und</strong><br />

fordern neue Wege der Evaluation ein.<br />

Daher müssen Schüler „ihre Lernprozesse<br />

selber im Hinblick auf Lernziel(e) <strong>und</strong><br />

Lernmethode(n) planen können (…); ihre<br />

Pläne realisieren <strong>und</strong> im Zug dieser Realisierung<br />

im Sinne einer laufenden Selbstkontrolle<br />

abschätzen können, ob sie gemäß<br />

ihren Plänen vorgehen, ob diese<br />

zum anfangs (von ihnen) festgelegten<br />

Ziel führen <strong>und</strong> es daher sinnvoll ist, planmäßig<br />

weiterzugehen oder aber ob der<br />

Plan aufgr<strong>und</strong> von auftretenden Schwierigkeiten<br />

entweder im Detail oder zur<br />

Gänze revidiert werden muss; ihre Lernprozesse<br />

im Hinblick auf deren Ergebnisse<br />

<strong>und</strong> die jeweils gewählten Lernwege<br />

evaluieren können.“ (Hofmann 2000: 47)<br />

Die Fähigkeit, den eigenen Lernprozess<br />

auf einer Metaebene zu reflektieren <strong>und</strong><br />

zu koordinieren, ist in diesem Sinne eine<br />

notwendige Gr<strong>und</strong>vor<strong>aus</strong>setzung. Empirische<br />

Studien (Perry 1998: 715, Hofmann<br />

2000: 72) belegen, dass diese Kompetenz<br />

sich am Beginn der Sek<strong>und</strong>arstufe I erst<br />

entwickelt.<br />

• Neue LehrerInnenrolle:<br />

Die Lehrperson nimmt mehr die Rolle eines<br />

Trainers, Coachs <strong>und</strong> Beraters ein, sie<br />

begleitet den Lernprozess <strong>und</strong> stellt Lernhilfen<br />

zur Verfügung.<br />

• Einfluss der Lerngruppe:<br />

Durch die Interaktion mit der Lerngruppe<br />

kann neues Wissen generiert werden<br />

<strong>und</strong> neue Formen einer „Kollektiven<br />

Intelligenz“(vgl. Bernhardt & Kircher 2007)<br />

können entstehen.<br />

• Vom Stoffvermittlungs-Paradigma zum<br />

Problemlösungs-Paradigma:<br />

(Vgl. Höfer 2011a:124f.) Ausgangspunkt<br />

des Lernprozesses stellt nicht einfach ein<br />

Stoffgebiet, sondern eine Problemstellung<br />

dar, welche der/die Lernende durch<br />

bestehende <strong>und</strong> zu entwickelnde Kompetenzen<br />

lösen soll.<br />

Konnektivismus<br />

Diese Lerntheorie wird oft als „Lerntheorie<br />

des digitalen Zeitalters“ (Vgl. Bernhardt &<br />

Kirchner 2007: 36) bezeichnet. Wissen überholt<br />

sich in unserer schnelllebigen Mediengesellschaft<br />

sehr schnell selbst <strong>und</strong> wird<br />

dabei auch ständig neu generiert. Bestehendes<br />

Wissen repliziert sich selbst <strong>und</strong> wird<br />

in jeder Replik erweitert bzw. revidiert. „Der<br />

Verstand ist daher im Sinne des Konnektivismus<br />

als eine verbindungsknüpfende Struktur<br />

anzusehen. Nach dieser Auffassung wird<br />

nicht ständig konstruiert, sondern permanent<br />

verb<strong>und</strong>en. Somit wird der Verstand zu<br />

einem Netzwerk einer Lernökologie, die sich<br />

an ihre Umgebung anpasst.“ (Bernhardt &<br />

Kirchner 2007: 42) In diesem Sinne ist Lernen<br />

ein niemals abgeschlossener Prozess, sondern<br />

avanciert zum lebenslangen Lernen.<br />

Beim Aufbau der beschriebenen Verbindungen<br />

sowohl im Bereich der Inhalte als auch<br />

im Bereich des sozialen Netzwerkes kann<br />

die Anwendung von Blogs <strong>und</strong> Podcasts als<br />

Gr<strong>und</strong>lage dienen.„Learning is the process<br />

of creating networks. (...) The act of learning<br />

(...) is one of creating an external network<br />

of nodes – where we connect and form information<br />

and knowledge sources. The learning<br />

that happens in our heads is an internal<br />

network (neural) connecting and creating<br />

patterns of <strong>und</strong>erstanding.“ (Siemens 2006:<br />

29) Die Rolle des/der Lehrenden besteht<br />

darin, dass er/sie dabei hilft, Verbindungen<br />

(connections) aufzubauen <strong>und</strong> zu fördern.<br />

30| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Fritz Höfer BLOGS UND PODCASTS IM MUSIKUNTERRICHT<br />

3. Innovative Dimensionen für den<br />

Musikunterricht <strong>und</strong> die Hochschul<strong>aus</strong>bildung<br />

durch den Einsatz von<br />

Blogs <strong>und</strong> Podcasts<br />

• Multimedialer Aspekt:<br />

Die Zusammenführung verschiedener Medien<br />

(Text, Grafik, Bild, Video, Animation) in<br />

Form von multimedialen Bildungsangeboten<br />

bzw. im Speziellen bei Blogs <strong>und</strong> Podcasts<br />

machen einen Mehrwert beispielsweise<br />

im Vergleich zum traditionellen<br />

Schulbuch sehr schnell deutlich. Besonders<br />

für den Musikunterricht stellt die Verbindung<br />

von auditiven <strong>und</strong> visuellen Medien<br />

einen hohen didaktischen Wert dar:<br />

„Will man die Jugendlichen im Musikunterricht<br />

erreichen <strong>und</strong> sie im Bereich des<br />

Hörens stärker sensibilisieren, muss man ihren<br />

speziell auditiv-visuellen Umgang mit<br />

Musik aufgreifen. Sie haben durch ihre<br />

Mediennutzung gelernt, die Musik stets<br />

intermodal wahrzunehmen. Sie haben im<br />

täglichen Umgang spezielle Reizverarbeitungstechniken<br />

erworben, die es ihnen<br />

erleichtern, mit dieser Reizflut umzugehen.<br />

Diese Verarbeitungstechniken können für<br />

den Musikunterricht positiv nutzbar gemacht<br />

werden.“ (Schmitz 2005: 25)<br />

• Computer als Hilfsmittel, Lernobjekt <strong>und</strong><br />

Musikinstrument:<br />

Beim Erstellen von Blogs <strong>und</strong> Podcasts<br />

kann der Computer Hilfsmittel sein, um<br />

musikbezogene Kompetenzen zu entwickeln.<br />

Er wird aber auch zum Lernobjekt,<br />

wenn es beispielsweise darum<br />

geht, die Möglichkeiten einer bestimmten<br />

Software <strong>aus</strong>zuloten. Darüber hin<strong>aus</strong><br />

bieten diverse interaktive Webseiten,<br />

Apps <strong>und</strong> Freewareprogramme die<br />

Möglichkeit, den Computer als Musikinstrument<br />

(auch für NichtinstrumentalistenInnen)<br />

(vgl. Medienpädagogischer<br />

Forschungsverband Südwest 2007: 42)<br />

zu nutzen. Die dar<strong>aus</strong> resultierende Musikproduktion<br />

kann dann wiederum in<br />

Blogs <strong>und</strong> Podcasts verwendet werden.<br />

„Mit der virtuellen <strong>und</strong> interaktiven Online-<br />

Nutzbarkeit von Musikinstrumenten <strong>und</strong><br />

von Musik überhaupt werden die NutzerInnen<br />

künftig musikalische Produkte nach<br />

ihren Bedürfnissen für den eigenen Gebrauch<br />

editieren können: die Funktionen<br />

von Rezipient <strong>und</strong> Produzent beginnen zu<br />

konvergieren.“ (Knolle 1998: 323)<br />

• Kollaboratives Lernen <strong>und</strong> die Nutzung<br />

neuer Kommunikationsformen:<br />

Blogs <strong>und</strong> Podcasts können als Lernplattform<br />

für kollaboratives Arbeiten, <strong>aus</strong> dem<br />

sich häufig bessere Lernergebnissen erzielen<br />

lassen (vgl. Konrad 2001: 125) <strong>und</strong> welches<br />

zeitlich <strong>und</strong> örtlich nicht fixiert sein muss,<br />

genutzt werden. So verschwinden auch die<br />

Grenzen zwischen formellem- <strong>und</strong> informellem<br />

Lernen. Besonders die Kommentarfunktion<br />

ermöglicht asynchrone Kommunikation<br />

innerhalb der Lerngruppe. Eine<br />

Diskussion über Musik kann beispielsweise<br />

schon unter Berücksichtigung verschiedener<br />

Rezensionen einer CD auf der Webseite<br />

von Amazon (vgl. www.amazon.com)<br />

geführt werden. Als weiteres Beispiel wäre<br />

die Plattform So<strong>und</strong>cloud (vgl. www.so<strong>und</strong>cloud.com),<br />

auf der die NutzerInnen Musik<br />

hochladen, <strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>chen <strong>und</strong> an jeder<br />

Stelle kommentieren können, zu nennen.<br />

Beide Beispiele ermöglichen musikbezogenes<br />

informelles Lernen. Welche ästhetischen<br />

Kriterien im Diskurs r<strong>und</strong> um die<br />

Musikbeispiele dort angewandt werden,<br />

ist von großer musikpädagogischer Bedeutung.<br />

(vgl. von Appen 2007)<br />

• Interdisziplinarität:<br />

Eine musikbezogene Onlinerecherche<br />

im Internet ist per se interdisziplinär, da<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |31


BLOGS UND PODCASTS IM MUSIKUNTERRICHT Fritz Höfer<br />

der gesuchte Begriff meist in unterschiedlichsten<br />

Zusammenhängen <strong>und</strong><br />

Wissensgebieten auftaucht. Durch die<br />

Hyperlinktechnologie kann die Interdisziplinarität<br />

im Netz noch bereichert<br />

werden. So wird ‚vernetztes Denken’ im<br />

Sinne des oben beschriebenen Konnektivismus<br />

bei der Arbeit mit dem Internet<br />

stets mit trainiert.<br />

• Innere Differenzierung:<br />

Der Einsatz von Web 2.0-Tools ermöglicht<br />

die Individualisierung des Lernprozesses,<br />

indem Lerntempo <strong>und</strong> spezifische Interessen<br />

der Lernenden berücksichtigt werden<br />

können. Besonders im Musikunterricht<br />

spielen diese beiden Parameter eine große<br />

Rolle. Traditionelle Unterrichtsformen<br />

lassen diese Qualität oft weniger zu.<br />

4. Ideen für die Unterrichtspraxis<br />

4.1 Für den Musikunterricht der Sek<strong>und</strong>arstufe<br />

• SchülerInnen gestalten Podcasts zu lehrplanrelevanten<br />

Themen (Werkbegegnung,<br />

Komponistenportrait, Instrumentenk<strong>und</strong>e).<br />

Für die Realisierung dieser Unterrichtsidee<br />

kann ein einfaches Audiobearbeitungsprogramm<br />

wie beispielsweise Audacity<br />

(vgl. www.audacity.de) verwendet werden.<br />

Die Ergebnisse können zu einem<br />

Blog zusammengefasst werden. Der folgende<br />

Screenshot stammt von einem<br />

Projekt <strong>aus</strong> dem Musikunterricht am BG/<br />

BRG Leibnitz in der Steiermark.<br />

• Online Clustering<br />

Die Lehrperson stellt einen Blog mit einem<br />

gemeinsamen Klassenaccount (oder<br />

auch in Form von Gruppenaccounts)<br />

zur Verfügung, der ein musikbezogenes<br />

Thema durch verschiedene Postings in<br />

Screenshot: http://wait.at/klassikpodcast/<br />

Teilthemen gliedert. Die Schüler sollen<br />

nun Materialien sammeln <strong>und</strong> ähnlich einer<br />

Mindmap den Teilthemen zuordnen.<br />

Durch die Kommentarfunktion ist eine<br />

Kommunikationsmöglichkeit der Schüler<br />

über die Musikst<strong>und</strong>e <strong>und</strong> den Klassenverband<br />

hin<strong>aus</strong> möglich.<br />

• Lernstationen mit Blog <strong>und</strong> Podcast<br />

Der Einsatz von Lernstationen im Unterricht<br />

bedeutet oft eine ‚Materialschlacht’,<br />

dies kann durch den Einsatz<br />

von Neuen Medien verhindert werden.<br />

Die musikbezogenen Lernstationen (welche<br />

im Blog bearbeitet <strong>und</strong> präsentiert<br />

werden) können <strong>aus</strong> folgenden Möglichkeiten<br />

schöpfen: interaktive Mitlesepartituren,<br />

Höraufgaben mit Notenbeispielen,<br />

Diskussionsforum mit zu kommentierenden<br />

Zitaten, Kompositionsaufgaben mittels<br />

einfacher Musikproduktionssoftware<br />

(Sequel, Audacity, Garage Band...)...<br />

32| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Fritz Höfer BLOGS UND PODCASTS IM MUSIKUNTERRICHT<br />

• Kollaboratives Arbeiten an einem<br />

Musikstück<br />

Im Internet finden sich einige Web<br />

2.0-Plattformen (vgl. http://www.rifflet.<br />

com, http://www.kompoz.com, http://<br />

standby.tho<strong>und</strong>s.com), welche das kollaborative<br />

Arbeiten an Musikstücken<br />

ermöglichen. Meistens werden hier Teile<br />

von Musikstücken (oft nur einzelne<br />

Spuren) angeboten, welche dann von<br />

anderen Mitgliedern der Community<br />

ergänzt werden können. Neben der<br />

Up- <strong>und</strong> Downloadfunktion von Musik<br />

stehen auch verschiedene Kommunikationsmöglichkeiten<br />

für die Mitglieder der<br />

Plattform bereit. Auf tho<strong>und</strong>s (vgl. http://<br />

standby.tho<strong>und</strong>s.com) kann sogar online<br />

via Browser aufgenommen werden.<br />

Diese Anwendungen ermöglichen auch<br />

Gruppenarbeiten außerhalb des Klassenrverbandes,<br />

was für die Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler eine gelungene Abwechslung<br />

darstellen dürfte.<br />

Neben Blog <strong>und</strong> Podcast bieten hier<br />

auch Wikis zahlreiche interessante Möglichkeiten<br />

für den Musikunterricht. (Vgl.<br />

Höfer 2011b)<br />

4.2 Für die Hochschullehre im Musikbereich<br />

• E-Portfolio:<br />

Studierende können Blogs <strong>und</strong> Podcasts<br />

nutzen, um einzelne oder mehrere Lehrveranstaltungen<br />

zu dokumentieren, zu<br />

reflektieren oder auch zu evaluieren. Auf<br />

diese Weise werden sowohl Lernergebnisse<br />

als auch Lernprozesse offengelegt.<br />

(vgl. Kerres 2006: 5)<br />

• Einsatz von Podcasts bei der künstlerischen<br />

Ausbildung am Instrument:<br />

Studierende sollen ihr Instrumentalspiel<br />

oder Gesang auf einer Metaebene be-<br />

urteilen lernen <strong>und</strong> dar<strong>aus</strong> Erkenntnisse<br />

für den weiteren Lernverlauf gewinnen.<br />

Die Lerngruppe kann dabei zeitweise die<br />

Rolle der Lehrperson übernehmen.<br />

• Musikbezogene Link- <strong>und</strong> Materialsammlung:<br />

Im Laufe des Studiums begegnen den<br />

Studierenden immer wieder Links, Materialien<br />

<strong>und</strong> Literaturangaben, welche für<br />

den späteren Berufsalltag als MusiklehrerIn<br />

von Bedeutung sind. Blog <strong>und</strong> Podcast<br />

können dabei helfen, diese zu sammeln,<br />

zu katalogisieren <strong>und</strong> auch innerhalb der<br />

Lerngruppe <strong>aus</strong>zut<strong>aus</strong>chen.<br />

• Einsatz von Podcasts im Hochschulunterricht:<br />

Fazit<br />

Interviews mit Experten <strong>und</strong> Expertinnen<br />

bzw. auch Künstlern <strong>und</strong> Künstlerinnen<br />

können in Online- <strong>und</strong> Präsenzlehrveranstaltungen<br />

integriert werden. Darüber hin<strong>aus</strong><br />

können auch Vorlesungsmittschnitte<br />

ähnlich dem Prinzip einer Fernuniversität<br />

das Unterrichtsangebot bereichern.<br />

Weblogs <strong>und</strong> Podcasts eignen sich im Musikunterricht<br />

<strong>und</strong> der dazugehörigen LehrerInnen<strong>aus</strong>bildung<br />

in besonderer Weise für<br />

problembasierte Themenstellungen (beispielsweise<br />

im Bereich von ästhetischen<br />

Fragestellungen). Sie legen persönliche<br />

Lernprozesse offen, helfen musikbezogene<br />

Kompetenzen zu entwickeln <strong>und</strong> fördern<br />

selbstreguliertes <strong>und</strong> informelles Lernen. Dies<br />

bietet das F<strong>und</strong>ament im Prozess des lebenslangen<br />

Lernens.<br />

Im Vergleich zur ersten E-Learning-Generation<br />

kann die Kombination von bis dato<br />

monolithischen Lernplattformen mit Web<br />

2.0-Anwendungen besonders für den Musikunterricht<br />

einen Quantensprung bedeuten,<br />

indem der/die einzelne SchülerIn mit seinen<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |33


BLOGS UND PODCASTS IM MUSIKUNTERRICHT Fritz Höfer<br />

oder ihren individuellen musikalischen Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> Interessen in den Mittelpunkt<br />

des Lernprozesses rückt.<br />

Für die Zukunft gilt es, dazu eine musikpädagogische<br />

Medienkompetenz <strong>und</strong> Internetdidaktik<br />

zu entwickeln, sodass der ‚Musikunterricht<br />

2.0’ weiterhin einen wesentlichen<br />

Beitrag zur Allgemeinbildung <strong>und</strong> zur Lebensbewältigung<br />

leistet.<br />

Literatur<br />

Baumgartner, Peter (2005). Eine neue Lernkultur entwickeln: Kompetenzbasierte<br />

Ausbildung mit Blogs <strong>und</strong> E-Portfolios. In: Veronika Hornung-Präh<strong>aus</strong>er<br />

(Hg.): ePortfolio Forum Austria <strong>Salzburg</strong>: <strong>Salzburg</strong> research. 33-38.<br />

Downes, Stephen (2005): E-learning 2.0. In: eLearnMagazine, October<br />

17, 2005, Online verfügbar unter: http://elearnmag.acm.org/featured.<br />

cfm?aid=1104968 [Stand: 19.9.2012].<br />

Höbarth, Ulrike (2010): Konstruktivistisches Lernen mit Moodle. Praktische<br />

Einsatzmöglichkeiten in Bildungsinstitutionen. Boizenburg: vwh.<br />

Höfer, Fritz (2011a): E-learning im Musikunterricht. Forschungsaufgaben im<br />

Diskurs. Wien: Universal Edition.<br />

Höfer, Fritz (2011b): Wikis im Musikunterricht. In: Musik <strong>und</strong> Unterricht 102,<br />

Oldersh<strong>aus</strong>en: Lugert Verlag, 52-55.<br />

Hofmann, Franz (2000): Aufbau von Lernkompetenzen fördern. Neue<br />

Wege zur Realisierung eines bedeutsamen pädagogischen Ziels. Innsbruck:<br />

Studienverlag.<br />

Kerres, Michael (2006): Potentiale von Web 2.0 nutzen. Online verfügbar<br />

unter: http://mediendidaktik.uni-duisburg-essen.de/system/files/sites/medida/files/web20-a.pdf<br />

[Stand: 19.9.2012].<br />

Knolle, Nils (1998): Zur Bedeutung von ‚Multimedia„ für den Musikunterricht.<br />

In: Martin Pfeffer, Martin & Jürgen & Ursula Eckkart-Bäcker & Eckhard Nolte<br />

(Hg): Systematische Musikpädagogik. oder: Die Lust am pädagogisch geleiteten<br />

Nachdenken. (Forum Musikpädagogik, Band 34. Eine Festgabe für<br />

Hermann J. Kaiser zum 60. Geburtstag). Augsburg: Wißner Verlag, 314-328.<br />

Konrad, Kl<strong>aus</strong> (2001): Selbstregulative Prozesse <strong>und</strong> Wissenserwerb. Ein<br />

Vergleich zwischen Lerntandems <strong>und</strong> Einzellernen. In: Psychologie in Erziehung<br />

<strong>und</strong> Unterricht 48, 120-134.<br />

Kurz, Raphael (2006): Exploration innovativer virtueller Lernräume im Internet<br />

<strong>und</strong> die sich dar<strong>aus</strong> ergebenden Impulse für die Ausbildung von<br />

Sozialpädagoginnen <strong>und</strong> Sozialpädagogen. Diplomarbeit, <strong>Hochschule</strong><br />

Darmstadt, Fachbereich Sozialpädagogik.<br />

Medienpädagogischer Forschungsverb<strong>und</strong> Südwest (Hg.) (2007):<br />

JIM2007. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisstudie zum Medienumgang<br />

12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart: Eigenverlag.<br />

Müller, Rager & Schumann, Wolfgang: Lernen 2.0. Online verfügbar unter:<br />

http://www.dadalos-d.org/web20/lernen_20.htm [Stand: 1.9.2012].<br />

O´Reilly, Tim: What is Web. 2.0? Online verfügbar unter: http://www.oreilly.<br />

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Perry, Nancy (1998): Young children´s self-regulated learning and contexts<br />

that support it. In: Journal of Educational Psychology, 90, 715-729.<br />

Reinmann-Rothmeier, Gabi (2003): Didaktische Innovation durch Blended<br />

Learning: Leitlinien anhand eines Beispiels <strong>aus</strong> der <strong>Hochschule</strong>. Bern: Huber.<br />

Richardson, Will (2006), Blogs, Wikis, Podcasts, and Other Powerful Web<br />

Tools for Classrooms. California: Corwin.<br />

Schmidt, Jan (2006): Social Software: Onlinegestütztes Informations-, Identitäts-<br />

<strong>und</strong> Beziehungsmanagement. In: Forschungsjournal Neue Soziale<br />

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Schmitz, Peter (2005): Hört das Auge auch ohne das Ohr? Multisensuelle<br />

Musikerfahrungen Jugendlicher <strong>und</strong> ihre musikpädagogische Her<strong>aus</strong>forderung.<br />

In: Diskussion Musikpädagogik 25/05. Oldenburg: Lugert Verlag, 24-30.<br />

Siemens, George (2006): Knowing Knowledge. Raleigh: Lulu.<br />

Stocker, Christa (2007): Zwischen Wunsch <strong>und</strong> Wirklichkeit: Weblogs im<br />

Hochschulunterricht. In: Ulrich Dittler & Michael Kindt & Christine Schwarz<br />

(Hg.): Online Communities als soziale Systeme: Wikis, Weblogs <strong>und</strong> Social<br />

Software im E-Learning. Münster: Waxmann, 97-114.<br />

von Appen, Ralf (2007): Der Wert der Musik. Zur Ästhetik des Populären.<br />

Bielefeld: transcript.<br />

Internetquellen ohne Verfasserangaben<br />

www.amazon.com [Stand 19.9.2012]<br />

www.audacity.de [Stand 19.9.2012]<br />

http://www.dadalos-d.org/web20/lernen_20.htm [Stand 1.9.2012]<br />

www.facebook.com [Stand 19.9.2012]<br />

www.kompoz.com [Stand 19.9.2012]<br />

www.moodle.org [Stand 19.9.2012]<br />

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www.rifflet.com [Stand 19.9.2012]<br />

www.so<strong>und</strong>cloud.com [Stand 19.9.2012]<br />

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www.youtube.com [Stand 19.9.2012]<br />

www.wordpress.com [Stand 19.9.2012]<br />

34| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Michael Manhart LEBENEDE FREMDSPRACHEN AN DER VOLKSSCHULE<br />

Lebende Fremdsprachen an der Volksschule<br />

Eine Bestandsaufnahme mit Blick auf das Europäische Sprachenportfolio<br />

Michael Manhart<br />

„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die<br />

Grenzen meiner Welt.“ (Ludwig Wittgenstein, Tractatus, 5.6)<br />

In diesem Artikel wird der Fremdsprachenunterricht an der Volksschule von verschiedenen Blickwinkeln<br />

<strong>aus</strong> beleuchtet. Zu Beginn unternehmen wir einen Ausflug in die Geschichte, um die<br />

Rahmenbedingungen des Fremdsprachenunterrichts der Elementarstufe in Österreich heute besser<br />

zu verstehen. Danach werden Aspekte beschrieben, die im frühen Fremdsprachenerwerb wichtige<br />

Gr<strong>und</strong>lagen darstellen. Abschließend betrachten wir das „Europäische Sprachenportfolio“ <strong>und</strong><br />

die neueste Entwicklung für den Fremdsprachenunterricht in der Volksschule, den „Katalog für<br />

Gr<strong>und</strong>kompetenzen für die vierte Schulstufe“.<br />

Die Anfänge in Österreich bis heute:<br />

In den 1960er Jahren startete der Europarat<br />

eine Initiative, um das Erlernen von Fremdsprachen<br />

zu unterstützen. 1962 begannen<br />

erste Vorversuche in Wien (vgl. Kafka/Rohrauer:<br />

1977). In einem Vorversuch wurde in 18<br />

Klassen eine St<strong>und</strong>e Englisch pro Woche in<br />

der vierten Schulstufe eingeführt. 1966 folgte<br />

dann die dritte Schulstufe <strong>und</strong> der Vorversuch<br />

wurde 1970 zum Schulversuch. Weitere<br />

dreizehn Jahre später wurde Englisch dann<br />

als „verbindliche Übung“ ins Regelschulwesen<br />

aufgenommen. Zunächst war der Unterricht<br />

rein mündlich geprägt <strong>und</strong> es wurde<br />

empfohlen, die St<strong>und</strong>e auf zwei Halbst<strong>und</strong>en<br />

aufzuteilen, um damit die Konzentrationsspanne<br />

der Schüler besser bedienen zu<br />

können (vgl. Felberbauer 2012: 186ff).<br />

Damit ist der Erwerb einer lebenden Fremdsprache<br />

seit 1983 fest im österreichischen<br />

Schulsystem verankert. Ab dem ersten<br />

Schuljahr kommen unsere Kinder in den<br />

Genuss einer verbindlichen Übung, wobei<br />

in der Gr<strong>und</strong>stufe eins der Fremdsprachenunterricht<br />

in die Unterrichtsfächer integriert<br />

wird <strong>und</strong> in der Gr<strong>und</strong>stufe zwei eine St<strong>und</strong>e<br />

dafür <strong>aus</strong>gewiesen wird (vgl. BGBl. II Nr.<br />

303/2012). Es stehen auch noch weitere Modelle<br />

zur Verfügung, die eine Vertiefung der<br />

lebenden Fremdsprache im Rahmen von<br />

Schulversuchen ermöglichen. Meist handelt<br />

es sich bei der Lebenden Fremdsprache<br />

um Englisch, wobei auch andere Sprachen<br />

(Französisch oder Sprachen von Nachbarländern)<br />

unterrichtet werden können (vgl.<br />

BGBl. II Nr. 303/2012).<br />

Hintergründe:<br />

Der Lehrplan gibt den LehrerInnen einen<br />

Handlungsspielraum im Bereich der Lebenden<br />

Fremdsprachen vor. In den ersten zwei<br />

Jahren wird der Fremdsprachenunterricht<br />

im Rahmen aller Unterrichtsgegenstände<br />

gehalten. Um eine fremde Sprache schon in<br />

sehr frühen Jahren zu erlernen, ist es über<strong>aus</strong><br />

wichtig, dass die LehrerIn einerseits eine passende<br />

Methodik anwendet <strong>und</strong> andererseits<br />

eine möglichst gute Sprachkompetenz<br />

mitbringt (worauf in der Schlussbemerkung<br />

eingegangen wird). Weiters ist es von großer<br />

Bedeutung, viele Berührungspunkte mit<br />

der Zielsprache zu bieten. „Der Grad der<br />

Sicherheit des Lerners wird mit der Intensität<br />

des Umganges mit der Fremdsprache<br />

wachsen, auch mit dem Einsatz von nichtverbalen<br />

Kommunikationsmitteln <strong>und</strong> dem<br />

Aufgreifen des Vor- <strong>und</strong> Weltwissens der Lerner.“<br />

(Bleyhl 2000: 7). Die SchülerInnen können<br />

sehr viel <strong>aus</strong> dem Kontext erfahren <strong>und</strong><br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |35


LEBENEDE FREMDSPRACHEN AN DER VOLKSSCHULE Michael Manhart<br />

somit auch in der Fremdsprache verstehen.<br />

Es hilft ihnen auf, ihr „Weltwissen“ zurückzugreifen,<br />

um neue Sprache über diesen holistischen<br />

Zugang zu erlernen. Dieser Ansatz<br />

wird über den fächerübergreifenden <strong>und</strong><br />

integrativen Unterricht verwirklicht. Um den<br />

Schritt vom Verstehen zum Anwenden zu unterstützen,<br />

muss die Lehrperson ein Umfeld<br />

schaffen, das die SchülerInnen dazu anregt,<br />

die Sprache lustbetont zu nutzen.<br />

Da Sprache nicht linear lernbar ist, setzt das<br />

Erlernen einer Fremdsprache einen komplexen<br />

Ablauf in Gang. Das wiederum führt zu<br />

sehr großen Her<strong>aus</strong>forderungen für die Lehrpersonen,<br />

die diesen verzweigten Lernprozess<br />

möglichst gut unterstützen sollen. 1983<br />

hat Jeremy Harmer bereits vom „Input and<br />

output“-Modell geschrieben: „We can divide<br />

classroom activities into two main categories:<br />

those that give the students input,<br />

and those which encourage them to produce<br />

output. Whether acquisition or conscious<br />

learning take place, there will be stages at<br />

which language is somehow being ´put<br />

into´ the student’s brain. If students only get<br />

this language input, however, they may end<br />

up with a lot of language items separately<br />

stored away, but with no ability to retrieve<br />

these items when they need them. It is only<br />

when the students are asked to produce<br />

and use language that they are forced to<br />

assess the language they have stored in<br />

their brains.“ (Harmer 1983: 34) Es kann der<br />

Schluss gezogen werden, dass es wichtig ist,<br />

viele Gelegenheiten zu bieten, in denen die<br />

SchülerInnen Sprache aktiv anwenden können.<br />

Ansätze, um Sprache zu le(h)r(n)en bis<br />

hin zu Kommunikation:<br />

Dem Lernenden soll systematische Unterstützung<br />

angeboten werden. Der Begriff<br />

´Scaffolding´ wird in der Linguistik wie im Folgendem<br />

beschrieben: „Scaffolding is essentially<br />

an instructional strategy which ensures<br />

that the child can gain confidence and<br />

take control of the task (for example: counting<br />

the stars) or parts of the task as soon as<br />

he or she is willing and able to. At the same<br />

time, he or she is offered immediate, meaningful<br />

support whenever stuck. […] The<br />

adult also ensures that the learner stays on<br />

track and is motivated to finish the task. The<br />

support is carefully adjusted to the needs<br />

of the individual child.“ (Pinter 2006: 11-12)<br />

Es ist eine Her<strong>aus</strong>forderung, diesem Ansatz<br />

im Unterricht Folge zu leisten, wenn nur ein<br />

kleiner Teil einer St<strong>und</strong>e für den Fremdsprachenunterricht<br />

herangezogen wird. Offene<br />

Lernformen eignen sich jedoch hervorragend<br />

dafür, diese Art der Unterstützung den<br />

Kindern bei Bedarf zukommen zu lassen, da<br />

das in der Großgruppe schwer zu realisieren<br />

ist. Es ist jedoch auch nicht möglich, den<br />

Fremdsprachenunterricht gänzlich in die offenen<br />

Lernphasen zu transferieren - das ist<br />

in dieser Ausführung auch überhaupt nicht<br />

gedacht. In den offenen Lernphasen sollte<br />

lediglich ein kleiner Teil der zur Verfügung<br />

stehenden Zeit herangezogen werden. Zusätzlich<br />

wäre es möglich, mit einem Helfersystem<br />

die SchülerInnen zu bestärken, deren<br />

Möglichkeiten etwas höher liegen, um anderen<br />

SchülerInnen zu helfen.<br />

Um die SchülerInnen zu Kommunikation zu<br />

führen, sind nach Drese vier Stufen nötig:<br />

Imitation, Reproduktion, Teilreproduktion <strong>und</strong><br />

Produktion (vgl. Drese 2007: 45ff). Diese Konzepte<br />

kehren in einschlägiger Literatur immer<br />

wieder. Unter Imitation versteht man das<br />

unmittelbare Wiedergeben der Vorgabe.<br />

Unter Reproduktion versteht man auch die<br />

Wiedergabe der Vorgabe, aber nicht unmittelbar<br />

danach, sondern mit zeitlichem Abstand.<br />

Teilreproduktion zeichnet sich durch<br />

eine leichte Variation der Vorgabe <strong>aus</strong> <strong>und</strong><br />

die Produktion (das Ziel des Fremdsprachenerwerbes)<br />

beschreibt das freie Anwenden<br />

der Vorgaben, um eine Redeabsicht zu realisieren.<br />

Sprache wird dazu benutzt, um<br />

sich seinem Gegenüber mitzuteilen. Constanze<br />

Dreßler schreibt: „Wichtig ist, dass die<br />

Lernenden regelmäßig solchen Aufgaben<br />

36| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Michael Manhart LEBENEDE FREMDSPRACHEN AN DER VOLKSSCHULE<br />

Der Fremdsprachenunterricht hat in Österreich<br />

eine lange Tradition. Für die SchülerInnen<br />

beginnt der Englischunterricht bereits in<br />

der ersten Klasse Volksschule <strong>und</strong> ist durchgängig<br />

bis zur Matura im Curriculum veranbegegnen.<br />

Ein kreativer Sprachgebrauch<br />

tritt nur auf, wenn den Schülern regelmäßig<br />

Freiräume zum Sprachhandeln geboten<br />

werden. Immer wieder müssen im Unterricht<br />

Schutzräume geschaffen werden, in denen<br />

die Lernenden in sogenannten ‚show and<br />

tell‘ Situationen, bei denen der Fokus auf<br />

dem Output der Lernenden liegt, ihr Können<br />

unter Beweis stellen.“ (Dreßler 2012: 131)<br />

Diese Räume müssen den SchülerInnen im<br />

Fremdsprachenunterricht zur Verfügung stehen<br />

<strong>und</strong> sollten nach Möglichkeit systematisch<br />

unterstützt (scaffolding) werden, um es<br />

zu ermöglichen, dass die SchülerInnen Ihre<br />

Sprachbeherrschung weiter <strong>aus</strong>bauen.<br />

Ein gemeinsamer Kompetenzenkatalog:<br />

In den 1990er Jahren startete der Europarat<br />

zwei weitere Initiativen, die den Fremdsprachenunterricht<br />

unterstützen, zum einen den<br />

„Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen<br />

zum Sprachenlernen (GERS)“ <strong>und</strong> zum<br />

anderen das „Europäische Sprachenportfolio<br />

(ESP)“ (vgl. Council of Europe: 2011). Der<br />

GERS ist ein didaktisch orientiertes Rahmenwerk<br />

zur Beschreibung der Kompetenzen<br />

welche von Niveau A1 bis C2 eingeteilt werden,<br />

wobei das Niveau A1 die unterste Stufe<br />

darstellt. Dieses Rahmenwerk ist jedoch für<br />

die Sek<strong>und</strong>arstufen I <strong>und</strong> II konzipiert. Die<br />

Volksschule ist damit nicht adressiert. Das<br />

ESP gibt es dagegen in drei Ausführungen:<br />

ESP-G (Gr<strong>und</strong>schule), ESP-M (Sek<strong>und</strong>arstufe<br />

I, Mittelstufe), ESP-15+ (Sek<strong>und</strong>arstufe II, AHS/<br />

BMHS, gemeinsam mit dem CEBS (Center<br />

für Berufsbezogene Sprachen)). Beim ESP-G<br />

wurde inhaltlich <strong>und</strong> formal besonders auf<br />

die Bedürfnisse der Volksschulkinder Rücksicht<br />

genommen <strong>und</strong> der Schwerpunkt liegt<br />

darauf, die Gr<strong>und</strong>kompetenzen A1 nach<br />

dem GERS sichtbar zu machen. Das ESP-G<br />

wurde von 2007 bis 2008 evaluiert <strong>und</strong> es<br />

kam zu folgender Schlussfolgerung seitens<br />

des Österreichischen Sprachenkompetenzzentrums:<br />

„Die Ergebnisse der Evaluierung<br />

waren durch<strong>aus</strong> erfreulich. Die PilotlehrerInnen<br />

äußerten sich durchwegs positiv zum<br />

Einsatz des ESP in der Gr<strong>und</strong>schule. Das ESP-<br />

G wurde als Bereicherung des Unterrichts<br />

angesehen, da es – laut Einschätzung der<br />

PilotlehrerInnen – dabei hilft, das integrative<br />

Lernen zu unterstützen, eine Bewusstseinsbildung<br />

zu bewirken, die Selbsteinschätzung zu<br />

fördern oder Vorurteile abzubauen.“ (Österreichisches<br />

Sprachenkkompetenzzentrum:<br />

2009) Dieser gemeinsame Referenzrahmen<br />

macht SchülerInnen in der Transition von der<br />

Primar- zur Sek<strong>und</strong>arstufe besser vergleichbar.<br />

Das bringt Vorteile für die Sek<strong>und</strong>ar- <strong>und</strong><br />

für die PrimarschullehrerInnen <strong>und</strong> selbstverständlich<br />

profitieren auch die SchülerInnen<br />

davon. Für die Sek<strong>und</strong>arstufe Eins entsteht<br />

eine noch bessere Aufbaumöglichkeit aufgr<strong>und</strong><br />

der vergleichbaren Gr<strong>und</strong>kompetenzen,<br />

<strong>und</strong> für die Primarstufe ist es ein sehr<br />

nützliches Werkzeug, um einen Überblick<br />

über die Kompetenzen der SchülerInnen zu<br />

erlangen. Zusätzlich gibt es den SchülerInnen<br />

<strong>und</strong> deren Eltern einen anschaulichen<br />

Einblick, welche Kompetenzen schon erworben<br />

wurden. Das erleichtert den Übertritt<br />

von der Primar- zur Sek<strong>und</strong>arstufe. Derzeit<br />

steht ein Katalog von Gr<strong>und</strong>kompetenzen<br />

der vierten Schulstufe kurz vor der Veröffentlichung,<br />

der ein zusätzliches Werkzeug für die<br />

LehrerInnen dieser Klassen wäre. Diese Entwicklung<br />

steht nicht im Widerspruch dazu,<br />

dass ein individualisierter Fremdsprachenunterricht<br />

in der Volksschule möglich ist. Es<br />

ist vielmehr ein Hilfsmittel, um die Gr<strong>und</strong>kompetenzen<br />

in Hinsicht auf die nächste Schulstufe<br />

zu veranschaulichen. Im Rahmen der<br />

verlässlichen Schule kann das den Schülern<br />

nur zu Gute kommen, da es sich um Gr<strong>und</strong>kompetenzen<br />

handelt, welche aber durch<br />

Erweiterungsstoff auch <strong>aus</strong>gebaut werden<br />

können.<br />

Schlussbermerkung:<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |37


LEBENEDE FREMDSPRACHEN AN DER VOLKSSCHULE Michael Manhart<br />

kert. Das gibt den Pflichtschülern neun Jahre<br />

<strong>und</strong> den Maturanten zwischen zwölf <strong>und</strong><br />

dreizehn Jahren Erfahrung in der Fremdsprache.<br />

In der Lehrerbildung wird auf dieses<br />

Vorwissen zurückgegriffen. Jede StudentIn<br />

an einer <strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong> für<br />

das Volksschullehramt kann auf diese Erfahrung<br />

zurückgreifen. Viele österreichische<br />

<strong>Hochschule</strong>n oder Universitäten beziehen<br />

sich bei den Anforderungen zu einem Studium<br />

auf den GERS <strong>und</strong> gehen davon <strong>aus</strong>,<br />

dass das Niveau B2 bereits erreicht wurde.<br />

Wie zu Beginn besprochen, ist die Sprachbeherrschung<br />

der LehrerInnen ein wesentliches<br />

Element des Englischunterrichts in<br />

diesen frühen Jahren des Spracherwerbs.<br />

Auf Studierendenebene hat „The European<br />

Centre for Modern Languages“ auch eine<br />

Möglichkeit zu deren Selbstevaluation zur<br />

Verfügung gestellt. „The European Portfolio<br />

for Student Teachers of Languages (EPOSTL)<br />

is a document for students <strong>und</strong>ergoing initial<br />

teacher education. It will encourage you to<br />

reflect on your didactic knowledge and skills<br />

necessary to teach languages, helps you to<br />

assess your own didactic competences and<br />

enables you to monitor your progress and<br />

to record your experiences of teaching during<br />

the course of your teacher education.“<br />

(Newby et al.: 2007). Mit der Einführung der<br />

Gr<strong>und</strong>kompetenzen vier für die Volksschule<br />

würde den Lehrern ein gutes Werkzeug<br />

zur Verfügung gestellt, um eine verlässliche<br />

Gr<strong>und</strong>kompetenz am Ende der vierten Klasse<br />

leichter abrufbar zu machen. Die Implementierung<br />

des EPOSTL in der LehrerInnenbildung<br />

wäre ein weiterer Schritt, um das<br />

Studium selbst organisiert zu begleiten.<br />

Bei all diesen Überlegungen sollte jedoch<br />

niemals vergessen werden, dass es die<br />

wichtigste Aufgabe des frühen Fremdsprachenunterrichts<br />

ist, Freude an der<br />

Fremdsprache zu wecken.<br />

literatur<br />

BGBl. II Nr. 303/2012 vom 13. September 2012.<br />

Bleyhl, Werner (2000): Fremdsprachen in der Gr<strong>und</strong>schule. Gr<strong>und</strong>lagen<br />

<strong>und</strong> Praxisbeispiele. 1. Hannover: Schroedel.<br />

Council of Europe (2011): Introduction European Language Portfolio. Online:<br />

http://www.coe.int/portfolio [Stand: 15.10.2012].<br />

Drese, Karin (2007): Einschätzungen der Sprechleistung von Lernern im<br />

Englischunterricht der Gr<strong>und</strong>schule. Dissertation: Gießen http://geb.<br />

uni-giessen.de/geb/volltexte/2008/6338/pdf/DreseKarin-2008-06-26.pdf<br />

[Stand: 18.8.2012].<br />

Dreßler, Constanze: Elementares Sprechen: Vom Imitativen zum ersten<br />

freien Minivortrag. In: Böttger, Heiner (Hg.) (2012): Englisch. Didaktik für die<br />

Gr<strong>und</strong>schule. 1. Berlin: Cornelson.<br />

Felberbauer, Maria: Lebende Fremdsprache in der Gr<strong>und</strong>schule. In: Wolf,<br />

Fre<strong>und</strong>, Boyer (Hg.) (2012): <strong>Beiträge</strong> zur Pädagogik <strong>und</strong> Didaktik der<br />

Gr<strong>und</strong>schule. 1. Wien: Jugend & Volk.<br />

Harmer, Jeremy (1983): The Practice of English Language Teaching. 3. Auflage.<br />

London: Longman.<br />

Heathfield, David (2005): Spontaneous Speaking. Drama activities for confidence<br />

and fluency. Addlestone: Delta Publishing 2005.<br />

Kafka H., Rohrauer J. (1977): Fremdsprachliche Vorschulung in der Gr<strong>und</strong>schule<br />

am Beispiel des österreichischen Schulversuchs. In: Pädagogik der<br />

Gegenwart 311, Wien-München 34ff.<br />

Legutke, Michael K, Müller-Hartmann, Andreas, Schocker-v. Ditfurth, Marita<br />

(2009): Teaching English in the Primary School. 5. Auflage. Stuttgart: Klett.<br />

Newby, David; et al. (2007): European Portfolio for Student Teachers of<br />

Languages. A reflection tool for language teacher education. Graz: European<br />

Centre for Modern Language.<br />

Österreichisches Sprachenkompetenzzentrum (2009): Die Evaluierung<br />

Graz, http://www.oesz.at/sub_main.php?page=bereich.php?bereich=1-<br />

tree=3 [Stand 10.10.2012].<br />

Pinter, Annamaria (2006): Teaching Young Language Learners. 1. Oxford:<br />

Oxford University Press.<br />

Prochazka, Anton (2007): Pädagogik in Bewegung, Drama in modern language<br />

teaching. Wien: PH Wien.<br />

Wittgenstein, Ludwig (1963): Tractatus logico-philosophicus: Logisch-philosophische<br />

Abhandlung (edition suhrkamp) 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp<br />

(= edition suhrkamp).<br />

38| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Karl Lahmer MODULARE OBERSTUFE<br />

Modulare Oberstufe am Akademischen<br />

Gymnasium <strong>Salzburg</strong><br />

Ein Erfahrungsbericht<br />

Karl Lahmer<br />

Seit Februar 2012 ist die neue Oberstufe gesetzlich fixiert, sie wird mit dem Schuljahr 2017/18<br />

in allen AHS <strong>und</strong> BHS ab der 10. Schulstufe eingeführt. Die neue Oberstufe setzt in einigen<br />

Punkten die Struktur der modularen Oberstufe, die in Schulversuchen erprobt wird, um: Das<br />

Schuljahr wird in Semester gesplittet, die SchülerInnen erhalten pro Semester ein Zeugnis. Alle<br />

positiv abgeschlossenen Module bleiben erhalten, negativ abgeschlossene Module sind durch Semesterprüfungen<br />

<strong>aus</strong>zubessern.<br />

1. Modulare Oberstufe im Schulversuch<br />

Die modulare Oberstufe, die am Akademischen<br />

Gymnasium in <strong>Salzburg</strong> seit 2007 als<br />

Schulversuch besteht 1 , ist ein in Semester gegliedertes<br />

Kurssystem, das von der 10. bis zur<br />

12. Schulstufe durchgeführt wird:<br />

a. Die Lehrpläne sind so adaptiert, dass pro<br />

Semester in sich geschlossene Kompetenz-<br />

bzw. Themenbereiche behandelt<br />

werden.<br />

b. Nach jedem Semester gibt es ein Zeugnis<br />

über alle besuchten Module. Ein Durchfallen<br />

im herkömmlichen Sinn ist nicht<br />

mehr möglich. Nicht genügend müssen<br />

durch sogenannte Kolloquien <strong>aus</strong>gebessert<br />

werden. Ein Kolloquium kann bis<br />

zum Abschluss der 12. Schulstufe dreimal<br />

wiederholt werden. Ein Antreten zur Reifeprüfung<br />

ist nur dann möglich, wenn alle<br />

Module positiv abgeschlossen sind.<br />

c. Basismodule (Pflichtfächer wie Deutsch,<br />

Mathematik, Englisch etc.) sind verpflichtend,<br />

im St<strong>und</strong>en<strong>aus</strong>maß gegenüber<br />

den bestehenden St<strong>und</strong>entafeln jedoch<br />

etwas reduziert. Aufgr<strong>und</strong> der St<strong>und</strong>enreduzierung<br />

in den Basismodulen ergibt<br />

sich eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten.<br />

Dies ist das Kernstück der modularen<br />

Oberstufe.<br />

d. Wahlmodule sind von den SchülerInnen<br />

ihren Interessen entsprechend „wählbar“.<br />

Pro Schuljahr werden am Akademischen<br />

Gymnasium zirka 60 Wahlmodule<br />

angeboten. Eine Schülerin/ein Schüler<br />

wählt pro Jahr etwa sechs Wahlmodule.<br />

Dieses System gewährleistet einerseits ein<br />

hohes Maß an individueller Entscheidung,<br />

andererseits – da ja jede Schülerin <strong>und</strong><br />

jeder Schüler die Wahl hat – eine konkret<br />

umgesetzte Übung von Selbstständigkeit<br />

<strong>und</strong> Eigenverantwortung. Von der 10. bis<br />

zur 12. Schulstufe wählt jede Schülerin/jeder<br />

Schüler 16 zweistündige Wahlmodule,<br />

sie/er stellt sich den St<strong>und</strong>enplan für die<br />

Wahlmodule am Nachmittag selbst zusammen,<br />

für 16-Jährige eine nicht zu unterschätzende<br />

Her<strong>aus</strong>forderung.<br />

Beispiele <strong>aus</strong> dem derzeitigen Wahlmodulangebot<br />

sind neben Italienisch, Spanisch,<br />

Informatik - Wa(h)re Werte, Psychotherapien,<br />

Du wirst, was du isst, GeoInformatik, Unternehmerführerschein,<br />

Geocaching, Filmanalyse,<br />

Astronomie <strong>und</strong> Raumfahrt, SchülerInnen<br />

schaffen Kunstwerke etc.<br />

Ein spezielles Charakteristikum der Wahlmodule<br />

des Akademischen Gymnasiums<br />

sind die Schlüsselqualifikationsmodule. Diese<br />

bieten den SchülerInnen konkrete Hilfe-<br />

1 Vom Akademischen Gymnasium <strong>Salzburg</strong> sind andere AHS in <strong>Salzburg</strong> (BG Seekirchen, BG/BRG Hallein, BG St. Johann, BORG Radstadt), in Oberösterreich<br />

(BRG Traun, Akademisches Gymnasium in Linz), in Vorarlberg (BRG Dornbirn-Schoren) <strong>und</strong> in Kärnten (BG Klagenfurt) bei der Planung des Modulsystems<br />

unterstützt worden; weiters wurde im Rahmen von DirektorInnen-Tagungen (<strong>Salzburg</strong> <strong>und</strong> Linz) informiert.<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |39


MODULARE OBERSTUFE Karl Lahmer<br />

stellungen an, zukünftige Anforderungen in<br />

Beruf <strong>und</strong> Gesellschaft flexibel bewältigen<br />

zu können. Beispiele für Angebote sind Rhetorik<br />

(in Zusammenarbeit mit der Universität<br />

<strong>Salzburg</strong>), Kommunikation, Präsentation,<br />

Medienk<strong>und</strong>e, wissenschaftliches Arbeiten,<br />

akad on air (in Zusammenarbeit mit der Radiofabrik<br />

<strong>Salzburg</strong>), Vorbereitungskurse für<br />

Aufnahmeprüfungen an Universitäten (z. B.<br />

Medizin).<br />

Alle Wahlmodule sind zweistündig angesetzt<br />

<strong>und</strong> auf ein Semester beschränkt. Die Lehrpersonen<br />

bieten ein Thema an, das von den<br />

SchülerInnen inskribiert werden kann. Viele<br />

Wahlmodule beinhalten als explizites Thema<br />

persönlichkeitsbildende <strong>und</strong>/oder kreative<br />

Inhalte. Der Unterricht wird je nach Notwendigkeit<br />

teilweise geblockt, ExpertInnen werden<br />

in den Unterricht eingeladen, Theater<strong>und</strong><br />

Museumsbesuche integriert, d. h., der<br />

Unterricht in den Wahlmodulen ist überwiegend<br />

handlungsorientiert <strong>aus</strong>gerichtet. Viele<br />

innovative didaktische Konzepte können<br />

konkret umgesetzt werden:<br />

a. Binnendifferenzierung: Die meisten Wahlmodule<br />

sind schulstufenübergreifend von<br />

der 10. bis 12. Schulstufe wählbar, d. h., in<br />

einem Kurs sind SchülerInnen verschiedener<br />

Jahrgänge inskribiert. Dies ist eine Her<strong>aus</strong>forderung<br />

für die Lehrpersonen, die<br />

Anforderungen individuell zu gestalten.<br />

Hier wird ein Prinzip der österreichischen<br />

Schule umgesetzt: Die Lehrperson „hat<br />

[...] unter Berücksichtigung der Entwicklung<br />

[...] die Schüler zur Selbsttätigkeit<br />

<strong>und</strong> zur Mitarbeit in der Gemeinschaft anzuleiten,<br />

jeden Schüler nach Möglichkeit<br />

zu den seinen Anlagen entsprechenden<br />

besten Leistungen zu führen“. (SchUG §<br />

17) Die Rückmeldungen von LehrerInnen<br />

wie SchülerInnen zu den jahrgangsübergreifenden<br />

Kursen sind sehr positiv.<br />

b. Team-Teaching: Viele Kurse müssen geteilt<br />

werden <strong>und</strong> finden parallel statt. Dar<strong>aus</strong><br />

hat sich ein differenziertes Team-Teaching<br />

entwickelt: Die Lehrpersonen bereiten<br />

den Unterricht gemeinsam vor, sie unterrichten<br />

Teile gemeinsam, sie wechseln für<br />

bestimmte Inhalte die Gruppen.<br />

c. Transparenz in den Anforderungen: Im<br />

Vorlesungsverzeichnis sind neben den<br />

Inhalten/Kompetenzen auch die Beurteilungskriterien<br />

angeführt. Die SchülerInnen<br />

wissen also schon vor der Wahl sehr genau,<br />

welche Leistungen erwartet werden<br />

<strong>und</strong> welcher Arbeitsaufwand gefordert<br />

wird. Dies trägt ganz wesentlich zur Transparenz<br />

des Unterrichtsgeschehens bei:<br />

Der Rahmen ist klar.<br />

Das Konzept der modularen Oberstufe im<br />

Schulversuch wird von der Mehrheit der<br />

Lehrpersonen <strong>und</strong> SchülerInnen des Akad.<br />

Gym. <strong>Salzburg</strong> sehr positiv bewertet (Rückmeldungen<br />

Jänner 2012): 54 % der LehrerInnen<br />

schätzen das Engagement der SchülerInnen<br />

in den Wahlmodulen sehr hoch<br />

ein, das Team-Teaching bewerten 73 % der<br />

LehrerInnen trotz zeitlichen Mehraufwands<br />

als Gewinn. 61 % der SchülerInnen sind mit<br />

dem Wahlmodulangebot sehr zufrieden, 54<br />

% der SchülerInnen beurteilen das Engagement<br />

der LehrerInnen im Wahlmodul sehr<br />

hoch, 94 % der SchülerInnen sind mit dem<br />

Modulsystem insgesamt sehr zufrieden bzw.<br />

zufrieden. 2<br />

2. Regelung der negativen Beurteilung im<br />

Schulversuch „modulare Oberstufe“<br />

Zurzeit gelten in den Schulversuchen mit<br />

modularem System folgende Richtlinien:<br />

• Negativ abgeschlossene Module sind<br />

durch Kolloquien (Wiederholungsprüfungen)<br />

<strong>aus</strong>zubessern.<br />

• Zwei Kolloquien sind im Februar <strong>und</strong> vier<br />

Kolloquien im September möglich.<br />

2 Interne Evaluation Jänner 2012 (Fragebogen). Eine externe Evaluierung wurde vom Akademischen Gymnasium angestrebt, Gespräche mit Werner Specht<br />

(Zentrum für Schulentwicklung) bezüglich einer Evaluierung der modularen Oberstufe fanden statt, scheiterten aber an den nicht vorhandenen Geldmitteln.<br />

40| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Karl Lahmer MODULARE OBERSTUFE<br />

• Ein negatives Kolloquium kann einmal<br />

wiederholt werden. Nach Abschluss der<br />

12. Schulstufe sind weitere Wiederholungen<br />

möglich.<br />

• Wenn am Ende der 10. Schulstufe bei<br />

einer Schülerin/einem Schüler mehr als<br />

vier Module negativ beurteilt wurden<br />

(Kolloquien negativ, Wiederholung der<br />

Kolloquien negativ), dann ist ein Aufstieg<br />

in die nächste Schulstufe nicht möglich.<br />

Am Akademischen Gymnasium <strong>Salzburg</strong><br />

profitieren pro Jahrgang im Schnitt drei bis<br />

vier Prozent der SchülerInnen vom System,<br />

nicht durchfallen zu können.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich hat sich das Konzept des<br />

„Nicht-durchfallen-Könnens“ sowohl am<br />

Akademischen Gymnasium als auch an vielen<br />

anderen Schulen in Österreich bewährt.<br />

Vor allem SchülerInnen, die kurzfristig Krisen<br />

durchleben oder nur in einem Fach Schwächen<br />

aufweisen, profitieren von der modularen<br />

Oberstufe.<br />

3. Gesetzliche Gr<strong>und</strong>lagen zur<br />

neuen Oberstufe<br />

Ab dem Schuljahr 2012/13 können Schulversuche<br />

nach dem Modell durchgeführt<br />

werden. Im Schuljahr 2017/18 ist die neue<br />

Oberstufe für alle AHS <strong>und</strong> BHS ab der 10.<br />

Schulstufe verpflichtend: Das Schuljahr wird<br />

in Semester eingeteilt, nach jedem Semester<br />

gibt es ein Zeugnis. Nicht genügend können<br />

in Semesterprüfungen <strong>aus</strong>gebessert werden<br />

(vgl. B<strong>und</strong>esgesetzblatt Februar 2012;<br />

SchUG § 23a). Worin unterscheidet sich nun<br />

die neue Oberstufe vom modularen System?<br />

Im Wesentlichen in drei Punkten:<br />

a. Wahlmodule, das Kernstück der modularen<br />

Oberstufe, sind vom Gesetzgeber<br />

nicht vorgesehen. Diese können möglicherweise<br />

schulautonom angeboten<br />

werden.<br />

b. Die individuelle Lernbegleitung wird im<br />

Vergleich zur modularen Oberstufe wesentlich<br />

erweitert. Zur Unterstützung von<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |41


MODULARE OBERSTUFE Karl Lahmer<br />

SchülerInnen, denen ein Nicht genügend<br />

droht bzw. die eine negative Note <strong>aus</strong> früheren<br />

Modulen <strong>aus</strong>bessern müssen, wird<br />

eine „individuelle Lernbegleitung” durch<br />

sogenannte LernbegleiterInnen angeboten<br />

(vgl. SchUG § 19 a). Die individuelle<br />

Lernbegleitung umfasst Unterstützung<br />

in der Lernorganisation, in Beratungsgesprächen;<br />

eine fachlich-inhaltliche Unterstützung<br />

gehört nicht zu den Aufgaben<br />

der LernbegleiterInnen.<br />

c. Eine signifikante Verschärfung enthält der<br />

Gesetzestext im Bereich der Nicht genügend.<br />

SchülerInnen, die in Semesterzeugnissen<br />

einer Schulstufe mehr als zwei<br />

Nicht genügend aufweisen, müssen die<br />

Klasse wiederholen. Einmal kann die Klassenkonferenz<br />

die Berechtigung zum Aufsteigen<br />

mit drei Nicht genügend erteilen<br />

(vgl. SchUG § 23 a).<br />

4. Resümee<br />

In den letzten Jahren hat es zahlreiche Veränderungen<br />

im Bildungsbereich gegeben:<br />

Die Rahmenlehrpläne wurden durch verpflichtende<br />

Lehrpläne ersetzt, Bildungsstandards<br />

beschreiben klar definierte Leistungsvorgaben,<br />

die neue Reifeprüfung engt den<br />

Spielraum für schulautonome Schwerpunktsetzungen<br />

ein, sogenannte Leitfäden für die<br />

mündlichen Reifeprüfungen geben enge<br />

Richtlinien zur Aufgabenstellung vor.<br />

Die modulare Oberstufe mit dem Kernstück<br />

der Wahlmodule <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Individualisierung stellt eine Ergänzung<br />

zu Bildungsstandards <strong>und</strong> neuer Reifeprüfung<br />

dar. Wahlmodule geben einer Schule<br />

die Möglichkeit, autonome Schwerpunkte<br />

zu setzen, die individuellen Interessen der<br />

SchülerInnen zu fördern.<br />

Die Schulgemeinschaft bestimmt intern,<br />

welche Wahlmodule angeboten werden,<br />

Inhalte können in Kooperation mit den<br />

SchülerInnen definiert werden, Zielsetzungen<br />

werden gemeinsam festgelegt. An die<br />

Aufgabe der österreichischen Schule sei an<br />

dieser Stelle erinnert: Sie hat die Jugend mit<br />

dem für das Leben <strong>und</strong> den künftigen Beruf<br />

erforderlichen Wissen <strong>und</strong> Können <strong>aus</strong>zustatten<br />

<strong>und</strong> zum selbsttätigen Bildungserwerb<br />

zu erziehen (vgl. SchOG § 2,1).<br />

Gesetzgeber <strong>und</strong> Gewerkschaft (vgl. Quin<br />

2012: 8) sind sich einig, dass die neue Oberstufe<br />

eine qualitätsvolle Reform darstellt. Auf<br />

das Konzept der Wahlmodule sollte im Rahmen<br />

der Reform nicht verzichtet werden.<br />

Literatur<br />

B<strong>und</strong>esgesetzblatt (Februar 2012). URL: http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2012_I_9/BGBLA_2012_I_9.pdf<br />

(Stand: Mai 2012).<br />

Quin, Eckehard (2012): Modulare Oberstufe. In: AHS-Die Allgemeinbildende<br />

Höhere Schule: Zeitschrift der AHS-Gewerkschaft 3/12, S. 4–8. URL:<br />

http://www.goed-ahs.at/files/AHS_3_2012.pdf (Stand: Mai 2012).<br />

42| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Nicola Sommer EINE GESCHICHTE FÜR DAS GEDÄCHTNIS<br />

Eine Geschichte für das Gedächtnis<br />

Nicola Sommer<br />

Können wir uns Buchstaben, Wörter oder Zahlen am leichtesten merken? Durch Merkstrategien<br />

ist es möglich, Informationen länger im Kurzzeitgedächtnis zu behalten. Die Kapazität des<br />

Kurzzeitgedächtnisses, erschlossen <strong>aus</strong> der Anzahl korrekt wiedergegebener Gedächtnisinhalte (vgl.<br />

Lexikon der Psychologie 2012), wird laut W<strong>und</strong>t „Gedächtnisspanne“ genannt. Ein Experiment<br />

soll zeigen, bei welcher Stimulusart die Gedächtnisspanne am größten ist bzw. ob eine Merkstrategie<br />

– die Geschichtenmethode - bei der Wiedergabe förderlich wirkt.<br />

Das Gedächtnis<br />

Atkinson <strong>und</strong> Shiffrin präsentierten 1968 ein<br />

erstes Modell des Gedächtnisses aufbauend<br />

auf die Arbeitsweise <strong>und</strong> Struktur eines<br />

Computers. (vgl. Spada 1992: 128). Dieses<br />

Mehr-Speicher-Modell unterscheidet drei<br />

verschiedene Speicher, zwischen denen<br />

Kontrollprozesse den Informationsfluss regeln.<br />

(vgl. Spada 1992: 129)<br />

1. Mithilfe sensorischer Register werden<br />

über die Sinnesorgane Reize aufgenommen<br />

<strong>und</strong> für kurze Zeit festgehalten. Informationen<br />

werden selektiv in die nachfolgenden<br />

Speicher übertragen, wo auch<br />

die Wiedererkennung <strong>und</strong> Weiterverarbeitung<br />

der Informationen erfolgt. Die<br />

Kapazität der Register ist groß, ebenso ist<br />

der Informationsverlust hoch.<br />

2. Das Kurzzeitgedächtnis erhält Informationen<br />

<strong>aus</strong> den sensorischen Registern <strong>und</strong><br />

dem Langzeitgedächtnis <strong>und</strong> dient als<br />

zentrale Speichereinheit. Inhalte stehen<br />

dort begrenzt für wenige Sek<strong>und</strong>en zur<br />

Verfügung. (vgl. Spada 1992: 129f) Überprüft<br />

werden kann dies dadurch, dass<br />

man Versuchspersonen eine dreistellige<br />

sinnlose Buchstabenfolge (Trigramm)<br />

präsentiert, die wiedergegeben werden<br />

soll. Um ein Rehearsal (Wiederholung<br />

des Gehörten oder Gesehenen; vgl. Myers<br />

2008: 396) zu verhindern, müssen die<br />

Versuchspersonen Distraktionsaufgaben<br />

bearbeiten. Dabei fällt die Gedächtnisleistung<br />

kontinuierlich ab. Bei einem<br />

Zeitraum von ungefähr 20 Sek<strong>und</strong>en zwi-<br />

schen Präsentation <strong>und</strong> Wiedergabe der<br />

Buchstabenfolge (Retentionsintervall)<br />

können die Trigramme kaum noch korrekt<br />

wiedergegeben werden. (vgl. Gruber<br />

2011: 33f) Der Verlauf der Behaltensleistung<br />

ist in Abbildung 1 dargestellt.<br />

Abbildung 1: Abfall der Kurzzeitgedächtnisleistung in<br />

Abhängigkeit von der Dauer des Retentionsintervalls.<br />

(Gruber 2011:34)<br />

Informationen können im Kurzzeitgedächtnis<br />

demzufolge nur für 20 Sek<strong>und</strong>en aufrechterhalten<br />

werden, wenn die Versuchspersonen<br />

schon eine große Anzahl an Durchgängen<br />

durchlaufen haben. Die vielen bereits ins<br />

Langzeitgedächtnis übertragenen Trigramme<br />

stören die Präsentation eines neuen<br />

Trigramms. Die genaue Retentionsdauer<br />

hängt also von der Menge ähnlicher, bereits<br />

vorhandener Informationen (hier Trigramme)<br />

im Langzeitgedächtnis ab. (vgl. Gruber<br />

2011: 34)<br />

3. Das Langzeitgedächtnis, ein schier unbegrenzter<br />

Speicher, erhält Informationen<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |43


EINE GESCHICHTE FÜR DAS GEDÄCHTNIS Nicola Sommer<br />

<strong>aus</strong> den sensorischen Registern <strong>und</strong> dem<br />

Kurzzeitgedächtnis. Mit verschiedenen<br />

Kontrollprozessen (Gedächtnisprozesse<br />

<strong>und</strong> -strategien) können Inhalte eingeprägt,<br />

behalten <strong>und</strong> erinnert werden.<br />

Diese Prozesse sind abhängig von den<br />

Inhalten <strong>und</strong> regeln den Informationsfluss<br />

zwischen den Speichern. Rehearsal (bewusstes<br />

Wiederholen von Informationen,<br />

um sie im Bewusstsein zu behalten oder<br />

für die Speicherung zu enkodieren; vgl.<br />

Myers 2008:403) spielt hier eine wichtige<br />

Rolle. (vgl. Spada 1992: 128ff)<br />

Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley:<br />

Das Kurzzeitgedächtnis stellt, wie bei Atkinson<br />

<strong>und</strong> Shiffrin aufgezeigt, keine notwendige<br />

Zwischenstation zum Langzeitgedächtnis<br />

dar. Dass im Kurzzeitgedächtnis Informationen<br />

so lange wiederholt werden, bis sie vergessen<br />

oder ins Langzeitgedächtnis überführt<br />

werden, ist zu einfach. Ein aktuelleres<br />

Modell ist das Arbeitsgedächtnismodell von<br />

Baddeley. (vgl. Gruber 2011: 37f)<br />

„Unter dem Arbeitsgedächtnis versteht man<br />

eine Gedächtnisstruktur, die Information bei<br />

der Online-Kontrolle von Handlungen in einem<br />

aktiven Zustand hält, sodass sie auch<br />

während der Handlungs<strong>aus</strong>führung verfügbar<br />

bleibt“ (Hagendorf/Krummenacher/<br />

Müller 2011: 224).<br />

Baddeley nennt in seinem Arbeitsgedächtnismodell<br />

zwei Systeme zur kurzfristigen Speicherung<br />

von Informationen: (1) In der phonologischen<br />

Schleife werden auditorische<br />

<strong>und</strong> sprachliche Informationen gespeichert.<br />

Die Kapazität der phonologischen Schleife<br />

entspricht der Menge an verbaler Information,<br />

die man innerhalb von zwei Sek<strong>und</strong>en<br />

einem Rehearsal-Prozess unterziehen kann.<br />

(vgl. Gruber 2011: 38f) (2) Der räumlich-visuelle<br />

Notizblock dient der temporären Speicherung<br />

von visuellen Wahrnehmungen <strong>und</strong> Vorstellungen.<br />

(3) Später nahm Baddeley auch<br />

noch die zentrale Exekutive in sein Modell<br />

auf. Diese ist die Kontrolleinheit, die alle Prozesse<br />

initiiert <strong>und</strong> koordiniert. Weiters transformiert<br />

sie Informationen von einem System in<br />

das andere, steuert Aufmerksamkeitsprozesse<br />

<strong>und</strong> stellt die Verbindung zum Langzeitgedächtnis<br />

her. (vgl. Gruber 2011: 43)<br />

Das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley<br />

betont die Rolle aktiver Prozesse bei der<br />

Speicherung <strong>und</strong> Verarbeitung von Informationen<br />

<strong>und</strong> besitzt deshalb Vorteile gegenüber<br />

dem Kurzzeitgedächtnismodell von Atkinson<br />

<strong>und</strong> Shiffrin. Ein Problem bei Baddeleys<br />

Modell ist, dass das Phänomen des Chunking<br />

nicht erklärbar ist. Chunking ist das Zusammenfügen<br />

von Informationen zu sinnvollen<br />

Einheiten bei gleichzeitiger Abgrenzung von<br />

anderen Einheiten. Es funktioniert nur, wenn<br />

eine Verbindung zum Langzeitgedächtnis<br />

besteht. Baddeley erweiterte sein Modell<br />

deshalb noch um eine vierte Komponente,<br />

dem episodischen Puffer, einem Speichersystem<br />

mit begrenzter Kapazität, das Informationen<br />

in Form von Episoden speichern kann.<br />

(vgl. Gruber 2011: 43f) Eine Darstellung des<br />

Modells erfolgt in Abbildung 2.<br />

Abbildung 2: Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley<br />

(LZG = Langzeitgedächtnis) (Gruber 2011: 39)<br />

Kapazität des Kurzzeit- bzw. Arbeitsgedächtnisses:<br />

Die „Ziffernspanne“ ist eine klassische Methode,<br />

um die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses<br />

zu untersuchen. Versuchsperso-<br />

44| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Nicola Sommer EINE GESCHICHTE FÜR DAS GEDÄCHTNIS<br />

Die varianzanalytische Auswertung ergab<br />

signifikante Stimulusunterschiede. Wörter<br />

konnten schlechter memoriert werden als<br />

Buchstaben <strong>und</strong> Zahlen. Post-hoc durchgeführte<br />

t-Tests zeigten, dass sich die Genen<br />

sollen eine zweistellige Folge von Ziffern<br />

nach Präsentation in korrekter Reihenfolge<br />

wiedergeben. Bei korrekter Antwort folgt<br />

eine dreistellige, vierstellige… Ziffernfolge.<br />

Wird der erste Fehler z.B. bei einer neunstelligen<br />

Ziffernfolge gemacht, hat die Versuchsperson<br />

eine Ziffernspanne von 8. George A.<br />

Miller konnte in einer Studie 1956 nachweisen,<br />

dass die Ziffernspanne bei den meisten<br />

Probanden bei 7 plus/minus 2 Ziffern liegt,<br />

<strong>und</strong> er nannte diesen Wert „die magische<br />

Zahl Sieben“ (Ebbingh<strong>aus</strong> erwähnte diese<br />

Zahl bereits 1885).<br />

Die genaue Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses<br />

hängt auch von der Stimulusart<br />

bzw. dem Lernmaterial ab. Crannell<br />

<strong>und</strong> Parrish (1957: 319ff) bestätigten dies<br />

(Zahlen>Buchstaben>Wörter). Ebenso gibt<br />

es Einflussfaktoren wie die Artikulationsgeschwindigkeit<br />

oder ob bereits Einträge im<br />

Langzeitgedächtnis bestehen. (vgl. Gruber<br />

2011:32ff). Steigern lässt sich die Kapazität<br />

durch verschiedene Merktechniken (sog.<br />

Mnemotechniken). Die Geschichtenmethode<br />

ist eine dieser Mnemotechniken. Hierbei<br />

werden Assoziationen <strong>und</strong> bildliche Vorstellungen<br />

als Gr<strong>und</strong>fähigkeiten effizienten<br />

Lernens verstanden, wobei die zu lernenden<br />

Begriffe über Assoziationen wie Glieder<br />

einer Kette zu einer Geschichte verknüpft<br />

<strong>und</strong> bildlich imaginiert werden (vgl. Metzig &<br />

Schuster 2006: 69). Die richtige Reihenfolge<br />

bleibt erhalten. Von Vorteil sind besonders<br />

<strong>aus</strong>gefallene Assoziationen unter Einbezug<br />

aller Sinne, bewegte Bilder <strong>und</strong> Übertreibungen.<br />

Hierdurch kann der Lernstoff am besten<br />

memoriert werden (vgl. Stangl 2012).<br />

Experiment zur Gedächtnisspanne:<br />

Im Rahmen des empirisch-experimentellen<br />

Praktikums an der FernUniversität Hagen<br />

unter Dipl.-Psych. Samira Groß & Prof. Dr.<br />

Wolfgang Mack führte die Autorin im WS<br />

2011/12 gemeinsam mit 12 weiteren Studie-<br />

renden 1 ein Experiment durch, das aufzeigen<br />

sollte, ob sich die Gedächtnisspanne<br />

für Wörter, Buchstaben <strong>und</strong> Zahlen generell<br />

voneinander unterscheidet. Es wurde untersucht,<br />

ob es durch die Verwendung der Geschichtenmethode<br />

zu einer Veränderung<br />

der Gedächtnisspanne kommt <strong>und</strong> ob die<br />

Geschichtenmethode unterschiedlich starke<br />

Effekte auf die Gedächtnisspanne in Abhängigkeit<br />

vom Lernmaterial hat.<br />

Mit dem Programm PXLab von Irtel (2007)<br />

wurden 107 Versuchspersonen auf einem<br />

Bildschirm entweder Wörter (ein- oder zweisilbig),<br />

Buchstaben (nur Konsonanten) oder<br />

Zahlen (von 0 bis 9) nacheinander in einem<br />

zeitlichen Abstand von sechs Sek<strong>und</strong>en präsentiert.<br />

Die Versuchspersonen sollten sich<br />

die am Bildschirm präsentierten Reizfolgen<br />

durch Rehearsal möglichst gut einprägen<br />

<strong>und</strong> am Ende einer Liste mündlich wiedergeben.<br />

Das Experiment wurde abgebrochen,<br />

wenn die Versuchspersonen keine Liste einer<br />

bestimmten Länge mehr korrekt wiedergeben<br />

konnten oder das Ende der maximal<br />

möglichen Listenlänge von 15 Items erreicht<br />

war (Darbietungen begannen mit jeweils<br />

vier Items). Im zweiten Durchgang wurden<br />

die Versuchspersonen der Kontrollgruppe<br />

erneut dazu aufgefordert, sich die Stimuli<br />

<strong>aus</strong>schließlich mithilfe der Rehearsalmethode<br />

einzuprägen. Die Versuchspersonen der<br />

Experimentalgruppe hingegen erhielten<br />

eine Einführung in die Geschichtenmethode:<br />

Sie sollten die Items zu möglichst anschaulichen,<br />

ungewöhnlichen Geschichten<br />

verbinden. Die Items wurden wie im ersten<br />

Durchgang präsentiert.<br />

Ergebnisse:<br />

1 Corinna Finster, Susanne Klusek, Jaqueline Kunz, Rachel Mai, Julia Manthey, Nadeshda Mohr, Svenja Neumann, Laura Nossing, Alexandra Odendahl, Florian<br />

Pochstein, Iris Schlüter, Manuel von Zglinicki<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |45


EINE GESCHICHTE FÜR DAS GEDÄCHTNIS Nicola Sommer<br />

dächtnisspanne nur für Wörter im zweiten<br />

Durchgang gesteigert hat. Für das Memorieren<br />

von Wörtern scheint die Geschichtenmethode<br />

sinnvoll, bei den anderen Stimulusarten<br />

kommt es dagegen zu erhöhtem<br />

(Merk-)Aufwand, der sich negativ auf die<br />

Gedächtnisspanne <strong>aus</strong>wirkt.<br />

Im Vergleich zu Crannell <strong>und</strong> Parrish (1957),<br />

welche eine Gedächtnisspannenreihenfolge<br />

von GSZahlen > GSBuchstaben> GSWörtern<br />

nachwiesen, ist die Gedächtnisspanne der<br />

Buchstaben in der vorliegenden Studie angestiegen.<br />

Es wird vermutet, dass dieser Anstieg<br />

auf die allgemein größere Vertrautheit<br />

mit Abkürzungen im Sprachgebrauch gegenüber<br />

1957 zurückzuführen sein könnte. Im<br />

Einklang mit Crannell <strong>und</strong> Parrish (1957) wird<br />

vermutet, dass die höhere Gedächtnisspanne<br />

bei Zahlen <strong>und</strong> Buchstaben durch eine<br />

automatisch ablaufende Gruppierung der<br />

Ziffern erfolgt <strong>und</strong> die geringe Gedächtnisspanne<br />

der Wörter durch störend wirkende<br />

automatische Assoziationsstrategien begründet<br />

ist, welche präsentierte Wörter mit zusätzlichen<br />

Assoziationen verknüpfen <strong>und</strong> so den<br />

Informations- <strong>und</strong> Merkinhalt erhöhen.<br />

Im Gegensatz zu Zahlen <strong>und</strong> Buchstaben<br />

scheint die Anwendung der Geschichtenmethode<br />

bei Wörtern intuitiv schneller<br />

<strong>und</strong> besser zu gelingen.<br />

Literatur<br />

Crannell, C. W.; Parrish, J. M. (1957): A comparison of immediate memory<br />

span for digits, letters, and words. In: Journal of Psychology. 44. 319-327.<br />

Gruber, T. (2011): Gedächtnis. Lehrbuch. Basiswissen Psychologie. 1. Auflage.<br />

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien<br />

Wiesbaden GmbH.<br />

Hagendorf, H.; Krummenacher, J; Müller, H.; Schubert, T. (2011): Wahrnehmung<br />

<strong>und</strong> Aufmerksamkeit. Allgemeine Psychologie für Bachelor. Berlin,<br />

Heidelberg: Springer-Verlag.<br />

Irtel, H. (1993). Experimentalpsychologisches Praktikum. Berlin: Springer.<br />

Irtel, H.: PXLab: The Psychological Experiments Laboratory (Version 2.1.11).<br />

(Computer Software). URL: http://www.pxlab.de [Stand: 18.09.2012].<br />

Lexikon der Psychologie: Gedächtnisspanne. URL: http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/psycho/5557<br />

[Stand: 18.9.2012].<br />

Metzig, W. & Schuster, M. (2006). Lernen zu lernen. Lernstrategien wirkungsvoll<br />

einsetzen. 7. Auflage. Berlin: Springer.<br />

Myers, D. G. (2008): Psychologie. 2., erweiterte <strong>und</strong> aktualisierte Auflage.<br />

Heidelberg: Springer Medizin Verlag.<br />

Spada, H. (Hrsg.) (1992): Lehrbuch Allgemeine Psychologie. 2., korrigierte<br />

Auflage. Bern: Verlag Hans Huber.<br />

Stangl, W.: Spezielle Mnemotechniken. Werner Stangl´s Arbeitsblätter. URL:<br />

http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNTECHNIK/MnemotechnikSpezial.<br />

shtml [Stand: 18.09.2012].<br />

46| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Viktoria Buttler SPRACHE ENTDECKEN - ÜBER SPRACHE NACHDENKEN<br />

Sprache entdecken,<br />

über Sprache nachdenken<br />

Was kann <strong>und</strong> soll aktueller Grammatikunterricht leisten? Ein Plädoyer für<br />

einen handelnd-reflektierten Grammatikunterricht in der Gr<strong>und</strong>schule<br />

Viktoria Buttler<br />

„Unsere Sprache, dieses w<strong>und</strong>erbare Instrument der Verständigung, das uns zugleich für Poesie<br />

<strong>und</strong> Genauigkeit wie auch für Witz, Verführung <strong>und</strong> Lüge zur Verfügung steht, etwas genauer<br />

durchschauen zu lernen, das kann ja durch<strong>aus</strong> auch Freude bereiten.“ (Menzel 2009: 4) Sprachbetrachtung<br />

rückt Sprache - Medium zur Verständigung über Sachverhalte, Handlungen, Gegenstände,<br />

Gefühle - ins Zentrum der Aufmerksamkeit (vgl. Bredel 2012: 22). Im Folgenden<br />

wird grob dargestellt, welchen Entwicklungen die Sprachbetrachtung – der Grammatikunterricht<br />

– unterliegt. Das Kind als „Sprachexperte/Sprachexpertin“ zur Zeit des Schuleintrittes, der<br />

Ist-Zustand im schulischen Grammatikunterricht <strong>und</strong> mögliche didaktische Konzepte in einem<br />

kompetenzorientierten Unterricht werden beschrieben.<br />

Entwicklungen<br />

Ausgehend vom Ideal der muttersprachlichen<br />

Bildung vor der kommunikativen Wende Ende<br />

der 60erJahre brachten die 80er Jahre den<br />

Paradigmenwechsel in der Deutschdidaktik<br />

(vgl. Bartnitzky 2011: 18). Das Kind im Zentrum<br />

des Lernens <strong>und</strong> die konstruktivistische Herangehensweise<br />

an die persönliche Art des Lernens<br />

– nicht Wissen anhäufen sondern Wissen<br />

aktiv konstruieren - entsprechen neueren didaktischen<br />

Tendenzen (vgl. Bartnitzky 2010: 8).<br />

Sprache <strong>und</strong> Sprachbetrachtung sind einem<br />

historischen Prozess unterworfen (vgl. Bredel<br />

2012: 23). Verb<strong>und</strong>en mit diesen Veränderungen<br />

des Deutschunterrichtes vollzog sich die<br />

„Abwertung des traditionellen Grammatikunterrichtes“<br />

(Bredel 2012: 226) mit seiner rein deduktiven<br />

„Vermittlung eines terminologischen<br />

Apparats zur Beschreibung formaler sprachlicher<br />

Eigenschaften“ (Bredel 2012: 227). Die<br />

Aufwertung des Sprachreflexionsunterrichtes<br />

war Anlass für die Entwicklung von Alternativkonzepten<br />

für eine „lebensnahe Grammatikvermittlung“<br />

(Bredel 2012: 226). Situativer<br />

Grammatikunterricht, funktionaler Grammatikunterricht,<br />

die Grammatik-Werkstatt <strong>und</strong> der<br />

integrative Grammatikunterricht entwickelten<br />

sich in den 70er bis 90er Jahren <strong>und</strong> bilden die<br />

Gr<strong>und</strong>lagen für einen handelnden Umgang<br />

mit Sprache (vgl. Bredel 2012: 226).<br />

Im handelnd–reflektierenden Grammatikunterricht<br />

sieht Barnitzky die Möglichkeit, situativen<br />

Sprachgebrauch <strong>und</strong> die Methoden des<br />

Operierens <strong>und</strong> Experimentierens mit Sprache<br />

miteinander zu verbinden. Hier nimmt er Bezug<br />

auf die Grammatikwerkstatt Menzels. Durch<br />

das handelnde Erfahren fallen Gemeinsamkeiten,<br />

Strukturen <strong>und</strong> Besonderheiten auf, werden<br />

reflektiert <strong>und</strong> führen zur Entwicklung von<br />

Kategorien (vgl. Barnitzky 2005: 21). Im Zentrum<br />

dieser Entwicklungen der letzten Jahrzehnte<br />

steht das Kind mit all seinen Lernerfahrungen.<br />

Das Kind<br />

SchulanfängerInnen kommen mit einem enormen<br />

Vorwissen über Sprache in den Unterricht<br />

der Gr<strong>und</strong>schule. Die Muttersprache wurde im<br />

besten Fall weitgehend erworben <strong>und</strong> in der<br />

Regel können die Kinder korrekte Sätze bilden<br />

(vgl. Markmann/Osburg/Valtin 2011: 4). Über<br />

Reime <strong>und</strong> Lieder wurden hier schon früh Erfahrungen<br />

gesammelt. Auch das Spielen mit<br />

Sprache <strong>und</strong> die in der gesprochenen Sprache<br />

versteckten Regeln sind vielen Kindern<br />

geläufig. Sie wenden diese natürlich nicht im<br />

Sinne einer Reflexion über Sprache an. Sprache<br />

hat für Kinder vor der Gr<strong>und</strong>schulzeit in<br />

erster Linie eine praktische Funktion (vgl. Markmann/Osburg/Valtin<br />

2011: 5). Der Umgang<br />

mit gesprochener Sprache macht die Kinder<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |47


SPRACHE ENTDECKEN - ÜBER SPRACHE NACHDENKEN Viktoria Buttler<br />

schon bei ihrem Schuleintritt zu SprachexpertInnen.<br />

Mit dem Erwerb der phonologischen Bewusstheit,<br />

der Fähigkeit, Wörter nach den Einzellauten<br />

abzuhören <strong>und</strong> zu zerlegen, entwickelt das<br />

Kind ein analytisches Verhältnis zur Lautsprache<br />

(vgl. Eichler 2008: 7). Automatisiertes impliziertes<br />

Wissen (richtig machen, ohne nachzudenken)<br />

<strong>und</strong> explizites Wissen, im Sinne der<br />

Metakommunikation (über Phänomene der<br />

Sprache sprechen können), werden ergänzt<br />

(vgl. Eichler 2008: 5) durch „das Monitoring,<br />

eine Art prozeduale Sprachaufmerksamkeit.“<br />

(Eichler 2008: 5). Hier wird die eigene Vorstellung<br />

über die selbstgestaltete Sprache des<br />

Kindes, das nicht unbedingt darüber nachdenken<br />

muss, als Sprachaufmerksamkeit im<br />

Sinne der Language-Awareness bezeichnet.<br />

(vgl. Eichler 2008: 5)<br />

Grammatische Strukturen sichtbar <strong>und</strong> hörbar<br />

zu machen ist nicht nur ein Vorteil für Kinder mit<br />

Deutsch als Zweitsprache, sondern auch Kindern<br />

mit Erstsprache Deutsch kommt Sprachreflexion<br />

zugute (vgl. Markmann/Osburg/<br />

Valtin 2011: 4). Zur Förderung der Sprach- <strong>und</strong><br />

Sprechfähigkeit in einem Unterricht, der den<br />

Sprachbewusstseinsprozess fördert, muss es<br />

<strong>aus</strong>reichend Gelegenheit geben, Sprache<br />

<strong>aus</strong>zuprobieren (vgl. Langel-Carossa 2008: 11).<br />

Die Begegnung mit unterschiedlichen Sprachen<br />

bietet weitere Chancen zur Entwicklung<br />

von Sprachbewusstsein <strong>und</strong> zum Erkennen<br />

von Sprachstrukturen. Sprachen sammeln <strong>und</strong><br />

verwenden, über Gemeinsames <strong>und</strong> Unterschiedliches<br />

nachdenken kann in verschiedensten<br />

Situationen des Schullebens <strong>und</strong> bei<br />

allen Unterrichtsthemen durchgeführt werden<br />

(vgl. Bartnitzky 2011: 210f). In einem differenzierten<br />

Unterricht sollen alle Kinder die Möglichkeit<br />

erhalten, die Arbeitssprache Deutsch so zu<br />

entwickeln, dass weiterführendes Lernen möglich<br />

ist (vgl. Bartnitzky 2010: 22).<br />

„Altlasten“ überwinden -<br />

Chancen ergreifen<br />

Der Grammatikunterricht in der Gr<strong>und</strong>schule<br />

bewegt sich oft um grammatisches Wissen<br />

über die Wortarten, Satzglieder <strong>und</strong> Satzar-<br />

ten. Die formellen Ansätze des Grammatikunterrichtes,<br />

die die meisten LehrerInnen selbst<br />

während ihrer Schul- <strong>und</strong> Ausbildungszeit erlebt<br />

haben, sind in schlechter Erinnerung (vgl.<br />

Bartnitzky 2011: 205). Grammatikunterricht wird<br />

oft kursartig in bestimmten St<strong>und</strong>en abgehandelt.<br />

Die Hoffnung, dass das Nötige für weiterführende<br />

Schulen hängenbleibt, erfüllt sich selten<br />

(vgl. Bartnitzky 2005: 8).<br />

Formale Sprachstrukturen zu erlernen, stellt für<br />

Gr<strong>und</strong>schulkinder ein Problem dar, da sie inhaltlich<br />

denken. So hat z. B. das Wort „fleißig“<br />

für Kinder in diesem Alter mit hoher Aktivität zu<br />

tun <strong>und</strong> wenig mit einer Eigenschaft (vgl. Bartnitzky<br />

2005: 8). In Sprech-, Lese- <strong>und</strong> Schreibsituationen,<br />

zu denen die Kinder Bezug haben,<br />

können SchülerInnen durch handelnden Umgang<br />

mit der Methode des „gelenkten Entdeckens“<br />

(vgl. bifie 2009: 19) die Vielfalt <strong>und</strong> Möglichkeiten<br />

der Sprache erfahren <strong>und</strong> erlangen<br />

über den Umgang mit Sprache Einsicht in ihre<br />

Funktion <strong>und</strong> Form. Begriffe für die grammatischen<br />

Kategorien werden zuerst im Sinne kindlicher<br />

Vorbegriffe beschrieben, um danach die<br />

richtigen Bezeichnungen einzuführen (vgl. bifie<br />

2009: 19). Das Verwenden von grammatischen<br />

Begriffen - Worthülsen (vgl. Bartnitzky 2011: 206)<br />

– soll so vermieden werden.<br />

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen ermöglichen,<br />

dass das Untersuchen von Sprache<br />

<strong>und</strong> das Entdecken sprachlicher Phänomene<br />

in enger Verbindung mit den anderen Kompetenzbereichen<br />

des Deutschunterrichtes stattfindet<br />

(vgl. bifie 2009: 18). Die Chancen, die in<br />

diesem gesetzlichen Rahmen stecken, sind die<br />

Gr<strong>und</strong>lage für einen Veränderungsprozess im<br />

Deutschunterricht der Gr<strong>und</strong>schule.<br />

Vom sprachlichen Handeln zum handelnd-reflektierten<br />

Grammatikunterricht<br />

Grammatiken sind Systematisierungsversuche<br />

von Menschen, die sich mit Sprache beschäftigen.<br />

Aus dem „Wasser der Sprache auftauchen“<br />

(Menzel 2012: 16) heißt Sprache von<br />

oben betrachten <strong>und</strong> führt zu einem kritischen<br />

Bewusstsein von Sprache. Kinder sollen als<br />

denkende, gestaltende, intelligente <strong>und</strong> kreative<br />

Wesen am Prozess der Erforschung der<br />

48| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Viktoria Buttler SPRACHE ENTDECKEN - ÜBER SPRACHE NACHDENKEN<br />

Beispiele <strong>und</strong> Anregungen<br />

Spielen mit Sprache als eine Möglichkeit,<br />

Sprachbewusstsein weiterzuentwickeln, fördert<br />

auf andere Weise als das Kommunizieren<br />

über Sprache auf der Metaebene. Hier stehen<br />

die Erfahrungen mit dem Material Sprache<br />

im Mittelpunkt. Geübt werden die Vergegenständlichung<br />

<strong>und</strong> die Wahrnehmung einzelner<br />

Elemente der Sprache“ (Bartnitzky 2011: 219).<br />

Spielen mit Sprache stellt einen wichtigen Gegensatz<br />

zu den reflektierenden Zugängen zu<br />

Sprache dar (Bartnitzky 2011: 219).<br />

„Es gibt ein Land, in dem die Menschen fast<br />

gar nicht reden. Das ist das Land der großen<br />

Wörterfabriken. In diesem sonderbaren Land<br />

muss man die Wörter kaufen <strong>und</strong> sie schlucken,<br />

um sie <strong>aus</strong>sprechen zu können.“ (Leeigenen<br />

Sprache handelnd mitgestalten (vgl.<br />

Menzel 2012: 16). Sprachbetrachtung im Sinne<br />

einer Schulgrammatik soll:<br />

• systematisch sein, d. h. die Ordnung der<br />

sprachlichen Vielfalt zu Kategorien sichtbar<br />

machen <strong>und</strong> dem Lernenden Einsicht in<br />

den Bau von Sprache erfahrbar machen.<br />

• induktive Wege ermöglichen, um zu den<br />

Kategorien zu gelangen.<br />

• funktional sein, d. h. die Rolle der Kategorien<br />

sowie die semantischen, textuellen,<br />

kommunikativen Funktionen der Sprache<br />

müssen erkannt werden.<br />

• integrativ sein, d. h. die Arbeit an Inhalten<br />

<strong>und</strong> Strukturen oder Sprachsituationen<br />

muss im Wechselspiel geschehen (vgl.<br />

Menzel 2012: 9).<br />

Schulgrammatik muss am Erkenntnisinteresse<br />

der SchülerInnen orientiert sein (vgl. Menzel<br />

2012: 12). Vermieden werden soll demnach<br />

eine deduktive Herangehensweise, das Erlernen<br />

von Worthülsen ohne die Möglichkeit<br />

einer Beteiligung der SchülerInnen an der Erforschung<br />

des Sprachaufb<strong>aus</strong>. So sollen grammatische<br />

Operationen in einer „Werkstatt der<br />

Grammatik“ ermöglichen, durch planvolle Arbeit<br />

her<strong>aus</strong>zufinden, was denkend <strong>und</strong> experimentell<br />

mit Sprache getan werden kann (vgl.<br />

Menzel 2012: 12). Als Vor<strong>aus</strong>setzung für eigenaktive<br />

Lernprozesse im Unterricht des sprachlichen<br />

Handelns sieht Barnitzky fünf Prinzipien,<br />

die auch als Gr<strong>und</strong>lage für gute Aufgabenstellungen<br />

gelten:<br />

• „die Beachtung der Sprachentwicklung<br />

des Kindes<br />

• der Situationsbezug als Her<strong>aus</strong>forderung für<br />

authentisches Sprachhandeln<br />

• der Sozialbezug zur Lerngruppe<br />

• die Bedeutsamkeit der Inhalte<br />

• die Förderung der Sprachbewusstheit“<br />

(Barnitzky 2010:17)<br />

Sprachgebrauch untersuchen, darüber<br />

nachdenken sowie Strukturen erkennen ist<br />

an Vor<strong>aus</strong>setzungen geb<strong>und</strong>en. Eigenes<br />

sprachliches Handeln als Ausgangslage <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>lage des Nachdenkens ist eine sprachliche<br />

Aufgabe, die das Nachdenken fordert,<br />

das durch Operieren <strong>und</strong> Experimentieren in<br />

Gang gehalten wird. Die beim Operieren gewonnen<br />

Begriffe werden in einer Arbeitssprache<br />

weiter verwendet (vgl. Bartnitzky 2011:<br />

207). Metakommunikation ist Bedingung für<br />

einen souveränen <strong>und</strong> eigenverantwortlichen<br />

Umgang mit Sprache, wie auch für die Verständigung<br />

über Sprache <strong>und</strong> Situationen. Für<br />

die Gr<strong>und</strong>schule heißt das: Eine Sprache über<br />

die Sprache - die Metasprache - ist wichtig.<br />

Begriffe werden über die Prozesse des Klärens<br />

<strong>und</strong> Sich-Verständigens erarbeitet (vgl. Bartnitzky<br />

2011: 209).<br />

Der aktuelle Grammatikunterricht erfordert:<br />

ein Feld des situationsbezogen Experimentes,<br />

das Kindern ermöglicht, Sprache eigenständig<br />

zu entdecken <strong>und</strong> zu kategorisieren. Dieser<br />

Grammatikunterricht nährt sich <strong>aus</strong> dem<br />

Fachunterricht. Die Themen dar<strong>aus</strong> werden in<br />

eigenständigen Grammatikeinheiten bearbeitet<br />

(vgl. Markmann/Osburg/Valtin 2011: 6). Der<br />

Unterricht in fächerübergreifenden Themen,<br />

im Sinne eines zeitgemäßen Grammatikunterrichts,<br />

entspricht den Anforderungen <strong>und</strong><br />

Vorgaben des Lehrplans der Gr<strong>und</strong>schule <strong>und</strong><br />

den aktuellen Bildungsstandards. Theoretisch<br />

hat die Abkehr vom formalen Grammatikunterricht<br />

längst stattgef<strong>und</strong>en. LehrerInnen, die<br />

den Fähigkeiten der SchülerInnen vertrauen,<br />

unterstützen gemeinsames Lernen (vgl. Markmann/Osburg/Valtin<br />

2011: 6).<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |49


SPRACHE ENTDECKEN - ÜBER SPRACHE NACHDENKEN<br />

Viktoria Buttler<br />

strade/Docampo 2011: 2f). Das Bilderbuch<br />

„Die große Wörterfabrik“ (Lestrade/ Docampo<br />

2011) birgt ein vielfältiges Angebot, mit Sprache<br />

zu arbeiten. Das Bewusstsein, dass jedes<br />

gesprochene Wort wertvoll ist, wird in diesem<br />

Bilderbuch eindringlich dargestellt. (Vgl. Abb.1)<br />

„Der Sprachabschneider“ von H.J.Schädlich<br />

erzählt von Paul, der, um seine H<strong>aus</strong>aufgaben<br />

nicht mehr selbst machen zu müssen, Teile seiner<br />

Sätze verkauft. Er verkauft die Präpositionen,<br />

die bestimmten Artikel, die Verbformen<br />

<strong>und</strong> den ersten Konsonanten von Wörtern, die<br />

mit zwei Konsonanten beginnen. So ist er bald<br />

nicht mehr zu verstehen <strong>und</strong> muss in einem<br />

mühsamen Prozess mit seinem Fre<strong>und</strong> die eigene<br />

Sprache erneut erlernen. Konstruieren<br />

<strong>und</strong> Dekonstruieren als Möglichkeiten, Sprache<br />

in anderem Zusammenhang wahrzunehmen,<br />

bieten sich hier an. Die Notwendigkeit, in<br />

Sätzen bestimmte Wortarten zu verwenden,<br />

ergibt sich <strong>aus</strong> der Erfahrung von Pauls Schicksal.<br />

Kreatives Sprachhandeln erfordert vielfältige<br />

Methoden in einem handlungsorientierten<br />

Sprachunterricht. Das Untersuchen von<br />

Schriftsprache in eigenen Texten, die Sprachbetrachtung<br />

über Gedichte <strong>und</strong> andere Literaturgattungen,<br />

Schreibkonferenzen zu grammatischen<br />

Themen, Sprachvergleiche, sowie<br />

die Möglichkeit des eigene Tuns - den Lernerfolg<br />

anders zu dokumentieren - verändern die<br />

gemeinsame Arbeit an Sprache.<br />

Resümee<br />

Das „H<strong>aus</strong> der Grammatik“, handlungsorientiert<br />

in systematische Einheiten eingerichtet,<br />

stellt überschaubare Zusammenhänge dar,<br />

die das Kind selbst entdecken <strong>und</strong> die dar<strong>aus</strong><br />

gewonnenen Erfahrungen auch benutzen<br />

kann (vgl. Menzel 2012: 13). Sprache zu betrachten,<br />

sich seiner Sprache bewusst zu sein<br />

<strong>und</strong> den Weg des/der Sprachforscher/Sprachforscherin<br />

zu gehen, ist nicht nur Thema für die<br />

SchülerInnen, die in den Gr<strong>und</strong>schulen lernen,<br />

sondern ein Weg für die zukünftigen LehrerInnen<br />

während der Ausbildungszeit im Fachunterricht<br />

<strong>und</strong> in der Schulpraxis. Sprechen über<br />

Sprache setzt vor<strong>aus</strong>, dass LehrerInnen sich<br />

Abbildung 1<br />

ihrer Sprache bewusst sind, also in ihrem Tun<br />

reflektiert handeln/sprechen. Für einen handelnd-reflektierten<br />

Grammatikwerkstattunterricht<br />

sind LehrerInnen wichtig, die an der Sprache<br />

der jüngeren Generation interessiert sind,<br />

die das Lernen <strong>aus</strong> Fehlern ermöglichen <strong>und</strong><br />

die mit Interesse zur Kenntnis nehmen, was sich<br />

an Sprachneuheiten <strong>und</strong> -veränderungen<br />

entwickelt (vgl. Menzel 2012: 17).<br />

Die Wege sind vorbereitet.<br />

Wir müssen sie gehen.<br />

Literatur:<br />

Barnitzky, Horst (2005): Grammatikunterricht in der Gr<strong>und</strong>schule. 1. - 4.<br />

Schuljahr. Berlin: Cornelson (Lehrerbücherei Gr<strong>und</strong>schule).<br />

Bartnitzky, Horst (2010): Sprachunterricht heute. Sprachdidaktik, Unterrichtsbeispiele,<br />

Planungsmodelle. 7. Auflage. Berlin: Cornelson (Leherbücherei<br />

Gr<strong>und</strong>schule-Kompakt).<br />

Bartnitzky, Horst (2011): Sprachunterricht heute. Lernbereich Sprache, kompetenzbezogener<br />

Deutschunterricht, Unterrichtsbeispiele für alle Jahrgangsstufen.<br />

15. Auflage. Berlin: Cornelson (Lehrerbücherei Gr<strong>und</strong>schule).<br />

Bredel, Ursula (2007): Sprachbetrachtung <strong>und</strong> Grammatikunterricht. Paderborn:<br />

Ferdinand Schönigh Verlag.<br />

bifie (Hg.) (2009): Praxishandbuch für „Deutsch, Lesen, Schreiben“ 4. Schulstufe.<br />

Graz: Leykam.<br />

Eichler, Wolfgang (2008): Sprache <strong>und</strong> Sprachbewussheit. In: Deutsch differenziert,<br />

3. Heft 1. 6-8.<br />

Langel – Carossa, Gabriele (2008): Lernwege beobachten. Sprach- <strong>und</strong><br />

Sprechfähigkeit bei Kindern fördern. In: Deutsch differenziert, 3. Heft 1. 11.<br />

Markmann, Gesa/ Osburg, Claudia/ Valtin, Renate (2011): Die Sprache<br />

im Blick. Grammatikunterricht in der Gr<strong>und</strong>schule. In: Deutsch Differenziert.<br />

Heft 3. 47.<br />

Menzel, Wolfgang(2012): Grammatikwerkstatt. Theorie <strong>und</strong> Praxis eines<br />

prozessorientierten Grammatikunterrichts für die Primar- <strong>und</strong> Sek<strong>und</strong>arstufe.<br />

5. Auflage. Seelze-Velber: Klett/Kallmeyer (Praxis Deutsch).<br />

Wolf, Willi (Hg.) (2009): Lehrplan der Volksschule. Graz: Leykam.<br />

Lestrade, Agnes de. Docampo, Valeria (2011): Die Wörterfabrik. 6. Auflage.<br />

München: mixtvision.<br />

Schädlich, Hans Joachim (2012): Der Sprachabschneider. 25. Auflage.<br />

Hamburg: Rowolth<br />

50| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Elisabeth Landsgesell DAS BILDERBUCH - NICHT NUR BILDER IM BUCH<br />

Das Bilderbuch - Nicht nur Bilder im Buch<br />

Einsatz von Bilderbüchern im Mathematikunterricht in der Volksschule<br />

Elisabeth Landsgesell<br />

„Der Wert, der Bildungswert des Bilderbuches in der Gr<strong>und</strong>schule ist hoch, wenn es in seiner inhaltlichen<br />

<strong>und</strong> formalen Gestaltung als einheitliches Ganzes überzeugt“.: (Richter/Hurrellmann 2004:11)<br />

Das erste Buch, mit dem Kinder konfrontiert<br />

werden <strong>und</strong> das sie im Idealfall zur Literatur<br />

hinführt, ist das Bilderbuch (vgl. Spinner 1992:<br />

17). Bilderbücher sind in mehrfacher Hinsicht<br />

eine Unterstützung für den Aufbau literarischer<br />

Kompetenzen, indem sie das Textverständnis<br />

fördern <strong>und</strong> zur sprachlichen Interaktion<br />

anregen (vgl. Hurrelmann 2010: 6).<br />

Darum ist es auch ein beliebtes Unterrichtsmittel,<br />

das vor allem im Deutschunterricht in<br />

den Volksschulen zum Einsatz kommt. Darüber<br />

hin<strong>aus</strong> ist es durch<strong>aus</strong> angebracht <strong>und</strong><br />

spannend, das Bilderbuch unterstützend<br />

zum Erlangen mathematischer Kompetenzen<br />

in der Volksschule einzusetzen.<br />

In Schulbüchern bedient man sich der bildlichen<br />

Darstellung, um damit im Mathematikunterricht<br />

dynamische Geschichten statisch<br />

präsentieren zu können. Situationsbilder sind<br />

hilfreich, um Erzählanlässe zu schaffen, um<br />

sowohl sachliche als auch mathematische<br />

Aspekte aufzugreifen. Gerade im Anfangsunterricht,<br />

wo Kinder mit der Thematik der<br />

Rechenoperationen vorerst auf der Handlungsebene<br />

konfrontiert werden, ist es von<br />

Bedeutung, dass diese Handlungen aktiv in<br />

statische Bilder hineininterpretiert werden<br />

(vgl. Franke/Ruwisch 2010: 56).<br />

Sachrechnen mit Bildern<br />

Meist wird der Einsatz von Bildern im Mathematikunterricht<br />

mit dem Bereich des Sachrechnens<br />

in Verbindung gebracht. Dabei<br />

wird fast <strong>aus</strong>schließlich auf das Schulbuch zurückgegriffen<br />

in dem sehr vereinfachte Bilder<br />

zu finden sind, die jedoch keine eindeutigen<br />

Textaufgaben oder Rechengeschichten liefern,<br />

obwohl viele quantitative Informationen<br />

in ihnen enthalten sind (vgl. Franke/Ruwisch,<br />

2010: 57). Bei diesen Bildern handelt es sich<br />

vorwiegend um szenische Darstellungen von<br />

Alltagssituationen (Abb. 1).<br />

Abb. 1: Das Zahlenbuch 1, Wittmann/Müller, 2004: 68<br />

Wichtig dabei ist, dass Kindern die Möglichkeit<br />

geboten wird, die Informationen <strong>und</strong><br />

in weiterer Folge die dar<strong>aus</strong> resultierenden<br />

Rechnungen selbständig her<strong>aus</strong>zuarbeiten,<br />

um den Kompetenzbereich des Modellierens<br />

zu fördern. Im Idealfall sind die Aufgaben,<br />

die dabei entstehen, sehr vielfältig <strong>und</strong><br />

unterschiedlich.<br />

Denn der Österreichische Lehrplan der<br />

Volksschule hält fest, dass der Mathematikunterricht<br />

den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern<br />

die Möglichkeit geben soll,<br />

• „schöpferisch tätig zu sein;<br />

• rationale Denkprozesse anzubahnen;<br />

• die praktische Nutzbarkeit der Mathematik<br />

zu erfahren;<br />

• gr<strong>und</strong>legende mathematische Techniken<br />

zu erwerben“. (BMUKK 2010: 142)<br />

Eine andere Absicht steckt hinter Einzelbildern<br />

(Abb. 2) <strong>und</strong> Bilderfolgen (Abb. 3).<br />

Hier beruht die Interpretation meist auf Vereinbarungen.<br />

Ein Beispiel für eine solche Vereinbarung<br />

wäre, dass mit den Schülerinnen<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |51


DAS BILDERBUCH - NICHT NUR BILDER IM BUCH Elisabeth Landsgesell<br />

Abb. 2: Das Zahlenbuch 1,<br />

Wittmann/Müller, 2004: 59<br />

Abb. 3: Das Zahlenbuch 1,<br />

Wittmann/Müller, 2004: 69<br />

Folgende Beispiele dokumentieren, welche<br />

Möglichkeiten sich für den Mathematikunterricht<br />

eröffnen. Jedoch sollen die Bemü<strong>und</strong><br />

Schülern besprochen wird, dass das<br />

Aufessen einer Banane (Abb. 2) mit „minus“<br />

modelliert wird (vgl. Franke/Ruwisch, 2010:<br />

58). Damit wird die Forderung des Lehrplans,<br />

gr<strong>und</strong>legende mathematische Techniken zu<br />

erwerben, abgedeckt. Bei umfangreicheren<br />

Darstellungen sollen die Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler jedoch angeregt werden, Aufgaben<br />

<strong>aus</strong> dem Kontext her<strong>aus</strong> selber zu entdecken.<br />

Ein wesentlicher Aspekt dabei ist,<br />

dass die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler selbständig<br />

entscheiden müssen, welche Rechenoperation<br />

sie anwenden (Abb. 3).<br />

Franke <strong>und</strong> Ruwisch (2010: 58) betonen,<br />

wenn bereits im Anfangsunterricht unterschiedliche<br />

bildliche Darstellungen einen<br />

festen Platz im Mathematikunterricht einnehmen,<br />

dass dadurch eine anregende<br />

Lernumgebung geschaffen wird.<br />

Ist den Kindern nun das „Rechnen“ mit Bildern,<br />

<strong>aus</strong> Bildern, durch Bilder vertraut, so<br />

können sie motiviert <strong>und</strong> angeregt werden,<br />

nun auf der Gr<strong>und</strong>lage eines ganzen Bilderbuches<br />

mathematisches Denken zu entwickeln.<br />

Bilderbücher als Teil des<br />

Mathematikunterrichts<br />

Jährlich erscheinen r<strong>und</strong> 4000 deutschsprachige<br />

neue Bücher im Bereich der Kinder<strong>und</strong><br />

Jugendliteratur. Daher ist es für Lehrerinnen<br />

<strong>und</strong> Lehrer oft schwierig <strong>und</strong> sehr<br />

zeitaufwändig, das richtige Buch für einen<br />

sinnvollen Einsatz im Unterricht zu finden. In<br />

der Volksschule fällt die Wahl vorwiegend<br />

auf Bilderbücher für den Deutschunterricht<br />

oder die Sozialerziehung, leider selten bis nie<br />

für den Mathematikunterricht. Hollstein <strong>und</strong><br />

Sonnenmoser (2009) geben eine Auswahl<br />

von h<strong>und</strong>ert Bilderbüchern mit Unterrichtsvorschlägen<br />

zum Schreiben, Lesen, Basteln<br />

<strong>und</strong> zur Sozialerziehung an, jedoch keine<br />

Anregung für den Mathematikunterricht.<br />

Auch unter den Gründen (Förderung der<br />

sprachlichen Entwicklung, Behandeln sozialkritischer<br />

Themen, ...) (vgl. Hollstein/Sonnenmoser<br />

2009: 186), warum Bilderbücher in der<br />

Volksschule eingesetzt werden sollen, fehlt<br />

der Hinweis auf den Mathematikunterricht,<br />

obwohl erwähnt wird, dass Bilderbücher in<br />

allen Lernbereichen eingesetzt werden können.<br />

Zu „allen“ Lernbereichen zählt auch<br />

die Mathematik. Dabei kann ein Bilderbuch<br />

sowohl als Einstieg als auch als Erweiterung<br />

einer Thematik dienen.<br />

In der Volksschule bietet sich das Bilderbuch<br />

als Medium an, Buchstaben <strong>und</strong> Bilder zu<br />

lesen. Die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler lernen<br />

sich darauf einzulassen, dass ihnen eine Welt<br />

symbolisch durch Bild <strong>und</strong> Sprache dargelegt<br />

wird (vgl. Kretschmer 2010: 6). Diese<br />

Welt mit den Augen der Mathematik zu sehen,<br />

ist eine neue Her<strong>aus</strong>forderung für viele<br />

Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer, da sie sich meist<br />

nur auf einzelne Bilder in den Schulbüchern<br />

beschränken <strong>und</strong> das Bilderbuch ganz dem<br />

Deutschunterricht zuordnen.<br />

Beim Einsatz eines Bilderbuches im Mathematikunterricht<br />

geht jedoch die unterrichtliche<br />

Auseinandersetzung mit dem Bilderbuch<br />

weit über das Vorlesen <strong>und</strong> das<br />

Selberlesen hin<strong>aus</strong>. Im Folgenden werden<br />

zwei Praxisbeispiele dazu dargestellt.<br />

Praxisbeispiele<br />

52| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Elisabeth Landsgesell DAS BILDERBUCH - NICHT NUR BILDER IM BUCH<br />

hungen, das Bilderbuch im Mathematikunterricht<br />

einzubauen, nicht überstrapaziert<br />

werden, sondern „die Grenzen liegen dort,<br />

wo der literarische wie der mathematische<br />

Bereich ihre Eigenständigkeit <strong>und</strong> spezifische<br />

Charakteristik nicht aufgeben sollten“.<br />

(Wozilka 1997: 21)<br />

Graf Tüpo, Lina Tschernaja <strong>und</strong> die<br />

anderen - Autor: Bofinger Manfred<br />

Die Begründung, einen Text dazu zu verfassen,<br />

lag darin, dass die Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler die Formen benennen mussten, was<br />

nicht allen gelang (Abb. 5 <strong>und</strong> 6). Während<br />

sich einige Kinder mit dem Anordnen der<br />

Formen vom Original lösten (Abb. 5), orientierten<br />

sich andere noch sehr stark am Original<br />

(Abb. 6).<br />

Abb. 4: <strong>aus</strong> Bofinger:<br />

1991: Deckblatt<br />

Abb. 5: Arbeit eines<br />

Buben, 2. VS, 8 Jahre<br />

Abb. 6: Arbeit eines<br />

Buben, 2.VS, 7 Jahre<br />

Methodische <strong>und</strong> didaktische Überlegungen<br />

Der Inhalt dieses Bilderbuches befasst sich<br />

mit geometrischen Formen, die sich immer<br />

wieder zu neuen Kompositionen zusammenfügen.<br />

Dabei werden kurze Geschichten<br />

erzählt, die in einem Zusammenspiel von<br />

Bild <strong>und</strong> Text zum Ausdruck gebracht werden.<br />

Ein beigefügter Stanzbogen mit den im<br />

Buch verwendeten geometrischen Formen<br />

<strong>aus</strong> Karton regt zum selbständigen Legen<br />

<strong>und</strong> Gestalten an.<br />

Angelehnt an die Lehrplanziele, die bis zum<br />

Ende der Gr<strong>und</strong>stufe I das „Beobachten,<br />

Ordnen <strong>und</strong> Strukturieren von räumlichen<br />

Beziehungen <strong>und</strong> von Formen <strong>aus</strong> der Erlebniswelt<br />

der Kinder“ (BMUKK 2010: 148) zum<br />

Inhalt haben, wurde dieses Bilderbuch mit<br />

seinen geometrischen Formen im Mathematikunterricht<br />

eingesetzt.<br />

Nach dem Vorlesen <strong>und</strong> Besprechen des<br />

Buches erhielt jedes Kind einer zweiten Klasse<br />

Volksschule dieselbe Anzahl verschiedener<br />

Formen, so wie sie im Buch vorkommen,<br />

<strong>und</strong> wurde aufgefordert, damit ein Blatt zu<br />

gestalten <strong>und</strong> einen Text dazu zu schreiben.<br />

Kompetenzen<br />

Der Schwerpunkt dieses Unterrichtsmodells<br />

lag auf dem Erkennen, Benennen, Legen<br />

<strong>und</strong> Unterscheiden der geometrischen Formen.<br />

Den Kompetenzanforderungen des<br />

Lehrplans <strong>und</strong> der Bildungsstandards entsprechend,<br />

wurden die folgenden Kompetenzen<br />

in Mathematik gefördert:<br />

• spielerisches Gestalten mit geometrischen<br />

Flächen<br />

• Aufbau schöpferischer Fähigkeiten<br />

durch spielerisches, forschend, entdeckendes<br />

<strong>und</strong> konstruktives Tun<br />

• Erfinden geometrischer Figuren<br />

• Herstellen von räumlichen Positionen <strong>und</strong><br />

Lagebeziehungen (vgl. BMUKK 2010: 148)<br />

365 Pinguine – Autoren: Fromental,<br />

Jean-Luc <strong>und</strong> Jolivet, Joelle<br />

Inhalt<br />

Wie der Titel schon vermuten lässt, spielen<br />

Pinguine <strong>und</strong> die 365 Tage eines Jahres eine<br />

große Rolle in diesem Bilderbuch. Da am<br />

ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG |53


DAS BILDERBUCH - NICHT NUR BILDER IM BUCH Elisabeth Landsgseell<br />

Abb. 7:<br />

Aus Fromental, Jean-<br />

Luc <strong>und</strong> Jolivet, Joelle,<br />

Südpol der Lebensraum der Pinguine durch<br />

die Erderwärmung bedroht ist, wird einer Familie<br />

vom Onkel, einem Ökologen, ein ganzes<br />

Jahr täglich ein Paket mit einem Pinguin<br />

zugestellt. Die Pakete werden immer angenommen<br />

<strong>und</strong> somit werden es mehr <strong>und</strong><br />

mehr Pinguine, die die Familie versorgen<br />

muss. Um alle geordnet unterzubringen, wird<br />

ein Ordnungssystem vorgeschlagen <strong>und</strong> die<br />

Tiere werden in Gruppen im H<strong>aus</strong> aufgestellt.<br />

Auch mehr <strong>und</strong> mehr Futter muss besorgt<br />

werden. Um dieses Problem zu lösen, muss<br />

viel gerechnet werden. Im Buch wird sehr zurückhaltend<br />

Text eingesetzt, sodass die Bilder<br />

eine große Wirkung <strong>aus</strong>üben (Abb.7).<br />

Methodische <strong>und</strong> didaktische Überlegungen<br />

Das Bilderbuch wurde in einer dritten Klasse<br />

eingesetzt. Die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

entdeckten das Buch auf dem Büchertisch,<br />

der ihnen in den P<strong>aus</strong>en <strong>und</strong> Freiarbeitsphasen<br />

zur Verfügung stand. Das Interesse am<br />

Buch war bald sehr groß <strong>und</strong> während einer<br />

Klassenkonferenz schlugen die Kinder vor,<br />

mehr über Pinguine lernen zu wollen. Dabei<br />

eigneten sich die Kinder selbstständig Wissen<br />

über das Leben der Pinguine, den Klimawandel<br />

u.v.m. an, indem sie in zahlreichen<br />

Büchern <strong>und</strong> im Internet recherchierten <strong>und</strong><br />

Plakate gestalteten. Auffällig war, dass ohne<br />

Aufforderung der Lehrperson berechnet<br />

wurde, wie viele Pinguine sich zum Beispiel<br />

bei einer Aufstellung von 12 mal 12 Tieren<br />

in der Wohnung befanden <strong>und</strong> wie viel Kilogramm<br />

Futter man für die Tiere benötigte.<br />

Nachdem ein Kind das Buch „Wie viele<br />

Pinguine passen in einen Fahrstuhl“ in der<br />

Klasse entdeckte, wurde auch das, soweit es<br />

möglich war, von einer Gruppe berechnet.<br />

Eine endgültige Lösung scheiterte daran,<br />

dass die Höhe des Fahrstuhles nicht mit einberechnet<br />

wurde, obwohl ein Fahrstuhlmodell<br />

gebastelt wurde. Um an die Fahrstuhlmaße<br />

zu gelangen, wurde auch im Internet<br />

recherchiert. Da dort keine Angaben zu<br />

finden waren, telefonierte ein mutiges Mädchen<br />

mit einem Architekturbüro <strong>und</strong> erhielt<br />

dort alle notwendigen Informationen.<br />

Kompetenzen<br />

Der Schwerpunkt dieses Unterrichtsmodells<br />

lag darin, dass unterschiedliche Medien eingesetzt<br />

werden sollten, um sich selbstständig<br />

Wissen zu einer komplexen Problematik aneignen<br />

zu können.<br />

Im Bereich der Mathematik wurden sowohl<br />

die allgemeinen Kompetenzen (Operieren,<br />

Modellieren, Kommunizieren <strong>und</strong> Problemlösen)<br />

als auch die inhaltlichen Kompetenzen<br />

(Arbeiten mit Zahlen, mit Größen, mit Operationen<br />

<strong>und</strong> mit Ebene <strong>und</strong> Raum) gefördert.<br />

Diese beiden dargestellten Unterrichtsmodelle<br />

im Zusammenhang mit Bilderbüchern<br />

im Mathematikunterricht sind nur ein kleiner<br />

Teil von dem, was möglich wäre, es muss nur<br />

entdeckt <strong>und</strong> <strong>aus</strong>probiert werden, sodass<br />

die Befürchtung von Thiele (2003: 179), dass<br />

das Bilderbuch in der Gr<strong>und</strong>schule als bereits<br />

„überw<strong>und</strong>enes“ Medium gilt, sich nicht<br />

bewahrheitet.<br />

Literatur<br />

Bofinger, Manfred (1991): Graf Tüpo, Lina Tschernaja <strong>und</strong> die anderen. Berlin:<br />

Sisphos Presse.<br />

BMUK (2010): Lehrplan der Volksschule, BGBI. Nr. 134/1963 in der Fassung<br />

BGBI II. Nr. 402/2010 vom 9. Dezember 2010.<br />

Franke, Marianne/Ruwisch, Silke (2010): Didaktik des Sachrechnens in der<br />

Gr<strong>und</strong>schule, 2. Auflage. Heidelberg: Spektrum.<br />

Fromental, Jean-Luc/Jolivet, Joelle (2008): 365 Pinguine. Hamburg: Carlsen.<br />

Hollstein, Gudrun/Sonnenmoser Marion (2009): 100 Bilderbücher für die<br />

Gr<strong>und</strong>schule, 2. unveränderte Auflage. Baltmannsweiler: Schneider.<br />

Hurrelmann, Bettina (2010): Bilder, Bücher – Bilderbücher. In: Gr<strong>und</strong>schule<br />

11. 6 – 10).<br />

Thiele, Jens, (2003): Das Bilderbuch, Ästhetik-Theorie-Analyse-Didaktik-Rezeption,<br />

Oldenburg: Isensee.<br />

Kretschmer, Christine (2010): Bilderbücher in der Gr<strong>und</strong>schule. Braunschweig:<br />

westermann.<br />

Richter, Karin/Hurrelmann, Bettina (Hrsg.) (2004): Kinderliteratur im Unterricht.<br />

Theorien <strong>und</strong> Modelle zur Kinder- <strong>und</strong> Jugendliteratur im pädagogisch-didaktischen<br />

Kontext, 2. überarbeitete Auflage, Weinheim: Beltz<br />

Juventa.<br />

Schroff, Corinne (2008): Kinder begegnen Mathematik – Das Bilderbuch (2.<br />

Ausgabe). Zürich: Lehrmittelverlag des Kanton Zürich.<br />

Spinner, Kaspar H. (1992): Schreiben zu Bilderbüchern. Unterrichtsanregungen.<br />

In: Praxis Deutsch H. 113.17 – 20.<br />

Wozilka, Jenny (1997): Mathematische Phänomene in Kinderliteratur.<br />

Ein fächerübergreifender Ansatz zwischen Sprache <strong>und</strong> Mathematik. In:<br />

Gr<strong>und</strong>schulzeitschrift. 102. 18-21.<br />

54| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG


Franz Dunzinger VISUELLER DREIKLANG<br />

Visueller Dreiklang<br />

Das gleichseitige Dreieck als Kompositionselement bei <strong>Salzburg</strong>er Bauwerken<br />

des Barockarchitekten Johann Bernhard Fischer von Erlach<br />

Franz Dunzinger<br />

Abb. 1: Fischers Gr<strong>und</strong>riss des Hoyos-Stöckls in Kleßheim<br />

(1694). Mit Zirkelabschlägen wurde die Gr<strong>und</strong>rissstruktur<br />

dieses Gebäudes definiert <strong>und</strong> somit das gleichseitige<br />

Dreieck als Kompositionsprinzip aufgezeigt.<br />

Abb. 3: Aus den gleichen Abständen zwischen den<br />

Zentren der Dreifaltigkeits-, Kollegien- <strong>und</strong> Ursulinenkirche<br />

ergibt sich die Gr<strong>und</strong>form des gleichseitigen Dreiecks<br />

im <strong>Salzburg</strong>er Stadtgr<strong>und</strong>riss.<br />

Dieser Beitrag beginnt mit einer visuellen Zusammenfassung<br />

prägnanter Ergebnisse, die<br />

der Verfasser im Zuge architektonisch-städtebaulicher<br />

Recherchen bzw. zeichnerischer<br />

(Re-)Konstruktionsexperimente im Zusammenhang<br />

mit <strong>aus</strong>gewählten Bauwerken Fischers<br />

von Erlach (1656 – 1723) in der Stadt<br />

<strong>Salzburg</strong> gewinnen konnte.<br />

Abb. 2: Fischers Gr<strong>und</strong>risszeichnung der Dreifaltigkeitskirche<br />

(1694). Die Rekonstruktion ist an den blauen Linien<br />

<strong>und</strong> Flächen erkennbar. Das gleichseitige Dreieck<br />

kann als übergeordnetes Konstruktionsprinzip <strong>und</strong> Trinitätssymbol<br />

nachgewiesen werden.<br />

Als Erstes wurde eine Gr<strong>und</strong>rissanalyse<br />

des sog. Hoyos-Stöckls vorgenommen, anschließend<br />

jene der Dreifaltigkeitskirche, die<br />

schließlich auch hinsichtlich möglicher städtebaulicher<br />

Bezüge zur Kollegienkirche <strong>und</strong><br />

Ursulinenkirche – heute Markuskirche – untersucht<br />

wurde.<br />

In der ersten Phase dieser Analyse erfolgte<br />

eine allgemeine Sichtung der einzelnen Bau-<br />

BEITRÄGE AUS WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG<br />

|55


VISUELLER DREIKLANG Franz Dunzinger<br />

werke bzw. der baukünstlerischen Gestaltungen<br />

Fischers. Dabei fanden zahlreiche<br />

Begehungen vor Ort statt. Im Stadtbereich<br />

wurden aber auch mehrfach Begehungen<br />

des Mönchs- <strong>und</strong> Kapuzinerbergs durchgeführt:<br />

Der Blick <strong>aus</strong> der Vogelperspektive auf<br />

die unten in der Stadt befindlichen Sakralbauten<br />

klärt mögliche Raumbezüge.<br />

Die zweite Phase war vorwiegend dem Planstudium,<br />

der numerischen Eingrenzung der<br />

baulichen Objekte sowie der Recherche über<br />

deren Genese gewidmet. Als dritter Schritt<br />

wurde versucht, gemeinsame Merkmale unterschiedlicher<br />

Bauten Fischers zu erfassen,<br />

um diese schließlich in einen entsprechenden<br />

kontextuellen Zusammenhang zu stellen.<br />

J. B. Fischer von Erlach <strong>und</strong> <strong>Salzburg</strong><br />

Fischer – in Graz zum Bildhauer <strong>und</strong> in Rom<br />

zum Architekten <strong>aus</strong>gebildet – erhielt kurz<br />

nach seiner Rückkehr <strong>aus</strong> Italien in Wien im<br />

Jahr 1687 die Ernennung zum kaiserlichen<br />

Hofarchitekten. Als sich Fischer bald <strong>Salzburg</strong><br />

zuwandte, übertrug ihm Graf Johann<br />

Ernst von Thun-Hohenstein (1687 – 1709)<br />

nach seiner Wahl zum <strong>Salzburg</strong>er Erzbischof<br />

vorerst einige kleinere Bauaufgaben: Die<br />

Neugestaltung des Gartenparterres im Mirabellgarten,<br />

Planungen der Nordportalfassade<br />

des Hofmarstalls samt ihrer räumlichen<br />

Anbindung an die Pferdeschwemme,<br />

der Winterreitschule <strong>und</strong> der Felsengalerie<br />

in der Sommerreitschule (laut Chrono-<br />

gramm im großen Wappen anno 1693). Da<br />

Fischer diese Her<strong>aus</strong>forderungen offenbar<br />

mit Bravour meisterte, ernannte ihn EB Thun<br />

schließlich im Jahr 1694 zum <strong>Salzburg</strong>er Hofarchitekten,<br />

was ihm faktisch das uneingeschränkte<br />

architektonische Gestaltungsmonopol<br />

einbrachte. Nach der Errichtung des<br />

Hoyos-Stöckls erhielt Fischer schließlich den<br />

Großauftrag für die drei innerstädtischen Sakralbauten<br />

zugeteilt. (vgl. Hahnl 1991: 2208 –<br />

2211. vgl. Sedlmayr 1976: 254 – 256) Mit dem<br />

Tod des Erzbischofs verlor Fischer in <strong>Salzburg</strong><br />

sämtliche Aufträge.<br />

Kleeblatt <strong>und</strong> Großauftrag (1694)<br />

R<strong>und</strong> sechs Jahre vor dem Baubeginn des<br />

repräsentativen Schlosses Kleßheim im damaligen<br />

Fasanengarten des Erzbischofs –<br />

knapp über der Geländekante der Saalach<br />

– konnte Fischer dort das sogenannte Hoyos-Stöckl<br />

realisieren. Dabei handelt es sich<br />

um ein kleines, räumlich sehr phantasievoll<br />

angelegtes Casino, dessen Gr<strong>und</strong>rissstruktur<br />

<strong>aus</strong> drei kleeblattförmig zusammenlaufenden<br />

Ellipsen besteht, zwischen denen jeweils<br />

drei Quadrate so eingeschoben sind, dass<br />

sich ihre Diagonalachsen im gemeinsamen<br />

Mittelpunkt der Konstruktion schneiden. Sowohl<br />

in die kleeblattförmige Ellipsenkonfiguration<br />

als auch in die Konfiguration der<br />

Quadrate lässt sich jeweils ein gleichseitiges<br />

Dreieck einpassen, durch deren Überlagerung<br />

sich ein gleichseitiges Sechseck bildet.<br />

Abbildung 4: Gr<strong>und</strong>riss <strong>und</strong> Perspektive<br />

des Hoyos-Stöckls Fischers<br />

von Erlach (1694). Diese Darstellung<br />

ist hier als Negativkopie wiedergegeben.<br />

(Quelle: Kreul 2006: 181.)<br />

56| BEITRÄGE AUS WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG


Franz Dunzinger VISUELLER DREIKLANG<br />

Abbildung 5: Die vom Verfasser vorgenommene Konstruktionsanalyse: Die Überschneidungen der Zirkelabschläge bilden<br />

gleichseitige Dreiecke, die sich in der Überlagerung zu einer prägnant geometrischen Form verschränken.<br />

Der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr präsentiert<br />

in seiner Fischer-Monographie ein Kurzkapitel<br />

mit der Bezeichnung „Neun Entwürfe für<br />

Gartenhäuser “ (Kombinationen von Ovalen,<br />

Quadraten, Sechsecken), die Fischer innerhalb<br />

kurzer Zeit angefertigt hat. Darunter<br />

befindet sich auch sein Entwurf für das Hoyos-Stöckl<br />

(datiert 1694), der offenbar als einziger<br />

auch realisiert werden konnte. Erwähnenswert<br />

ist, dass Sedlmayr bei der Analyse<br />

dieser geometrischen Konfigurationen stets<br />

von (regelmäßigen) Sechsecken spricht <strong>und</strong><br />

nicht von sich überlagernden gleichseitigen<br />

Dreiecken. (vgl. Sedlmayr 1976: 259f.)<br />

Wie Adolf Hahnl bemerkt, dürfte dieses<br />

Gartenschlösschen als Vorarbeit für den<br />

Fürsterzbischof Ernst Thun gedacht gewesen<br />

sein, denn noch im selben Jahr erhielt<br />

Fischer den Großauftrag für den Neubau<br />

der Dreifaltigkeitskirche (samt Priesterh<strong>aus</strong><br />

<strong>und</strong> Virgilianum) zugesprochen. (vgl. Hahnl<br />

1991: 2210) Daher schien es aufschlussreich,<br />

als Nächstes die Dreifaltigkeitskirche einer<br />

Gr<strong>und</strong>rissanalyse zu unterziehen.<br />

Die Dreifaltigkeitskirche (1694 – 1702) in<br />

der Gr<strong>und</strong>rissanalyse<br />

„Diese Kirche wurde am Dreifaltigkeitssonntag,<br />

dem 11. Juni 1702 – als erster Sakralbau<br />

Fischers – feierlich geweiht. (Kreul 2006: 190)<br />

Die Tatsache, dass sie der Heiligen Dreifaltigkeit<br />

gewidmet ist, war Anlass, sie besonders<br />

sorgfältig dahingehend zu untersuchen,<br />

ob oder inwiefern Fischer in der architektonisch-städtebaulichen<br />

Konzeption dieses<br />

Bauwerks darauf Bezug nimmt.“ (Dunzinger<br />

2011: 86) Auf eine nähere architektonische<br />

Betrachtung dieses Sakralb<strong>aus</strong> wird in diesem<br />

Beitrag auf Gr<strong>und</strong> der hier gebotenen<br />

Kürze verzichtet. (Siehe S. 58: Abb. 6)<br />

Wie <strong>aus</strong> dem unten abgebildeten Gr<strong>und</strong>rissplan<br />

Fischers hervorgeht, nimmt die<br />

Dreifaltigkeitskirche in dieser plastisch anmutenden<br />

Darstellung im Kontext zum Gesamtplan<br />

eine zentrale Schlüsselposition ein,<br />

ist sie doch präzise auf der Symmetrieachse<br />

des klosterähnlich konzipierten Gebäudeflügels<br />

des Priesterh<strong>aus</strong>es situiert.<br />

Abbildung 7:<br />

Eigenhändige Gr<strong>und</strong>risszeichnung<br />

(1604) Fischers von Erlach<br />

vom Gesamtensemble des<br />

Priesterh<strong>aus</strong>es mit der Dreifaltigkeitskirche<br />

im Zentrum. (Quelle:<br />

Prange 2004: 110.)<br />

BEITRÄGE AUS WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG<br />

|57


VISUELLER DREIKLANG Franz Dunzinger<br />

Im Zusammenhang mit der Gr<strong>und</strong>rissanalyse<br />

der Dreifaltigkeitskirche wurden u.a. folgende<br />

Fragen gestellt: Nach welchen geometrischen<br />

Prinzipien wurde dieser Gr<strong>und</strong>riss<br />

entwickelt? Von innen nach außen oder<br />

umgekehrt? Lässt sich eine besondere Relation<br />

von Außen- <strong>und</strong> Innenraumellipse feststellen?<br />

Ist möglicherweise das gleichseitige<br />

Dreieck auch in diesem Gr<strong>und</strong>riss Fischers<br />

immanentes Konstruktionsprinzip? Um diese<br />

Fragestellungen zu beantworten, wurden<br />

entsprechende zeichnerische Rekonstruktionsversuche<br />

– auch mit unterschiedlichen<br />

Gr<strong>und</strong>rissen – angestellt.<br />

Die Ergebnisse der händisch erstellten Konstruktionsstruktur<br />

wurden unter Einsatz der<br />

Anwendungssoftware GeoGebra auf die<br />

Gr<strong>und</strong>risszeichnung Fischers übertragen.<br />

Dar<strong>aus</strong> ließen sich folgende Schlüsse ziehen:<br />

„1. Die Außenlichte der beiden Turmkanten<br />

(A-D) ist die Basis eines größeren gleichseitigen<br />

Dreiecks, dessen Spitze auf den östlich<br />

gelegenen Brennpunkt (F2) der Innenraumellipse<br />

trifft. Dieses Hauptdreieck besteht insgesamt<br />

<strong>aus</strong> den Punkten A-D-F2.<br />

2. Die Strecke zwischen den beiden Scheiteln<br />

des ovalen Treppenpodests <strong>und</strong> dem Brennpunkt<br />

der Innenraumellipse (F1) als Spitze ergibt<br />

ebenfalls ein gleichseitiges Dreieck.<br />

3. Nimmt man die Strecke zwischen den<br />

beiden Zirkeleinstichen der Scheitelkrümmungskreise<br />

des Außenovals – welche in<br />

der Konstruktionszeichnung Fischers deutlich<br />

festgestellt werden können – als Basis<br />

eines gleichseitigen Dreiecks, so ergibt sich<br />

als dritter Punkt (an der oberen Dreiecksspitze)<br />

eine Stelle im inneren Eingangsbereich,<br />

wo eine im Plan eingezeichnete Steinplatte<br />

den Zugang zu einer Krypta markiert.<br />

4. Das vierte gleichseitige Dreieck ist im Zentrum<br />

der Kirche innerhalb von drei Kreuzarmen<br />

einfügbar <strong>und</strong> tangiert mit seinen beiden<br />

seitlichen Schenkeln nahezu exakt die<br />

hintere Hälfte der Innenraumellipse.<br />

Abbildung 8: Das gleichseitige Dreieck als Konstruktionsprinzip<br />

im Gr<strong>und</strong>riss der Dreifaltigkeitskirche. Die<br />

vom Verfasser vorgenommene Rekonstruktionszeichnung<br />

(blaue Linien) ergibt in der Innenraumellipse<br />

ein sternförmiges Gebilde, das jenem des Hoyos-<br />

Stöckls sehr ähnlich ist. Idee <strong>und</strong> Konstruktion: Franz<br />

Dunzinger. Digitale Umsetzung: Georg Wengler.<br />

5. Aus der Überschneidung des ersten Dreiecks<br />

(A-D-F2) mit dem vierten ergibt sich<br />

zwischen den zwei vorderen Kanten der Vierungspfeiler<br />

<strong>und</strong> dem oberen Brennpunkt<br />

(A1-D1-F2) ein fünftes gleichseitiges Dreieck.“<br />

(Dunzinger 2011: 91 – 93)<br />

Während dieser Untersuchung bildete sich<br />

die geometrische Gr<strong>und</strong>form des gleichseitigen<br />

Dreiecks als primäres Konstruktionselement<br />

in Fischers Plandarstellung immer<br />

klarer her<strong>aus</strong>. Selbst in der Innenraumellipse<br />

lassen sich zwei gegenseitig sich verschränkende<br />

Hauptdreiecke errichten, die im<br />

Gr<strong>und</strong>riss wieder an das Hoyos-Stöckl erinnern.<br />

Weitere Gr<strong>und</strong>rissanalysen der Kollegienkirche<br />

sowie der Markuskirche ergaben<br />

dagegen keinerlei Hinweise auf die Existenz<br />

des gleichseitigen Dreiecks.<br />

58| BEITRÄGE AUS WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG


Franz Dunzinger VISUELLER DREIKLANG<br />

Abbildung 9: Die drei von Fischer geplanten<br />

Sakralgebäude im Katasterplan der Stadt <strong>Salzburg</strong>,<br />

deren jeweilige Gr<strong>und</strong>risse in diesen eingefügt<br />

wurden. Die Abstände zwischen den<br />

Zentren dieser Kirchen wurden mittels Zirkelabschlägen<br />

definiert <strong>und</strong> ergeben im Stadtgr<strong>und</strong>riss<br />

die Gr<strong>und</strong>form des gleichseitigen Dreiecks.<br />

Diese Darstellungsvariante ist nach dem Vorbild<br />

des Rom-Plans (Pianta Grande di Roma) von<br />

Giambattista Nolli von 1748 angelegt. Idee <strong>und</strong><br />

Entwurf: Franz Dunzinger. Digitale Umsetzung:<br />

Arnold Wallner.<br />

Das gleichseitige Dreieck als Ordnungsstruktur<br />

im <strong>Salzburg</strong>er Stadtgr<strong>und</strong>riss<br />

Im Zuge der Stadtraumbetrachtungen vom<br />

Mönchsberg herab tauchte schließlich auch<br />

die Frage auf, ob nicht diese drei Sakralbauten<br />

zueinander in gleich großen Entfernungen<br />

situiert sind.<br />

Um die Gr<strong>und</strong>form des gleichseitigen Dreiecks<br />

optimal in die verschiedenen Innenräume<br />

einzupassen, wurden die dazugehörigen<br />

Gr<strong>und</strong>risse auf den Katasterplan des<br />

jeweiligen Kirchengebäudes projiziert <strong>und</strong><br />

eingepasst. Insgesamt konnte zwischen den<br />

einzelnen Kuppeln ein gleichseitiges Dreieck<br />

mit der Seitenlänge von r<strong>und</strong> 470 Metern<br />

eingeschrieben werden. Damit sind diese<br />

drei Sakralbauten – neben ihrer visuell wahrnehmbaren<br />

Dominanz im Stadtbild – darüber<br />

hin<strong>aus</strong> auch als gleichseitiges Dreieck<br />

im Stadtgefüge verankert <strong>und</strong> bilden über<br />

denSalzachfluss hinweg so eine <strong>aus</strong>gewogene,<br />

aber nicht auf den ersten Blick sichtbare<br />

Einheit. (Vgl. Abb. 9)<br />

„Das gleichseitige Dreieck existiert somit in<br />

verdeckter bzw. ideeller Form. Damit wird der<br />

Architekt zum Schöpfer einer gewissen Symboltiefe,<br />

in die nur ‚Eingeweihte’ vorzudringen<br />

vermögen. Valena spricht in diesem Zusam-<br />

menhang von ‚verschlüsselten Botschaften’,<br />

von einer besonderen ‚Spielfreude’ bzw. Virtuosität<br />

im Spätbarock, die erst im Zeitalter<br />

der Aufklärung endete. (Valena 1994: 96)“<br />

(Dunzinger 2011: 101)<br />

Sicht- <strong>und</strong> Symmetrieachsenbezüge<br />

zwischen den drei Sakralbauten<br />

Abbildung 10: Die Sicht- bzw. Symmetrieachse vom<br />

Orgelchor der Markuskirche zielt präzise auf das<br />

Zentrum der Festung Hohensalzburg, welche die<br />

Krone der Stadt bildet. Foto: N. Homykecz,<br />

Ansichtskarte, Verlag St. Peter, <strong>Salzburg</strong><br />

Wie festgestellt werden konnte, eröffnen sich<br />

von jeder der drei Emporen der Fischer‘-<br />

schen Kirchen imposante, belvedereähnli-<br />

BEITRÄGE AUS WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG<br />

|59


VISUELLER DREIKLANG Franz Dunzinger<br />

che Ausblicke auf einen anderen Sakralbau<br />

dieses Architekten. Aus Abbildung 10 geht<br />

deutlich hervor, dass das in der Symmetrieachse<br />

des ehemaligen Ursulinenklosters situierte<br />

Kirchengebäude mit seinem östlichen<br />

Emporenfenster darüber hin<strong>aus</strong> präzise auf<br />

das Zentrum der Festung Hohensalzburg am<br />

Festungsberg <strong>aus</strong>gerichtet ist. Damit besteht<br />

hier eine <strong>aus</strong>geprägte Oben-unten-Beziehung<br />

zwischen dem Machtzentrum der Festung<br />

sowie diesem Sakralbau am Beginn<br />

<strong>und</strong> Ende der damaligen Stadt. Der großzügige<br />

Ausblick von dieser Empore ist auch<br />

stadt<strong>aus</strong>wärts in westlicher Richtung hinüber<br />

zum lediglich r<strong>und</strong> 100 Meter weit entfernten<br />

Kl<strong>aus</strong>entor gegeben.<br />

Aus der Lektüre des Katasterplans ergibt sich<br />

weiters, dass die Hauptachse der Kollegienkirche<br />

auf den östlichen Gebäudeflügel des<br />

Priesterh<strong>aus</strong>es in der Rechtsstadt gerichtet<br />

ist <strong>und</strong> die in seinem Zentrum befindliche<br />

Dreifaltigkeitskirche knapp ‚verfehlt‘. Die<br />

Symmetrieachse der Dreifaltigkeitskirche<br />

wiederum trifft in ihrer Verlängerung auf<br />

den Gebäudeflügel des ehemaligen Ursulinenklosters<br />

in der Linksstadt, ‚verfehlt‘ aber<br />

die ehemalige Ursulinenkirche bzw. heutige<br />

Markuskirche ebenfalls knapp. Das Prinzip<br />

der rigorosen Richtungsachsen der Wolf-<br />

Dietrich-Zeit scheint überw<strong>und</strong>en zu sein.<br />

Abbildung 6: Die Dreifaltigkeitskirche vom Makartplatz<br />

<strong>aus</strong> betrachtet. (Foto: Georg Parthen. In: Kreul, Andreas.<br />

Johann Bernhard Fischer von Erlach. 2006, 191)<br />

Hinweis: Eine umfangreichere Darstellung<br />

dieser Thematik findet sich im Kapitel 4 „Innerstädtische<br />

Trilogie: Drei Sakralbauten Fischers<br />

von Erlach“ in der angeführten Arbeit<br />

des Verfassers.<br />

Fazit<br />

Das Kompositionsprinzip des Gr<strong>und</strong>risses der<br />

<strong>Salzburg</strong>er Dreifaltigkeitskirche basiert auf<br />

dem gleichseitigen Dreieck, welches in der<br />

christlichen Symbolik das älteste Zeichen für<br />

die Trinität darstellt.<br />

Die drei Fischer‘schen Sakralbauten, die<br />

sich hinsichtlich ihrer Höhenentwicklung im<br />

Stadtbild prägnant abheben, bilden sich<br />

auch im zentralen Stadtgr<strong>und</strong>riss als gleichseitiges<br />

Dreieck ab. Mit diesem städtebaulichen<br />

‚Dreiklang’ wird das spätbarocke erzbischöfliche<br />

Repräsentationsprogramm zu<br />

seinem imposanten Abschluss gebracht.<br />

Literatur:<br />

Dehio Handbuch (1986): Die Kunstdenkmäler Österreichs. <strong>Salzburg</strong> – Stadt<br />

<strong>und</strong> Land <strong>Salzburg</strong>. Wien: Schroll.<br />

Braunfels, Wolfgang (1976): Abendländische Stadtbaukunst. Herrschaftsform<br />

<strong>und</strong> Baugestalt. Köln: DuMont Schauberg.<br />

Dopsch, Heinz/Hoffmann, Robert (1996): Geschichte der Stadt <strong>Salzburg</strong>.<br />

<strong>Salzburg</strong> – München: Pustet.<br />

Dunzinger, Franz (2011): Mit Kimme <strong>und</strong> Korn. Topographische <strong>und</strong> architektonisch-städtebauliche<br />

Bezüge in der Stadt <strong>Salzburg</strong> unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Spätmittelalters, des Barock <strong>und</strong> der Gegenwart.<br />

Dissertation Kunstuniversität Linz.<br />

Hahnl, Adolf (1991): Die bauliche Entwicklung der Stadt. In: Heinz Dopsch/<br />

Hans Spatzenegger (Hg.): Geschichte <strong>Salzburg</strong>s. Stadt <strong>und</strong> Land. Band II/4<br />

Neuzeit <strong>und</strong> Zeitgeschichte. <strong>Salzburg</strong> - München: Pustet. 2183 – 2240.<br />

Kreul, Andreas (2006): Johann Bernhard Fischer von Erlach. Regie der Relation.<br />

<strong>Salzburg</strong> – München: Pustet.<br />

Prange, Peter (2004): Entwurf <strong>und</strong> Phantasie. Zeichnungen des Johann<br />

Bernhard Fischer von Erlach, 1656 – 1723. <strong>Salzburg</strong>: <strong>Salzburg</strong>er Barockmuseum.<br />

Sedlmayr, Hans (1976): Johann Bernhard Fischer von Erlach. 2. neubearb.<br />

u. erw. Auflage. Wien: Herold.<br />

Valena, Tomas (1994): Beziehungen. Über den Ortsbezug in der Architektur.<br />

Berlin: Ernst.<br />

60| BEITRÄGE AUS WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG


Margret Rasfeld DAS LERNEN DER ZUKUNFT<br />

Das Lernen der Zukunft<br />

Paradigmenwechsel als Antwort auf neue Her<strong>aus</strong>forderungen<br />

Margret Rasfeld<br />

Es ist doch nicht normal, dass Kinder den größten Schatz,<br />

den sie mit auf die Welt bringen,<br />

ihre unglaubliche Entdeckerfreude <strong>und</strong> Gestaltungslust,<br />

ihre Offenheit <strong>und</strong> Lebensfreude, <strong>aus</strong>gerechnet dort verlieren,<br />

wo er sich eigentlich besonders gut entfalten sollte.<br />

Gerald Hüther; Hirnforscher 1<br />

Wir leben in einer Zeit dramatischer Veränderungen unserer Lebensbedingungen. Große Her<strong>aus</strong>forderungen<br />

prägen unser Zukunftsbild <strong>und</strong> keiner kann mehr vor<strong>aus</strong>sagen, wie die Welt von<br />

morgen <strong>aus</strong>sieht. Die Bildungssysteme müssen darauf reagieren. Der Beitrag zeigt theoretisch <strong>und</strong><br />

am Beispiel der Evangelischen Schule Berlin Zentrum auch praktisch auf, warum der Paradigmenwechsel<br />

notwendig ist <strong>und</strong> wie er gestaltet werden kann.<br />

Die Zeit für einen gr<strong>und</strong>legenden Wandel<br />

in der schulischen Bildung ist reif - überreif.<br />

Wir gehen in eine gefährdete Welt vielfältiger<br />

Möglichkeiten, die sich von allem, was<br />

wir bisher kannten, radikal unterscheidet.<br />

Unsere vorwiegend auf Wissensvermittlung<br />

<strong>aus</strong>gerichtete schulische Bildung stattet die<br />

heranwachsende Generation nicht genügend<br />

mit den Kompetenzen <strong>aus</strong>, die sie zur<br />

Bewältigung der großen Her<strong>aus</strong>forderungen<br />

im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert brauchen. Wir arbeiten<br />

sowohl in Deutschland als auch in Österreich<br />

immer noch im selektiven Geist, der<br />

Konkurrenzhaltung statt Wertschätzung <strong>und</strong><br />

Potenzialentfaltung fördert. Krisen überall<br />

offenbaren, dass unsere etablierten Denkannahmen,<br />

dass kurzfristige Gewinnmaximierung<br />

<strong>und</strong> neue Technologien unsere Probleme<br />

schon irgendwie lösen werden, nicht<br />

mehr greifen. Sie stehen im eklatanten Widerspruch<br />

zu der ökologischen, sozialen <strong>und</strong><br />

ökonomischen Realität. Der bisher praktizierte<br />

Weg einer verschärften Konkurrenz gegeneinander<br />

auf allen Ebenen erweist sich<br />

zunehmend als nicht tragfähig. Unverzichtbar<br />

sind vielmehr Kreativität, Verantwortung<br />

<strong>und</strong> Gemeinsinn, um die gemeinsamen Le-<br />

bensgr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> das friedliche Zusammenleben<br />

zu sichern.<br />

Die Zukunft, in die Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

hineinwachsen, zeichnet sich durch Unwägbarkeiten<br />

<strong>und</strong> Turbulenzen <strong>aus</strong>. Sicherheiten<br />

in Form von bewährten Bildungskarrieren<br />

relativieren sich angesichts der Dynamiken<br />

des 21.Jahrh<strong>und</strong>erts, das mit seiner Komplexität<br />

ein radikales Umdenken verlangt, um<br />

Lösungen für die globalen Her<strong>aus</strong>forderungen<br />

entwickeln zu können. Mit tradierten<br />

Mustern <strong>und</strong> Konformitätsdenken lassen sich<br />

die Her<strong>aus</strong>forderungen nicht bewältigen.<br />

Visionsbewusstheit, Vorstellungskraft, vernetztes<br />

Denken, Innovationsgeist <strong>und</strong> Handlungsmut<br />

sind gefragt, um neue Modelle des<br />

Zukünftigen zu entwerfen. Auch unsere Bildungssysteme<br />

stehen zur Disposition. Bisher<br />

wird dort das Augenmerk kaum auf die Exzellenz<br />

jedes Menschen gerichtet - stattdessen<br />

herrschen Defizitgeist, Normierung <strong>und</strong><br />

Standardisierung vor.Schulen in Deutschland<br />

<strong>und</strong> Österreich konzentrieren sich vor allem<br />

auf Wissensvermittlung, homogene Gruppen<br />

<strong>und</strong> die Förderung einseitig kognitiver Fähigkeiten.<br />

Die traditionellen Funktionen dieses<br />

1 Gerald Hüther: Einführung in Rasfeld, Margret/Spiegel, Peter: Eduaction. Hamburg: Murmann, 2012. S. 12.<br />

GASTBEITRAG |61


DAS LERNEN DER ZUKUNFT Margret Rasfeld<br />

Bildungssystems werden beschrieben mit<br />

den Stichworten Qualifikation, Selektion, Legitimation.<br />

Doch eine solche Bildung ist <strong>aus</strong>gerichtet<br />

auf arbeitsteilige Effizienzstrukturen<br />

in Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft, die den Vorgaben<br />

einer Industriegesellschaft entsprechen,<br />

welche im Verschwinden begriffen ist.<br />

Ihre Anschlussfähigkeit an die Her<strong>aus</strong>forderungen<br />

des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts ist nicht mehr<br />

gegeben.<br />

Warum kleben wir an diesen alten Mustern,<br />

warum geben wir uns mit „mehr vom Gleichen“<br />

zufrieden? Fehlt es an Vorstellungskraft,<br />

Visionen <strong>und</strong> Mut? Otto Scharmer, Bildungsinnovator<br />

<strong>und</strong> Gründer des visionären<br />

Presencing Institute, nennt es das Gefängnis<br />

unserer kollektiven institutionellen Verhaltensmuster.<br />

Wir brauchen Innovationen, um<br />

die Probleme zu lösen. Unsere Gesellschaft<br />

braucht unternehmerische Initiativen, die<br />

nicht neue Bedürfnisse her<strong>aus</strong>kitzeln, sondern<br />

auf vorhandene Her<strong>aus</strong>forderungen<br />

mit ökologischer, ökonomischer, künstlerischer<br />

Fantasie antworten. Doch woher sollen<br />

diese kommen? Innovationsgeist <strong>und</strong><br />

Kreativität scheinen abhanden gekommen<br />

zu sein. Ich bin überzeugt, dass Innovationsgeist<br />

<strong>und</strong> Kreativität uns deshalb abhanden<br />

gekommen sind, weil die meisten Menschen<br />

die Schule mit ihrem heimlichen Lehrplan<br />

der Anpassung viele Jahre lang durchlaufen<br />

haben.<br />

Kreativität lebt von Begeisterung<br />

<strong>und</strong> Begeisterung entsteht in Frei-Räumen<br />

offenen Denkens, wenn nicht alles<br />

vorherbestimmt ist, wenn man Träumen<br />

nachgehen darf.<br />

Kreativität braucht Raum zum<br />

Scheitern ohne Beurteilung.<br />

Stattdessen herrscht im Schulsystem die Orientierung<br />

auf Leistung mit ständiger Bewertung.<br />

Selbst wer im bestehenden System der<br />

vorrangigen Wissensvermittlung vermeintlich<br />

erfolgreich ist, wird dadurch in der vollen<br />

Entfaltung der in ihm schlummernden<br />

Potenziale gedeckelt statt zur Exzellenz gebracht.<br />

Querdenken, Unternehmensgeist, Risikobereitschaft,<br />

Handeln werden eher nicht<br />

gefördert. Die Hierarchie von Fächern, Zerstückelung,<br />

Konformität haben einen höheren<br />

Stellenwert als Heterogenität <strong>und</strong> Interdisziplinarität.<br />

Fehler machen <strong>und</strong> Scheitern<br />

ist mit Angst belegt. Die Gr<strong>und</strong>bedingungen<br />

für Innovation, nämlich Autonomie, Selbstdenken,<br />

Urteilskraft, Persönlichkeitsstärke,<br />

Mut, maximale Interdisziplinarität, sind nicht<br />

nur vernachlässigt, sondern werden sträflich<br />

unterlaufen. Es werden aber keine EinzelkämpferInnen,<br />

angepasste PflichterfüllerInnen<br />

oder AuswendiglernerInnen gebraucht.<br />

Es darf aber auch nicht sein, dass SchülerInnen<br />

ihre angeborene Begeisterung am<br />

Lernen, Entdecken <strong>und</strong> Entwickeln verlieren<br />

oder dass Kinder <strong>und</strong> Jugendliche mit<br />

Gleichgültigkeit, Widerstand oder gar Angst<br />

zur Schule gehen. Junge Menschen sollten<br />

mit Freude lernen, ihre vielfältigen Potenziale<br />

entdecken <strong>und</strong> entfalten können. Sie sollten<br />

in der Schule erfahren, dass jeder zählt<br />

<strong>und</strong> wie sie sich kreativ, mutig, selbstbewusst,<br />

gemeinsam <strong>und</strong> mit Zuversicht an der Gestaltung<br />

einer menschlichen Zukunft beteiligen<br />

können.<br />

Weitere Schulreformen, die Einführung neuer<br />

Bildungsstandards, zusätzlicher Lernstoff,<br />

noch mehr Druck <strong>und</strong> Wettbewerb helfen<br />

hier nicht weiter. Die alten, in der Vergangenheit<br />

bewährten Strategien greifen nicht<br />

mehr. Wir brauchen keine neuen Maßnahmen,<br />

sondern einen gr<strong>und</strong>legenden Wandel,<br />

der in den Schulen selbst entsteht <strong>und</strong><br />

nicht nur die äußere Form, sondern auch<br />

die inneren Haltungen, das „mindset“ seiner<br />

GestalterInnen, mit bewegt.<br />

Eine Gesellschaft hat so viele Talente, wie sie<br />

finden will. Das Potenzial einer Gesellschaft<br />

ist das Ergebnis der Bereitschaft, die Potenziale,<br />

die in allen Menschen vorhanden sind,<br />

tatsächlich wahrzunehmen <strong>und</strong> ihnen Gelegenheiten<br />

zu geben, sich zu entfalten. Das<br />

derzeitige Bildungssystem impliziert <strong>und</strong> stabilisiert<br />

den Defizitblick, auf den LehrerInnen<br />

hin <strong>aus</strong>gebildet werden <strong>und</strong> <strong>aus</strong>gerichtet<br />

sind. Das Dilemma: Defizitorientierung <strong>und</strong><br />

62| GASTBEITRAG


Margret Rasfeld DAS LERNEN DER ZUKUNFT<br />

Potenzialentfaltungskultur sind zwei unvereinbare<br />

Haltungen. Dazu kommen geringe<br />

Durchlässigkeit <strong>und</strong> hohe Abbrecherquoten.<br />

Zudem hält sich das System nur mit Milliarden<br />

Euro privaten Nachhilfeunterrichts jährlich<br />

aufrecht! Für ein Unternehmen wäre<br />

das der Bankrott.<br />

SchülerInnen <strong>und</strong> LehrerInnen werden im<br />

System zu „Leistungserfüllern <strong>und</strong> Leistungserfüllerinnen<br />

von Stoff“, <strong>und</strong> das im Gleichschritt,<br />

bezogen auf fremdbestimmte, vorwiegend<br />

kognitive Erwartungen, die in<br />

standardisierten Prüfungen <strong>und</strong> Tests sortiert<br />

werden. Das widerspricht nicht nur dem humanistischen<br />

Menschenbild, sondern auch<br />

der von den Kultusbehörden geforderten<br />

Individualisierung. Das widerspricht einer<br />

Pädagogik vom Kinde <strong>aus</strong>. Das widerspricht<br />

den neuen Erkenntnissen der Hirnforschung<br />

über Lernen. Das fördert nicht die Metakompetenzen,<br />

die für die Her<strong>aus</strong>forderungen<br />

der Zukunft so gr<strong>und</strong>legend wichtig sind. An<br />

diesem selektiven Un-Geist leiden nicht nur<br />

viele LehrerInnen, sondern auch Kinder <strong>und</strong><br />

Eltern.<br />

30% der Kinder gehen mit Angst in die Schule.<br />

Angst beschädigt die Seele <strong>und</strong> ist Lern<strong>und</strong><br />

Kreativitätskiller. Das dürfen wir nicht<br />

zulassen. Lernen braucht verbindliche <strong>und</strong><br />

vertrauensvolle Beziehungen. Vertrauen, Ermutigung<br />

<strong>und</strong> Wertschätzung sind zentrale<br />

Elemente einer Lernkultur, in der sich Potenziale<br />

entfalten können. Wer Lernprozesse<br />

begleitet, ist Dialogpartner, ermutigender<br />

Unterstützer, her<strong>aus</strong>fordernder Begleiter. Er<br />

oder sie kennt die Heranwachsenden gut<br />

<strong>und</strong> glaubt an ihre Fähigkeiten.<br />

Viele Schulen sind jedoch aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

Struktur eher Beziehungsverhinderungsanstalten,<br />

in denen LehrerInnen täglich alle 45<br />

Minuten von einer Klasse in die nächste hetzen<br />

<strong>und</strong> in ständigem Wechsel h<strong>und</strong>ert <strong>und</strong><br />

mehr SchülerInnen unterrichten, von denen<br />

sie jedes einzelne Kind kennen <strong>und</strong> individuell<br />

fördern sollen. Innerlich zu wissen, nicht<br />

das Richtige zu tun, <strong>und</strong> dauerhaft gegen<br />

die innere Überzeugung zu handeln ist einer<br />

der stärksten Stressfaktoren, wie Studien<br />

zeigen. Selbst hoch engagierte Kolleginnen<br />

<strong>und</strong> Kollegen kapitulieren irgendwann vor<br />

dieser unmöglichen Aufgabe in den starren<br />

Strukturen. Die fatale Botschaft dieses Systems:<br />

Für das Wesentliche ist keine Zeit.<br />

Die Folgen sind katastrophal – <strong>und</strong> dabei<br />

längst bekannt. Es ist doch paradox: Wir vertrauen<br />

Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern das Wichtigste<br />

an, das eine Gesellschaft hat – unsere<br />

Kinder. Und statt ihnen Anerkennung zu<br />

schenken <strong>und</strong> beste Arbeitsbedingungen,<br />

stecken wir sie in eine Box der beschränkten<br />

Möglichkeiten.<br />

Nur wer radikal neu denkt, wird auch neu<br />

gestalten. Wir brauchen einen radikalen<br />

Wandel unserer Lernkultur, einen Transformationsprozess<br />

unserer Bildungsinstitute.<br />

Deshalb: Keine Reparatur am alten System.<br />

Wir brauchen eine neue Denke, auch in unseren<br />

Schulen <strong>und</strong> <strong>Hochschule</strong>n! Wir brauchen<br />

MUT zu Visionen.<br />

Um mit Unsicherheit – dem Merkmal moderner<br />

Lebenswelten <strong>und</strong> der Zukünfte, in die<br />

wir <strong>und</strong> unsere Kinder hineinwachsen – souverän<br />

umgehen zu können, braucht es zweierlei:<br />

eine emotionale <strong>und</strong> soziale, früh sich<br />

stärkende Stabilität, die sich <strong>aus</strong><br />

Selbstwirksamkeitserfahrungen, sozialer Unterstützung<br />

<strong>und</strong> dem Erleben von Sinnhaftigkeit<br />

des eigenen Handelns entwickelt <strong>und</strong><br />

ein Sich-erproben-Können in offenen Lernfeldern<br />

<strong>und</strong> her<strong>aus</strong>fordernden Lernlandschaften.<br />

Ermutigung also <strong>und</strong> Auseinandersetzung<br />

mit Risiko <strong>und</strong> Scheitern.<br />

Es wäre also an der Zeit, aufzuwachen<br />

<strong>und</strong> unsere Schulen in das umzuwandeln,<br />

was sie sein müssten: Werkstätten des<br />

Entdeckens <strong>und</strong> Gestaltens,<br />

Erfahrungsräume zur Entfaltung der in<br />

allen Kindern angelegten Potenziale,<br />

Begegnungsorte für das Voneinander<strong>und</strong><br />

Miteinanderlernen, Basislager des<br />

Erlebens von gegenseitiger Achtung <strong>und</strong><br />

Wertschätzung <strong>und</strong> des Gefühls,<br />

aneinander <strong>und</strong> miteinander über sich<br />

hin<strong>aus</strong>wachsen zu können.<br />

Gerald Hüther, Hirnforscher. Ebd. S. 12.<br />

GASTBEITRAG |63


DAS LERNEN DER ZUKUNFT Margret Rasfeld<br />

Und es gibt sie bereits, hoffnungsvolle Anfänge,<br />

in Deutschland, in Österreich, überall, mit<br />

einer Lernkultur, die Menschen dazu befähigt,<br />

• multiple Intelligenzen von Kopf, Herz <strong>und</strong><br />

Hand zu entwickeln,<br />

• Verschiedenheit - Diversity - als Chance zu<br />

erleben,<br />

• Gemeinsinn zu praktizieren,<br />

• flexibel, innovativ <strong>und</strong> kreativ auf unbekannte<br />

Her<strong>aus</strong>forderungen zu reagieren<br />

<strong>und</strong> dabei<br />

• als handelnde Person Verantwortung für<br />

sich, andere <strong>und</strong> das Ganze zu übernehmen.<br />

Haben wir den Mut, viele Schulen der Zukunft<br />

zu erfinden – Visionen Wirklichkeit<br />

werden zu lassen. Dazu ist es unerlässlich,<br />

auch die LehrerInnen<strong>aus</strong>bildung neu zu<br />

gestalten.<br />

Am Beispiel der Evangelische Schule Berlin<br />

Zentrum (esbz) werde ich im Folgenden<br />

Elemente einer gelebten Innovations- <strong>und</strong><br />

Potenzialentfaltungskultur erläutern. Ich<br />

möchte damit inspirieren <strong>und</strong> ermutigen.<br />

Die Schule der Zukunft<br />

• bereitet auf ein gesellschaftliches <strong>und</strong><br />

berufliches Leben vor, das wir heute noch<br />

nicht kennen, auf Technologien, die erst<br />

morgen erf<strong>und</strong>en werden, <strong>und</strong> hilft Her<strong>aus</strong>forderungen<br />

zu bewältigen, von denen<br />

wir heute noch nicht wissen, dass es<br />

sie gibt 3 (esbz: Umgang mit Ungewissheit<br />

- Schulfach Her<strong>aus</strong>forderung).<br />

• Die Schule der Zukunft ist nicht mehr<br />

durch Standardisierung <strong>und</strong> Konformität<br />

geprägt, sondern durch individualisiertes<br />

Lernen, nicht mehr „Lehrplan-zentriert“,<br />

sondern „Lerner-zentriert“ 4 (esbz: Lernbüro,<br />

Projektlernen, individuelles Coaching,<br />

Frei-Räume für das Verfolgen von Interessen,<br />

Entscheidungsspielräume, wann wer<br />

was lernt, Werkstätten).<br />

• Menschen können die in ihnen angelegten<br />

Potenziale nur durch ein möglichst<br />

reichhaltiges Spektrum eigener Erfahrungen<br />

entdecken <strong>und</strong> entfalten. Schulen<br />

der Zukunft sind daher Werkstätten des<br />

gemeinsamen Gestaltens in realen Lebensbezügen<br />

(esbz: Projekte, Projekt Verantwortung,<br />

Her<strong>aus</strong>forderung).<br />

• Das 21. Jh. ist das Zeitalter des globalen<br />

Lernens. In heterogenen Gruppen autonom<br />

<strong>und</strong> erfolgreich handeln zu können<br />

ist eine der drei PISA-Kernkompetenzen<br />

der OECD. Schulen der Zukunft ermöglichen<br />

Lernen in heterogenen Arrangements<br />

<strong>und</strong> Welt-Erfahrungen (esbz:<br />

Inklusion, Jahrgangsmischung, Her<strong>aus</strong>forderungen<br />

<strong>und</strong> „ALLE ins Ausland“).<br />

• Lernen läuft über die gute Beziehung!<br />

Schulen der Zukunft stärken Beziehungsstrukturen<br />

<strong>und</strong> rücken die Frage, welcher<br />

„Geist“ in ihrer Gemeinschaft her<strong>aus</strong>gebildet<br />

<strong>und</strong> genährt wird, in den Mittelpunkt<br />

ihrer Bemühungen (esbz: LehrerInnen<br />

in der Rolle als supportive Leader mit<br />

Zeitkontingenten für Coaching, täglich<br />

eine Klassenst<strong>und</strong>e, Lehrerteams).<br />

• Kern aller menschlichen Motivation sind<br />

Anerkennung, Wertschätzung <strong>und</strong> Zuwendung.<br />

Schulen der Zukunft entwickeln<br />

<strong>und</strong> leben eine Wertschätzungskultur<br />

(esbz: Auszeichnungen, Loben bei der<br />

Versammlung, Tutorensystem, partizipative<br />

Strukturen)<br />

• Die Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft brauchen unser<br />

aller Verantwortung. Metakompetenzen<br />

erwirbt man durch eigene Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> Handeln. Die entscheidenden Erfahrungen<br />

machen Menschen dann, wenn<br />

sie sich gemeinsam mit anderen um etwas<br />

Wichtiges kümmern. Schulen der Zukunft<br />

trauen SchülerInnen verantwortungsvolle<br />

Aufgaben zu <strong>und</strong> verankern zivilgesellschaftliches<br />

Engagement als Kernelement<br />

3 Vgl. Andreas Schleicher, Internationaler PISA Koordinator, 10.03.2011 beim Bildungskurs der Mercatorstiftung „Auf der Suche nach der Schule der Zukunft“<br />

4 Vgl. Ebd.<br />

64| GASTBEITRAG


Margret Rasfeld DAS LERNEN DER ZUKUNFT<br />

in ihrer Lern- <strong>und</strong> Schulkultur (esbz Verantwortung<br />

als Schulfach, Peer Education,<br />

Sprachbotschafter, Klimabotschafter)<br />

• Die Zukunft wird immer Her<strong>aus</strong>forderung<br />

sein <strong>und</strong> bleiben. Schulen der Zukunft<br />

schaffen Gelegenheitsstrukturen, in denen<br />

sich Heranwachsende einüben, an<br />

ihre Grenzen zu gehen, kreativ zu sein,<br />

Scheitern als produktives Übungsfeld zu<br />

erleben <strong>und</strong> in Her<strong>aus</strong>forderungen über<br />

sich hin<strong>aus</strong>zuwachsen (esbz: Schulfach<br />

Her<strong>aus</strong>forderung).<br />

Bildung für nachhaltige Entwicklung -<br />

wichtiger Auftrag für Schulen <strong>und</strong><br />

<strong>Hochschule</strong>n.<br />

Lernen braucht Begeisterung.<br />

Begeisterung braucht Bedeutsamkeit.<br />

Bedeutsamkeit braucht SINN.<br />

Schulen <strong>und</strong> <strong>Hochschule</strong>n brauchen eine<br />

geistige Mitte, ein Ethos. Organisationsformen<br />

sind wichtige Gelingensbedingungen,<br />

doch erst im Ethos wird eine Organisation<br />

lebendig. Das 21. Jahrh<strong>und</strong>ert ist vor allem<br />

durch zwei Her<strong>aus</strong>forderungen gekennzeichnet:<br />

Verständigung <strong>und</strong> Verantwortung.<br />

Das Zusammenleben zu lernen ist eine der<br />

wichtigsten Aufgaben der Zeit <strong>und</strong> wir alle<br />

müssen Verantwortung übernehmen: für uns<br />

selbst, für unsere Mitmenschen, für unsere<br />

Nachbarschaft, für unseren Planeten. Deshalb<br />

heißt das Ethos der esbz „Verantwortung<br />

für Kinder - Verantwortung für die Erde“.<br />

Die AGENDA 21, das internationale Handlungskonzept<br />

für das 21. Jahrh<strong>und</strong>ert ist unser<br />

Maßstab für das Lernen <strong>und</strong> Handeln.<br />

„Bildung für nachhaltige Entwicklung“ wurde<br />

von den Staaten der Vereinten Nationen<br />

als UN-Dekade für die Jahre 2005-2014<br />

<strong>aus</strong>gerufen. Die internationale Initiative will<br />

dazu beitragen, mit dem Konzept der Gestaltungskompetenz<br />

die Prinzipien nachhaltiger<br />

Entwicklung weltweit in den Bildungssystemen<br />

zu verankern.<br />

Kernkompetenzen für das 21.Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

- Gestaltungskompetenz<br />

Weltoffen <strong>und</strong> neue Perspektiven<br />

integrierend Wissen aufbauen<br />

Vor<strong>aus</strong>schauend Entwicklungen<br />

analysieren <strong>und</strong> beurteilen können<br />

Interdisziplinär Erkenntnisse<br />

gewinnen <strong>und</strong> handeln<br />

Gemeinsam mit anderen planen<br />

<strong>und</strong> handeln können<br />

An kollektiven Entscheidungsprozessen<br />

teilhaben können<br />

Sich <strong>und</strong> andere motivieren können,<br />

aktiv zu werden<br />

Die eigenen Leitbilder <strong>und</strong> die anderer<br />

reflektieren können<br />

Selbstständig planen <strong>und</strong> handeln können<br />

Empathie für andere zeigen können<br />

„Es ist zwingend erforderlich, dass Jugendliche<br />

<strong>aus</strong> allen Teilen der Welt auf allen für sie relevanten<br />

Ebenen aktiv an den Entscheidungsprozessen<br />

beteiligt werden, weil dies ihr heutiges<br />

Leben beeinflusst <strong>und</strong> Auswirkungen auf<br />

ihre Zukunft hat. Zusätzlich zu ihrem intellektuellen<br />

Beitrag <strong>und</strong> ihrer Fähigkeit, unterstützende<br />

Kräfte zu mobilisieren, bringen sie einzigartige<br />

Ansichten ein, die in Betracht gezogen<br />

werden müssen“ (Agenda 21, Kapitel 25).<br />

„Bildung ist eine unerlässliche Vor<strong>aus</strong>setzung<br />

für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung<br />

<strong>und</strong> die Verbesserung der Fähigkeit<br />

der Menschen, sich mit Umwelt- <strong>und</strong> Entwicklungsfragen<br />

<strong>aus</strong>einanderzusetzen. [...] Sowohl<br />

die formale als auch die nichtformale Bildung<br />

sind unabdingbare Vor<strong>aus</strong>setzungen für die<br />

Herbeiführung eines Bewusstseinswandels bei<br />

den Menschen, damit sie in der Lage sind, ihre<br />

Anliegen in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung<br />

abzuschätzen <strong>und</strong> anzugehen. Sie<br />

sind auch von entscheidender Bedeutung für<br />

die Schaffung eines ökologischen <strong>und</strong> eines<br />

ethischen Bewusstseins sowie von Werten <strong>und</strong><br />

Einstellungen [...] Lehrpläne sind gründlich zu<br />

überarbeiten, damit ein multidisziplinärer Ansatz<br />

gewährleistet ist (Agenda 21, Kapitel 36).<br />

GASTBEITRAG |65


DAS LERNEN DER ZUKUNFT Margret Rasfeld<br />

Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung –<br />

die AGENDA 21 - bezieht Sinn- <strong>und</strong> Wertefragen<br />

als Querschnittsaufgabe ein.<br />

Das Zusammenleben-Lernen<br />

wird an der esbz in vielen Zusammenhängen<br />

geübt. Es beginnt im Kleinkosmos Schule:<br />

in den jahrgangsgemischten inklusiven<br />

Klassen, in Klassenst<strong>und</strong>en wie Klassenrat<br />

<strong>und</strong> soziales Lernen, in vielen Lernarrangements,<br />

in denen sich Kinder unterschiedlicher<br />

Klassen <strong>und</strong> Jahrgänge mischen. Ein<br />

Herzstück unserer Schulkultur der Gemeinschaft<br />

ist die Schulversammlung, mit der für<br />

uns jeden Freitag die Schulwoche endet.<br />

Das Zusammenleben-Lernen erweitert sich<br />

von der Schule in die Kommune, wenn Jugendliche<br />

im Projekt Verantwortung ihr Gemeinwesen<br />

mit gestalten. Viele engagieren<br />

sich auch im Projekt Her<strong>aus</strong>forderung<br />

deutschlandweit <strong>und</strong> im Ausland in sozialen<br />

<strong>und</strong> ökologischen Projekten.<br />

Und gemäß unserem Motto „Protestantisch.<br />

Mutig. Weltoffen.“ geben wir im Jahrgang<br />

11 allen Jugendlichen die Möglichkeit, eine<br />

sie prägende Zeit in einer ihnen bis dahin<br />

fremden Kultur zu verbringen. Kinder der<br />

heutigen Generation sind Weltbürger <strong>und</strong><br />

nicht mehr nur Kinder der eigenen Nation.<br />

Die Aneignung interkultureller Kompetenz ist<br />

eine der wichtigsten Zukunfts-Kompetenzen<br />

für jedes Individuum <strong>und</strong> für die Gestaltung<br />

einer friedlichen, humanen, solidarischen<br />

Welt. Die reale Begegnung mit einer anderen<br />

Kultur ist für das Be-Greifen, für das<br />

Sich-Befre<strong>und</strong>en, für ein Verstehen, für das<br />

Bemühen um Verständigung durch nichts<br />

zu ersetzen. Auch in diesem Sinne ist das Zusammenleben-Lernen<br />

eine tragende Säule<br />

im Schulprogramm der esbz.<br />

Lernen zu handeln<br />

ereignet sich, wenn die Lebenswirklichkeit in die<br />

Schule hinein darf <strong>und</strong> die Heranwachsenden<br />

sich mit ihr in realen Projekten <strong>aus</strong>einandersetzen<br />

dürfen. Dabei lernen sie mit Fragehaltung<br />

sich selbst <strong>und</strong> ihre Fähigkeiten kennen, können<br />

sie erproben <strong>und</strong> erweitern <strong>und</strong> gewinnen<br />

so den Mut, sie auch einzusetzen. Mit dem<br />

wöchentlichen 5- stündigen Projektunterricht<br />

– drei große interdisziplinäre Projekte im Jahr -<br />

<strong>und</strong> den Schulfächern „Verantwortung“ <strong>und</strong><br />

„Her<strong>aus</strong>forderung“ verankert die esbz in jedem<br />

Jahrgang nachhaltig Gelegenheitsstrukturen<br />

für Engagement im schulinternen Curriculum<br />

<strong>und</strong> arbeitet mit vielen externen Projektpartnern<br />

zusammen. Aufgr<strong>und</strong> der proaktiven Offenheit<br />

der Schule, der Schulleitung, des Teams<br />

ergeben sich immer wieder neue Gelegenheiten<br />

<strong>und</strong> Partnerschaften.<br />

Lernen, Wissen zu erwerben,<br />

erfolgt selbstverantwortlich, selbstorganisiert,<br />

binnendifferenziert, in eigenen Zeitrhythmen,<br />

eingebettet in eine wertschätzende Beziehungskultur,<br />

die in der esbz der Kern der<br />

Schulkultur ist. Jedes Kind hat eine/n Tutor/<br />

in als Coach mit strukturell verankerten Zeiten<br />

für wöchentliche Gespräche. Die beiden<br />

Tutorst<strong>und</strong>en pro Lehrer/in sind feste St<strong>und</strong>en<br />

im Lehrerkontingent in der Sek I <strong>und</strong> der Sek II.<br />

Tägliche „Klassenst<strong>und</strong>en“ mit den KlassenlehrerInnen<br />

wie Klassenrat, Soziales Lernen,<br />

Lesest<strong>und</strong>e stärken die vertrauensvolle Beziehung<br />

in den Klassen. Vertrauen <strong>und</strong> Wertschätzung<br />

entstehen durch Freiheit, nicht<br />

durch Zwang. Deshalb steht das Kind als Subjekt<br />

der eigenen Lernprozesse im Zentrum.<br />

Das Lernen beginnt mit einem offenen »Lernbüro«<br />

für die Fächer Deutsch, Englisch, Mathematik<br />

<strong>und</strong> Natur&Gesellschaft. Individualisierung<br />

ist möglich in Bezug auf Zeitintensität<br />

pro Fach, Komplexität, Sozialform. Die SchülerInnen<br />

bestimmen auch den Zeitpunkt für<br />

ihre Leistungsnachweise. Das bedeutet den<br />

mentalen Wandel von „du sollst“ nach „ich<br />

kann“. Wer nicht weiter weiß, fragt zunächst<br />

eine/n andere MitschülerIn – so entsteht Solidarität.<br />

Auf diese „Lernbüro-Phase“ folgen<br />

praxisorientierte Werkstatt- oder Projektarbeit<br />

oder eine der vier Wahlpflichtst<strong>und</strong>en, in<br />

denen die Kinder zwischen Französisch, Spanisch,<br />

Naturwissenschaften, Darstellendem<br />

Spiel, Praktischem Lernen wählen können.<br />

Aber die Struktur ist nicht das Ausschlaggebende,<br />

sondern der „Geist“. Jeder zählt, jeder<br />

66| GASTBEITRAG


Margret Rasfeld DAS LERNEN DER ZUKUNFT<br />

ist einzigartig, ist das Gr<strong>und</strong>verständnis. Die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler arbeiten in Jahrgangsmischung<br />

7-9 <strong>und</strong> alle sind willkommen.<br />

Jeder entwickelt andere Stärken. Das<br />

Zusammenwirken von Unterschiedlichkeit ermöglicht<br />

Erfahrungen des Gelingens <strong>und</strong> des<br />

über sich Hin<strong>aus</strong>wachsens. Individualität <strong>und</strong><br />

Gemeinschaft sind kein Gegensatz – beides<br />

braucht beständige Pflege: In der wöchentlichen<br />

Schulversammlung wird die große Gemeinschaft<br />

erfahrbar. Hier ist auch der Ort für<br />

das öffentliche Lob. Auch in der gemeinsamen<br />

Klassenst<strong>und</strong>e sagen die Kinder, worauf<br />

sie stolz sind. Sie ermutigen sich gegenseitig,<br />

sich das auch zu trauen, <strong>und</strong> so erfahren sie<br />

Unterstützung für ihren ganz eigenen Weg in<br />

der Gemeinschaft. Die entscheidenden Erfahrungen<br />

machen Menschen dann, wenn<br />

sie sich gemeinsam mit anderen um etwas<br />

Wichtiges kümmern. Deshalb ist zivilgesellschaftliches<br />

Engagement als Kernelement<br />

in der Schulkultur verankert. Im Schulfach<br />

VERANTWORTUNG übernehmen alle Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler für zwei Jahre eine verantwortungsvolle<br />

Aufgabe im Gemeinwesen<br />

- Pflicht für alle mit hoher Wahlfreiheit in den<br />

Aufgaben.<br />

Verantwortung lernt man mitten im Leben.<br />

Die Kinder engagieren sich zum Beispiel<br />

in ökologischen Projekten, Kindergärten,<br />

Flüchtlingsheimen oder als Museums- oder<br />

KirchenführerIn, sie helfen in Seniorenheimen<br />

oder unterstützen als SprachbotschafterInnen<br />

Schulen in sozialen Brennpunkten. Was<br />

ist Verantwortung? Was interessiert mich? Die<br />

Kinder sind hier eigenständig ihren ganz individuellen<br />

Fähigkeiten auf der Spur <strong>und</strong> erfahren<br />

sich als selbstwirksam.<br />

Im Schulfach HERAUSFORDERUNG meistern<br />

die Jugendlichen dreimal, nämlich im Jahrgang<br />

8, 9 <strong>und</strong> 10, eine dreiwöchige selbst<br />

gewählte Her<strong>aus</strong>forderung außerhalb von<br />

Berlin, allein oder in einer Gruppe. Sie müssen<br />

mit 150 Euro <strong>aus</strong>kommen, was bedeutet,<br />

dass sie sich keine Jugendherberge leisten<br />

können, sondern sich Unterkünfte organisieren<br />

müssen, Menschen ansprechen, Dienste<br />

anbieten. Für die meisten Jugendlichen ist<br />

die „Her<strong>aus</strong>forderung“ das wichtigste Fach.<br />

Warum? „Weil ich dort am meisten lerne für<br />

mein Leben“ – die Antwort. Hier lernen sie,<br />

was ein starkes Team bedeutet, Impulskontrolle,<br />

Folgenabschätzung, Risikobereitschaft,<br />

Unternehmensgeist. Hier werden Jugendliche<br />

auf den Umgang mit Unsicherheit <strong>und</strong><br />

Risiko vorbereitet. Hier ist die Möglichkeit,<br />

Scheitern als Entwicklungs- <strong>und</strong> Innovationschance<br />

zu erleben.<br />

Neue Lernkultur an Schulen – neue Ausbildungskultur<br />

an <strong>Hochschule</strong>n<br />

Damit unsere Schulen sich transformieren<br />

können zu Biotopen von Wissens-Durst <strong>und</strong><br />

Verstehens-Hunger, Spür-Sinn <strong>und</strong> Ehr-Furcht,<br />

Entdeckungs-Freude <strong>und</strong> Gestaltungs-Mut, Unternehmens-Geist<br />

<strong>und</strong> Selbst-Wirksamkeit, Visions-Wille<br />

<strong>und</strong> Verantwortungs-Bereitschaft, Einmischungs-Kompetenz<br />

<strong>und</strong> Zivil-Courage, ist es<br />

dringend notwendig, die Lehrer<strong>aus</strong>- <strong>und</strong> weiterbildung<br />

radikal, also an die Wurzel gehend,<br />

zu verändern. Von der Wissensvermittlung zur<br />

Potenzialentfaltung ist das Gebot der Zeit. Die<br />

gute Nachricht: Es gibt Aufbruchstimmung.<br />

Die esbz hat so viele Nachfragen von Lehrern<br />

<strong>und</strong> Lehrerinnen, von Schulleitern <strong>und</strong> Schulleiterinnen,<br />

Weiterbildungsinstituten, <strong>Hochschule</strong>n,<br />

Menschen <strong>aus</strong> der Wirtschaft, dass wir<br />

systematisch Fortbildungen anbieten <strong>und</strong> so<br />

monatlich 150-200 Menschen erreichen. Das<br />

Besondere: Die Fortbildungen werden maßgeblich<br />

oder sogar alleine von Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schülern durchgeführt, schon 12-Jährige<br />

haben eine große Überzeugungskraft. Viele<br />

Schulen überall im Lande beginnen sich umzustellen.<br />

Die Humboldt-Universität Berlin wird<br />

„Her<strong>aus</strong>forderung“ in enger Zusammenarbeit<br />

mit der esbz als Modul in die LehrerInnen<strong>aus</strong>bildung<br />

aufnehmen, weitere <strong>Hochschule</strong>n sind<br />

interessiert.<br />

Meine Erfahrung <strong>aus</strong> vielen Fortbildungen ist:<br />

Die Menschen lassen sich anstecken durch drei<br />

Dinge: eine starke Vision, das gelebte Beispiel,<br />

Mut. Ich freue mich daher sehr <strong>und</strong> von Herzen,<br />

dass die PH <strong>Salzburg</strong> neue Wege beschreiten<br />

will <strong>und</strong> dadurch Beispiel gebend <strong>und</strong> Mut machend<br />

andere <strong>Hochschule</strong>n inspiriert.<br />

GASTBEITRAG |67


DAS LERNEN DER ZUKUNFT Margret Rasfeld<br />

„Schule im Aufbruch“ – ein breites Bündnis<br />

für eine neue Lernkultur<br />

Die Initiative „Schule im Aufbruch“ ist am 23.<br />

August 2012 in Berlin mit einer B<strong>und</strong>espressekonferenz<br />

in die Öffentlichkeit gegangen.<br />

Gründer <strong>und</strong> Sprecher sind Prof. Stephan Breidenbach,<br />

Mit-Gründer der Humboldt Viadrina<br />

School of Governance Berlin, Prof. Gerald<br />

Hüther, Universität Göttingen, <strong>und</strong> Margret<br />

Rasfeld, Bildungsinnovatorin <strong>und</strong> Leiterin der<br />

Evangelischen Schule Berlin Zentrum. Alle drei<br />

sind Kernexperten im Zukunftsdialog von B<strong>und</strong>eskanzlerin<br />

Merkel. Die 243 Erstunterzeichner<br />

von „Schule im Aufbruch“, namhafte Persönlichkeiten<br />

<strong>aus</strong> den Bereichen <strong>Wissenschaft</strong><br />

<strong>und</strong> Forschung, Bildung, Unternehmen <strong>und</strong><br />

Politik, Kirchen, Gewerkschaften <strong>und</strong> Kultur,<br />

PädagogInnen <strong>und</strong> SchülerInnen laden ein<br />

zu einem breiten, lokal orientierten bürgerschaftlichen<br />

Engagement, um unsere Schulen<br />

zu verändern: hin zu einer anderen Lern- <strong>und</strong><br />

Beziehungskultur in Schulen, zu einer Kultur der<br />

Potenzialentfaltung jedes Einzelnen in der Gemeinschaft.<br />

Nicht <strong>aus</strong>wendig gelerntes, sondern<br />

selbständig erworbenes Wissen <strong>und</strong> Können<br />

ist das, worauf es für die Gestalter des 21.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert ankommt.<br />

„SiA“ will einen Beitrag dazu leisten, dass die<br />

beeindruckenden Beispiele neuer Lernkultur,<br />

die es schon gibt, deutlicher gesehen werden,<br />

dass das Neue stärker Fuß fasst, an Kraft<br />

gewinnt <strong>und</strong> sich weiter verbreitet. Das Ziel<br />

besteht darin, das schon vorhandene Wissen<br />

für eine solche Umgestaltung <strong>und</strong> vor allem<br />

die vielen, erfolgreichen Beispiele innovativer<br />

schulischer <strong>und</strong> außerschulischer Bildungsorte<br />

zu SYNTHETISIEREN, so dass jede Schule, die sich<br />

für ihre Weiterentwicklung entscheidet, darauf<br />

zurückgreifen kann. Gleichzeitig geht es darum,<br />

die vielen Menschen, die sich eine andere<br />

Lernkultur schon lange wünschen, oder die<br />

zumindest wissen, dass es so nicht weitergehen<br />

kann, zu SYNCHRONISIEREN, damit sie wahrgenommen<br />

<strong>und</strong> wirksam werden können.<br />

Konkret sucht SiA 100 Schulen, die sich transformieren<br />

wollen, in Deutschland <strong>und</strong> auch in<br />

Österreich. SiA hat ein Rüstzeug von erprobten<br />

<strong>und</strong> bereits bestehenden Elementen zusammengestellt,<br />

mit dem eine Schule den<br />

Aufbruch wagen <strong>und</strong> die Reise in die Transformation<br />

beginnen kann. Dieses Angebot steht<br />

über www.schule-im-aufbruch.de allen Interessierten<br />

zur Verfügung. Es soll <strong>und</strong> darf sich<br />

immer wieder verändern, wird stetig gemeinsam<br />

weiterentwickelt <strong>und</strong> lebt von den Erfahrungen<br />

der Nutzerinnen <strong>und</strong> Nutzer, von dem<br />

Inputvieler Menschen.<br />

Das Angebot umfasst<br />

• ein Standortbestimmungstool für Schulen<br />

• einen Kompass <strong>und</strong> einen Reiseführer mit<br />

einer Online-Plattform<br />

• ein Angebot an Workshops <strong>und</strong> Lernreisen,<br />

• ein Coaching-Programm (Schulbegleiter)<br />

Koordination für Österreich: Peter Schipek,<br />

schipek@sinn-stiftung.eu.<br />

Masterstudiengang<br />

„Potenzialentfaltungscoach“<br />

Um das Paradigma der Potenzialentfaltung in<br />

den Schulen zu verankern, braucht es auch<br />

neue Impulse für die pädagogischen Ausbildungscurricula.<br />

Nicht Fachwissen <strong>und</strong> didaktische<br />

Methoden der Wissensvermittlung sind<br />

im Sinne dieser neuen Lernkultur vorrangig,<br />

sondern soziale Lernprozesse, Teambuilding<br />

<strong>und</strong> die Fähigkeit, Lernende nachhaltig in ihrem<br />

Selbstbildungsprozess zu unterstützen. Mit<br />

einer Bandbreite von einzelnen B<strong>aus</strong>teinen bis<br />

hin zu einem Masterstudiengang „Potenzialentfaltungscoach“<br />

möchte SiA Elemente für<br />

eine zeitgemäße Ausbildung an interessierten<br />

<strong>Hochschule</strong>n etablieren. Dies soll Studierenden<br />

ermöglichen, sich die Kompetenzen <strong>und</strong> das<br />

Wissen anzueignen, die sie brauchen, um Lernende<br />

besser als bisher bei der Entfaltung der<br />

in ihnen angelegten Potenziale zu unterstützen.<br />

Literatur:<br />

Hüther, Gerald: Einführung. In: Margret Rasfeld & Peter Spiegel (Hg.): Eduaction.<br />

Hamburg: Murmann, 2012. 12-19.<br />

United Nations, Resolution adopted by the General Assembly. Programme<br />

for the Further Implementation of Agenda 21. 28.6.1997. Verfügbar unter:<br />

URL: [Stand:<br />

31.10.2012].<br />

Eine <strong>aus</strong>führliche Darstellung des Konzeptes der esbz findet sich in:<br />

Rasfeld, Margret/Spiegel, Peter: Eduaction-Wir machen Schule!, Hamburg:<br />

Murmann, 2012.<br />

68| GASTBEITRAG


Eva-Maria Engelsberger DIE NEUE MITTELSCHULE<br />

Die Neue Mittelschule –<br />

Dienst- <strong>und</strong> verwaltungsrelevante Aspekte<br />

Eva-Maria Engelsberger<br />

Der öffentliche Diskurs über die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen wird v.a. unter<br />

pädagogischen Gesichtspunkten geführt. (vgl. Bachmann 2009: 659, B<strong>und</strong>esinstitut für Bildungsforschung,<br />

Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens, 2011) Allerdings<br />

gilt es auch, dienst- <strong>und</strong> besoldungsrechtliche Hürden zu bewältigen, auf die in diesem Beitrag<br />

fokussiert wird.<br />

Die Neue Mittelschule, die gemeinsame<br />

Schule der 10- bis 14-Jährigen, wurde im<br />

Schuljahr 2008/09 konzeptionell als Schulversuch<br />

gem. § 7a SchOG mit mehreren<br />

Klassen gestartet, im Schuljahr 2009/10 beteiligten<br />

sich die ersten 10 <strong>Salzburg</strong>er Pionierschulen.<br />

Mittlerweilen werden in <strong>Salzburg</strong> 26<br />

Standorte gezählt, österreichweit gibt es nun<br />

698 Schulen, die mit dem Schuljahr 2012/13<br />

auch nicht mehr länger als Schulversuch geführt<br />

werden, sondern als anerkannter neuer<br />

Schultyp - als Neue Mittelschulen (NMS), in<br />

Wien auch unter dem Titel „kooperative Mittelschule“.<br />

(vgl. BMUKK o.J.)<br />

Die NMS ist wichtiges Teilpaket einer umfassenden<br />

Reform des österreichischen Bildungswesens<br />

<strong>und</strong> macht sich primär zur<br />

Aufgabe, die Kinder entsprechend ihren Begabungen<br />

<strong>und</strong> Talenten, unabhängig von<br />

ihrer sozialen Herkunft, durch neue Lehr-/<br />

Lernkonzepte - Stichwort Individualisierung,<br />

Differenzierung, Teamteaching … - bestmöglich<br />

zu fördern <strong>und</strong> zu fordern <strong>und</strong> ihnen<br />

durch spätere Bildungswegentscheidungen<br />

sowie durch eine verstärkte Bildungsberatung<br />

<strong>und</strong> Berufsorientierung gerechtere Bildungs-<br />

<strong>und</strong> Berufschancen zu ermöglichen.<br />

(vgl. BMUKK 2011)<br />

Vom Schulversuch zum etablierten Schultyp<br />

Die Überleitung vom Status eines Schulversuches<br />

zu einem eigenen Schultyp zieht<br />

weitreichende Konsequenzen <strong>und</strong> Her<strong>aus</strong>-<br />

forderungen mit sich. Das primär pädagogisch<br />

entwickelte Konzept der NMS wurde<br />

ursprünglich nur im kleinen Rahmen umgesetzt.<br />

In diesem Zusammenhang sei auf die<br />

10% Regelung verwiesen, die gesetzliche<br />

Quote für mögliche Schulversuchsstandorte.<br />

Nunmehr ist das Konzept der NMS flächendeckend<br />

an allen ehemaligen Hauptschulstandorten<br />

umzusetzen, <strong>und</strong> zwar nach den<br />

ressourcentechnischen Maßgaben eines<br />

zentral verordneten Erlasses.<br />

Dieser Erlass regelt sozusagen die Rahmenbedingungen<br />

zur Umsetzung der NMS ab<br />

dem Schuljahr 2012/13 im Detail <strong>und</strong> hält ua.<br />

fest, dass der B<strong>und</strong> die zusätzlich gewährten<br />

6 Wochenst<strong>und</strong>en exklusiv zweckgewidmet<br />

in den differenzierten Pflichtgegenständen<br />

- also Deutsch, Mathematik, erste lebende<br />

Fremdsprache - bereitstellt bzw. die betroffenen<br />

Schulen dies entsprechend in die vorzufindende<br />

Schulpraxis umsetzen müssen. (Vgl.<br />

Krenthaller 2012)<br />

Die ursprünglich schulstandortspezifisch entwickelten<br />

Modelle, welche einer schulpartnerschaftlichen<br />

Zustimmung im Rahmen<br />

einer Befragung der betroffenen Eltern <strong>und</strong><br />

LehrerInnen bedurften, müssen nun in einen<br />

neuen Rahmen <strong>und</strong> Guss entsprechend den<br />

zentralen Vorgaben des bmukk gedacht<br />

werden. Ergänzend sei in diesem Kontext festgehalten,<br />

dass man in <strong>Salzburg</strong>, begleitend<br />

zu den schulstandortspezifischen Konzeptionen<br />

(für die Generation zwei bis Generation<br />

PROJEKTE |69


DIE NEUE MITTELSCHULE Eva-Maria Engelsberger<br />

vier, <strong>Salzburg</strong> war nicht Teil von Generation<br />

eins), mit einem b<strong>und</strong>eslandweiten approbierten<br />

<strong>Salzburg</strong>er Modellplan in die Umsetzung<br />

gegangen ist. (vgl. Dobart 2008)<br />

Damit nun auch für diese Pionierstandorte<br />

eine Überleitung von der Konzeption des<br />

Schulversuches zu den zentralen Vorgaben<br />

möglich ist, wurden nun seitens des bmukk<br />

entsprechende befristete Übergangslösungen<br />

zum genannten Erlass - „Rahmenbedingungen<br />

zur Umsetzung der NMS ab dem<br />

Schuljahr2012/13“ - formuliert. (Vgl. NMS Projektteam<br />

2012: 1)<br />

Nichtsdestotrotz stellt die Tatsache, dass der<br />

gemeinsame LehrerInneneinsatz sich auf<br />

die vorangehend genannten drei Kerngegenstände<br />

fokussiert <strong>und</strong> nicht mehr auf<br />

einen weiter gefaßten Fächerkanon, entsprechend<br />

den Intentionen der ursprünglich<br />

eingebrachten Schulversuchen wie bspw.<br />

auch den gemeinsamen LehrerInneneinsatz<br />

in naturwissenschaftlichen, technischen<br />

oder kreativen Gegenständen uvam., eine<br />

weitere große Her<strong>aus</strong>forderung für die praktische<br />

Umsetzung der NMS an den einzelnen<br />

Standorten dar.<br />

Der bereits derzeit bestehende LehrerInnenmangel,<br />

insbesondere im Gegenstand<br />

Mathematik, wird durch diese Vorgaben sicherlich<br />

nicht entschärft werden können,<br />

bzw. anders formuliert, bringt diese Maßgabe<br />

entsprechend qualifizierten LehrerInnen<br />

in naher Zukunft nicht nur bessere, sondern<br />

sichere Jobchancen.<br />

Landes- <strong>und</strong> B<strong>und</strong>eslehrerInnen in der NMS<br />

Eine weitere große Her<strong>aus</strong>forderung, welche<br />

die NMS zu meistern hat, findet sich im<br />

dienst- <strong>und</strong> besoldungsrechtlichen Bereich.<br />

Die NMS ist eine gemeinsame Schule aller<br />

Kinder einer spezifischen Altersgruppe. Sie ist<br />

aber gleichzeitig eine Schule, in der LehrerInnen<br />

arbeiten, die unterschiedliche Ausbildungssysteme<br />

durchlaufen haben <strong>und</strong> die<br />

sich hinsichtlich ihrer entgeltlichen Einstufung<br />

<strong>und</strong> der Zugehörigkeit zur verrechnenden<br />

Dienststelle unterscheiden.<br />

Die vom B<strong>und</strong> laut Budgetbegleitgesetz gesicherten<br />

zusätzlichen sechs Werteinheiten<br />

je Klasse (bei gleichzeitigem Entfall der Leistungsgruppen),<br />

damit B<strong>und</strong>eslehrerInnen im<br />

Team mit LandeslehrerInnen unterrichten, ist<br />

<strong>aus</strong> pädagogischer Sicht eindeutig zu begrüßen,<br />

da es den LehrerInnen ermöglicht<br />

wird, sich vom umstrittenen „EinzelkämpferInnendasein“<br />

zu befreien <strong>und</strong> im bereichernden<br />

Setting des Teamteachings mit<br />

den SchülerInnen zu arbeiten.<br />

Damit diese NMS-Philosophie jedoch in der<br />

Praxis gelingend umgesetzt werden kann,<br />

sind Lösungen auf besoldungsrelevanter <strong>und</strong><br />

verwaltungstechnischer Ebene von nöten.<br />

Es mag zwar den Anschein erwecken, dass<br />

die LehrerInnenabrechnung eine banale<br />

Routineangelegenheit ist, in der Umsetzung<br />

der NMS-Anforderungen mit diensttuenden<br />

B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> LandeslehrerInnen in einem<br />

gemeinsamen H<strong>aus</strong> der Bildung, kann sich<br />

dies aber zu einem komplexen Ablauf für<br />

die betroffenen Schulleitungen <strong>und</strong> Administrationen<br />

<strong>aus</strong>wachsen, zumal jede PädagogIn<br />

an seiner/ihrer Stammschule besoldungstechnisch<br />

abzurechnen ist. Dies<br />

wiederum bedeutet, dass LandeslehrerInnen<br />

in der Pflichtschule <strong>und</strong> die KollegInnen<br />

des B<strong>und</strong>esdienstes an der B<strong>und</strong>esschule<br />

abzubilden sind. Darüber hin<strong>aus</strong> werden<br />

aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlich verwendeten<br />

EDV-Lösungen (im Pflichtschulbereich findet<br />

man hier den sogenannten „Lehrer-SOKRA-<br />

TES“, im B<strong>und</strong>esschulwesen das sogenannte<br />

„UNTIS“), welche derzeit wiederum noch keine<br />

kommunizierenden Schnittstellen für den<br />

notwendigen Daten<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch bereitstellen,<br />

zusätzliche Dokumentationen <strong>und</strong> Kommunikationsinstrumente<br />

für die betroffenen<br />

Schulen erforderlich.<br />

Das am Landesschulrat für <strong>Salzburg</strong> eingerichtete<br />

NMS-Projektbüro greift genau diese<br />

70| PROJEKTE


Eva-Maria Engelsberger DIE NEUE MITTELSCHULE<br />

Problemstellung auf <strong>und</strong> versucht den Schulen<br />

hier eine entsprechende Supportstruktur<br />

zu geben. (vgl. Roithner 2012)<br />

Gemäß den gesetzlichen geltenden Bestimmungen<br />

§ 31a SchUG sowie gemäß §<br />

21a Abs. 2 SchOG ist der Einsatz von B<strong>und</strong>eslehrerInnen<br />

an NMS <strong>aus</strong>schließlich für<br />

unterrichtliche Tätigkeiten vorgesehen. (vgl.<br />

Krenthaller 2012: 2 ff.) Darunter werden entsprechend<br />

den Richtlinien für die NMS Entwicklung<br />

zusammengefasst folgende Tätigkeiten<br />

verstanden:<br />

• Unterricht<br />

• Klassenvorstand kann übernommen<br />

werden, wenn dies pädagogisch sinnvoll<br />

ist (ab 12 St<strong>und</strong>en an einer NMS)<br />

• in Ausnahmefällen auch unverbindliche<br />

Übungen <strong>und</strong> Freigegenstände<br />

• gegenstandsbezogene Lernzeit <strong>und</strong> Förderkurse<br />

(beschränkt auf NMS-Klassen)<br />

• Nicht vorgesehen ist hierbei die Übernahme<br />

von Kustodiaten.(Vgl. Roithner<br />

2012, 4)<br />

Damit die Dienstverrichtung des B<strong>und</strong>eslehrers/der<br />

B<strong>und</strong>eslehrerin an der NMS unter<br />

Bedachtnahme aller besoldungsrelevanten<br />

Tatbestände, wie beispielsweise der Erfassung<br />

der Krankenstände (mit Lohnfortzahlung<br />

bzw. Lohnkürzungen), der Erfassung<br />

der Fortbildungstage <strong>und</strong> Dienstaufträge<br />

(mit <strong>und</strong> ohne privilegierten Gründen), sowie<br />

der geleisteten Supplierst<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

deren Ansammlung im Suppliertool korrekt<br />

abgebildet werden, müssen entsprechende<br />

Aufzeichnungen am NMS-Standort für<br />

die B<strong>und</strong>eslehrerInnen geführt werden. Da,<br />

wie bereits zuvor kurz erwähnt, die NMS mit<br />

unterschiedlichen Lehrerverwaltungssystemen<br />

arbeiten, werden entsprechende<br />

Aufzeichnungen monatsweise in einer gesonderten<br />

Dokumentenvorlage geführt,<br />

<strong>und</strong> in weiterer Folge an eine so genannte<br />

Verrechnungsstelle übermittelt, welche die<br />

aufgezeichneten Informationen <strong>aus</strong> der<br />

Dokumentenvorlage in ein entsprechendes<br />

„Fremdlehrerfile“ (fmd-file) transferiert. Dieses<br />

„fmd-file“ ist nun ein Dokument, welches<br />

für UNTIS - das Besoldungssystem für B<strong>und</strong>eslehrerInnen<br />

- lesbar <strong>und</strong> einfacher hand-importierbar<br />

wird.<br />

Die für diesen Zweck bezirksweise eingerichteten<br />

Verrechnungsstellen übernehmen<br />

damit eine quasi administrative Hilfs- oder<br />

auch Mittlerfunktion zwischen den NMS-<br />

Standorten (wo die B<strong>und</strong>eslehrerInnen ihre<br />

unterrichtliche Tätigkeit wahrnehmen) <strong>und</strong><br />

den Stammschulen (wo die B<strong>und</strong>eslehrerInnen<br />

besoldungstechnisch abgerechnet<br />

werden).<br />

Aller Komplexität zum Trotz könnte man vereinfacht<br />

auch behaupten, dass der Einsatz<br />

einer B<strong>und</strong>eslehrerin / eines B<strong>und</strong>eslehrers<br />

nichts anderes als eine normale Mitverwendung<br />

an einer anderen Schule darstellt, die<br />

jedoch keine B<strong>und</strong>esschule, sondern eine<br />

Schule in landesrechtlicher Hoheit ist.<br />

Das beschriebene <strong>und</strong> in <strong>Salzburg</strong> entwickelte<br />

Modell lässt sich vereinfacht auch mit<br />

nachfolgendem Schaubild darstellen:<br />

(Vgl. Roithner 2012, 3)<br />

Mit Bezugnahme auf die vorangehenden<br />

Erläuterungen erweist sich die ursprüngliche<br />

konzeptionelle Idee der NMS, nach der<br />

sich jede NMS eine B<strong>und</strong>esschule als so genannte<br />

„Partnerschule“ sucht, als logisch<br />

PROJEKTE |71


DIE NEUE MITTELSCHULE Eva-Maria Engelsberger<br />

<strong>und</strong> nachvollziehbar. In der schulpraktischen<br />

Alltagssituation zeigt sich diese Vorgehensweise<br />

aber nur bedingt praktikabel, da nicht<br />

jede B<strong>und</strong>esschule die gewünschten B<strong>und</strong>eslehrerInnen<br />

für den Einsatz in den NMS-<br />

Klassen zur Verfügung stellen kann <strong>und</strong> die<br />

administrative Begleitung der LehrerInnenbesoldung,<br />

insbesondere für Großschulen,<br />

sich als problematisch erweist. Demzufolge<br />

bedarf es in Bezug auf die LehrerInnenbereitstellung<br />

einer Ausweitung von einzelnen<br />

Partnerschulstandorten, zumindest auf den<br />

Bereich des B<strong>und</strong>eslandes, bzw. bedarf es<br />

in Bezug auf die LehrerInnenbesoldung einer<br />

Einschränkung auf regional begrenzte<br />

Verrechnungsstellen, die die administrative<br />

Mehrbelastung fokussiert begleiten können.<br />

Damit hat sich aber auch die ursprüngliche<br />

Bedeutung des Konzepts der „Partnerschule“<br />

überholt bzw. beschränkt es sich dem<br />

zufolge auf seine rein schulrechtliche Bedeutung.<br />

Es steht somit jeder Schule frei, Bildungskooperationen<br />

mit unterschiedlichen<br />

Organisationen einzugehen, um damit im<br />

weiteren Sinne für die Schulqualität <strong>und</strong> die<br />

Attraktivität eines Schulstandortes, sei es in<br />

Bezug auf unmittelbare Themenstellungen<br />

betreffend den Unterricht oder auch in Bezug<br />

auf die „Nahtstelle“ zu vor- <strong>und</strong> / oder<br />

nachgelagerten Bildungsinstitutionen, einen<br />

entsprechenden Beitrag zu leisten.<br />

Der Unterricht im Verb<strong>und</strong> von B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong><br />

LandeslehrerInnen unter Einbeziehung zeitgerechter<br />

pädagogischer Ansätze ist weiterhin<br />

zentrales Anliegen der Neuen Mittel-<br />

schule, welches eben nun durch zentrale<br />

bzw. b<strong>und</strong>eslandspezifische dienst- <strong>und</strong> besoldungsrechtlichen<br />

bzw. technisch möglichen<br />

Umsetzungsszenarien realisiert wird.<br />

Mit dem Schuljahr 2015/16 sollen alle<br />

Hauptsschulen auf das Modell der Neuen<br />

Mittelschule flächendeckend umgewandelt<br />

werden. Die Gymnasien sind ebenfalls<br />

eingeladen – derzeit noch immer auf Basis<br />

des Schulversuches – sich an diesem Entwicklungsprozess<br />

zu beteiligen, um auch<br />

tatsächlich von einer gemeinsamen Schule<br />

der 10- bis 14-Jährigen sprechen zu können.<br />

Literatur<br />

Bachmann Helmut (2009): Anmerkungen zur Komplexität der NMS-Entwicklungsarbeit.<br />

In: Erziehung & Unterricht 159. 7-8. 659 - 668.<br />

B<strong>und</strong>esinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen<br />

Schulwesens: Einleitung zur Projektbeschreibung. URL: https://<br />

www.bifie.at/print/1148 [7.11.2012].<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Unterricht, Kunst <strong>und</strong> Kultur (o.J.): NMS-Standorte<br />

<strong>und</strong> Klassen im Überblick. URL: http://www.bmukk.gv.at/schulen/bw/nms/<br />

mr.xml [7.11.2012].<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Unterricht, Kunst <strong>und</strong> Kultur: Die Neue Mittelschule.<br />

URL: http://www.neuemittelschule.at/fileadmin/user_upload/pdfs/folder<br />

2011.pdf [7.11.2012].<br />

Dobart Anton (2008): Modellversuch „Neue Mittelschule“ nach § 7a<br />

SCHOG beginnend mit dem Schuljahr 2009/2010. Erlass GZ BMUKK-<br />

36.300/0143-I/2008. URL: http://www.bmukk.gv.at/medienpool/17574/<br />

mp_sbg.pdf [6.12.2012].<br />

Eibler Helmut/ Posch Roswitha/ Sjöholm-Schmid Kirstin (2012): Erstentwurf<br />

der Handreichung zur Anwendung von UNTIS 2001 an österreichischen<br />

mittleren <strong>und</strong> höheren Schulen. Eigenverlag B<strong>und</strong>esministerium für Unterricht,<br />

Kunst <strong>und</strong> Kultur. URL: http://www.upis.at/images/downloads/Handreichung_2012_Sept.pdf<br />

[4.10.2012].<br />

NMS Projektteam (2012): Richtlinien für die NMS-Entwicklungsarbeit. URL:<br />

http://www.phsalzburg.at/fileadmin/PH_Dateien/FB_Informatik_im_Studium_BEd/eL-NMS/Richtlinien_NMS_-_Stand_22_Juni_2012_-_Endversion.pdf<br />

[7.11.2012].<br />

Krenthaller Christian (2012): Rahmenbedingungen zur Umsetzung der<br />

NMS ab dem Schuljahr 2012/13. Erlass GZ BMUKK-687/0003-III/Pers.Controlling/2012.<br />

Roithner Robin (2012): Verwaltung <strong>und</strong> Abrechnung von LehrerInnen <strong>und</strong><br />

Klassen an Neuen Mittelschulen in UNTIS. URL: http://www.lsr-sbg.gv.at/<br />

schule-<strong>und</strong>-unterricht/paedagogische-themen-unterrichtsprinzipien/<br />

neue-mittelschule-nms/ [6.12.2012].<br />

72| PROJEKTE


Walter Buchacher / Silvia Giger OPEN SPACE<br />

Open Space<br />

Innovationen im Schulbereich<br />

Walter Buchacher / Silvia Giger<br />

80 Studierende waren beim 1. Open Space an der PH <strong>Salzburg</strong> im Sommersemester 2012 aktiv<br />

dabei. Diese Methode bietet bei perfekt organisiertem äußerem Rahmen viel Freiraum für eigene<br />

Themen der Studierenden. Umsetzung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse, Männer zurück in<br />

die Schule oder Interkulturalität als Her<strong>aus</strong>forderung waren Themen, die in Gruppen diskutiert,<br />

mit eigenen Erfahrungen verknüpft <strong>und</strong> weiterbearbeitet wurden. Es war für alle Beteiligten ein<br />

nachhaltiges Erlebnis, wie Lernen selbstorganisiert funktionieren kann.<br />

Das Curriculum der PH <strong>Salzburg</strong> enthält<br />

im 6. Semester das Fach „Innovation“. Das<br />

fordert her<strong>aus</strong>, Innovation auch praktisch<br />

zu erproben. So organisierten die LehrveranstaltungsleiterInnen<br />

für einige Gruppen<br />

der Ausbildungslehrgänge für Haupt- <strong>und</strong><br />

Volksschule am 2. Juni 2012 die erste Open-<br />

Space-Veranstaltung an der PH <strong>Salzburg</strong>.<br />

Die „Open Space Technology“ wurde 1993<br />

von Harrison Owen „erf<strong>und</strong>en“. Die Entstehungsgeschichte<br />

hört sich an wie ein Mythos.<br />

Owen hatte damals den Auftrag, eine<br />

Konferenz für 250 TeilnehmerInnen zu organisieren.<br />

Er <strong>und</strong> sein Team investierten ein Jahr<br />

in die Vorbereitung <strong>und</strong> die Konferenz war<br />

ein großer Erfolg. Überraschend war jedoch<br />

das Ergebnis der anschließenden Analyse:<br />

Für die TeilnehmerInnen waren die P<strong>aus</strong>en<br />

das Wichtigste, denn hier konnten sie ungezwungen<br />

<strong>und</strong> selbstgesteuert die drängendsten<br />

Themen besprechen <strong>und</strong> Netzwerke<br />

knüpfen. Also organisierte Owen ab<br />

nun Konferenzen so wie eine Aneinanderreihung<br />

von „Kaffeep<strong>aus</strong>en“ – Open Space<br />

war geboren (vgl. Maleh 2000).<br />

Dieses Format ist allerdings alles andere als<br />

ein beliebiger Kaffeepl<strong>aus</strong>ch. Eine perfekte<br />

Organisation <strong>und</strong> wohlüberlegte Phasen<br />

<strong>und</strong> Methoden sorgen im Hintergr<strong>und</strong> dafür,<br />

dass die Teilnehmenden ihre Themen<br />

einbringen <strong>und</strong> bearbeiten können (vgl.<br />

Buchacher/Wimmer 2006: 142-145). Begleitend<br />

dazu werden immer auch die Ergebnisse<br />

einzelner Gruppen gesammelt <strong>und</strong> für<br />

die Weiterarbeit sichtbar gemacht. Faszinierend<br />

an Open Space <strong>und</strong> ähnlichen Methoden<br />

(World Cafe, Bar Camp, Zukunftskonferenz)<br />

ist das Paradigma selbstgesteuerten<br />

Lernens. Es ist ein Lernen „von unten“, von<br />

den Bedürfnissen <strong>aus</strong>gehend. Die Lernenden<br />

werden zu Beteiligten. Es entsteht ein<br />

Weg, Selbstverantwortung zu leben (vgl.<br />

Jungk/Müllert 1981).<br />

Selbstverantwortliches Lernen<br />

in der Postmoderne<br />

Der Begriff „Postmoderne“ steht seit den<br />

1970er-Jahren für eine gesellschaftliche Situation,<br />

die von starken Veränderungen in<br />

Familie (Frauenerwerbsquote, Rollenverständnis,<br />

vielfältige Familienformen), Beruf<br />

(Dienstleistung, neue Technologien), Wirtschaft<br />

(Globalisierung) usw. geprägt ist. Worauf<br />

ist hier noch Verlass? Lassen sich in einer<br />

solchen Situation noch tragfähige Entwürfe<br />

für ein ganzes Leben machen? (vgl. Wimmer<br />

2007). Der überwiegende Teil der Studierenden<br />

an der PH wünscht sich vermutlich<br />

Lebensentwürfe, die lange halten. So<br />

werden im Fach „Persönlichkeitsbildung“ als<br />

langfristige Ziele eine harmonische Arbeit<br />

in der Schulklasse, Gründung einer eigenen<br />

Familie mit Kindern, Wohnen in den eigenen<br />

vier Wänden u. Ä. zu Papier gebracht.<br />

Im Schulbereich finden wir eine ähnliche<br />

Situation vor. Ein weitgehend traditioneller<br />

Fächerkanon soll die gr<strong>und</strong>legende Wissens<strong>aus</strong>stattung<br />

für die nächste Generation<br />

garantieren.<br />

PROJEKTE |73


OPEN SPACE Walter Buchacher / Silvia Giger<br />

In Gruppen wird lösungsorientiert<br />

an Themen gearbeitet<br />

Passen die gesellschaftliche Situation <strong>und</strong><br />

das Denken von Lehrenden <strong>und</strong> Schulsystem<br />

hier noch zusammen? Eher wohl „nein“<br />

oder nur zum Teil!<br />

Denn wenn in der postmodernen Welt die<br />

einmal erworbene Identität nicht für ein ganzes<br />

Leben hält, brauchen Menschen mehr<br />

Fähigkeiten, flexibel <strong>und</strong> selbstbestimmt mit<br />

Unsicherheit umzugehen. Das macht ein<br />

Lernen mit Beteiligung <strong>und</strong> Selbststeuerung<br />

erforderlich. Dabei werden Kompetenzen<br />

erworben, die Menschen brauchen, um ihre<br />

Identität öfter im Leben individuell neu zu<br />

konstruieren.<br />

„Patchwork“ bezeichnet bildhaft, wie <strong>aus</strong><br />

bestehenden Teilen Neues zusammengefügt<br />

wird. Das gilt nicht nur für die Familiensituation,<br />

sondern betrifft alle Lebensbereiche.<br />

Das Denkmodell „sowohl – als auch“<br />

Das vorgegebene <strong>und</strong> genormte, an Zielen<br />

<strong>und</strong> Standards <strong>aus</strong>gerichtete Lernen<br />

einerseits <strong>und</strong> das selbstgesteuerte offene<br />

Lernen andererseits – wie ist das vereinbar?<br />

Das Modell des Wertequadrats halten wir in<br />

diesem Zusammenhang für ein geeignetes<br />

Denkmodell, um gut mit der widersprüchlichen<br />

Situation umgehen zu können.<br />

Friedemann Schulz von Thun hat dieses<br />

„Werkzeug des Geistes“ entwickelt. Er selbst<br />

sagt dazu, dass er es „… immer im Hinterkopf<br />

habe, wenn ich es mit einem Gegensatz,<br />

einer Widersprüchlichkeit, einer Polarisierung,<br />

einem Dilemma zu tun bekomme“<br />

(2007: 49).<br />

Im Wertequadrat wird sichtbar, dass eine<br />

Qualität allein die Gefahr in sich birgt, übertrieben<br />

zu werden. Und jede Übertreibung<br />

gleitet ins Negative ab, wird zu einem Unwert.<br />

Wird nur genormtes, vorgegebenes<br />

Wissen vermittelt, besteht die Gefahr, in<br />

Faktenfülle <strong>und</strong> Lebensferne zu erstarren.<br />

Es braucht eine <strong>aus</strong>gleichende Kraft, eine<br />

„Schwesterntugend“ in Form des selbstbestimmten<br />

<strong>und</strong> selbstgesteuerten Lernens. Allerdings<br />

rutscht auch hier zu viel des Guten<br />

ins Negative. Aus Selbststeuerung wird dann<br />

Beliebigkeit. Befindet man sich bereits unten<br />

im negativen Bereich, so zeigt das Wertequadrat<br />

die passende Richtung, nämlich<br />

diagonal nach oben.<br />

Nach Schulz von Thun ist nicht der goldene<br />

Mittelweg das Ziel, sondern das Aushalten <strong>und</strong><br />

Realisieren sowohl des einen, als auch des anderen<br />

(vgl. Schulz von Thun: 2001 <strong>und</strong> 2012).<br />

Open Space „Innovation“<br />

am 2. Juni 2012<br />

80 Studierende der Ausbildungsgänge<br />

Haupt- <strong>und</strong> Volksschule trafen sich gegen<br />

9.00 Uhr, checkten ein <strong>und</strong> wurden mit Unterlagen<br />

<strong>aus</strong>gestattet.<br />

Nach Begrüßung <strong>und</strong> Einführung in Methode<br />

<strong>und</strong> Bekanntgabe der Zielsetzungen<br />

<strong>und</strong> des Verlaufes ging es in die erste<br />

R<strong>und</strong>e der „Sessions“ (= Arbeitsgruppen).<br />

8 Themen wurden von den Teilnehmenden<br />

vorgeschlagen, kurz erläutert, auf A4-Blätter<br />

geschrieben <strong>und</strong> an vorbereitete Moderationswände<br />

geheftet. Mittels post-its, auf denen<br />

der eigene Name stand, ordneten sich<br />

alle anderen dem von ihnen favorisierten<br />

Thema zu. Jede Themengruppe startete mit<br />

der Festlegung von Funktionen: Moderator/<br />

in, Schreiber/in <strong>und</strong> Zeitnehmer/in.<br />

Nach der ersten R<strong>und</strong>e der Sessions waren<br />

zu jedem Thema die Ergebnisse der Diskussionsr<strong>und</strong>e<br />

kurz <strong>und</strong> prägnant dargestellt,<br />

auf einem A3-Blatt angeheftet. Alle konnten<br />

alle Ergebnisse sehen. In einer anschließenden<br />

Jigsaw-Phase (jeweils 5 Personen, alle<br />

<strong>aus</strong> verschiedenen Gruppen) wurden die<br />

Ergebnisse <strong>aus</strong>get<strong>aus</strong>cht <strong>und</strong> verdichtet.<br />

74| PROJEKTE


Walter Buchacher / Silvia Giger OPEN SPACE<br />

Für die erste Sitzung wählten die Studierenden<br />

vor allem Themen, welche in direktem<br />

Zusammenhang mit Ihrer Ausbildung standen.<br />

So waren Erkenntnisse, welche sie im<br />

Rahmen Ihrer Bachelorarbeit erworben hatten<br />

<strong>und</strong> Aspekte, die sich unmittelbar <strong>aus</strong> ihren<br />

eigenen Studienerfahrungen an der PH<br />

ergeben hatten, im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Themen <strong>und</strong> Ergebnisse<br />

der ersten Session-R<strong>und</strong>e<br />

• Darf man als zukünftige/r LehrerIn im<br />

Fernsehen auftreten?<br />

• Innovation an der PH? - PH / PH-neu / PH<br />

Zukunft!<br />

• Rituale in der Klasse (Morgenkreis,…) -<br />

pro/contra<br />

• Neurowissenschaft – Erkenntnisse einsetzbar<br />

im Unterricht?<br />

• PH Curriculum NEU – Gesellschaftliche<br />

Verantwortung – Vorbild EGS Berlin Zentrum<br />

(Film)<br />

• Männer zurück in die Schule – Spannungsfeld<br />

Geschlecht & Gender<br />

• Höhere Ausbildung für Volksschullehrerinnen<br />

(Vorbild Skandinavien)<br />

Exemplarisch können folgende Ergebnis<br />

präsentiert werden:<br />

Lebenskompetenzen zu fördern <strong>und</strong> Potentiale<br />

zu entfalten gilt als wichtiges Anliegen<br />

in der LehrerInnen-Ausbildung, dies könnte<br />

durch die Übernahme gesellschaftlicher<br />

Verantwortung im Rahmen der Ausbildung<br />

erfolgen (z.B. SprachbotschafterIn). Gerade<br />

die AbsolventInnen wünschen sich einheitliche<br />

<strong>und</strong> strenge Aufnahmeverfahren unter<br />

besonderer Berücksichtigung von persönlichkeitsorientierten<br />

Gr<strong>und</strong>kompetenzen,<br />

welche angehende LehrerInnen mitbringen<br />

sollen. Plädiert wird auch für b<strong>und</strong>esweit<br />

gleiche Ausbildungsstandards. Eine zweijährige<br />

Basis<strong>aus</strong>bildung mit anschließender<br />

Spezifizierung (vorschulischer Bereich,<br />

Gr<strong>und</strong>schule, Sek<strong>und</strong>arstufe) erscheint vielen<br />

als praktikables Modell für eine LehrerInnenbildung<br />

Neu.<br />

Nach einer P<strong>aus</strong>e folgte eine zweite R<strong>und</strong>e<br />

von Sessions nach demselben Muster. Hier<br />

wiesen die Themen bereits stärker in die Zukunft<br />

der pädagogischen Praxis:<br />

• Soziale Netzwerke wie Facebook usw. im<br />

Unterricht<br />

• Fächerübergreifender Unterricht<br />

• Interkulturalität - Realität oder Utopie<br />

• Ganztagsschule<br />

• Der/die „perfekte“ LehrerIn<br />

• Spiel als Kommunikation zur Förderung<br />

der Gruppenentwicklung<br />

• Erlebnispädagogik <strong>und</strong> Naturerfahrungen<br />

-> Wie in den (Sport-) Unterricht<br />

einbauen?<br />

• Haben Kinder angesichts ihres Freizeitstresses<br />

noch Zeit für die Schule?<br />

Hier wurden ebenfalls viele interessante Ergebnisse<br />

präsentiert:<br />

Den/die „perfekte/n“ LehrerIn gibt es nicht -<br />

es ist wichtig, authentisch zu sein, als Vorbild<br />

zu wirken <strong>und</strong> Verantwortung zu wahren,<br />

SchülerInnen zur Bildung einer eigenen Meinung<br />

anzuregen sowie Toleranz <strong>und</strong> Akzeptanz<br />

zu fördern.<br />

Innovative Schule heißt Spaß am Tun, dabei<br />

können spielerische Elemente mit dem<br />

Lehrstoff verknüpft werden. Eine St<strong>und</strong>e<br />

pro Woche für Teamspiele wird von der<br />

Outdoor- <strong>und</strong> Erlebnispädagogik-Gruppe<br />

vorgeschlagen. Da neue Medien <strong>und</strong> Digitalisierung<br />

unsere Zukunft sind(!?) braucht<br />

es dafür ein eigenes Fach. Fächerübergreifender<br />

Unterricht könnte <strong>aus</strong> Sicht der angehenden<br />

LehrerInnen helfen, eigenverantwortliches<br />

Lernen <strong>und</strong> vernetztes Denken<br />

bei SchülerInnen zu fördern sowie die Teamstrukturen<br />

im Lehrkörper zu stärken. Um der<br />

Interkulturalität in Klassen besser begegnen<br />

zu können, wird Interkulturelles Lernen (IKL)<br />

als Pflichtfach an der PH diskutiert. Vor- <strong>und</strong><br />

Nachteile der ganztägigen Schule werden<br />

in einem engagierten Diskurs aufgezeigt.<br />

Der Nachmittag startete mit einer Zusammenschau<br />

der bisherigen Themenvielfalt für die<br />

PROJEKTE |75


OPEN SPACE Walter Buchacher / Silvia Giger<br />

Weiterarbeit. Jede Person vergab zwei Klebepunkte<br />

für die ihrer Meinung nach wichtigsten<br />

Themen. Die Punktebewertung ergab fünf<br />

Projektthemen für die Sessionr<strong>und</strong>e 3.<br />

Diesmal wurden die Ergebnisse in vorgedruckte<br />

Plakate eingetragen. Die Vordrucke<br />

waren gegliedert in: Anliegen/Thema,<br />

Beschreibung der aktuellen Situation (IST),<br />

wünschenswerter Zielzustand (SOLL), Ideen,<br />

nächste Schritte.<br />

Themen <strong>und</strong> Ergebnisse dieser R<strong>und</strong>e wurden<br />

im Plenum präsentiert <strong>und</strong> diskutiert.<br />

Das war die längste Plenumsphase des gesamten<br />

Tages mit den wichtigsten Punkten<br />

<strong>und</strong> am weitesten gediehenen Ergebnissen.<br />

Als zukunftsweisende Ideen können genannt<br />

werden:<br />

Eine Entscheidungskommission für die Aufnahme<br />

an die PH soll installiert werden. Als<br />

Bestandteil des Aufnahmeverfahrens soll ein<br />

10- minütiger Spontanauftritt vor einer Klasse<br />

(strukturierte Beobachtung) erfolgen.<br />

Zukünftige Lehrpersonen sollen mehr Lebenspraxis<br />

sowie Verantwortung für Personen/Sache<br />

in ihre Berufstätigkeit mitbringen.<br />

Dazu sollen sie Eigenverantwortung zeigen<br />

<strong>und</strong> Persönlichkeitsstärkung erfahren. Als<br />

Motto wurde <strong>aus</strong>gerufen: Don’t wait, innovate<br />

Als Wunsch für die zukünftige Lehrtätigkeit<br />

wurden kleinere Klassen, Klassenteams <strong>und</strong><br />

Supervision genannt, eine Verbesserung des<br />

Images von Lehrpersonen <strong>und</strong> eine bessere<br />

Entlohnung würden zudem für mehr Motivation<br />

sorgen.<br />

Als Empfehlungen für Innovationen an der<br />

PH geben die zukünftigen AbsolventInnen<br />

folgende: respektvoller Umgang <strong>und</strong> Studierende<br />

wie Erwachsene behandeln, Gleichwertigkeit<br />

bei Arbeitsaufträgen (ODL) <strong>und</strong><br />

Beurteilungen, vorbildliche Seminargestaltung<br />

– mehr Kompetenzvermittlung <strong>und</strong><br />

Engagement, Vernetzung <strong>und</strong> Transparenz<br />

der Inhalte – bessere Kommunikation unter<br />

Lehrenden, Diskussionsr<strong>und</strong>en für StudentInnen<br />

<strong>und</strong> Lehrende zur Weiterentwicklung<br />

(Open-Space für alle an der Ausbildung<br />

Beteiligten), Objektivität der Lehrenden,<br />

Ausschöpfung der Notenskala, Kontrolle der<br />

Lehrenden – Feedback für Lehrende muss<br />

eingefordert werden, Ausbildung für PraxisbetreuerInnen<br />

<strong>und</strong> -lehrerInnen <strong>und</strong> ein begleitetes<br />

Praxisjahr nach der Ausbildung.<br />

Mit diesen Präsentationen fand der innovative<br />

Open-Space-Tag an der <strong>Pädagogische</strong>n<br />

<strong>Hochschule</strong> ein abger<strong>und</strong>etes Ende.<br />

Die TeilnehmerInnen wurden 2 Wochen vor<br />

dem Open Space durch einen Text auf diese<br />

spezielle Methode eingestimmt. Auch bereits<br />

umgesetzte Beispiele in Schulen waren<br />

dabei (z.B. zum Thema „Umgang mit Gewalt“).<br />

Unmittelbar nach dem Open-Space-Tag<br />

waren die Fotos in einer Drop-Box <strong>und</strong> wenige<br />

Tage später erging ein schriftliches Protokoll<br />

an alle per Mail.<br />

So wird das Erlebnis eines erfolgreichen<br />

Open-Space-Tages durch die <strong>aus</strong>führliche<br />

Dokumentation noch in seiner Nachhaltigkeit<br />

unterstützt. Und das auf zweifache<br />

Weise: in den bearbeiteten Inhalten <strong>und</strong> im<br />

Kennenlernen einer neuen Lernmethode.<br />

Dieser Beitrag entstand auch durch aktive<br />

Mitbeteiligung der Studierenden.<br />

Der Open-Space-Tag wurde durch eine Exkursion<br />

in die Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen<br />

vorbereitet.<br />

Literatur:<br />

Buchacher, Walter <strong>und</strong> Josef Wimmer (2006): Das Seminar. Wirksam vortragen<br />

<strong>und</strong> lebendige Seminare gestalten. Wien: Linde.<br />

Jungk, Robert <strong>und</strong> Norbert Müllert (1981): Zukunftswerkstätten. Hamburg:<br />

Hoffmann <strong>und</strong> Campe.<br />

Maleh, Carole (2000): Open Space: Arbeiten mit großen Gruppen. Ein<br />

Handbuch für Anwender, Entscheider <strong>und</strong> Berater. Weinheim/Basel: Beltz.<br />

Schulz von Thun, Friedemann (2001): Miteinander reden 2: Stile, Werte <strong>und</strong><br />

Persönlichekitsentwicklung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.<br />

Schulz von Thun, Friedemann (2007): Miteinander reden: Fragen <strong>und</strong> Antworten.<br />

Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.<br />

Schulz von Thun, Friedemann (2012): Miteinander reden von A bis Z. Lexikon<br />

der Kommunikationspsychologie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.<br />

Wimmer, Anton (2007): Zwischen „Nichts geht mehr!“ oder „Alles ist möglich!“<br />

– Beratung in Großgruppen. Master Thesis an der Donau-Universität<br />

Krems.<br />

76| PROJEKTE


Elisabeth Riedel-Fischer VERNETZTE KLASSE<br />

Vernetzte Klasse<br />

Umsetzung der Marchtal Pädagogik am BG/BRG Hallein<br />

Elisabeth Riedel-Fischer<br />

Am BG/BRG Hallein wurde vor zwei Jahren das Projekt „Vernetzte Klasse“ gestartet. Basierend<br />

auf den Ideen der Marchtalpädagogik wurde der Unterricht in den Projektklassen neu konzipiert:<br />

Er unterstützt das eigenverantwortliche Lernen, fördert die soziale <strong>und</strong> emotionale Intelligenz<br />

<strong>und</strong> versucht, Themen <strong>und</strong> Fächer zu vernetzen <strong>und</strong> in ihrer Gesamtheit zu betrachten mit dem<br />

Ziel, die SchülerInnen individueller auf die Bedürfnisse der Zukunft vorzubereiten.<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der vernetzten Klassen<br />

Seit dem Schuljahr 2010/11 gibt es am BG/<br />

BRG Hallein das Projekt „Vernetzte Klasse“,<br />

das auf Initiative der Kolleginnen Ingrid Candido<br />

sowie Claudia Golser eingeführt wurde,<br />

die beide eine f<strong>und</strong>ierte Ausbildung in<br />

Marchtal Pädagogik absolviert haben.<br />

War es in den beiden ersten Jahren (Schuljahr<br />

2010/11 sowie 2011/12) jeweils eine<br />

Klasse pro Jahrgang, die als vernetzte Klasse<br />

geführt wurde, so wird es im kommenden<br />

Schuljahr 2012/13 zwei erste Klassen mit vernetztem<br />

Unterricht geben, in denen SchülerInnen<br />

des gymnasialen als auch des realgymnasialen<br />

Zweigs unterrichtet werden.<br />

Dazu kommt eine weitere Klasse, in der Unterricht<br />

in einer Mischform – Regelunterricht<br />

<strong>und</strong> Freiarbeitsst<strong>und</strong>en – angeboten wird.<br />

In den vernetzten Klassen findet Unterricht in<br />

Anlehnung an den Marchtaler Plan auf der<br />

Basis des österreichischen Lehrplans statt <strong>und</strong><br />

beinhaltet folgende Strukturelemente:<br />

• Morgenkreis<br />

• Freie Stillarbeit<br />

• Vernetzter Unterricht<br />

• Fachunterricht<br />

(vgl. Stiftung Kath. Freie Schule (Hg.) 2002: 14)<br />

Im Folgenden werden vor allem die Bereiche<br />

Vernetzter Unterricht (VU) sowie Freie Stillarbeit<br />

(FSA) im Detail beschrieben. Zuvor ein paar<br />

Worte zur Aufnahme bzw. Auswahl der SchülerInnen<br />

in die vernetzten Klassen sowie zu den<br />

Rahmenbedingungen am BG/BRG Hallein.<br />

Anmeldung – Auswahl<br />

Am Tag der Offenen Tür am BG/BRG Hallein<br />

bekommen die vernetzten Klassen die erste<br />

Möglichkeit, sich zu präsentieren. In weiterer<br />

Folge werden alle Volksschulen im Tennengau<br />

schriftlich über einen Informationsabend<br />

zum Thema „selbstständiges, freies <strong>und</strong> projektorientiertes<br />

Arbeiten“, wie das Projekt<br />

unter dem Link „vernetzte Klasse“ auf der<br />

Homepage der Schule (www.brghallein.salzburg.at)<br />

beschrieben wird, informiert. Dieser<br />

Informationsabend findet vor dem Anmeldezeitraum<br />

für die ersten Klassen statt. Ebenso<br />

werden Eltern-Kind-Schnuppertage an mehreren<br />

Samstagen in den bestehenden vernetzten<br />

Klassen angeboten.<br />

Am Anmeldeformular werden die Eltern<br />

konkret über ihr Interesse an der vernetzten<br />

Klasse gefragt <strong>und</strong> zu einem persönlichen<br />

Gespräch eingeladen, das Vor<strong>aus</strong>setzung<br />

für eine Aufnahme ist. Diese ca.15-minütigen<br />

Lehrer-Eltern-Kind-Gespräche sowie die Beobachtungen<br />

an den Schnuppervormittagen<br />

sind die Basis für die Auswahl der SchülerInnen<br />

für die vernetzten Klassen.<br />

Rahmenbedingungen<br />

am BG/BRG Hallein<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich wurde versucht, Sonder- <strong>und</strong><br />

Ausnahmeregelungen für die vernetzten<br />

Klassen so gering wie möglich zu halten. Die<br />

Klassenst<strong>und</strong>enpläne unterscheiden sich von<br />

jenen der Regelklassen nur dadurch, dass die<br />

erste St<strong>und</strong>e am Montagmorgen eine Klassenvorstandsst<strong>und</strong>e<br />

ist, die – zum Teil – für den<br />

Morgenkreis reserviert ist. Einmal pro Monat<br />

findet ein gemeinsames Mittagessen <strong>und</strong> an-<br />

PROJEKTE |77


VERNETZTE KLASSE Elisabeth Riedel-Fischer<br />

schließend ein – zusätzlicher - dreistündiger<br />

Unterrichtsblock statt, in dem gemeinsam Materialien<br />

erstellt werden <strong>und</strong> soziale Lernformen<br />

auf dem Programm stehen. Es gibt keine<br />

zusätzlichen finanziellen Mittel <strong>aus</strong> dem Schulbudget.<br />

Die Klasseneinrichtung, die über das<br />

vorgesehene Standardmobiliar hin<strong>aus</strong>geht<br />

– wie spezielle Kästen - werden vom „Verein<br />

der Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Förderer des BG/BRG<br />

Hallein“ sowie dem Elternverein der Schule<br />

finanziert. Aufgr<strong>und</strong> einer Initiative von Landeshauptfrau<br />

Gabi Burgstaller gab es für die<br />

vernetzten Klassen zusätzliche Computer <strong>und</strong><br />

Einrichtungsgegenstände <strong>aus</strong> den Beständen<br />

der Landesregierung. Ein – räumliches<br />

– Zugeständnis, das die Schulleitung macht,<br />

ist die Unterbringung aller vernetzten Klassen<br />

in einem Nebentrakt des Schulgebäudes, in<br />

dem auch die Gänge relativ ungestört für<br />

Lernzwecke genutzt werden können. Weiters<br />

gibt es einen eigenen Lerntechnikraum, in<br />

dem die umfangreichen Materialien untergebracht<br />

sind bzw. der auch den SchülerInnen<br />

in der FSA zur Verfügung steht.<br />

Morgenkreis<br />

Der Morgenkreis, der jeweils in der ersten<br />

St<strong>und</strong>e am Montag stattfindet <strong>und</strong> im St<strong>und</strong>enplan<br />

als Fachst<strong>und</strong>e des Klassenvorstands<br />

aufscheint, soll dem Ankommen in der Schule<br />

nach dem Wochenende dienen. Er ist, gemäß<br />

dem Marchtaler Plan, „frei von herkömmlichen<br />

unterrichtlichen Zielvorstellungen. (…)<br />

Im Mittelpunkt stehen Anschauung <strong>und</strong> Besinnung,<br />

Hören <strong>und</strong> Sehen lernen“ (Stiftung Kath.<br />

Freie Schule (Hg.) 2002: 14). Ein weiteres Ziel ist<br />

die Stärkung der Klassengemeinschaft sowie<br />

der eigenen Persönlichkeit; zwei Aspekte, die<br />

stark miteinander verwoben sind. „Sammlung<br />

<strong>und</strong> Konzentration führen zu sich selbst (…)<br />

<strong>und</strong> schaffen eine (…) für den Umgang miteinander<br />

förderliche Atmosphäre“ (Stiftung<br />

Kath. Freie Schule (Hg.) 2002: 14f).<br />

Vernetzter Unterricht<br />

Der vernetzte Unterricht ist das zentrale Anliegen<br />

der vernetzten Klassen am Halleiner<br />

Gymnasium. Im vernetzten Unterricht wiederum<br />

ist der Begriff einer ganzheitlichen Erziehung<br />

das zentrale pädagogische Anliegen.<br />

Wie ist nun diese Ganzheitlichkeit im Sinne<br />

der Marchtal Pädagogik zu verstehen? Er<br />

umfasst in der pädagogischen Praxis zwei<br />

Aspekte: zum einen die „Ganzheitlichkeit der<br />

Wirklichkeit <strong>und</strong> ihrer Phänomene (…), zum<br />

anderen die Ganzheitlichkeit des Kindes als<br />

Person“ (Saup 1994: 157).<br />

Die Ganzheitlichkeit der Wirklichkeit <strong>und</strong> ihrer<br />

Phänomene stärker zu betonen bedeutet<br />

in der Schulpraxis, dass Sachverhalte so zusammengestellt<br />

werden, dass für die SchülerInnen<br />

leicht erkennbar ist, was sachlich<br />

zusammengehört (vgl. Stiftung Kath. Freie<br />

Schule (Hg.) 2002: 16). Die herkömmliche<br />

Gliederung von Inhalten nach Fächern soll<br />

weitgehend aufgelöst werden. Der vernetzte<br />

Unterricht (VU) stellt ein Thema in den Mittelpunkt.<br />

Diese „Didaktik der Sachen“ (Stiftung<br />

Kath. Freie Schule (Hg.) 2002: 16) bietet die<br />

Chance, der Sektoralisierung des Lehrstoffes<br />

entgegenzuwirken. Dies setzt von den LehrerInnen<br />

der vernetzten Klassen große Bereitschaft<br />

<strong>und</strong> pädagogisches Bemühen vor<strong>aus</strong>,<br />

weit über das vorgesehene Maß hin<strong>aus</strong> zusammenzuarbeiten<br />

<strong>und</strong> zu kommunizieren. Es<br />

geht nicht darum, fachliche Zugänge zu den<br />

Sachen (Lehrstoffen) abzuschaffen, sondern<br />

um die Überlegung, dass SchülerInnen vier<br />

bis sechs Wochen im Stück ein Thema - <strong>aus</strong><br />

verschiedenen Gesichts- <strong>und</strong> Ansatzpunkten<br />

her<strong>aus</strong> – bearbeiten. Eine Überlegung, die<br />

einen anderen Rhythmus braucht als 50-Minuten-Sequenzen.<br />

Eine Überlegung, die die<br />

KollegInnen fordert über den Tellerrand ihrer<br />

Fächer hin<strong>aus</strong>zusehen.<br />

Es gibt bereits gut konzipierte sogenannte<br />

Wabeneinheiten, die in Anlehnung an das<br />

Original des Marchtaler Plans entstanden<br />

sind <strong>und</strong> die zentrale Inhalte <strong>aus</strong> dem österreichischen<br />

Lehrplan in verschiedene Jahresthemen<br />

integrieren. Je nach Thema nehmen<br />

bis zu neun Fächer am vernetzten Unterricht<br />

teil (vgl. Referat für Marchtal-Pädagogik (Hg.)<br />

2011: 6ff). Die praktische Durchführung dieser<br />

vernetzten Unterrichtseinheiten stellt an die<br />

KollegInnen in unserem Regelschulwesen ei-<br />

78| PROJEKTE


Elisabeth Riedel-Fischer VERNETZTE KLASSE<br />

nen Anspruch, der nur sehr schwer zu verwirklichen<br />

ist. „Vernetzter Unterricht fordert eine<br />

weitgehende Auflösung des Fachunterrichts<br />

<strong>und</strong>, damit einhergehend, die Abkehr vom<br />

Fachlehrersystem <strong>und</strong> eine Stärkung des Klassenlehrerprinzips.<br />

Ebenso wurde die Zerstückelung<br />

der Unterrichtszeit in 45-Minuten-Sequenzen<br />

abgeschafft“ (Saup 1994: 159). Von<br />

solch idealen Rahmenbedingungen ist das<br />

Projekt am BG/BRG Hallein noch ein Stück<br />

weit entfernt. Eine Annäherung an die Auflösung<br />

des Fachunterrichts ergibt sich durch die<br />

Freie Stillarbeit (siehe nächstes Kapitel). Auch<br />

wenn es weiterhin unverändert das Fachlehrersystem<br />

gibt, so kommt dem Klassenvorstand<br />

eine viel wichtigere Rolle zu, als dies in<br />

anderen Klassen der Fall ist. Der KV koordiniert<br />

die vernetzten Unterrichtseinheiten <strong>und</strong> deren<br />

Ergebnisse, holt von den FachlehrerInnen<br />

einmal pro Semester Feedback über die Arbeitsweise<br />

der einzelnen SchülerInnen in den<br />

FSA-St<strong>und</strong>en ein <strong>und</strong> gibt den Eltern – zusätzlich<br />

zur Schulnachricht/ zum Jahreszeugnis –<br />

eine verbale Beurteilung ihrer Kinder.<br />

All diese zusätzlichen organisatorischen <strong>und</strong><br />

pädagogischen Tätigkeiten geschehen <strong>aus</strong><br />

der Überzeugung, dass Kinder unser wichtigstes<br />

Potential für die Zukunft sind <strong>und</strong> dass<br />

man neue Wege gehen muss, um ihre individuellen<br />

Talente zu fördern. Aus der Überzeugung,<br />

dass diese Individualität – <strong>und</strong> hier<br />

kommt der zweite Aspekt der Ganzheitlichkeit<br />

der Marchtaler Pädagogik zum Tragen,<br />

die Ganzheitlichkeit des Kindes als Person –<br />

das höchste Gut ist, wenn es darum geht, sich<br />

auf die Zukunft vorzubereiten (vgl. Hengstschläger<br />

2011: 16). Eine Möglichkeit, dies zu<br />

erreichen, sind die Freien Stillarbeitsphasen,<br />

die in der Marchtal Pädagogik einen zentralen<br />

Stellenwert haben.<br />

Freie Stillarbeit<br />

„Freie Stillarbeit (ist) eine besondere Form<br />

schulischen Arbeitens, die insbesondere die<br />

Entwicklung der Persönlichkeit des Schülers,<br />

seine Individualität <strong>und</strong> Personalität in die<br />

Mitte des pädagogischen Bemühens stellt<br />

<strong>und</strong> den jungen Menschen zu eigenverantwortlichem<br />

Arbeiten <strong>und</strong> Handeln führen will“<br />

(Stiftung Kath. Freie Schule (Hg.) 2002: 15). Die<br />

Marchtal Pädagogik nimmt hier das Gedankengut<br />

Maria Montessoris auf, das den Prinzipien<br />

der Individualität <strong>und</strong> Selbsttätigkeit Priorität<br />

einräumt. Jede Schülerin/jeder Schüler<br />

soll seinen eigenen Lernweg finden können<br />

<strong>und</strong> dürfen. Individualität <strong>und</strong> die individuelle<br />

Förderung von Talenten ist, so sagt Markus<br />

Hengstschläger, „die beste Antwort in der<br />

Gegenwart auf die unbekannten Fragen der<br />

Zukunft“ (Hengstschläger 2011: 154). Und wir<br />

bereiten unsere Kinder auf die Wissensgesellschaft<br />

nicht dadurch am besten vor, indem<br />

wir ihnen Wissen eintrichtern, sondern sie auf<br />

das Management von Know how vorbereiten<br />

<strong>und</strong> ihnen beibringen problemlösend zu<br />

arbeiten (vgl. Oelkers 2006: 92). Dies ist durch<br />

die hohe Selbsttätigkeit der SchülerInnen –<br />

ob in Einzel-, Paar- oder Gruppenarbeit – in<br />

den FSA-St<strong>und</strong>en gewährleistet.<br />

Dazu wiederum muss ein Lernumfeld geschaffen<br />

werden, das selbstgesteuerte Lernprozesse<br />

ermöglicht: eine gute Atmosphäre,<br />

angstfreies Lernen, Üben anhand von vielen<br />

Beispielen, Erkennen von regelhaften Zusammenhängen<br />

<strong>und</strong> vieles mehr (vgl. Spitzer<br />

2006: 98). Für den Neurowissenschafter Manfred<br />

Spitzer ist „Üben etwas ganz Wichtiges<br />

für das Lernen junger Menschen, denn nur<br />

dadurch bleibt Struktur hängen. (…) Das Gehirn<br />

bildet seine eigenen Strukturen dadurch,<br />

dass es Strukturen verarbeitet <strong>und</strong> durch die<br />

Verarbeitung sich selber strukturiert. So funktioniert<br />

Lernen“ (Spitzer 2006: 98).<br />

Hier kommt noch ein Faktor hinzu, der wesentlich<br />

für nachhaltiges Lernen notwendig<br />

ist: die Zeit. Strukturen zu verarbeiten braucht<br />

Zeit. Unterschiedlich talentierte Kinder brauchen,<br />

je nachdem wo ihre Talente liegen,<br />

unterschiedlich viel Zeit, um Wissen in unterschiedlichen<br />

Bereichen nachhaltig zu strukturieren<br />

<strong>und</strong> zu wirklichen Kompetenzen<br />

werden zu lassen. Hier liegt einer der großen<br />

Vorteile der FSA. Die SchülerInnen haben die<br />

Möglichkeit, sich ihre Zeit frei einzuteilen. Wie<br />

sieht nun diese freie Stillarbeit in der Praxis am<br />

BG/BRG Hallein <strong>aus</strong>?<br />

PROJEKTE |79


VERNETZTE KLASSE Elisabeth Riedel-Fischer<br />

Gleich vorweg: Die Praxis am BG/BRG Hallein<br />

ist sozusagen eine „abgespeckte“ Variante<br />

des originalen Marchtaler Plans; ein guter<br />

Versuch, andere pädagogische Konzepte in<br />

das Regelschulwesen zu integrieren. Als Beispiel<br />

soll die Klasse 2A (Schuljahr 2011/12),<br />

die das Projekt VU durchführt, dienen. Die<br />

Fächer D, E, M, Rel. <strong>und</strong> ME sind fix mit einer<br />

Wochenst<strong>und</strong>e über das gesamte Schuljahr<br />

hinweg am Freiarbeitsplan beteiligt. Dazu<br />

kommen – auf freiwilliger Basis – die Fächer<br />

GWK, GSK, BU <strong>und</strong> PH, die sich ebenfalls mit<br />

einer Wochenst<strong>und</strong>e zu einem bestimmten<br />

Thema, das 4-6 Wochen bearbeitet wird (siehe<br />

VU), beteiligen können. In diesen als Freie<br />

Stillarbeitsst<strong>und</strong>en im Wochenplan <strong>aus</strong>gewiesenen<br />

St<strong>und</strong>en können die SchülerInnen<br />

die Aufgabenstellungen jedes dieser Fächer<br />

jederzeit bearbeiten. Es ist ihnen überlassen,<br />

wie viel Zeit sie im Stück, wie viele St<strong>und</strong>en<br />

pro Woche sie insgesamt an den Aufgaben<br />

eines Faches arbeiten. Die Aufgaben sind<br />

in Plicht- <strong>und</strong> (freiwillige) Zusatzaufgaben<br />

unterteilt. Die Rolle der FachlehrerInnen ändert<br />

sich entscheidend: sie sind nicht mehr<br />

Wissensvermittler, sondern können von den<br />

SchülerInnen zu Hilfe geholt werden, wenn<br />

diese es wünschen. Den SchülerInnen stehen<br />

mehrere Arbeitsbereiche – Klassenraum,<br />

Gang, Lerntechnikraum – zur Verfügung. Wo<br />

sie am liebsten arbeiten wollen, ist ihnen<br />

überlassen.<br />

Die Freiheit in der FSA ist aber nicht uneingeschränkt.<br />

Die Sozialform einer Aufgabe (Einzel-,<br />

Paar- oder Gruppenarbeit) wird von der<br />

Lehrkraft vorgegeben. Das heißt, die SchülerInnen<br />

müssen auch lernen teamfähig zu sein<br />

<strong>und</strong> ihre Arbeit sinnvoll mit anderen zu teilen.<br />

Auch das zur Verfügung gestellte Material<br />

muss mit anderen geteilt werden <strong>und</strong> darf<br />

nicht mit nach H<strong>aus</strong>e genommen werden.<br />

Großer Wert wird auch auf die termingerechte<br />

Abgabe der Arbeitsaufträge am Ende<br />

einer FSA-Phase gelegt. Um mit diesen Rahmenbedingungen<br />

umgehen zu können, bekommen<br />

die SchülerInnen der ersten Klasse<br />

im ersten Semester das notwendige „handwerkliche<br />

Gr<strong>und</strong>werkzeug“ im Rahmen des<br />

Faches Lerntechnik (ein Fach unseres Schulversuchs)<br />

vermittelt. So tasten sie sich unter<br />

Anleitung an die Her<strong>aus</strong>forderungen des<br />

selbstständigen, freien Lernens heran.<br />

Christliche Anthropologie<br />

Die Intentionen von Erziehung <strong>und</strong> Bildung,<br />

wie sie in der Zielsetzung des Marchtaler<br />

Plans verankert sind, basieren auf einem<br />

christlich-katholischen Wertesystem. Es geht<br />

nicht nur, wie bereits angeführt, um „ganzheitliche<br />

personale Erziehung, die die harmonische<br />

Entfaltung <strong>und</strong> Förderung der körperlichen<br />

<strong>und</strong> geistigen Anlagen (<strong>und</strong>) soziales<br />

Engagement (…) anstrebt“ (Stiftung Kath.<br />

Freie Schule (Hg.) 2002: 13), sondern ganz<br />

konkret auch um religiöse Erziehung, die den<br />

Unterricht in jedem einzelnen Fach sowie das<br />

Schulleben im Allgemeinen mitbestimmt (vgl.<br />

Stiftung Kath. Freie Schule (Hg.) 2002: 200).<br />

Am BG/BRG Hallein, einer öffentlichen Schule,<br />

wird der katholische Glaube nicht als Teil<br />

des Unterrichtsprinzips gesehen. Hier besteht<br />

logischerweise ein großer Unterschied zum<br />

Bildungs- <strong>und</strong> Schulentwicklungsplan der<br />

Katholischen Freien Schulen. Am Halleiner<br />

Gymnasium gibt es den laut St<strong>und</strong>entafel<br />

vorgesehenen Religionsunterricht. Das heißt,<br />

in den ersten <strong>und</strong> zweiten Klassen, die im<br />

Schuljahr 2011/12 den vernetzten Unterricht<br />

durchführten, waren es jeweils zwei St<strong>und</strong>en<br />

Katholischer Religionsunterricht <strong>und</strong> jeweils<br />

eine St<strong>und</strong>e Religionsunterricht in den übrigen<br />

Konfessionen.<br />

Literatur:<br />

Hengstschläger, Markus (2012): Die Durchschnittsfalle. Gene – Talente –<br />

Chancen. <strong>Salzburg</strong>: Ecowin.<br />

Franz-von-Assisi Schule (Hg.) (2005): Marchtaler Plan. Vernetzte Unterrichtseinheiten,<br />

Morgenkreis <strong>und</strong> Freie Stillarbeit für die Hauptschule (5.-9. Jahrgangsstufe)<br />

in Bayern. Augsburg.<br />

Gerst Hans (Hg.) (1996): Marchtaler Fernstudien. Studienbrief Nr. 1. Obermarchtal.<br />

Gerst Hans (Hg.) (1997): Marchtaler Fernstudien. Studienbrief Nr. 4. Obermarchtal.<br />

Oelkers, Jürgen (2006): Ohne Titel. In: Reinhard Kahl (Hg.): Treibhäuser der Zukunft.<br />

Wie in Deutschland Schulen gelingen. Hamburg: Archiv der Zukunft. 91-93.<br />

Saup, Berthold (1994): Zur Freiheit berufen. Zur Dimension des Ethischen im<br />

Marchtaler Plan. In: Gerfried W. Hunold (Hg.): Forum Interdisziplinäre Ethik,<br />

Bd. 9. Frankfurt am Main, h.a.: Peter Lang.<br />

Spitzer, Manfred (2006): Ohne Titel. In: Reinhard Kahl (Hg.): Treibhäuser der Zukunft.<br />

Wie in Deutschland Schulen gelingen. Hamburg: Archiv der Zukunft. 98-99.<br />

Stiftung Katholische Freie Schule der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Hg.)<br />

(2002): Marchtaler Plan. Erarbeitet von Hans Gerst (u.a.). Rottenburg a.N.<br />

Referat für Marchtal-Pädagogik (Hg.) (2011): Vernetzter Unterricht Sek<strong>und</strong>arstufe<br />

I. <strong>Pädagogische</strong> Impulse auf der Basis des österreichischen Lehrplans in<br />

Anlehnung an den Vernetzten Unterricht im Marchtaler Plan. <strong>Salzburg</strong>.<br />

80| PROJEKTE


Karl Josef Fuchs / Jochen Gaderer / Georg Wengler FUNKTIONENLEHRE<br />

Funktionenlehre<br />

Konzeption eines Lehrgangs Funktionenlehre als B<strong>aus</strong>tein einer<br />

PädagogInnen<strong>aus</strong>bildung Neu <strong>aus</strong> fachlicher <strong>und</strong> fachdidaktischer Sicht<br />

Karl Josef Fuchs / Jochen Gaderer / Georg Wengler<br />

1. Prolog<br />

Mit dem nachfolgenden Beitrag soll prototypisch<br />

aufgezeigt werden, wie zielführend es<br />

sein kann, ein Modul zu planen <strong>und</strong> zu strukturieren,<br />

das in beiden Institutionen Universität<br />

<strong>und</strong> <strong>Pädagogische</strong> <strong>Hochschule</strong> parallel<br />

oder wechselweise in der Bachelor<strong>aus</strong>bildung<br />

Lehramt angeboten werden könnte,<br />

um im Sinne einer modernen <strong>und</strong> zeitgemäßen<br />

PädagogInnen<strong>aus</strong>bildung zu wirken.<br />

Der <strong>aus</strong>gewählte B<strong>aus</strong>tein Funktionenlehre<br />

ist bereits jetzt Bestandteil der traditionellen<br />

Mathematik-LehrerInnen<strong>aus</strong>bildung an der<br />

<strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong>. Es soll jedoch<br />

gezeigt werden, wie ein modifiziertes Modul,<br />

das durch eine enge Verschränkung anerkannter<br />

fachdidaktischer Prinzipien mit fachwissenschaftlichen<br />

Themen gekennzeichnet<br />

ist, auch sehr gut in ein Standardcurriculum<br />

für das Lehramt an höheren Schulen an<br />

Universitäten im Rahmen der Analysis<strong>aus</strong>bildung<br />

eingebaut werden könnte.<br />

Die Verschränkung von Fachdidaktik <strong>und</strong><br />

Fachwissenschaft im vorliegenden Konzept<br />

folgt zwei wesentlichen Forderungen einer<br />

Proponentengruppe der Gesellschaft für<br />

Didaktik der Mathematik. Eine zentrale Forderung<br />

betrifft das Verhältnis der beiden<br />

<strong>Wissenschaft</strong>en Fachdidaktik <strong>und</strong> Fachwissenschaft<br />

Mathematik in einer modernen<br />

LehrerInnen<strong>aus</strong>bildung, denn „Nur eine<br />

Lehrperson, die fachliches Wissen mit fachdidaktischem<br />

Wissen verknüpfen kann, ist in<br />

der Lage handlungswirksame Entscheidungen<br />

in der Berufspraxis zu treffen.“ (Sträßer/<br />

Fuchs et al 2010). Eine weitere Forderung<br />

betrifft die Schulbezogenheit als Prinzip der<br />

gesamten LehrerInnen<strong>aus</strong>bildung, dem im<br />

hier vorgestellten Modell besonderes Augenmerk<br />

geschenkt wird.<br />

Nicht zuletzt wird durch die Betonung des<br />

modellbildenden Charakters von Funktionen<br />

auch die Sinnfrage thematisiert (d.h.,<br />

wozu mache ich das bzw. wozu brauche ich<br />

das?) (vgl. Kraler 2008), indem die große Praxisrelevanz<br />

dieser Idee immer wieder aufgezeigt<br />

wird.<br />

2. Fachdidaktische Prinzipien<br />

Wie bereits im Prolog angedeutet stehen<br />

gr<strong>und</strong>legende Strategien <strong>und</strong> Techniken,<br />

so genannte f<strong>und</strong>amentale Ideen, im Mittelpunkt<br />

des vorliegenden Modells. Die Autoren<br />

orientieren sich dabei an der bereits<br />

1982 von Fritz Schweiger vorgeschlagenen<br />

Behelfsdefinition: „Eine f<strong>und</strong>amentale Idee<br />

ist ein Bündel von Handlungen, Strategien<br />

oder Techniken, die (1) in der historischen<br />

Entwicklung der Mathematik aufzeigbar sind,<br />

(2) tragfähig erscheinen, curriculare Entwürfe<br />

vertikal zu gliedern, (3) als Ideen zur Frage,<br />

was ist Mathematik überhaupt, zum Sprechen<br />

über Mathematik, geeignet erscheinen,<br />

(4) den mathematischen Unterricht beweglicher<br />

<strong>und</strong> zugleich durchsichtiger machen<br />

können, (5) in Sprache <strong>und</strong> Denken des Alltags<br />

einen korrespondierenden sprachlichen<br />

oder handlungsmäßigen Archetyp besitzen“<br />

(Schweiger 2010: 12, 13)<br />

Ein Blick auf die Kataloge f<strong>und</strong>amentaler<br />

Ideen zeigt, dass im Zusammenhang mit<br />

dem hier behandelten Thema Funktion,<br />

funktionale Abhängigkeit oder Abbildung<br />

vor allem die fachdidaktischen Publikationen<br />

von Joachim Vollrath (1989) oder Peter<br />

Bender <strong>und</strong> Alfred Schreiber (1985) zu nennen<br />

sind. Aktuelle Publikationen wie jene<br />

von Karl Josef Fuchs (2007) oder von Hans-<br />

Stefan Siller (2009) dokumentieren überdies<br />

die strukturierende Kraft f<strong>und</strong>amentaler Ide-<br />

KOOPERATIONEN |81


FUNKTIONENLEHRE Karl Josef Fuchs / Jochen Gaderer / Georg Wengler<br />

en beim Einsatz neuer Technologien, wobei<br />

Hans-Stefan Siller vor allem dem modellbildenden<br />

Charakter zentraler Leitideen besonderes<br />

Augenmerk schenkt.<br />

Ein weiteres zentrales didaktisches Prinzip<br />

im vorliegenden Konzept stellt die Orientierung<br />

an Allgemeinbegriffen, so genannten<br />

Prototypen im Sinne von Willibald Dörfler<br />

(1991), dar. Gerade Untersuchungen an<br />

reellen Funktionen eignen sich dafür, ganz<br />

besondere Sichtweisen auf unseren Untersuchungsgegenstand<br />

Funktion zu entwickeln.<br />

An die Stelle der sequentiellen Behandlung<br />

der einzelnen Klassen reeller Funktionen tritt<br />

das Her<strong>aus</strong>finden von zentralen unterschiedlichen<br />

bzw. gemeinsamen Eigenschaften<br />

der Objekte Funktionen. Dabei werden die<br />

verschiedenen Repräsentationsformen von<br />

Funktionen, nämlich Graphen <strong>und</strong> Tabellen<br />

einander gegenübergestellt. Veranschaulichungen<br />

werden nicht nur ‚betrachtet‘,<br />

sondern im Sinne von Hermann Kautschitsch<br />

(1985) analysiert <strong>und</strong> bewertet. Ein weiteres<br />

didaktisches Prinzip, nämlich das der operativen<br />

Begriffsbildung (Bender & Schreiber<br />

1985) wird somit zum tragenden Element<br />

des Moduls.<br />

Zudem trägt der Lehrgang einer durchgehenden<br />

Kompetenzorientierung Rechnung,<br />

d.h., von Seiten der Lehrenden ist neben der<br />

Fachkompetenz auch auf die Sozial-, Kommunikations-<br />

sowie Vermittlungskompetenz<br />

der Studierenden bei den Übungseinheiten<br />

zu achten.<br />

3. Ziele des Lehrgangs Funktionenlehre<br />

3.1 Prototypen von Funktionen<br />

untersuchen<br />

3.1.1 Als Kategorisierung kann eine<br />

Bearbeitung<br />

• nach prototypischen Formen der<br />

Graphen von exp, sin <strong>und</strong> deren<br />

Umkehrungen log, asin (siehe<br />

auch 2.5),<br />

• der Funktionen sin, cos, tan unter<br />

dem Gesichtspunkt der Periodizität<br />

oder<br />

• die Funktionen floor, ceiling, ro<strong>und</strong><br />

sowie abs unter dem Gesichtspunkt<br />

stückweiser Stetigkeit erfolgen.<br />

3.1.2 Aufbauend auf dem Lehrplan der Sek<strong>und</strong>arstufe<br />

I sollen Studierende weitgehende<br />

Kompetenzen im Operieren,<br />

Modellieren <strong>und</strong> Interpretieren (BIFIE<br />

2011) mit den nachfolgend angeführten<br />

Funktionsklassen erlangen: lineare<br />

<strong>und</strong> quadratische Funktionen, Potenz<strong>und</strong><br />

Polynomfunktionen, gebrochen<br />

rationale Funktionen, Kreis- <strong>und</strong> Arcusfunktionen,<br />

Exponential- <strong>und</strong> Logarithmusfunktionen,<br />

reziproke, periodische,<br />

abschnittsweise definierte <strong>und</strong> zusammengesetzte<br />

Funktionen im Sinne des<br />

B<strong>aus</strong>teinprinzips (siehe auch 2.5).<br />

3.1.3 Über den abstrakt definierten Begriff<br />

der Funktion hin<strong>aus</strong> sollen verbal, tabellarisch<br />

<strong>und</strong> grafisch gegebene<br />

Zusammenhänge wechselweise als<br />

verschiedene Repräsentationsformen<br />

betrachtet, analysiert <strong>und</strong> interpretiert<br />

werden können.<br />

3.1.4 Gr<strong>und</strong>legende Eigenschaften von<br />

Funktionen (Stichwort: „Kurvendiskussion“)<br />

sollen näher untersucht <strong>und</strong> interpretiert<br />

werden.<br />

3.2 Den modellbildenden Charakter<br />

von Funktionen nützen<br />

Funktionale Abhängigkeiten finden sich nicht<br />

nur in jeder Formel, sondern auch in naturwissenschaftlichen,<br />

technischen, wirtschaftlichen<br />

<strong>und</strong> gesellschaftspolitischen Anwendungsbereichen<br />

als geeignete modellbildende<br />

Sprach- <strong>und</strong> Beschreibungsmittel.<br />

3.2.1 Viele mathematische Modelle des Alltags<br />

sind diskret. Das darin enthaltene<br />

Prinzip „Rechnen statt Zählen“ soll<br />

durch die Zuordnung in Tabellenform<br />

82| KOOPERATIONEN


Karl Josef Fuchs / Jochen Gaderer / Georg Wengler FUNKTIONENLEHRE<br />

Abbildung 1<br />

genutzt werden <strong>und</strong> anhand der Analyse<br />

der Differenzenfolgen Einblicke<br />

in den iterativen funktionalen Zusammenhang<br />

eröffnen. Abb.1 zeigt die<br />

Anzahl der Punkte, Kanten, Flächen<br />

<strong>und</strong> Differenzenfolgen.<br />

3.2.2 Die Diskussion von Alltagsmodellen<br />

wird schließlich um „verstetigte“ reelle<br />

Funktionen erweitert. Dies führt die<br />

Studierenden<br />

• zur Intervallschreibweise bei Definitions-<br />

<strong>und</strong> Wertebereichen,<br />

• zu Einschränkungen bei Definitions-<br />

<strong>und</strong> Wertebereichen zur „Sicherung“<br />

von stets eineindeutigen<br />

Zuordnungen bzw. deren Umkehrungen<br />

sowie<br />

• zur Erkenntnis der Bedeutung graphischer<br />

Veranschaulichungen<br />

<strong>und</strong> deren Diskussion im kartesischen<br />

Koordinatensystem.<br />

ikonisch, symbolisch) (siehe die Theorie<br />

von J. S. Bruner in Wittmann 2002: 83ff)<br />

sowie<br />

• einer verallgemeinerungsfähigen Begründungsstrategie<br />

(nach Freytag 1993)<br />

Punkt drei kommt dabei besondere Beachtung<br />

zu, denn durch die intuitiv orientierten<br />

Zugänge sollten niemals Präzisierungen der<br />

Begriffe (vgl. Fischer 1978) in einem späteren<br />

Kurs <strong>aus</strong> Analysis erschwert oder gar blockiert<br />

werden.<br />

3.4 Dynamische Aspekte von<br />

Funktionen anwenden<br />

3.4.1 Durch den Einsatz geeigneter Software<br />

soll eine Simulation von funktionalen<br />

Zusammenhängen in dynamischer<br />

Form erfolgen. Die Kompetenz<br />

zur Nutzung der Medien soll so weit<br />

reichen, dass Studierende selbst passende<br />

Modelle erstellen können.<br />

Die damit erworbenen Kompetenzen im<br />

Umgang mit einzelnen Funktionsklassen sichern<br />

den theoretischen Hintergr<strong>und</strong> für<br />

eine sinnstiftende <strong>und</strong> adäquate Interpretation<br />

von wirklichkeitsnahen Sachverhalten<br />

(etwa Bewegungsabläufe oder Kostenentwicklung)<br />

(vgl. Fuchs & Blum 2008).<br />

3.3 Grenzwerte von Funktionen<br />

analysieren<br />

Der Lehrgang selbst begnügt sich in der<br />

Konzeption mit Ideen des Grenzwerts von<br />

Funktionen, der Stetigkeit sowie weiterer<br />

zentraler Begriffe der Analysis. Die methodische<br />

Umsetzung orientiert sich am Konzept<br />

eines präformalen Operierens in der Mathematik,<br />

nämlich hinsichtlich<br />

• der Wahl geeigneter Beispiele,<br />

• vorteilhafter Repräsentationen (enaktiv,<br />

Abbildung 2: Wurfbewegung<br />

KOOPERATIONEN |83


FUNKTIONENLEHRE Karl Josef Fuchs / Jochen Gaderer / Georg Wengler<br />

Abb. 3: SIN-Parameter,<br />

f(x) = a.sin(b(x+c))+d<br />

Abbildung 4: Schwebung,<br />

f(x) = a.sin(ax)+sin(bx)<br />

3.4.2 Die Steuerung der Animation von<br />

funktionalen Zusammenhängen mit<br />

Hilfe von Schiebereglern oder die Variation<br />

einzelner Parameter im sogenannten<br />

Zugmodus (siehe dazu Hölzl<br />

1994) soll eine erweiterte Interpretation<br />

ermöglichen <strong>und</strong> anregen. Beispiele<br />

siehe Abbildung 4 <strong>und</strong> 5.<br />

3.4.3 Das Änderungsverhalten bei Funktionsgraphen<br />

(u.a. Anstieg, Krümmung)<br />

soll am anschaulich dynamischen Modell<br />

untersucht <strong>und</strong> argumentiert werden<br />

mit dem Ziel, ein passendes Maß<br />

für die Änderung zu finden <strong>und</strong> einen<br />

zumindest anschaulich verbalen Zugang<br />

zum Differentialquotienten zu erreichen<br />

(vgl. Hohenwarter 2005: 207ff).<br />

3.4.4 Dynamisch erzeugte Flächenfunktionen<br />

von beliebigen Figuren wie Dreieck<br />

oder Rechteck, Beispiele wie die Monte<br />

Carlo-Methode oder strategisches Auszählen<br />

von Rasterfeldern sollen einen<br />

intuitiven <strong>und</strong> numerisch approximativen<br />

Zugang zur Exh<strong>aus</strong>tionsmethode<br />

als Vorstufe zur Integration bilden. (Vgl.<br />

Abb. 5 <strong>und</strong> 6)<br />

3.5 Funktionen exemplarisch<br />

anwenden<br />

Als Beschreibung vieler Sachverhalte:<br />

Bewegungsaufgaben, Wachstumsprozesse,<br />

periodische Abläufe, Kosten- <strong>und</strong><br />

Preistheorie.<br />

In Experimenten:<br />

Hebelgesetz, Federwaage, Dehnbarkeit<br />

eines Gummibands, Füllen <strong>und</strong> Leeren<br />

von Gefäßformen, archimedisches Prinzip,<br />

Blickwinkel optimieren, die „Mitte“ als<br />

zentrale Idee u.v.m.<br />

Für verschiedene Gesetzmäßigkeiten <strong>und</strong><br />

Zusammenhänge:<br />

• Lineare Funktionen für direkte Proportion,<br />

Strahlensatz, Ähnlichkeit, Maßstab<br />

sowie Steigung (vgl. Abb. 7a)<br />

• Quadratische Funktionen für Wurf, Fall,<br />

Beschleunigung sowie Flächeninhalte<br />

• Polynomfunktionen für Interpolationen,<br />

Ringstrukturanalyse oder Taylorentwicklung<br />

• Exponential- <strong>und</strong> Logarithmusfunktionen<br />

für Wachstum <strong>und</strong> Zerfall, struktureller<br />

Vergleich mit der Linearität,<br />

Diskussion der Graphen mittels Fallunterscheidungen.<br />

(Vgl. Abb. 7b)<br />

84| KOOPERATIONEN


Karl Josef Fuchs / Jochen Gaderer / Georg Wengler FUNKTIONENLEHRE<br />

Abb. 5: Ausrastern eines Viertelkreises<br />

Abb. 6: Graphisch Integrieren<br />

Abb. 7a: Linearer Graph<br />

Abbildung 7b: Exponentieller Graph<br />

Struktureller Vergleich<br />

verhältnistreu: rs/s konstant<br />

längentreu: s konstant<br />

Abb. 8: Skalenvergleich<br />

• Kreisfunktionen <strong>und</strong> deren Arcusfunktionen<br />

exemplarisch für sin bzw. asin als<br />

Idee der Umkehrung. Rechner liefern mit<br />

Hilfe der Umkehrtaste oder dem INV-SIN<br />

Befehl prompt Winkel- oder Bogenmaß<br />

für beliebige Sinuswerte <strong>aus</strong> (-1, 1). Mathematisch<br />

interessant ist nun die Frage,<br />

was graphisch beim Umkehren passiert.<br />

Umkehren bedeutet geometrisch das<br />

Spiegeln des Funktionsgraphen an der<br />

ersten Mediane, formal das T<strong>aus</strong>chen<br />

von <strong>und</strong> verbal bzw. tabellarisch ein<br />

rückwärtsgerichtetes Suchen jenes Winkels<br />

oder Kreisbogens, für den der Sinus<br />

den bekannten Wert annimmt. Die bloße<br />

Spiegelung der Sinuskurve an der ersten<br />

Mediane wird jedoch nur über eine<br />

Funktion erzeugt.<br />

KOOPERATIONEN |85


FUNKTIONENLEHRE Karl Josef Fuchs / Jochen Gaderer / Georg Wengler<br />

Abb. 9: SIN <strong>und</strong> Spiegelung (keine Funktion)<br />

Abb. 10: SIN <strong>und</strong> Umkehrung<br />

• Abschnittsweise definierte Funktionen wie<br />

lineare, quadratische, kubische Splines<br />

oder Treppenfunktionen wie sign, floor<br />

bzw. ceil in der Informationstechnologie.<br />

4. Epilog<br />

Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf<br />

strukturelle, d. h. inhaltliche Fach- bzw. fachdidaktische<br />

Aspekte. In nächsten Schritten<br />

müssten die Unterrichtsmethoden sowie<br />

Fragen der Beurteilung näher beleuchtet<br />

werden. Generell <strong>und</strong> vorab wäre dazu kurz<br />

zu sagen, dass ein zeitgemäßer Mathematikunterricht<br />

sich methodisch an den Kompetenzen<br />

künftiger LehrerInnen <strong>und</strong> SchülerInnen<br />

wird orientieren müssen. Zu den<br />

Fach- <strong>und</strong> fachdidaktischen Kompetenzen<br />

auf Seiten der LehrerInnen werden in einer<br />

umfassenden PädagogInnen<strong>aus</strong>bildung<br />

Vermittlungs- sowie psychologisch-diagnostische<br />

Kompetenzen hinzutreten. Auf Seiten<br />

der SchülerInnen wird neben rein formalen<br />

Kenntnissen <strong>und</strong> operativen Fähigkeiten die<br />

Schaffung von Dispositionen wie die Interpretations-,<br />

Dokumentations- sowie Kommunikationsfähigkeit<br />

Ziel eines modernen Unterrichts<br />

mit Nachhaltigkeit sein. Ein adäquates<br />

Modell für die Methodik eines zeitgemäßen<br />

Mathematikunterrichts könnte auf dem Konzept<br />

des Cognitive Apprenticeship fußen<br />

(Weber, 2007, S. 123). Für die Bewertung von<br />

SchülerInnenleistungen wird die komplexe<br />

Taxonomie von Lorie Anderson <strong>und</strong> David<br />

Krathwohl (Anderson et al. 2001) für besonders<br />

geeignet erachtet. Die Conclusio kann<br />

also nur lauten: Machen wir uns gemeinsam<br />

auf den Weg zu einem Gesamtkonzept der<br />

PädagogInnen<strong>aus</strong>bildung Neu.<br />

Literatur<br />

Anderson, L. W. et al (Hrsg.) (2001): A Taxonomy for Learning, Teaching, and<br />

Assessing: A Revision of Bloom‘s Taxonomy of Educational Objectives. Boston,<br />

MA: Allyn & Bacon (Pearson Education Group).<br />

Bender, P. & Schreiber, A. (1985): Operative Genese der Geometrie. Wien,<br />

Stuttgart: hpt, Teubner.<br />

BIFIE (2011): Praxishandbuch Mathematik AHS Oberstufe. Auf dem Weg<br />

zur standardisierten kompetenzorientierten Reifeprüfung. Graz: Leykam.<br />

Dörfler, W. (1991): Der Computer als kognitives Werkzeug <strong>und</strong> kognitives<br />

Medium. In: Schriftenreihe DdM 21, Wien, Stuttgart: hpt, Teubner, 51-75.<br />

Fischer, R. (1978): Die Rolle der Exaktifizierung im Analysisunterricht. In:<br />

Schriftenreihe DdM 6, Wien, Stuttgart: hpt, Teubner. 212-226.<br />

Freytag, K. (2010): Präformales Beweisen im Mathematikunterricht der Sek<strong>und</strong>arstufe<br />

I. In: Müller, K. P. (Hrsg.): <strong>Beiträge</strong> zum Mathematikunterricht, .<br />

Hildesheim: Verlag Franzbecker, 136-139.<br />

Fuchs, KJ. (2007): Functional Thinking: a f<strong>und</strong>amental idea in teaching<br />

computer algebra systems. In: Informatics, Mathematics and ICT: a ‚golden<br />

triangle‘. Boston: International Federation for Information Processing,<br />

6 . ISBN 13:978-0-615-14623-2; Working Joint IFIP Conference.<br />

Fuchs, KJ & Blum, W. (2008): Selbständiges Lernen im Mathematikunterricht<br />

mit ‚beziehungsreichen‘ Aufgaben. In: Thonh<strong>aus</strong>er, J. (Hg.): Aufgaben als<br />

Katalysatoren von Lernprozessen. Münster, u.a.: Waxmann, 135-148.<br />

Hohenwarter, M (2005): GeoGebra – didaktische Materialien <strong>und</strong> Anwendungen<br />

für den Mathematikunterricht. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades<br />

an der Paris Lodron Universität <strong>Salzburg</strong>.<br />

Hölzl, R. (1994): Im Zugmodus der Cabri-Geometrie. Weinheim: Deutscher<br />

Studienverlag.<br />

Kautschitsch, H. (Hg.) et al. (1985): Anschauung als Anregung zum mathematischen<br />

Tun. In: Schriftenreihe DdM 9, Wien, Stuttgart: hpt, Teubner.<br />

Kraler, Chr. (2008): Wozu brauchen wir das? Strategien zu einem nachhaltigen<br />

Umgang mit Sinnfragen im (Fach-)unterricht. LehrerInnenfortbildung<br />

Deutsches Schulamt Bozen, 16.11. 2008, Deutsches Schulamt Bozen.<br />

Schweiger, F. (2010): F<strong>und</strong>amentale Ideen. Schriften zur Didaktik der<br />

Mathematik <strong>und</strong> Informatik an der Universität <strong>Salzburg</strong> (Fuchs, KJ., Hg.).<br />

Aachen: Shaker Verlag.<br />

Siller, H-S. (2009): PROGRAPH Diagrams – A New Old System for Teaching<br />

Functional Modelling. In: The International Journal for Technology in Mathematics<br />

Education, 16/3, 123-128.<br />

Sträßer, R. et al. (2010): Bericht über die Schnittstellenaktivität zum „Übergang<br />

vom Bachelor zum Master. In: (Lindmeier, A.; Ufer, S. (Hg.)): <strong>Beiträge</strong><br />

zum Mathematikunterricht, Münster: WTM - Verlag, 107-112.<br />

Vollrath, J. (1989): Funktionales Denken. In: Journal für Mathematikdidaktik, 3-37.<br />

Weber, A. (2007): Problem-Based Learning. Bern: h.e.p. Verlag AG.<br />

Wittmann, E. Chr. (2002): Gr<strong>und</strong>fragen des Mathematikunterrichts. 6., neu<br />

bearbeitete Auflage. Braunschweig/Wiesbaden: Friedrich Vieweg & Sohn<br />

Verlagsgesellschaft.<br />

86| KOOPERATIONEN


Sibylle Kampl LENI RIEFENSTAHL<br />

Leni Riefenstahl<br />

<strong>und</strong> ihr „Triumph des Willens“<br />

Sibylle Kampl<br />

„Also wo liegt denn meine Schuld,<br />

sagen Sie mir doch das!“<br />

(Riefenstahl 1993)<br />

Es ist noch früh am Morgen des 4. Septembers<br />

1934, als die erfolgreichste Regisseurin<br />

des Dritten Reichs ihre Filmcrew zur Besprechung<br />

des ersten Drehtags um sich sammelt.<br />

In den folgenden Tagen wird sie eine<br />

strenge Regentschaft führen, um einen der<br />

erfolgreichsten Propagandafilme für ihren<br />

Auftraggeber Adolf Hitler auf Zelluloid zu<br />

bannen; weitere sechs Monate werden vergehen,<br />

bis es zur hochgejubelten Premiere<br />

kommt <strong>und</strong> zehn Jahre werden über deutsche<br />

Lande ziehen, bis sie leugnen wird, mit<br />

„Triumph des Willens“ einen Propagandafilm<br />

gedreht zu haben.<br />

Bereits vor 1933 baut die NSDAP einen umfangreichen<br />

Propagandaapparat auf <strong>und</strong><br />

ergänzt die anfängliche Partei-Wahlwerbung<br />

mehr <strong>und</strong> mehr mit dem Personenkult<br />

um Hitler. Da der Führer auch über das Medium<br />

Film massiv präsent gehalten werden<br />

soll, sucht man ab 1933 einen Filmemacher,<br />

der den Nürnberger Parteitag entsprechend<br />

in Szene setzen soll. Bereits 1927 <strong>und</strong><br />

1929 veranstaltet die NSDAP ihre Treffen in<br />

Nürnberg, von 1933 bis zum Ausbruch des<br />

Zweiten Weltkriegs wird es der alljährliche<br />

Schauplatz des Reichsparteitags bleiben<br />

(vgl. Trimborn 2002: 172). Pragmatisch gesehen<br />

liegt die Stadt zentral im Reich <strong>und</strong><br />

verfügt mit einem Vergnügungsareal samt<br />

Bahnanschluss über die notwendige Infrastruktur.<br />

Symbolisch betrachtet wurden hier<br />

bereits im Mittelalter Reichstage abgehalten.<br />

Die Nationalsozialisten knüpfen an diese<br />

Traditionen an, stellen sich „als Wahrer<br />

<strong>und</strong> Erneuerer des Reichs“ (Dietzfelbinger<br />

u.a. 2006: 41) dar <strong>und</strong> inszenieren hier Massenfeste,<br />

die Einheit zwischen Führer <strong>und</strong><br />

Volk suggerieren sollen. Als Gr<strong>und</strong>lage dienen<br />

Ideologie <strong>und</strong> Gemeinschaftsbildung,<br />

die einer großen Menschenmasse bedürfen<br />

<strong>und</strong> über Emotionalität erreicht werden. Propaganda<br />

in Kombination mit Emotionalität<br />

entspricht exakt dem, wonach Hitler auch<br />

für die filmische Umsetzung sucht. Im Mai<br />

1933 kommt es zur Auftragsvergabe an Leni<br />

Riefenstahl für den Parteitagsfilm desselben<br />

Jahres. Goebbels notiert im Tagebuch:<br />

„Nachm[ittag] Leni Riefenstahl … Ich mache<br />

ihr den Vorschlag eines Hitlerfilms. Sie ist<br />

begeistert.“ (Fröhlich 2006: 188).<br />

Riefenstahl<br />

Riefenstahl, geboren 1902 in Berlin, beginnt<br />

ihre Karriere als Ausdruckstänzerin <strong>und</strong><br />

Sch<strong>aus</strong>pielerin <strong>und</strong> wechselt 1931 für die<br />

Produktion „Das blaue Licht“ ins Regiefach.<br />

Elemente nationalsozialistischer Propaganda<br />

wie Vaterland, Tapferkeit <strong>und</strong> Treue sind<br />

bereits in diesem Film wesentliche Inhalte.<br />

Mit diesem Regiedebüt, das bereits für die<br />

rhythmische Kamera- <strong>und</strong> innovative Lichtführung<br />

gelobt wird, avanciert sie zum Liebling<br />

von Hitler. Im Februar 1932 besucht sie<br />

eine Veranstaltung im Berliner Sportpalast,<br />

bei der Hitler spricht. Sie notiert: „beinah<br />

apokalyptische Vision [...] Obgleich ich vieles<br />

in der Rede nicht verstand, wirkte sie auf<br />

mich faszinierend [...] Kein Zweifel, ich war infiziert.“<br />

(Riefenstahl 1987: 152) 1 . Nun setzt sie<br />

1 Der Wahrheitsgehalt von Riefenstahls 1987(!) erschienenen Memoiren ist äußerst fragwürdig. Bezüglich der zahlreichen wörtlichen Reden gibt sie an, dass sie von vielen<br />

Gesprächen „jedes Wort … in Erinnerung habe“. Zumindest stellt die Biografie eine Möglichkeit dar, zu sehen, wie Riefenstahl sich selbst dargestellt sehen wollte.<br />

ARBEITEN VON STUDIERENDEN |87


LENI RIEFENSTAHL Sibylle Kampl<br />

sich, entgegen vorheriger Äußerungen, dass<br />

sie völlig unpolitisch sei, mit „Mein Kampf“<br />

<strong>aus</strong>einander <strong>und</strong> bittet Hitler um ein persönliches<br />

Treffen, das ein fre<strong>und</strong>schaftliches<br />

Verhältnis zur Folge hat. Hitler kündigt an:<br />

„Wenn wir einmal an die Macht kommen,<br />

dann müssen Sie meine Filme machen.“<br />

(Riefenstahl 1987: 158).<br />

„Sieg des Glaubens“ 1933<br />

1933 ist es so weit. Für Riefenstahl, die nicht<br />

wie andere Kulturschaffende das Land verlässt,<br />

sondern ihre Aufstiegschance wittert,<br />

bedeutet dieser Auftrag den Wechsel ins<br />

Dokumentarfilmfach: „Ich erlebte den Reiz,<br />

den man verspürt, wenn man reale Geschehnisse,<br />

ohne sie zu verfälschen, filmisch<br />

gestalten kann.“ (Riefenstahl 1987: 225). Mit<br />

„Sieg des Glaubens“ entsteht ein 60-minütiger<br />

Film, dem noch Mängel (verwackelte Bilder,<br />

falsche Ausleuchtung) anzumerken sind.<br />

Das Ausmerzen dieser Schwächen <strong>und</strong> die<br />

Perfektionierung bereits gelungener Komponenten<br />

werden dem Folgefilm zu Berühmtheit<br />

verhelfen.<br />

„Triumph des Willens“ 1934<br />

Im Mai 1934 beginnen die Vorgespräche<br />

für einen neuen Parteitagsfilm. Riefenstahl,<br />

die zu der Zeit am Filmprojekt „Tiefland“<br />

arbeitet, nimmt den Auftrag an, gibt ihn<br />

aber an Walter Ruttmann ab, der den Film<br />

für Riefenstahls Reichsparteitagsfilm GmbH<br />

drehen soll. Als Hitler davon erfährt <strong>und</strong> seinem<br />

Wunsch klar Ausdruck verleiht, er wolle<br />

„keinen langweiligen Parteitagsfilm, keine<br />

Wochenschau-Aufnahmen, sondern ein<br />

künstlerisches Bilddokument“ (Riefenstahl<br />

1987: 222) unter ihrer Regie, muss Riefenstahl<br />

nachgeben. Hinter Hitlers Vehemenz stehen<br />

auch die Ereignisse des Sommers 1934.<br />

Nach dem Tod von Reichspräsident Hindenburg<br />

vereint Hitler das Amt des Reichskanzlers<br />

mit dem des Reichspräsidenten, zudem<br />

verschwindet mit der Ausschaltung Röhms,<br />

der in „Sieg des Glaubens“ noch an Hitlers<br />

Seite zu sehen ist, der Vorjahresfilm <strong>aus</strong> den<br />

Kinos <strong>und</strong> macht eine Neuproduktion unabdingbar.<br />

Parteitag (4. - 10. September 1934,<br />

Motto: Einheit <strong>und</strong> Stärke) <strong>und</strong> Film sollen<br />

die neue Machtfülle demonstrieren.<br />

Dreharbeiten<br />

Nun drängt die Zeit. Bis zu Beginn des Parteitags<br />

stehen Riefenstahl nur noch zwei Wochen<br />

Vorbereitungszeit zur Verfügung. Hitler<br />

übergibt ihr die künstlerische <strong>und</strong> organisatorische<br />

Leitung. Ausgestattet mit 300.000<br />

Reichsmark (vgl. Leis 2009: 69), rekrutiert sie<br />

ein Team von 170 MitarbeiterInnen, dazu gehört<br />

allein die unglaubliche Anzahl von 18<br />

Kameramännern mit je einem Assistenten<br />

(vgl. Trimborn 2002: 187). 2 Türme für Kameras,<br />

Tonaufnahmen <strong>und</strong> Scheinwerfer werden<br />

aufgestellt <strong>und</strong> Schienen für die Kamerafahrten<br />

verlegt. Riefenstahl bittet Albert Speer, einen<br />

Filmlift am 40 Meter hohen Fahnenmast<br />

zu installieren, um <strong>aus</strong> luftiger Höhe drehen<br />

zu können, <strong>und</strong> lässt Kameraleute das Filmen<br />

mit Rollschuhen oder auf eigens gebauten<br />

Hochrädern trainieren. Der Filmstab wird in<br />

SA-Uniformen gesteckt, um im Bild nicht aufzufallen.<br />

Für Nah-, Groß- <strong>und</strong> Detailbilder finden<br />

spezielle Kameras <strong>und</strong> Portraitoptiken<br />

<strong>aus</strong> den USA Verwendung. Straßenbahnwagen,<br />

Fenster <strong>und</strong> Dächer werden für den<br />

Dreh genützt (vgl. Trimborn 2002: 110, 212):<br />

„Kirchturmspitzen <strong>und</strong> Giebel - Menschen<br />

an den Fenstern - vorbeiflatternde Tauben -<br />

durch Dachluken durch - <strong>aus</strong> Türen her<strong>aus</strong> -<br />

überall filmen wir.“ (Riefenstahl 1935: 21).<br />

Kulisse<br />

Das Parteitagsprogramm besteht <strong>aus</strong> einer<br />

Abfolge von Aufmärschen, Appellen, Ansprachen<br />

<strong>und</strong> feierlichen Riten. Flankierende<br />

Propagandamaßnahmen reichen von<br />

Plakat <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funkübertragung bis zu<br />

2 Für Sieg des Glaubens standen im Vergleich drei Kameraleute <strong>und</strong> 60.000 Reichsmark zur Verfügung.<br />

88| ARBEITEN VON STUDIERENDEN


Sibylle Kampl LENI RIEFENSTAHL<br />

Postkarte <strong>und</strong> Quartettserie. Dass eine Veranstaltung<br />

in dieser Größenordnung nicht<br />

nur erhabene Augenblicke beinhaltet, verrät<br />

das Merkblatt für alle Teilnehmer, das mit<br />

„Ein Nationalsozialist betrinkt sich nicht.“ betitelt<br />

ist <strong>und</strong> Anweisungen enthält wie: „Das<br />

Herabreißen von Dekorationen […] ist ebenso<br />

unzweckmäßig, wie das Umhängen derartiger<br />

Gegenstände blöd wirkt.“ (Schmidt<br />

2005: 98). Riefenstahl wird diese Momente<br />

<strong>aus</strong>klammern.<br />

Einen großen Beitrag zum Erfolg der Reichsparteitage<br />

<strong>und</strong> damit auch zur Wirkung des<br />

Films leistet - neben den Aufmarschtruppen<br />

<strong>und</strong> den Besuchermassen 3 - die Architektur<br />

des zirka elf Quadratkilometer großen Geländes<br />

in der Gestaltung von Albert Speer.<br />

Überdimensionierte Gebäude, monumentale<br />

Treppenanlagen, wuchtige Pfeilerreihen<br />

<strong>und</strong> endlos scheinende Prachtstraßen mit<br />

symbolträchtigen, gewaltigen Dekorationselementen<br />

(Fahnenreihen, Hakenkreuzen,<br />

Feuerschalen) sollen Ewigkeit <strong>und</strong> Gigantomanie<br />

vermitteln. Nationalsozialistische<br />

Architektur soll einschüchtern <strong>und</strong> bestaunt<br />

werden, will ewig <strong>und</strong> monumental sein<br />

<strong>und</strong> muss „Disziplin einfordern <strong>und</strong> Gemeinschaftsgefühl<br />

vermitteln“ (Dietzfelbinger<br />

2006: 42). 4<br />

Montage.Uraufführung.Rezeption<br />

Mit der Montage beginnt die weit zeitintensivere<br />

Arbeit für Riefenstahl. Sie wird sechs<br />

Monate benötigen, um <strong>aus</strong> den 128.000<br />

Metern Filmmaterial eine Auswahl von 3.000<br />

Metern zu treffen. Gleichzeitig soll das Reich<br />

auf den Film vorbereitet werden. Zeitungen<br />

berichten über Besuche des Führers<br />

im Schneideatelier <strong>und</strong> den Fortgang der<br />

Arbeit. Der Film wird nun bereits unter dem<br />

Titel „Triumph des Willens“ geführt, der angeblich<br />

auf Hitler selbst zurückgeht. Für die<br />

Uraufführung im März 1935 wird die Ufa-<br />

Palast-Fassade umgebaut <strong>und</strong> mit einem<br />

acht Meter hohen Reichsadler geschmückt.<br />

Nach tosendem Appl<strong>aus</strong> fällt Riefenstahl<br />

beim Überreichen der Blumen von Hitler<br />

an sie - am Höhepunkt ihres Ruhms - in Ohmacht.<br />

Die Presse wird dar<strong>aus</strong> konstruieren,<br />

dass Hitler ihr dabei so tief in die Augen geschaut<br />

habe (vgl. Trimborn 2002: 213ff). Goebbels<br />

notiert: „Lenis großer Erfolg … große<br />

Schau unseres Willens.“ (Fröhlich 2005: 209).<br />

Großtonfilmzüge sorgen ab nun für die Verbreitung<br />

auch auf dem Land, die Filmvorführungen<br />

werden inszeniert <strong>und</strong> sind in den<br />

Schulen verpflichtend zu besuchen (vgl. Loiperdinger<br />

1987: 50). Für die Filmverwertung<br />

erhält Riefenstahl ein Monopol, das sie bis zu<br />

ihrem Tod 2003 innehat <strong>und</strong> von dem sie finanziell<br />

profitiert.<br />

Nach dem Krieg<br />

Nach 1945 stellt sich Riefenstahl in den Verhören<br />

als Opfer dar. Sie sei zu dieser Filmarbeit<br />

genötigt worden <strong>und</strong> hätte ohnedies<br />

versucht, sich davon zu befreien. Zudem<br />

hätte sie Dokumentar- <strong>und</strong> keine Propagandafilme<br />

gemacht. Nach vier Entnazifizierungsverfahren<br />

wird sie 1952 als Mitläuferin<br />

eingestuft (vgl. Kinkel 2002: 267ff). 5 In den<br />

1970er Jahren erfährt sie eine Art Comeback<br />

mit Fotobänden über das afrikanische<br />

Nuba-Volk. Doch sie entzieht sich stets einer<br />

moralischen Stellungnahme <strong>und</strong> so bleibt<br />

es beim Balanceakt zwischen bew<strong>und</strong>erter<br />

Künstlerin (Riefenstahl wird von Künstlern<br />

wie George Lucas, Andy Warhol oder Mick<br />

Jagger rezipiert, verehrt, engagiert) <strong>und</strong> kritisierter<br />

Opportunistin, die sich auf die Position<br />

der künstlerischen Gestaltung zurückzieht<br />

<strong>und</strong> der Kunst jegliche Verantwortung abspricht<br />

(vgl. Olbert 2003).<br />

3 Mit 500.000 Parteimitgliedern, 200.000 Gästen <strong>und</strong> 350.000 EinwohnerInnen Nürnbergs stehen Riefenstahl über eine Million StatistInnen zur Verfügung<br />

(Trimborn 2002: 200).<br />

4 Nach 1945 wurde das Gelände für Konzerte, Autorennen etc. genutzt <strong>und</strong> steht seit 1973 unter Denkmalschutz. 1994 wurde ein Dokumentationszentrum<br />

eingerichtet <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>satzentschluss nicht rekonstruieren, aber bewahren getroffen.<br />

5 Als wichtigstes Kriterium für diese Entscheidung galt, dass Riefenstahl nie Mitglied einer NS-Organisation war.<br />

ARBEITEN VON STUDIERENDEN |89


LENI RIEFENSTAHL Sibylle Kampl<br />

Bauweise des Films<br />

„Triumph des Willens“ stellt einen Höhepunkt<br />

des Personenkults um Hitler dar <strong>und</strong> prägt<br />

das Bild des Führers maßgeblich. Bleibt die<br />

Frage, mit welch filmischen Mitteln dies erreicht<br />

wird.<br />

Riefenstahl rafft den realen Parteitag filmisch<br />

von 7 auf 3,5 Tage (Filmdauer: 110<br />

min.), setzt die Sequenzen ohne eigentliche<br />

Spielhandlung <strong>und</strong> begleitenden Kommentar<br />

aneinander. Die Abfolge enthält<br />

Triumph fahrten Hitlers, Appelle, Reden an<br />

wechselnden Schauplätzen <strong>und</strong> Zwischenszenen<br />

(Zeltlager, Altstadt etc.). Am Filmbeginn<br />

ist bereits Riefenstahls Arbeitsweise<br />

ablesbar: Zu sehen ist der Flug Hitlers nach<br />

Nürnberg. Der Flieger schwebt über sonnenbeschienene<br />

Wolkenbänke, im Anflug fällt<br />

sein Schatten in Kreuzform auf Nürnberg<br />

<strong>und</strong> die mit Hakenkreuzfahnen beflaggte<br />

Stadt kommt <strong>aus</strong> den Wolken hervor. Bei<br />

der Landung bricht die wartende Menge<br />

in Jubel <strong>aus</strong> <strong>und</strong> streckt die Arme zum<br />

Deutschen Gruß. Auf der Fahrt in die Stadt<br />

nimmt er im offenen Wagen stehend die<br />

Ovationen der Menge entgegen, grüßend,<br />

lächelnd <strong>und</strong> nickend. Hitler steigt also vom<br />

Himmel herab - eine „quasi-religiöse Stilisierung“<br />

(Loiperdinger 1987: 88). Dieses Motiv<br />

des Heilsbringers wird sich - von der Lichtregie<br />

gestützt - wiederholen. Er steigt stets <strong>aus</strong><br />

dem Schatten ins Licht der Tribüne, als Hintergr<strong>und</strong><br />

für seine Aufnahmen dient meist<br />

der unendliche Himmel <strong>und</strong> die Architektur<br />

gibt in Anlehnung an religiöse Bauten den<br />

Anschein, als predige ein Hohepriester vom<br />

Altar. Die Hierarchie wird durch die Perspektive<br />

festgelegt: Hitler bleibt stets in Aufsicht<br />

auf die Menschen, die selbst in Untersicht<br />

zum Führer aufsehen - Hitler blickt herab <strong>und</strong><br />

das deutsche Volk blickt auf. Hinzu kommen<br />

die sich steigernden Einstellungsgrößen: Ist<br />

Hitler im Flieger nicht sichtbar, nur erahnbar,<br />

folgt erst nach Verlassen des Fliegers die<br />

Halbtotale bis hin zur Großaufnahme. Deren<br />

Einsatz ist von so großer Relevanz, da bis zu<br />

„Triumph des Willens“ noch keine derartigen<br />

Aufnahmen im Kino zu sehen sind: „Hier sind<br />

Großaufnahmen, die bislang Geheimnis waren“<br />

(Demandowski 1935), ist im Völkischen<br />

Beobachter zu lesen. Nur wenige der 13 Millionen<br />

Deutschen hatten Hitler bisher persönlich<br />

gesehen, nun erschafft Riefenstahl<br />

ihr Führerbild. Steigerung als Gr<strong>und</strong>prinzip<br />

ist auch in der Kamerabewegung erkennbar.<br />

Riefenstahl verwendet, vor allem um die<br />

Langatmigkeit der Aufmärsche zu verschleiern,<br />

unterschiedlichste Kamerafahrten <strong>und</strong><br />

Schwenks. Besondere Effekte erzielt sie beispielsweise<br />

mit der privilegierten Kameraposition<br />

in Hitlers Rücken zu Filmbeginn. Scheinbar<br />

hinter ihm stehend darf man im Kino<br />

die Triumphfahrt miterleben <strong>und</strong> erhält eine<br />

„partielle Teilhabe an der Macht“ (Töteberg<br />

2005: 651) suggeriert - eine Kamerapositionierung,<br />

die Hitlers Vorschlag entspringt (vgl.<br />

Trimborn 2002: 189). Innovativ sind zudem<br />

die Kamerabewegungen, die sich durch<br />

das Verlegen r<strong>und</strong>er Kameraschienen um<br />

das Rednerpult <strong>und</strong> mithilfe des Filmlifts ergeben.<br />

Letzterer setzt vor allem die choreografierten<br />

Aufmärsche, das Aufstellen der<br />

Massen in geometrischen Mustern, in denen<br />

das Individuum verschwinden soll, <strong>und</strong> die<br />

ZuschauerInnen auf den Tribünen gekonnt<br />

in Szene. Riefenstahl perfektioniert die Erhöhung<br />

Hitlers durch rhythmische Montage<br />

<strong>und</strong> Musik (Richard Wagner, Marschmusik,<br />

Lieder). Ihre hochwertige technische <strong>und</strong><br />

ästhetische Filmkunst entspricht Hitlers Intention:<br />

Das Erlebnis in Nürnberg soll sich im<br />

Kinosaal wiederholen, um die emotionale<br />

Verführung weit über den Parteitag hin<strong>aus</strong><br />

wirken zu lassen.<br />

Nachwirkungen<br />

1935 erhält der Film auf dem Internationalen<br />

Filmfestival Venedig den Preis für den besten<br />

<strong>aus</strong>ländischen Dokumentarfilm, 1937 eine<br />

Goldmedaille auf der Welt<strong>aus</strong>stellung in Paris.<br />

Er wird zu einem der meistzitierten Werke<br />

des Kompilationsfilms <strong>und</strong> hat großen Anteil<br />

daran, wie der Nationalsozialismus betrach-<br />

90| ARBEITEN VON STUDIERENDEN


Sibylle Kampl LENI RIEFENSTAHL<br />

tet wurde <strong>und</strong> wird - meist ohne Hinweise<br />

darauf, dass hier nicht der Nationalsozialismus<br />

gezeigt wird, sondern dass es sich um<br />

eine Darstellung handelt, wie sich der Nationalsozialismus<br />

präsentiert sehen wollte. 1935<br />

wird er im amerikanischen Fernsehen unter<br />

dem Titel „Bastard Reality“ gezeigt <strong>und</strong> in<br />

der New York Times als „one of the key documents<br />

of this century“ (Loiperdinger 1987:<br />

10) bezeichnet. Wie groß der Wirkungsradius<br />

tatsächlich ist, lässt sich schwer beurteilen,<br />

dennoch ist „Triumph des Willens“ bis heute<br />

ein Vorbehaltsfilm, darf also nur mit wissenschaftlicher,<br />

pädagogischer Begleitung<br />

aufgeführt werden. Diese Vorgabe ist nicht<br />

nur verständlich, sondern absolut notwendig,<br />

denn „trotz der Distanz […] gehen die<br />

Bilder immer noch unter die Haut“ (Meyers<br />

1998: 97) <strong>und</strong> vermögen unkritische Gemüter<br />

zu begeistern, auch wenn Riefenstahl<br />

kommentierte: „Triumph des Willens ist ein<br />

Dokumentarfilm von einem Parteitag, mehr<br />

nicht. Das hat nichts zu tun mit Politik. Denn<br />

ich habe aufgenommen, was sich wirklich<br />

abgespielt hat … deswegen ist es doch keine<br />

Propaganda.“ (Riefenstahl 2003).<br />

Literatur:<br />

Demandowski, Ewald (30. März 1935): Das größte Filmwerk, das wir je gesehen<br />

haben. In: Der Filmbeobachter. Beilage des Völkischen Beobachters.<br />

Dietzfelbinger, Eckart u. a. (2006): Faszination <strong>und</strong> Gewalt. Dokumentationszentrum<br />

Reichsparteitagsgelände Nürnberg. Ausstellungskatalog.<br />

Nürnberg: Museen der Stadt Nürnberg.<br />

Fröhlich, Elke (Hg., 2005): Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Teil 1. Aufzeichnungen<br />

1923 - 1941. Band 3/I. April 1934 - Februar 1936. München: K. G. Saur.<br />

Fröhlich, Elke (Hg., 2006): Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Teil 1. Aufzeichnungen<br />

1923 - 1941. Band 2/III. Oktober 1932 - März 1934. München: K. G. Saur.<br />

Kinkel, Lutz (2002): Die Scheinwerferin. Leni Riefenstahl <strong>und</strong> das „Dritte<br />

Reich“. Hamburg / Wien: Europa.<br />

Leis, Mario (2009): Leni Riefenstahl. Reinbek: Rowohlt.<br />

Loiperdinger, Martin (1987): Der Parteitagsfilm „Triumph des Willens“ von<br />

Leni Riefenstahl. Rituale der Mobilmachung. Opladen: Leske & Budrich.<br />

Meyers, Peter (1998): Film im Geschichtsunterricht. Realitätsprojektionen in<br />

deutschen Dokumentar- <strong>und</strong> Spielfilmen von der NS-Zeit bis zur B<strong>und</strong>esrepublik.<br />

Frankfurt: Moritz Diesterweg.<br />

Olbert, Frank (2003): Die Selbstverleugnerin. URL: http://www.<br />

ksta.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&<br />

aid=1063011553964 [Stand 1.9.2012].<br />

Riefenstahl, Leni (1935): Hinter den Kulissen des Reichsparteitag-Films.<br />

München: Zentralverlag der NSDAP.<br />

Riefenstahl, Leni (1993): Interview. In: Macht der Bilder. Dokumentarfilm von<br />

Ray Müller.<br />

Riefenstahl, Leni (2003): Zitate. In: Spiegel Online. URL: http://www.spiegel.<br />

de/kultur/kino/0,1518,264954,00.html [Stand 1.9.2012].<br />

Riefenstahl, Leni (1987): Memoiren. München / Hamburg: Kn<strong>aus</strong>.<br />

Schmidt, Alexander (2005): Geländebegehung. Das Reichsparteitagsgelände<br />

in Nürnberg. Nürnberg: Sandberg.<br />

Töteberg, Michael (Hg., 2005): Metzler Film Lexikon. Stuttgart / Weimar:<br />

Metzler.<br />

Trimborn, Jürgen (2002): Riefenstahl. Eine deutsche Karriere. Biographie.<br />

Berlin: Aufbau.<br />

ARBEITEN VON STUDIERENDEN |91


TRENNUNG - SCHEIDUNG Maria Schmidinger<br />

Trennung/Scheidung<br />

als Thema der Kinderliteratur<br />

Eine Analyse <strong>aus</strong>gewählter Bilderbücher<br />

für Kinder im Vorschul- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulalter<br />

Maria Schmidinger<br />

„Unser größter Ruhm ist nicht, niemals zu fallen, sondern jedes mal [sic!] wieder aufzustehen“<br />

(Emerson, zit. nach Kugel 2010: 7). Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage, inwieweit <strong>aus</strong>gewählte<br />

Bilderbücher im Zusammenhang mit Trennung/Scheidung zur Förderung von Resilienz<br />

geeignet sind. Das Forschungsdesign basiert auf einer skalierend strukturierten Inhaltsanalyse.<br />

Den Ergebnissen der qualitativen Erhebung zufolge weisen die Bilderbücher ein hohes Resiliezpotenzial<br />

auf.<br />

Das oben angeführte Zitat ist vergleichbar<br />

mit dem Verhalten resilienter Individuen. Sie<br />

halten trotz Krisen, wie die einer Trennung<br />

bzw. Scheidung, an der optimistischen Lebenseinstellung<br />

fest. Sie ermutigen Menschen,<br />

Her<strong>aus</strong>forderung anzunehmen, an<br />

Krisen zu wachsen <strong>und</strong> dadurch seelische<br />

Widerstandskraft zu stärken (vgl. Wustmann<br />

2011: 130). Ein resilientes Kind sagt, „ich habe<br />

(I have) Menschen um mich, die mir vertrauen<br />

<strong>und</strong> die mich bedingungslos lieben.<br />

Ich bin (I am) zuversichtlich, dass alles gut<br />

wird. Ich kann (I can) jemanden finden, der<br />

mir hilft, wenn ich Unterstützung brauche.“<br />

(Wustmann 2011: 118) Zu Beginn der Resilienzforschung<br />

trug Resilienz das Siegel der<br />

Allgemeingültigkeit, heute ist Resilienz situationsspezifisch<br />

<strong>und</strong> multidimensional, weil sich<br />

das Phänomen „Resilienz“ auf eine Vielzahl<br />

von interagierenden Elementen stützt (vgl.<br />

Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2009: 11).<br />

Demzufolge unterliegen das Resilienzparadigma<br />

sowie auch die gesellschaftliche<br />

Bedeutung von Scheidung kontinuierlichen<br />

Veränderungen.<br />

Gesellschaftliche Implikation<br />

von Scheidung<br />

„Scheidung ist […] zu einem zentralen Thema<br />

demografischer, soziologischer, psychologischer,<br />

psychiatrischer <strong>und</strong> […] interkultureller<br />

Studien geworden.“ (Fthenakis/<br />

Walbiner 2008: 1) Die aktuellen Forschungen<br />

richten ihren Fokus auf die multidimensionalen<br />

Aufgaben, die mit der Bewältigung des<br />

Übergangs verb<strong>und</strong>en sind. Die erfolgreiche<br />

Bewältigung von Scheidungsfolgen ist eng<br />

mit den Risiko- <strong>und</strong> Schutzfaktoren verknüpft.<br />

Dadurch gewinnt der Aspekt Resilienz in<br />

diesem Zusammenhang zunehmend an<br />

Bedeutung. Im Mittelpunkt steht die Bewältigungskompetenz<br />

aller Personen, die betroffen<br />

sind. Der Fokus liegt in der Förderung<br />

von Kompetenzen zur Problembewältigung,<br />

wegführend von der Defizitperspektive, hinführend<br />

zu einem ressourcenorientierten<br />

Modell, das auf die Kompetenzen der Familie<br />

baut (vgl. Fthenakis/Walbiner 2008: 1; 4f.).<br />

Hetherington/ Kelly stützen sich nicht nur<br />

auf die negativen Aspekte einer Trennung/<br />

Scheidung sondern fokussieren auf die<br />

Schutz- bzw. Risikofaktoren, die zu einer positiven<br />

kindlichen Entwicklung beitragen. Bef<strong>und</strong>e<br />

ihrer Studien belegen, dass 80 % der Kinder<br />

<strong>aus</strong> geschiedenen Familien nach einer<br />

schmerzhaft erfahrenen Übergangsphase<br />

gut mit der neuen Situation umgehen konnten<br />

(vgl. Hetherington/Kelly 2003: 304). Ob<br />

eine Trennung bzw. Scheidung als Chance<br />

oder Trauma eingestuft wird, hängt von verschiedenen<br />

Risiko- <strong>und</strong> Schutzfaktoren ab.<br />

Entscheidend für die kindliche Entwicklung<br />

sind intakte soziale Netzwerke, der Erzie-<br />

92| ARBEITEN VON STUDIERENDEN


Maria Schmidinger TRENNUNG - SCHEIDUNG<br />

hungsstil, die Resilienz des Kindes sowie die<br />

Bindung zu beiden Elternteilen (vgl. Hetherington/Kelly<br />

2003: 195ff.).<br />

Definition des Phänomens Resilienz<br />

Resilienz wird als „die Fähigkeit von Menschen<br />

verstanden, Krisen im Lebenszyklus<br />

unter Rückgriff auf persönliche <strong>und</strong> sozial<br />

vermittelte Ressourcen zu meistern <strong>und</strong> als<br />

Anlass für Entwicklung zu nutzen“. (Welter-<br />

Enderlin 2010: 13)<br />

Nach Wustmann bezeichnet der Begriff Resilienz<br />

im Kindesalter„eine psychische Widerstandsfähigkeit<br />

von Kindern gegenüber<br />

biologischen, psychologischen <strong>und</strong> psychosozialen<br />

Entwicklungsrisiken.“ (Wustmann<br />

2011: 18)<br />

Charakteristiken des Resilienzparadigmas<br />

Resilienz ist keine angeborene Persönlichkeitseigenschaft,<br />

sondern eine Verknüpfung<br />

zweier Bedingungen, einerseits das Vorhandensein<br />

einer Risikosituation <strong>und</strong> andererseits<br />

die erfolgreiche Bewältigung dieser<br />

Situation durch ein Individuum (vgl. Fröhlich-<br />

Gildhoff/Rönnau-Böse 2009: 10).<br />

Wustmann bezeichnet Resilienz als „einen<br />

dynamischen, transaktionalen Prozess“ <strong>und</strong><br />

als „variable Größe“, ein Konstrukt, das situationsabhängig<br />

<strong>und</strong> veränderbar ist.“ (Wustmann<br />

2011: 28) Die Qualität von Resilienz<br />

zeichnet sich dadurch <strong>aus</strong>, wie Menschen<br />

mit Veränderungen des Lebens zurechtkommen<br />

<strong>und</strong> was sie tun, damit ihre Lebenssituation<br />

sich zum Positiven wendet. Je früher<br />

Kinder positive <strong>und</strong> stabilisierende Erfahrungen<br />

in ihrem Leben machen, umso effektiver<br />

erfolgt die Ausbildung von Bewältigungsstrategien<br />

(vgl. Wustmann 2011: 28ff.).<br />

Ein zentraler Schwerpunkt des Resilienzkonzeptes<br />

richtet sich auf die Bewältigung von<br />

Krisen, so finden Schutz- sowie auch Risikofaktoren<br />

Relevanz darin, denn beide Aspek-<br />

te üben Einfluss auf die kindliche Entwicklung<br />

<strong>aus</strong> (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse<br />

2009: 19). Eine übersichtliche Gliederung der<br />

Risiko- <strong>und</strong> Schutzfaktoren die für die Thematik<br />

Trennung/Scheidung relevant sind, ist im<br />

Standardwerk von Wustmann beschrieben,<br />

respektive in der Bachelorarbeit vorzufinden<br />

(vgl. Schmidinger 2012: 44-49; vgl. Wustmann<br />

2011: 36ff.). Gr<strong>und</strong>lage dieses Beitrages sind<br />

die Schutzfaktoren nach Wustmann, die in<br />

personale <strong>und</strong> soziale Ressourcen unterteilt<br />

sind. Soziale Ressourcen werden als umgebungsbezogene<br />

Schutzfaktoren definiert,<br />

personale Ressourcen beziehen sich auf die<br />

Eigenschaften des Kindes (vgl. Wustmann<br />

2011: 46f.). Die Resilienzförderung zielt auf<br />

die Akzentuierung primärer Prävention - gemäß<br />

dem Leitsatz: „So früh wie möglich!“<br />

(vgl. Wustmann 2011: 122). Dabei können Bildungskontexte<br />

einen wichtigen Beitrag leisten,<br />

wenn sie ihren Fokus auf die Förderung<br />

wichtiger Resilienzfaktoren wie z. B. Problemlösefähigkeiten,<br />

aktives Bewältigungsverhalten,<br />

Selbsteinschätzung <strong>und</strong> Selbstwirksamkeitsüberzeugung<br />

sowie auf Stärken <strong>und</strong><br />

Potenziale von Kindern richten. Infolgedessen<br />

werden somit Wege gef<strong>und</strong>en, die <strong>aus</strong><br />

der Krise führen <strong>und</strong> resiliente Kinder hervorbringen<br />

(vgl. Wustmann 2011: 71; 151).<br />

Resilienzfaktoren sind „Eigenschaften, die<br />

das Kind in der Interaktion mit seiner Umwelt<br />

sowie durch die erfolgreiche Bewältigung<br />

von altersspezifischen Entwicklungsaufgaben<br />

im Verlauf erwirbt; diese Faktoren haben<br />

bei der Bewältigung von schwierigen<br />

Lebensumständen eine besondere Rolle,<br />

z. B. ([…], aktives Bewältigungsverhalten)“<br />

(Wustmann 2011: 46)<br />

Für die Interpretation einer Trennungssituation<br />

ist der Einsatz von aktiven, passiven, problemorientierten<br />

oder emotionsregulierenden<br />

Coping-Strategien relevant.<br />

Nach Lazarus/ Launier ist Coping ein prozessuales<br />

Geschehen, bei dem auf gefühlsbetonte,<br />

kognitive <strong>und</strong> handelnde Art <strong>und</strong><br />

ARBEITEN VON STUDIERENDEN |93


TRENNUNG - SCHEIDUNG Maria Schmidinger<br />

Weise versucht wird, die Krisensituation zu<br />

bewältigen (vgl. Wustmann 2011: 76f.). Verdrängung<br />

kann eine zeitweise erfolgreiche<br />

Bewältigungsstrategie sein, wenn sie nicht<br />

von Dauer ist. Sie dient als Selbstschutz <strong>und</strong><br />

der Sammlung von Kräften (vgl. Eckardt<br />

2006: 38; 40). Das Bewältigungsverhalten ist<br />

abhängig von der Art <strong>und</strong> Weise, wie eine<br />

Scheidung wahrgenommen wird. Kinder, die<br />

eine elterliche Trennung nicht nur als Belastung,<br />

sondern auch als Her<strong>aus</strong>forderung<br />

sehen, werden eher zu aktiv-problemorientierten<br />

(Altruismus, Humor, Unterdrückung,<br />

Antizipation, Sublimierung) <strong>und</strong> weniger zu<br />

passiv-vermeidenden Coping-Strategien<br />

(Verleugnung, Regression, Rückzug, soziale<br />

Abkapselung, Aggression) angeregt werden.<br />

Die Verfügbarkeit eines breiten Repertoires<br />

an Bewältigungsstrategien bildet das<br />

F<strong>und</strong>ament zur erfolgreichen <strong>und</strong> effektiven<br />

Bewältigung (vgl. Aichinger 2011: 170).<br />

Problemorientierte Bilderbücher <strong>und</strong> die<br />

Förderung von Resilienz.<br />

Damit Bilderbücher als Resilienz fördernd genannt<br />

werden können, müssen sie bestimmte<br />

Gütekriterien erfüllen. „Erst wenn eine Geschichte<br />

in der Lage ist, die Verstandeskräfte<br />

des Kindes in Abstimmung auf seine Ängste<br />

<strong>und</strong> Sehnsüchte zu mobilisieren, kann es einen<br />

wichtigen Betrag im Leben des Kindes<br />

leisten. Wenn es dabei zu helfen vermag,<br />

die Emotionswelt des Kindes ein Stück weit<br />

zu klären, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten<br />

zu stärken oder Zukunftsängste zu<br />

nehmen, kann es einen Anteil zur Förderung<br />

von Resilienz leisten“ (Hering 2008: 11).<br />

In Bezug auf die Interpretation der Förderung<br />

von Resilienz ist in Bilderbüchern die<br />

Veranschaulichung verschiedener Perspektiven<br />

mit dem Ziel der Perspektivenübernahme<br />

<strong>und</strong> der Selbstwirksamkeitsüberzeugung,<br />

der Darbietung von effektiven Problemlöse-<br />

<strong>und</strong> Emotionsregulationsstrategien bzw.<br />

sozialer Verhaltensmodelle bedeutungsvoll<br />

(vgl. Wustmann 2011: 129f.). Das Ziel der em-<br />

pirischen Untersuchung bestand darin, die<br />

<strong>aus</strong>gewählten zehn problemorientierten<br />

Bilderbücher auf Resilienzfähigkeit zu untersuchen.<br />

Die Skizzierung der Forschungsergebnisse<br />

unterstreicht die resilienzfördernde<br />

Bedeutung, die Bilderbücher in Krisensituationen<br />

haben können.<br />

Forschungsdesign <strong>und</strong> Ergebnisse<br />

Die Stichprobe der empirischen Untersuchung<br />

bilden zehn <strong>aus</strong>gewählte Bilderbücher,<br />

die sich mit der Thematik Trennung/<br />

Scheidung befassen <strong>und</strong> die mithilfe einer<br />

skalierend strukturierten Inhaltsanalyse <strong>aus</strong>gewertet,<br />

analysiert <strong>und</strong> interpretiert werden.<br />

Die Analysekriterien bauen auf dem<br />

deskriptiven Interesse der personalen Resilienzfaktoren<br />

nach Wustmann auf: Umgang<br />

mit Stress <strong>und</strong> Problemlösung, Selbstwirksamkeitsglaube,<br />

Coping-Strategien, soziale<br />

Kompetenz, Selbstbewusstsein, emotionale<br />

Kompetenz, Unterstützung von Krisen <strong>und</strong><br />

Stärkung von Jungen <strong>und</strong> Mädchen (vgl.<br />

Schmidinger 2012: 88-94).<br />

Kulminationspunkte der Arbeit<br />

Die Bilderbücher wurden nach den oben<br />

angeführten Kriterien nach Wustamnn <strong>aus</strong>gewertet.<br />

Im Besonderen erwähnenswert<br />

erscheint der Autorin die Anführung der Kategorien<br />

Entwicklung von Coping-Strategien,<br />

Stärkung des Selbstwirksamkeitsglaubes<br />

<strong>und</strong> der emotionalen Kompetenz. Die Kategorie<br />

Coping-Bewältigungs-Strategie, mittels<br />

derer zentrale Figuren im Bilderbuch auf die<br />

Problemsituation reagieren, wird hinsichtlich<br />

ihrer Effektivität auf die Rekonstruktion<br />

des Wohlergehens geprüft. Ein integrierter<br />

Schwerpunkt dieser Kategorie ist die effektive<br />

Modellnutzung der erwähnten Coping-<br />

Strategien in Krisensituationen (vgl. Hering<br />

2008: 9. 11f.). Der Schwerpunkt „Selbstwirksamkeitsglaube“<br />

findet Verwendung, wenn<br />

eine belastende Konstellation im Bilderbuch<br />

thematisiert wird <strong>und</strong> sich somit eine<br />

Betrachtung der vor<strong>aus</strong>sichtlichen Effizienz<br />

94| ARBEITEN VON STUDIERENDEN


Maria Schmidinger TRENNUNG - SCHEIDUNG<br />

einer Maßnahme bezüglich des Selbstwirksamkeitsglaubens<br />

der zentralen Figuren<br />

vornehmen lässt. Im Mittelpunkt steht dabei<br />

die Skizzierung der Problemlösung. Vorrangig<br />

sollten die ProtagonistInnen im Bilderbuch<br />

die Probleme autonom lösen, denn<br />

je eigenständiger sich die zentralen Figuren<br />

der Überwindung von Krisen stellen, desto<br />

erfolgreicher ist die Wirkung auf zukünftiges<br />

reslientes Verhalten. Die Kategorie emotionale<br />

Kompetenz untersucht die deutliche<br />

Sichtbarkeit der Emotionen von zentralen<br />

Figuren oder anderen <strong>und</strong> die Anleitung zu<br />

erfolgreichen Emotionsregulationsstrategien<br />

anhand derer eine Modellnutzung erfolgen<br />

kann. Die Rubrik der Untersuchung Sozialkompetenz<br />

fokussiert sich auf die zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen, das soziale<br />

Verhalten <strong>und</strong> die Darstellung von positiven<br />

Beziehungsformen <strong>und</strong> Modellen (vgl. Hering<br />

2008: 12ff.).<br />

Während der Untersuchung stellte die Autorin<br />

einen sukzessiven Resilienzerwerb der zentalen<br />

Figuren im Bilderbuch fest. Im Bilderbuch<br />

1 „Papa wohnt in der Heinrichstraße“ fehlen<br />

die aktiven Coping-Strategien. Eine Szene<br />

im Bilderbuch lädt gerade dazu ein, den<br />

Protagonisten selbst aktiv handeln zu lassen.<br />

Bernd <strong>und</strong> seine Mutter sitzen am Küchentisch.<br />

An der Wand hängen nur noch einige<br />

Bilder, die restlichen hat Bernds Vater mitgenommen.<br />

Eine Alternative wäre, dass Bernd<br />

die Situation, so wie sie jetzt ist, nicht akzeptiert<br />

<strong>und</strong> eigenständig dazu beiträgt, dass<br />

er sich wieder wohl zu H<strong>aus</strong>e fühlt. Kreative<br />

Bewältigungsstrategien wären das Streichen<br />

der Wände mit hellen Farben oder das Malen<br />

von Bildern. Im Bilderbuch 2 „Wir bleiben<br />

eure Eltern“ präsentiert die Mutter resilientes<br />

Verhalten, indem sie die neue Wohnung mit<br />

farbenfrohen Möbeln, Bildern <strong>und</strong> Alltagsgegenständen<br />

dekoriert. Anzumerken ist dabei,<br />

dass sie ihre Kinder nicht in den Entscheidungsprozess<br />

mit einbezieht. Im Bilderbuch 3<br />

„Und Papa seh ich am Wochenende“ wird<br />

der Protagonist als aktiver Bewältiger dargestellt.<br />

Er nimmt das Problem an <strong>und</strong> versucht<br />

es eigenständig zu lösen, indem er die Leere<br />

nach Vaters Auszug im Raum unterbindet<br />

<strong>und</strong> die freien Stellen auffüllt. Er repräsentiert<br />

für betroffene Kinder ein resilientes Vorbild<br />

(vgl. Schmidinger 2012: 132f.).<br />

Die Analyse von zehn <strong>aus</strong>gewählten Bilderbüchern<br />

ergab, dass diese Bilderbücher der<br />

Untersuchung ein hohes Resilienzpotenzial<br />

aufweisen, welches sich im prozentuellen<br />

Bereich von 82,10 % bis zu 100 % erstreckt. Im<br />

Besonderen erwähnenswert erscheint der<br />

Autorin die Betrachtung des Bilderbuches<br />

mit dem Titel „Und Papa seh ich am Wochenende“,<br />

das ein Resilienzpotenzial von<br />

100 % aufzeigt. In diesem Bilderbuch stehen<br />

die aktiven Bewältigungsstrategien im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Bemerkenswert ist, dass die Eltern<br />

Abbildung : Bildreihe<br />

Resilienzerwerb (vgl. Baumbach<br />

2010; vgl. Maar<br />

1993; vgl. Volmert 2009).<br />

ARBEITEN VON STUDIERENDEN |95


TRENNUNG - SCHEIDUNG Maria Schmidinger<br />

ihrem Kind verantwortungsvolle Aufgaben<br />

übertragen, durch die sich der Protagonist<br />

in seinem Handeln bestärkt fühlt. Die Darstellung<br />

von sozialen Ressourcen wirkt sich<br />

verstärkend auf den Selbstwirksamkeitsglauben<br />

<strong>aus</strong>, weil der Protagonist weiß, dass ihm<br />

im Falle eines Scheiterns Menschen zur Seite<br />

stehen, die ihm helfen <strong>und</strong> ihn unterstützen.<br />

Am Ende erkennt der Protagonist, dass er<br />

durch aktives Tun <strong>und</strong> Handeln einen wesentlichen<br />

Beitrag zur positiven Veränderung<br />

der familiären Situation geleistet hat.<br />

Fazit<br />

Die Untersuchung zeigt, dass die <strong>aus</strong>gewählten<br />

Bilderbücher essenzielle F<strong>und</strong>amente zur<br />

Förderung sowie Stärkung von Resilienz liefern<br />

<strong>und</strong> das Ziel verfolgen, Kinder zu stärken<br />

<strong>und</strong> resiliente Persönlichkeiten <strong>aus</strong>zubilden.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Aichinger, Alfons (2011): Resilienzförderung mit Kindern. Kinderpsychodrama<br />

Band 2. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Baumbach, Martina (2010): Und Papa seh ich am Wochenende. 2. Auflage.<br />

Stuttgart <strong>und</strong> Wien: Gabriel Verlag.<br />

Eckardt, Jo-Jacqueline (2006): Kinder im Scheidungsschmerz. So helfen Sie<br />

Ihrem Kind durch die Trennung. Stuttgart: Urania Verlag.<br />

Fröhlich-Gildhoff, Kl<strong>aus</strong> <strong>und</strong> Maike Rönnau-Böse (2009): Resilienz. München:<br />

Ernst Reinhardt.<br />

Fthenakis, Wassilios E. <strong>und</strong> Waltraut Wabiner (2008): Die gesellschaftliche<br />

Bedeutung von Scheidung. In: Wassilios E. Fthenakis u.a. (Hg.): Die Familie<br />

nach der Familie. Wissen <strong>und</strong> Hilfen bei Elterntrennung <strong>und</strong> neuen Beziehungen.<br />

München: Verlag C.H. Beck.<br />

Hering, Jochen (2008): Kindliche Kraft <strong>und</strong> Kinderliteratur. Online verfügbar<br />

unter: URL: [13.03.2012] (Archived by WebCite® at http://www.webcitation.<br />

org/668cdhgyt ).<br />

Hetherington, Marvis E. <strong>und</strong> John Kelly (2003): Scheidung – Die Perspektive<br />

der Kinder. Übers. V. Andreas Nohl. Weinheim / Basel / Berlin: Beltz Verlag.<br />

Kugel, J. (2010): Zitate. Norderstedt: Books on demand.<br />

Maar, Nele (1993): Papa wohnt jetzt in der Heinrichstraße. 6. Auflage. Fellbach:<br />

Repro Druck.<br />

Schmidinger, Maria (2012): Trennung/Scheidung als Thema der Kinderliteratur.<br />

Eine Analyse <strong>aus</strong>gewählter Bilderbücher für Kinder im Vorschul- <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>schulalter. <strong>Salzburg</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Hochschule</strong>. Bachelorarbeit.<br />

2012.<br />

Volmert, Julia (2009): Wir bleiben eure Eltern! Auch wenn Mama <strong>und</strong> Papa<br />

sich trennen. (2. Auflage). Wuppertal: Albarello Verlag.<br />

Welter-Enderlin, Rosemarie (2010): Einleitung: Resilienz <strong>aus</strong> der Sicht von<br />

Beratung <strong>und</strong> Therapie. In: Rosemarie Welter-Enderling <strong>und</strong> Bruno Hildenbrand<br />

(Hg.): Resilienz – Gedeihen trotz widriger Umstände. 3. Auflage. Heidelberg:<br />

Carl-Auer Verlag.<br />

Wustmann, Corina (2011): Resilienz: Widerstandsfähigkeit von Kindern in<br />

Tageseinreichtungen fördern. 3. Auflage. Berlin: Cornelsen Verlag Scriptor.<br />

Dem wäre hinzuzufügen, dass die Kategorien<br />

Coping-Strategien respektive Selbstwirksamkeitsglaube<br />

in Bilderbüchern durch<strong>aus</strong><br />

<strong>aus</strong>baufähig wären. Denn je eigenständiger<br />

sich die zentralen Figuren mit der aktiven<br />

Problemlösung befassen oder sich den<br />

her<strong>aus</strong>fordernden Aufgaben stellen, umso<br />

erfolgreicher ist die Wirkung auf zukünftiges<br />

resilientes Verhalten. Resümierend für die effektive<br />

Umsetzung einer Resilienzförderung<br />

in der pädagogischen Praxis ist dabei der<br />

Perspektivenwechsel weg vom Defizitansatz<br />

hin zu einem kompetenz- bzw. ressourcenorientierten<br />

Ansatz.<br />

96| ARBEITEN VON STUDIERENDEN


Franz Hofmann REZENSION<br />

Selbstbestimmung <strong>und</strong> Kontrollreduzierung<br />

in Lehr-<strong>und</strong> Lernprozessen<br />

Daniela Martinek<br />

Rezensiert von Franz Hofmann<br />

Das Erziehungsziel Autonomie ist für viele<br />

Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer deswegen ein anspruchsvolles,<br />

weil es in einem zum Teil beträchtlichen<br />

Spannungsverhältnis zu Globe-<br />

Faktoren des Unterrichts steht: Die Schule<br />

ist – obwohl selbst eher flach hierarchisch<br />

organisiert – in den Augen der Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler eher auf Unterordnung <strong>aus</strong>gerichtet<br />

<strong>und</strong> im Hinblick auf den Erziehungsstil<br />

heutiger Eltern deutet – wenngleich systematische<br />

Bef<strong>und</strong>e fehlen – einiges darauf<br />

hin, dass Kinder <strong>und</strong> Jugendliche eher ein<br />

Oszillieren zwischen „Gewähren-Lassen“<br />

<strong>und</strong> „Kontrolle“ erleben.<br />

Daniela Martinek, die sich seit ihrer Dissertation<br />

mit Fragen der Autonomieförderung<br />

im Unterricht beschäftigt, stellt sich in der<br />

gegenständlichen Monographie die Frage,<br />

wie Lehrpersonen ihre Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler im Sinn der Selbstbestimmungstheorie<br />

der Motivation so fördern können, dass<br />

sie sich in der Lerngruppe <strong>und</strong> der Schulgemeinschaft<br />

gut eingeb<strong>und</strong>en fühlen, dass<br />

sie für ihre Kompetenzentwicklung wichtige<br />

Erfahrungen der Selbstwirksamkeit machen<br />

<strong>und</strong> dass sie sich – last but not least – als<br />

Regisseure ihres Handelns erleben <strong>und</strong> nicht<br />

als von außen gesteuerte oder schlimmer:<br />

gegängelte Kinder <strong>und</strong> Jugendliche, die<br />

sich mit Lernzielen, Lernmethoden <strong>und</strong> Lerninhalten<br />

nur schlecht identifizieren können.<br />

Das Buch beschäftigt sich also mit einer – in<br />

der LehrerInnenfortbildung Tätige wüssten<br />

darüber viel zu erzählen – Kernfrage, die<br />

Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer umtreibt, nämlich<br />

mit der Frage: Wie kann ich meine Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler motivieren?<br />

D. Martinek gibt zunächst einen kurzen Einblick<br />

in die theoretischen Gr<strong>und</strong>lagen, beschreibt<br />

dabei die fünf Subtheorien der<br />

Selbstbestimmungstheorie der Motivation<br />

<strong>und</strong> erklärt die Relevanz dieser Theorie für<br />

schulisches Lehren <strong>und</strong> Lernen (Kapitel 1<br />

<strong>und</strong> 2). In einem dritten Kapitel erklärt sie,<br />

welche Motivationsstrategien namhafte<br />

Autorinnen <strong>und</strong> Autoren zur Realisierung<br />

im Unterricht vorschlagen <strong>und</strong> schlägt dabei<br />

eine Brücke zur neuralgischen Frage<br />

der Leistungsbeurteilung, nicht zuletzt an<br />

der sich entscheidet, wie ernst es Lehrerinnen<br />

<strong>und</strong> Lehrern mit dem Erziehungsziel<br />

Autonomie wirklich ist. Mit empirischen Bef<strong>und</strong>en<br />

leitet die Autorin zu einem Lehrkurs<br />

(„SKILL-Lehrkurs“) über, der Lehrpersonen in<br />

vier Modulen ermöglichen soll, sich wichtige<br />

motivationale Prinzipien <strong>und</strong> unterrichtliche<br />

Strategien anzueignen. Eine Evaluation dieses<br />

SKILL-Kurses, deren Ergebnisse in einem<br />

anschließenden Kapitel berichtet werden,<br />

lässt darauf schließen, dass Lehrpersonen<br />

dieses auch webbasiert angebotene Tool<br />

mit Gewinn nutzen können.<br />

D. Martinek legt mit dieser Monographie<br />

einen weiteren Beleg dafür vor, dass es für<br />

die Aus- <strong>und</strong> Fortbildung von Lehrpersonen<br />

hoffnungsvolle Ansätze gibt, Motivationsförderung<br />

abseits simpler Token-Systeme zu<br />

realisieren. Der SKILL-Kurs macht deutlich,<br />

dass es auf die Qualität der Motivationsförderung<br />

ankommt <strong>und</strong> Motivationsförderung<br />

untrennbar mit dem Aufbau von Haltungen<br />

seitens der Lehrpersonen verb<strong>und</strong>en ist. In<br />

diesem Sinne ist sowohl dem Buch als auch<br />

dem webbasierten Fortbildungstool zu wünschen,<br />

dass viele Lehramtsstudierende, Lehrpersonen<br />

<strong>und</strong> Ausbildungsverantwortliche<br />

damit arbeiten.<br />

Literatur<br />

Martinek, Daniela 2012. Selbstbestimmung <strong>und</strong> Kontrollreduzierung in Lehr<strong>und</strong><br />

Lernprozessen. Kovac: Hamburg.<br />

KOOPERATIONEN |97


Autorinnen <strong>und</strong> Autoren<br />

Ausgabe 6/2013<br />

Buchacher Walter<br />

Mag. rer.nat. Dr. phil.: Professor an der PH <strong>Salzburg</strong> für die Fächer Unterrichtswissenschaft,<br />

Persönlichkeit, Kommunikation <strong>und</strong> Lehrverhalten. Lehramt für Hauptschulen<br />

<strong>und</strong> höhere Schulen (Mathematik <strong>und</strong> Sport). Mehrere Jahre Universitätsassistent.<br />

Vorträge, Seminare <strong>und</strong> Moderationen für verschiedene Berufsgruppen. Autor von<br />

Sachbüchern zu den Themen Didaktik, Führung, Coaching <strong>und</strong> Beratung.<br />

Ursula Buchner<br />

Mag a . Dipl.Päd in .: Lehramt für den ernährungswirtschaftlichen <strong>und</strong> h<strong>aus</strong>haltsökonomischen<br />

Fachunterricht an berufsbildenden mittleren <strong>und</strong> höheren Schulen,<br />

Studium Psychologie <strong>und</strong> Pädagogik, Ausbildung in Gesprächspsychotherapie, Universitätslehrgang<br />

für Fach- <strong>und</strong> Verhaltenstrainer. Seit 1986 Lehrtätigkeit in der Aus-,<br />

Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung im Fachbereich Ernährung <strong>und</strong> H<strong>aus</strong>halt an der <strong>Pädagogische</strong>n<br />

Akademie bzw. <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong>.<br />

Buttler Viktoria<br />

HOL Dipl.Päd in .: Lehramt für Volks- <strong>und</strong> Hauptschulen. Lehrende an der PH <strong>Salzburg</strong><br />

für VS-Didaktik-Deutsch <strong>und</strong> VS-Didaktik-Bildnerische Erziehung. Referentin in der<br />

Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung.<br />

Dunzinger Franz<br />

Mag.art. Dr.Phil.: Studium der Bildnerischen Erziehung <strong>und</strong> Werkerziehung an der<br />

<strong>Hochschule</strong> Mozarteum für Musik <strong>und</strong> darstellende Kunst sowie Doktoratstudium<br />

der Philosophie, Studienfach Werkerziehung an der Kunstuniversität Linz. Tätig an<br />

der <strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong> in der VS- <strong>und</strong> HS-Ausbildung.<br />

Engelsberger Eva-Maria<br />

Mag. a : <strong>aus</strong>gebildete Wirtschaftspädagogin; Schwerpunktsetzung Organisations<strong>und</strong><br />

Personalentwicklung, Projekt- <strong>und</strong> Prozessmanagement; Change Management.<br />

Privatwirtschaftliche Tätigkeit in international agierenden Konzernen<br />

Langjährige Lehrerin, Administratorin an der BHAK/S Hallein;<br />

Leiterin Projektbüro Neue Mittelschule am LSR für <strong>Salzburg</strong><br />

derzeit Rektoratsassistenz der PH <strong>Salzburg</strong>.<br />

Fuchs Karl Josef<br />

Ao. Univ. Prof. Dozent Mag. Dr.: Lehramtsstudium Mathematik, Philosophie, Pädagogik<br />

<strong>und</strong> Psychologie - Universität <strong>Salzburg</strong>; bis 2003: Lehrer am BG <strong>und</strong> BRG Hallein; 1988:<br />

Doktoratsstudium der Geistes- <strong>und</strong> Naturwissenschaften; 1998: Habilitation <strong>aus</strong> Didaktik<br />

der Mathematik; 2004: Ermächtigung für das Fach Didaktik der Informatik; Gastprofessor<br />

- Universität Innsbruck <strong>und</strong> Bozen, Lehraufträge - Johannes Kepler Universität<br />

Linz; Gutachter von Dissertationen - Universitäten Innsbruck, Linz, Graz <strong>und</strong> Wien.<br />

Gaderer Jochen<br />

Mag.: Lehramtsstudium <strong>aus</strong> Mathematik, Werkerziehung an der Universität <strong>Salzburg</strong>;<br />

Lehrer am BRG <strong>Salzburg</strong>, Lehrbeauftragter der Universität Mozarteum; Betreuungslehrer<br />

für das Schul- <strong>und</strong> Unterrichtspraktikum; Lehrender für Mathematik an der PH<br />

<strong>Salzburg</strong>.<br />

98|


Autorinnen <strong>und</strong> Autoren<br />

Ausgabe 6/2013<br />

Giger Silvia<br />

Dr. in phil.: Lehramt für Volks- <strong>und</strong> Sonderschulen. Lehrende an der PH <strong>Salzburg</strong> im<br />

Fachbereich Soziologie sowie in persönlichkeitsbildenden Fächern. Schulentwicklungsberaterin,<br />

Schulmanagementtrainerin, u.a. <strong>aus</strong>gebildet in lösungsfokussiertem<br />

Führen, Coachen <strong>und</strong> Managen.<br />

Imani-Geyer<br />

Mag a .Dr in .: Volksschul- <strong>und</strong> Besuchsschullehrerin. Referentin für Bildungsstandards.<br />

Forschungsschwerpunkt zum Sozialverhalten. Lehrbeauftragte für Rhythmik an der<br />

<strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong> <strong>und</strong> für Schulpädagogik an der Universität <strong>Salzburg</strong>.<br />

Höfer Fritz<br />

Dr. Mag.: Studium Musikerziehung, Philosophie, Pädagogik <strong>und</strong> Psychologie, Promotion<br />

Musikpädagogik, Forschungsschwerpunkt: Neue Medien im Musikunterricht,<br />

Langjährige Schulpraxis, Universitäre Lehre in <strong>Salzburg</strong> <strong>und</strong> Köln, Vielfältige Tätigkeit<br />

in der Lehrerfortbildung, zahlreiche Publikationen.<br />

Hofmann Franz<br />

Mag. Dr.: ao. Universitätsprofessor an den Fachbereichen Erziehungswissenschaft<br />

<strong>und</strong> LehrerInnenbildung der Universität <strong>Salzburg</strong>. Forschungsschwerpunkte im Bereich<br />

der Unterrichtsforschung, der Lehrer/innenbildung <strong>und</strong> der Schulentwicklung.<br />

Publikationen zu Fragen der Unterrichtsqualität, der Lehrer/innenbildung, der Bildungsstandards<br />

sowie zu forschungsmethodischen Fragen.<br />

Hörl Sebastian<br />

Mag. Dr.: Studium Lehramt Leibesziehung, Psychologie, Philosophie <strong>und</strong> Pädagogik<br />

an der Universität <strong>Salzburg</strong>, Lehrer an verschiedenen höheren Schulen, Lehrender<br />

an der <strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong> in der Aus- <strong>und</strong> Fortbildung, Lehrbeauftragter<br />

am IFFB Sport- <strong>und</strong> Bewegungswissenschaften/USI der Universität <strong>Salzburg</strong>.<br />

Kampl Sybille<br />

Mag a . phil. BEd: Studium der Kunstgeschichte an der Universität <strong>Salzburg</strong>, Lehramt<br />

für Deutsch <strong>und</strong> Geschichte an der PH <strong>Salzburg</strong>. Freiberuflich tätig als Kunsthistorikerin,<br />

Kunst- <strong>und</strong> Kulturvermittlerin <strong>und</strong> Fremdenführerin.<br />

Lahmer Karl<br />

Prof. Mag. Dr.: Studium der Fachbereiche Psychologie/Pädagogik/Philosophie, Germanistik,<br />

Griechisch <strong>und</strong> Latein; Professor am Akademischen Gymnasium <strong>Salzburg</strong><br />

(1978–2012) <strong>und</strong> an der PH <strong>Salzburg</strong> (Ausbildung <strong>und</strong> Fortbildung AHS), Koordinator<br />

der modularen Oberstufe am Akademischen Gymnasium <strong>Salzburg</strong> (bis 2012), Mitglied<br />

der Lehrplankommission <strong>und</strong> der Arbeitsgruppen „Leitfaden für die neue Reifeprüfung<br />

<strong>aus</strong> Psychologie/Philosophie <strong>und</strong> Ethik“ (bm:ukk); Schulbuchautor.<br />

AUTORINNEN / AUTOREN |99


Autorinnen <strong>und</strong> Autoren<br />

Ausgabe 6/2013<br />

Landsgesell Elisabeth<br />

Bakk. phil. MA: Lehramt für Volksschule, Studium der Erziehungswissenschaft an der<br />

Universität <strong>Salzburg</strong>, Lehrende an der PH <strong>Salzburg</strong> für VS-Mathematik-Didaktik, Referentin<br />

in der Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung.<br />

Linsmeier Bärbel<br />

Lehramt für Volksschule, Studium der Spiel - <strong>und</strong> Theaterpädagogik an der <strong>Hochschule</strong><br />

der Künste Berlin, Sch<strong>aus</strong>pielengagements in Berlin <strong>und</strong> Österreich, Leitung<br />

zahlreicher theaterpädagogische Projekte mit Kindern, Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen,<br />

Referentin in der Fort – <strong>und</strong> Weiterbildung (Schwerpunkt Sprach - <strong>und</strong> Leseförderung),<br />

Lehrende in der Fachdidaktik Deutsch an der <strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong><br />

<strong>Salzburg</strong> seit 2011.<br />

Manhart Michael<br />

Dipl.Päd. Mag.: Pflichtschullehrer, Studium der Anglistik <strong>und</strong> Amerikanistik, Vortragender<br />

in der LeherInnen<strong>aus</strong>- <strong>und</strong> Weiterbildung an der PH <strong>Salzburg</strong>, Vortragender in<br />

der LehrerInnenweiterbildung an der PH Tirol.<br />

Rasfeld Margret<br />

1976 – 1992 an Gymnasien in NRW als Lehrerin tätig. 1992 – 1997 Aufbau der Gesamtschule<br />

Borbeck in Essen als Didaktische Leiterin. 1997 – 2007 Gründung <strong>und</strong><br />

Leitung der Gesamtschule Holsterh<strong>aus</strong>en, b<strong>und</strong>esweit profiliert als AGENDA-Schule.<br />

Seit 2007 Leiterin der Evangelischen Schule Berlin Zentrum (ESBZ).<br />

Riedel-Fischer Elisabeth<br />

Mag. a phil. Dr. in phil.: Lehramtstudium der Anglistik/Amerikanistik <strong>und</strong> Romanistik/<br />

Italienisch sowie Diplomstudium der Kunstgeschichte an der Universität <strong>Salzburg</strong>.<br />

Lehrerin am BG/BRG Hallein, Mitarbeiterin an der PH <strong>Salzburg</strong> – Institut für Lebensbegleitendes<br />

Lernen (AHS), Netzwerkreferentin für BiSt <strong>und</strong> NRP/Englisch. Hochschullehrerin.<br />

Schmidinger Maria<br />

BEd.: Nach 9-jähriger Berufstätigkeit im touristischen <strong>und</strong> gastronomischen Bereich<br />

(Marketing, Verkauf, Front Office Management) Studium an der <strong>Pädagogische</strong>n<br />

<strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong> für das Lehramt Volksschule; 2012 Graduierung zur BEd.<br />

Nicola Sommer<br />

Mag a . Dr in .: Lehramt für Hauptschulen (M, BS, GZ, INF, GW), Studium der Pädagogik<br />

in Graz, Doktoratsstudium in <strong>Salzburg</strong>; 11 Jahre Unterrichtstätigkeit an HS <strong>und</strong> PTS,<br />

Lehrende an der PH <strong>Salzburg</strong>, diverse Vortragstätigkeiten im Bereich der Erwachsenenbildung.<br />

100| AUTORINNEN / AUTOREN


Autorinnen <strong>und</strong> Autoren<br />

Ausgabe 6/2013<br />

Wengler Georg<br />

Mag.: Studium der Mathematik <strong>und</strong> Leibeserziehung an der Universität <strong>Salzburg</strong>,<br />

Hochschullehrgang Pädagogik <strong>und</strong> Fachdidaktik „Mathematik“ am interuniversitären<br />

Forschungsinstitut für Fernstudien in Klagenfurt. Seit 1978 Lehrer am BORG<br />

Nonntal. 1986 Aufbau eines Informatikzweiges am BORG Nonntal. ARGE-Leiter Informatik<br />

(1986-1994) <strong>und</strong> Mathematik (1994-1999). Seit 1988 Lehrbeauftragter an der<br />

<strong>Pädagogische</strong> <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong>. Referent in der Lehrerfort- <strong>und</strong> -weiterbildung.<br />

Elfriede Windischbauer<br />

Prof in . Mag a . Dr in .: Studium der Geschichte <strong>und</strong> Deutschen Philologie an der Universität<br />

<strong>Salzburg</strong>, Lehramt für AHS/BHS. Lehramt für HS an der <strong>Pädagogische</strong>n Akademie.<br />

Lehrerin an verschiedenen Hauptschulen, Fachdidaktikerin für Geschichte <strong>und</strong><br />

Politische Bildung an der <strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong>, Lehrbeauftragte an der Universität<br />

<strong>Salzburg</strong>. Seit 1.10.2012 Rektorin der <strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong>.<br />

Rektorin Mag a . Dr in . Elfriede Windischbauer<br />

Generaldirektor Mag. Dr. Günther Reibersdorfer<br />

AUTORINNEN / AUTOREN |101


Impressum<br />

Ausgabe 6/2013<br />

ph.script<br />

<strong>Beiträge</strong> <strong>aus</strong> <strong>Wissenschaft</strong> <strong>und</strong> Lehre<br />

<strong>Pädagogische</strong> <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong><br />

Ausgabe 06/2013<br />

erscheint ein- bis zweimal jährlich<br />

Impressum:<br />

Medieninhaberin, Verlegerin:<br />

<strong>Pädagogische</strong> <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong><br />

Akademiestraße 23<br />

A- 5020 <strong>Salzburg</strong><br />

Her<strong>aus</strong>geber:<br />

Rektorat der <strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong><br />

Rektorin Dr. in Elfriede Windischbauer<br />

Redaktion:<br />

Ursula Buchner, Elisabeth Grammel, Peter Haudum, Christoph Kühberger, Hubert Mitter, Heike<br />

Niederreiter, Hans-Peter Priller, Dorothea Rucker, Elisabeth Seethaler, Elfriede Windischbauer,<br />

Günter Wohlmuth<br />

Chefredaktion:<br />

Elfriede Windischbauer<br />

Layout/Satz:<br />

Hans-Peter Priller<br />

Lektorat:<br />

Peter Haudum<br />

Fotos <strong>Beiträge</strong>:<br />

Private, PH <strong>Salzburg</strong><br />

Fotos Umschlag:<br />

Herbert Huber, PH <strong>Salzburg</strong><br />

Druck:<br />

Huttegger, <strong>Salzburg</strong><br />

Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz:<br />

ph.script ist die Informationsschrift der <strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong> <strong>und</strong> enthält<br />

<strong>Beiträge</strong> <strong>aus</strong> <strong>Wissenschaft</strong> <strong>und</strong> Lehre. Im Zentrum stehen Informationen über Aspekte der<br />

LehrerInnenbildung, wissenschaftliche Arbeiten, Projekte, Kooperationen <strong>und</strong> Publikationen<br />

von MitarbeiterInnen der <strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong>. Die veröffentlichten <strong>Beiträge</strong><br />

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102| IMPRESSUM


Inhalt<br />

Lernwege 1<br />

Von Sammelnden zu Suchenden 3<br />

EH & EPICT 7<br />

Einladen - Ermutigen - Inspirieren 11<br />

Förderung der exekutiven Funktionen durch Bewegung in der Volksschule 15<br />

Rhythmik - Eine Standort- <strong>und</strong> Standardbestimmung 19<br />

Blogs <strong>und</strong> Podcasts im Musikunterricht der Sek<strong>und</strong>arstufe 25<br />

Lebende Fremdsprachen an der Volksschule 33<br />

Modulare Oberstufe am Akademischen Gymnasium <strong>Salzburg</strong> 37<br />

Eine Geschichte für das Gedächtnis 41<br />

Sprache entdecken, über Sprache nachdenken 45<br />

Das Bilderbuch - Nicht nur Bilder im Buch 49<br />

Visueller Dreiklang 53<br />

Das Lernen der Zukunft 59<br />

Die Neue Mittelschule – Dienst- <strong>und</strong> verwaltungsrelevante Aspekte 67<br />

Open Space 71<br />

Vernetzte Klasse 75<br />

Funktionenlehre 79<br />

Leni Riefenstahl <strong>und</strong> ihr „Triumph des Willens“ 85<br />

Trennung - Scheidung als Thema der Kinderliteratur 90<br />

Selbstbestimmung <strong>und</strong> Kontroll reduzierung in Lehr- <strong>und</strong> Lernprozessen 95<br />

Autorinnen <strong>und</strong> Autoren - Kurzporträts 96<br />

Ausgabe 06 2013<br />

<strong>Pädagogische</strong> <strong>Hochschule</strong> <strong>Salzburg</strong><br />

<strong>Beiträge</strong> <strong>aus</strong> <strong>Wissenschaft</strong> <strong>und</strong> Lehre

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