Maddrax Band 1 - Bastei-Verlag
Maddrax Band 1 - Bastei-Verlag Maddrax Band 1 - Bastei-Verlag
Aruula hakte sich bei ihm unter und führte ihn ein paar Schritte von der Steinhütte weg. Er blickte sich um. Am schmalen Taleingang stürzte ein Wasserfall über eine Felswand ins Tal hinunter. Über der Wand, rechts und links des herabstürzenden Wassers, erkannte Matt bizarre Nadeln aus Eis. Das Tal selbst war von schroffen Felswänden eingerahmt. Moose, spärlicher Grasbewuchs, ein paar Büsche und kleine, niedrige Bäume hier und da bedeckten den fast schneefreien Talgrund. Bachabwärts öffnete sich das Tal ein wenig. Matt sah einige Baumwipfel und den spärlichen Baumbewuchs auf einem flachen Berghang, der ebenfalls nur teilweise mit Schnee und Eis bedeckt war. Dieses Tal befand sich also unterhalb der Schneegrenze, überlegte Matt. Viel höher als tausend Meter konnte es nicht liegen. Aber in dieser Höhe gab es in den Alpen Bergdörfer, Wanderhütten, Liftstationen oder Viehalmen – und keine fellverhüllten Figuren, die mit Schwertern aus König Artus’ Waffenkammer herumfuchtelten und … Matt stockte der Atem. Nicht weil immer mehr Barbaren aus Fellzelten schlüpften und sich vor ihm auf dem Boden warfen. Sondern wegen der Heuschrecken … Ja – Heuschrecken. Und doch keine Heuschrecken. Sie standen oder lagen hinter den Zelten am Bachlauf und zupften das spärliche Gras aus dem schlammigen Boden. Und sie waren so groß wie Kamele … „Gott im Himmel“, stöhnte Matt. „Was ist das …?“ Er deutete auf die gewaltigen Insekten. „Frekkeuscher“, sagte Aruula. Matt machte ein begriffsstutziges Gesicht. „Frek-keuscher“, wiederholte die Frau. „Frekkeuscher …“ Matt schüttelte den Kopf. „Das gibt es nicht“, stammelte er fassungslos. „So was kann es nicht geben …“ Die Riesenratten huschten plötzlich über seine innere Bühne. Auch diese Biester gab es in keiner Enzyklopädie. Wo, um alles in der Welt, war er hier gelandet …? Das Gemurmel und Geschrei um ihn herum lenkte ihn von den grünpelzigen Rieseninsekten ab. Männer, Frauen und Kinder knieten vor ihm im morastigen Boden. Alle in braune, schwarze oder graue Felle gewickelt. Wie in Trance beugten sie ihre Oberkörper auf ihre Schenkel, richteten sie wieder auf und ließen sich erneut in die unterwürfige Haltung fallen. „Lasst das!“, rief Matt. Sie glauben, du seist etwas Besonderes, dachte er, irgendein Häuptling, irgendein Held, vielleicht sogar … ein ungeheuerlicher Gedanke drängte sich in sein Hirn. Er lauschte auf ihr Gemurmel. Immer die gleiche Lautfolge hörte er heraus: „Tenk fa tuu Wudan, honuur fa tuu Wudan, tenk fa tuu Maddrax, honuur fa tuu Maddrax …“ Auch die Frau kniete jetzt nieder und stimmte in den ekstatischen Gesang mit ein, der zunehmend lauter wurde. Sie lächelte wie ein Kind dabei und verdrehte die Augen. Matt bemerkte, dass es auf allen Mienen lag, dieses selige Lächeln.
„Nein, Aruula!“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Nicht …“ Sein Protest ging in dem Sprechgesang unter. Am lautesten schrie der Ledermann. Er kniete seitlich der Gruppe, ohne sich zu verneigen. Doch er gab den Rhythmus vor. Die Fransen seiner Lederkappe flogen ihm um die Schultern. Matt hatte schon lange begriffen, dass Baloor so eine Art Medizinmann war. Und langsam dämmerte ihm, was sich hier abspielte. Unter Völkern, die sich mit Fellen kleideten, Wurzeln und Gewürm aßen und in zeltähnlichen Hütten wohnten, spielte der Schamane nicht nur eine medizinische Rolle. Er war Arzt, Seher und Priester zugleich. „Himmel …“ Matt hob abwehrend die Hände. „Sie halten mich für einen Gott!“ Vermutlich hatten sie seinen Jet bei der Notlandung beobachtet. Und was sollte ein unzivilisiertes Naturvolk – und um ein solches musste es sich bei diesen Menschen hier handeln – von einem Kerl halten, der mit einem dröhnenden Düsenjet aus dem Himmel fiel? „Bullshit …“ Er riss die Arme hoch. „Aufhören!“ Das Gemurmel verstummte. Die Menschen richteten sich auf. Einige Dutzend Augenpaare hingen an ihm. Auf Aruulas Schwert gestützt, ließ Matt sich auf einem Stein nieder. Er deutete nacheinander auf Baloor und Sorban und winkte sie zu sich. Während die anderen sich langsam von den Knien erhoben, gingen Häuptling und Schamane vor ihm in die Hocke. Matt zeigte auf die Hütte, dann auf sich, und deutete eine Verneigung an. „Ich danke euch, hört ihr?“, sagte Matt. „Ihr habt mir das Leben gerettet.“ Die beiden wechselten verständnislose Blicke. Matt wiederholte seine Gesten und Worte. Diesmal suchten die Männer den Blickkontakt mit Aruula. Matt fiel auf, dass sie ihre Augen geschlossen hielt. Sie öffnete sie und sagte ein paar Worte in einer Sprache, die Matt absolut nicht einordnen konnte. Langgezogene Vokale, harte Konsonanten – manches klang deutsch, manches niederländisch und sogar angelsächsisch. In jedem Fall also war es eine indogermanische Sprache. Eine Erkenntnis, die Matt überhaupt nichts nützte. Sie verwirrte ihn nur noch mehr. Jedenfalls nickten die Männer, nachdem Aruula gesprochen hatte. Matt hatte keine Erklärung dafür, aber ganz offensichtlich besaß die junge Frau Dolmetscherqualitäten. Wie bringe ich ihnen bei, dass ich kein Gott bin, fragte er sich. Gar nicht, riet ihm seine innere Stimme. Sie würden es nicht verstehen und es könnte üble Folgen haben. „Wo bin ich hier?“ Matt deutete auf die Berge und machte eine fragende Geste. Eigentlich wollte er wissen, in welcher Gegend der Alpen er gelandet war. Aber er musste seine Fragen so simpel wie möglich formulieren. Wieder dauerte es ein Weilchen, bis sie verstanden, was er meinte, und wieder griff Aruula ein. Sie deutete auf den Talausgang und setzte ein Gesicht auf, das wohl Freude
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„Nein, Aruula!“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Nicht …“<br />
Sein Protest ging in dem Sprechgesang unter. Am lautesten schrie der Ledermann. Er<br />
kniete seitlich der Gruppe, ohne sich zu verneigen. Doch er gab den Rhythmus vor. Die<br />
Fransen seiner Lederkappe flogen ihm um die Schultern.<br />
Matt hatte schon lange begriffen, dass Baloor so eine Art Medizinmann war. Und langsam<br />
dämmerte ihm, was sich hier abspielte.<br />
Unter Völkern, die sich mit Fellen kleideten, Wurzeln und Gewürm aßen und in zeltähnlichen<br />
Hütten wohnten, spielte der Schamane nicht nur eine medizinische Rolle. Er war<br />
Arzt, Seher und Priester zugleich.<br />
„Himmel …“ Matt hob abwehrend die Hände. „Sie halten mich für einen Gott!“<br />
Vermutlich hatten sie seinen Jet bei der Notlandung beobachtet. Und was sollte ein<br />
unzivilisiertes Naturvolk – und um ein solches musste es sich bei diesen Menschen hier<br />
handeln – von einem Kerl halten, der mit einem dröhnenden Düsenjet aus dem Himmel fiel?<br />
„Bullshit …“ Er riss die Arme hoch. „Aufhören!“<br />
Das Gemurmel verstummte. Die Menschen richteten sich auf. Einige Dutzend Augenpaare<br />
hingen an ihm.<br />
Auf Aruulas Schwert gestützt, ließ Matt sich auf einem Stein nieder. Er deutete nacheinander<br />
auf Baloor und Sorban und winkte sie zu sich. Während die anderen sich langsam<br />
von den Knien erhoben, gingen Häuptling und Schamane vor ihm in die Hocke.<br />
Matt zeigte auf die Hütte, dann auf sich, und deutete eine Verneigung an. „Ich danke<br />
euch, hört ihr?“, sagte Matt. „Ihr habt mir das Leben gerettet.“<br />
Die beiden wechselten verständnislose Blicke. Matt wiederholte seine Gesten und Worte.<br />
Diesmal suchten die Männer den Blickkontakt mit Aruula. Matt fiel auf, dass sie ihre<br />
Augen geschlossen hielt. Sie öffnete sie und sagte ein paar Worte in einer Sprache, die<br />
Matt absolut nicht einordnen konnte.<br />
Langgezogene Vokale, harte Konsonanten – manches klang deutsch, manches niederländisch<br />
und sogar angelsächsisch. In jedem Fall also war es eine indogermanische Sprache.<br />
Eine Erkenntnis, die Matt überhaupt nichts nützte. Sie verwirrte ihn nur noch mehr.<br />
Jedenfalls nickten die Männer, nachdem Aruula gesprochen hatte. Matt hatte keine<br />
Erklärung dafür, aber ganz offensichtlich besaß die junge Frau Dolmetscherqualitäten.<br />
Wie bringe ich ihnen bei, dass ich kein Gott bin, fragte er sich.<br />
Gar nicht, riet ihm seine innere Stimme. Sie würden es nicht verstehen und es könnte<br />
üble Folgen haben.<br />
„Wo bin ich hier?“ Matt deutete auf die Berge und machte eine fragende Geste. Eigentlich<br />
wollte er wissen, in welcher Gegend der Alpen er gelandet war. Aber er musste seine<br />
Fragen so simpel wie möglich formulieren.<br />
Wieder dauerte es ein Weilchen, bis sie verstanden, was er meinte, und wieder griff<br />
Aruula ein. Sie deutete auf den Talausgang und setzte ein Gesicht auf, das wohl Freude