Maddrax Band 1 - Bastei-Verlag

Maddrax Band 1 - Bastei-Verlag Maddrax Band 1 - Bastei-Verlag

05.11.2013 Aufrufe

Hinter den Riesenratten sah er Rotauge nach dem Zügel des reiterlosen Frekkeuschers greifen. In großen Sprüngen entfernten sich die Tiere mit dem Schamanen. Matt war allein. Oder doch nicht … Wieder das Krächzen unter ihm. Matt blickte hinab. Am Fuß des Schneebretts gestikulierte der Weißpelz. Er hob die rechte Pfote und winkte ihn zu sich. Matt wandte sich um. Die Kette der Riesenratten zog sich enger und enger … Aruula zerrte an den Lederriemen des Zügelzeugs. Sie zwang den Frekkeuscher, sich flach auf das Eis zu legen. Das Tier gehorchte willig. An ihm vorbei schob Aruula sich den zerklüfteten Gletscherbruch hinauf. Wie in den Boden gerammte weiße Spitzpflöcke ragten die Eisspitzen aus dem zusammengebrochenen Gletscher. Aruula lugte durch das Eis hindurch auf die andere Seite des Tales. Dort flogen zwei Frekkeuscher auf den Berghang zu. Auf einem ritt Baloor. Der andere trug keinen Reiter. „Bei Wudan!“ Aruula ballte die Fäuste. „Er hat ihn den Taratzen ausgeliefert …“ Sie ließ sich auf den Rücken fallen und starrte auf die speerlange Bruchstelle der leicht überhängenden Gletscherwand über ihr. „Warum hast du das getan, Baloor … warum hast du das getan?“ Sie schloss die Augen und lauschte. Hundertfach blitzten Bilder der Gier und der Mordlust vor ihrem inneren Auge auf. Die Taratzen waren ganz in der Nähe. Und es waren unglaublich viele. Aruula überwand ihren Ekel und konzentrierte sich. Widerwillig ließ sie die scheußlichen Bilder zu – zerrissene Körper, Schmerzensschreie, gedemütigte Wesen. Sie schüttelte sich. Und dann spürte sie einen starken Geist, der sich anfühlte wie die zersplitterte Bruchstelle einer abgeschlagenen Schwertklinge – scharf, spröde und hart. Aruula wand sich vor Schmerzen. Eine Woge von Machtrausch und Triumphgefühl überflutete sie für Augenblicke. Sie riss sich los von diesem schrecklichen Geist und sprang auf. Das konnte nur der König der Taratzen sein – Rraar! Aruula atmete tief durch und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Nie wieder wollte sie einen derart widerlichen Geist belauschen. Sie kletterte auf den Hals des Frekkeuschers und ritt aus dem Gletscherbruch. Drüben am Berghang, auf der anderen Seite des Tales, sah sie die beiden Tiere mit Baloor hinter einem Eiskamm verschwinden. Der Göttersprecher würde Radaan finden. Aber würde er auch umkehren, um nach ihr zu suchen? Aruula ritt auf den nahen Bergrücken zu, von wo sie Baloor hatte kommen sehen. Immer

wieder lauschte sie. Vorsichtig, zögernd. Und je näher sie dem Berg kam, desto deutlicher spürte sie die Anwesenheit der Taratzen. Sie hielt das Tier an. Mit geschlossenen Augen lauschte sie noch einmal in den Berg hinein. Blutige Ekelbilder vor ihr und unter ihr. Sie befand sich schon über dem Gangsystem der Taratzen. Ihre Nackenhaare sträubten sich; ein Schauer nach dem anderen rieselte ihr über Schultern und Oberarme – die Blutgier der Taratzen war unerträglich. Aber dann berührte ihr Lauschsinn einen anderen Geist. Ein gutes, starkes Herz. Entschlossenheit und Stärke gingen von ihr aus. Maddrax’ Geist! Aruula spürte Erregung und Anspannung. Aber kaum Angst. Sie atmete auf. Maddrax lebte. Und er schien nicht in akuter Todesgefahr zu sein. Was hatten die Taratzen mit ihm vor? Aruula glaubte die Antwort zu kennen. Der ekelhafte Geist, mit dem sie zuvor Kontakt gehabt hatte, hungerte vor allem nach Macht. Macht über andere Kreaturen. Macht, die ihm seine Vorratshöhlen füllen würde, ohne dass er anstrengende Jagdzüge organisieren musste. Vermutlich hielt auch er Maddrax für einen Gott. Und was konnte einem Hordenführer mehr Macht verleihen als der Pakt mit einem Gott? So musste es sein – Rraar wollte sich mit Maddrax verbünden. Wudan mochte wissen, was er Baloor für seine Auslieferung bezahlt hatte. Aruula machte sich klar, dass Maddrax die Taratzen nur eine begrenzte Zeit hinhalten konnte. Und dass Rraar bald durchschauen würde, dass er einen Menschen und keinen Gott in seine Gewalt gebracht hatte … Sie erwog den Plan, allein in das Höhlensystem der Taratzen einzudringen. Und ließ ihn sofort wieder fallen. Vielleicht würde sie drei oder vier der Bestien mit in den Tod nehmen können. Mehr Chancen rechnete sie sich nicht aus. Der blaue Feuervogel fiel ihr ein. Und die Bilder, die sie Maddrax’ Geist ein paar Tage zuvor abgelauscht hatte. An dem Abend, als er sie zurückgewiesen hatte. Die Erinnerung an die kränkende Szene schnitt ihr ins Herz. Sie schüttelte die Empfindung ab und versuchte sich der Bilder zu entsinnen, die sie gesehen hatte. Bilder von den Dingen, die Maddrax so dringend haben wollte. Tau und Klinge, Beil und Amulette fielen ihr ein. Nichts, was ihn jetzt retten konnte. Aber diese anderen Sachen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte – dieser seltsame Eisenhaken mit dem Loch an einem Ende, die Röhre aus Glas und Metall …? Aruula hatte keine Ahnung was das für Dinge waren, aber sie war sich ziemlich sicher, dass Maddrax’ Geist Macht und Kraft mit diesen geheimnisvollen Gegenständen verbunden hatte. Er kommt aus einem fremden Land, sagte sie sich. Warum sollten die Menschen dort nicht in der Lage sein, solchen Eisendingen Macht und Kraft zu entlocken? Schließlich können sie auch mit Feuervögeln durch den Himmel fliegen …

Hinter den Riesenratten sah er Rotauge nach dem Zügel des reiterlosen Frekkeuschers<br />

greifen. In großen Sprüngen entfernten sich die Tiere mit dem Schamanen. Matt war allein.<br />

Oder doch nicht …<br />

Wieder das Krächzen unter ihm. Matt blickte hinab. Am Fuß des Schneebretts gestikulierte<br />

der Weißpelz. Er hob die rechte Pfote und winkte ihn zu sich.<br />

Matt wandte sich um. Die Kette der Riesenratten zog sich enger und enger …<br />

Aruula zerrte an den Lederriemen des Zügelzeugs. Sie zwang den Frekkeuscher, sich flach<br />

auf das Eis zu legen. Das Tier gehorchte willig.<br />

An ihm vorbei schob Aruula sich den zerklüfteten Gletscherbruch hinauf. Wie in den<br />

Boden gerammte weiße Spitzpflöcke ragten die Eisspitzen aus dem zusammengebrochenen<br />

Gletscher. Aruula lugte durch das Eis hindurch auf die andere Seite des Tales. Dort flogen<br />

zwei Frekkeuscher auf den Berghang zu. Auf einem ritt Baloor. Der andere trug keinen<br />

Reiter.<br />

„Bei Wudan!“ Aruula ballte die Fäuste. „Er hat ihn den Taratzen ausgeliefert …“<br />

Sie ließ sich auf den Rücken fallen und starrte auf die speerlange Bruchstelle der leicht<br />

überhängenden Gletscherwand über ihr. „Warum hast du das getan, Baloor … warum hast<br />

du das getan?“<br />

Sie schloss die Augen und lauschte. Hundertfach blitzten Bilder der Gier und der Mordlust<br />

vor ihrem inneren Auge auf. Die Taratzen waren ganz in der Nähe. Und es waren<br />

unglaublich viele.<br />

Aruula überwand ihren Ekel und konzentrierte sich. Widerwillig ließ sie die scheußlichen<br />

Bilder zu – zerrissene Körper, Schmerzensschreie, gedemütigte Wesen. Sie schüttelte sich.<br />

Und dann spürte sie einen starken Geist, der sich anfühlte wie die zersplitterte Bruchstelle<br />

einer abgeschlagenen Schwertklinge – scharf, spröde und hart. Aruula wand sich vor<br />

Schmerzen. Eine Woge von Machtrausch und Triumphgefühl überflutete sie für Augenblicke.<br />

Sie riss sich los von diesem schrecklichen Geist und sprang auf. Das konnte nur der<br />

König der Taratzen sein – Rraar!<br />

Aruula atmete tief durch und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Nie wieder wollte<br />

sie einen derart widerlichen Geist belauschen.<br />

Sie kletterte auf den Hals des Frekkeuschers und ritt aus dem Gletscherbruch. Drüben<br />

am Berghang, auf der anderen Seite des Tales, sah sie die beiden Tiere mit Baloor hinter<br />

einem Eiskamm verschwinden. Der Göttersprecher würde Radaan finden. Aber würde er<br />

auch umkehren, um nach ihr zu suchen?<br />

Aruula ritt auf den nahen Bergrücken zu, von wo sie Baloor hatte kommen sehen. Immer

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