Maddrax Band 1 - Bastei-Verlag

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05.11.2013 Aufrufe

trauisch. „Was willst du?“, rief er, als die Taratze nur noch einen halben Steinwurf entfernt war. In Gedanken beschwor er Orguudoo, den schwarzen Dämon der Tiefe. Die Taratze richtete sich auf und winkte ihn heran. Vorsichtig näherte Baloor sich der grauschwarzen Bestie. Sie ließ sich zur Seite fallen und bot ihm ihren Bauch dar. Kein Zweifel – sie kam in friedlicher Absicht. Trotzdem hob er den Speer. „Bei Wudan – was willst du?“ Sie rappelte sich auf. Bei jeder Bewegung achtete sie darauf, dem Göttersprecher den Bauch oder die Kehle zuzuwenden. Dann winkte sie ihn hinter sich her und bewegte sich Richtung Süden. Baloor folgte ihr zögernd und nach allen Seiten um sich blickend. Durch niedrige Sträucher und einzelne verkrümmte Bäume ging es hinauf in schneebedecktere Regionen. Eine halbe Stunde und länger kletterte Baloor hinter der Taratze her. Nur der Mond warf noch sein dämmriges Licht auf die Bergwelt. Wenn sie ihn fressen wollten, hätten sie seinen einsamen Gebetsplatz zu zweit oder dritt überfallen. Nein – die Taratzen wollte etwas von ihm, das von Bedeutung war. Baloors Instinkt sagte ihm das. Und sein Instinkt hatte ihn selten im Stich gelassen. Dennoch murmelte er während des ganzen Weges Beschwörungsformeln, mit denen er den dunklen Orguudoo an seine Seite rief. Schließlich gelangten sie in völlig baumloses Gebiet. Eis, Schneefelder, überfrorene Felsformationen – eine Landschaft, wie Baloor sie seit Monden gewohnt war. Am Fuß eines Bergrückens gähnte eine Höhle im Eis. Eine Fackel brannte davor. Baloor war nicht überrascht. Er wusste, dass es Taratzen gab, die das Feuer beherrschten. Baloor blinzelte in den Lichtschein. Und erkannte noch weitere Taratzen. Sechs, sieben drängten sich neben der Höhle. Alle zeigten ihm den Rücken. „Und jetzt?“, rief Baloor. „Warum habt ihr mich hierher gebracht?“ Eine Gestalt erschien im Höhleneingang. Eine auffallend große Taratze. Ihre Augen schimmerten rötlich im Fackellicht. Die Haare ihres weißen Pelzes waren sehr lang und sie stützte sich auf eine Keule. „Hab dich herbringen lassen“, krächzte die Gestalt. Ihr Raubtierkiefer bemühte sich, verständliche Worte zu formen, aber Baloor gelang es nur schwerlich, sie zu verstehen. „Hab mit dir zu reden.“ Baloor ging noch ein paar Schritte auf die Höhle zu. So weit, bis ihn nur noch ein Speerstoß von der großen Taratze trennte. „König Rraar!“, rief er erstaunt. „Ich hätte nicht gedacht, dir einmal persönlich gegenüberzustehen.“ „Ich schon.“ Die Schnauze des Taratzenkönigs verzog sich zu einem Grinsen. „War immer überzeugt, dich und den fetten Sorban als Futter zu begrüßen eines Tages.“ Rraar stieß ein fauchendes Lachen aus. „Aber nun ich mir anders überlegt.“ „Du hast uns von deinem Speiseplan gestrichen?“ Aus schmalen Augen belauerte der Göttersprecher die weiße Taratze. Es gab nicht viele, die sich in Menschensprachen ver-

ständigen konnten. Nicht viele, die klug genug waren, einen Jagdzug zu organisieren und zu leiten. Aber es gab sie. Rraar war ein lebendiges Beispiel dafür. Wenn eine Sippe einen echten König an ihrer Spitze hatte, eine Taratze von der Klugheit Rraars, dann war sie kaum mehr zu bremsen in ihrer verheerenden Mordlust. Im nördlichen Meer gab es ganze Inseln, die von Taratzen beherrscht wurden. „Musst zugeben, hätte euch fast gehabt“, zischte Rraar. „Dumm von euch, in Höhlen zu verkriechen. Wenn dieser Gott nicht wäre gekommen …“ Baloor horchte auf. Darum also ging es! „Ich biete Frieden an!“, fuhr Rraar fort. „Freien Abzug ins Südland. Was sagst du?“ Die ungleichen Kreaturen musterten sich misstrauisch. Die Haare an den Ohren Rraars vibrierten. Sein Schwanz lag fast bewegungslos im Schnee. Nur seine Spitze zuckte ein wenig. Der lederverhüllte dürre Mann spitzte die Lippen. „Du wirst gleich deinen Preis nennen, wie ich dich einschätze.“ Der Schwanz des Taratzenkönigs peitschte plötzlich aufgeregt hin und her. Er legte die Keule auf die Schulter und trat zwei Schritte näher. Der Göttersprecher wich nicht zurück. „Hör gut, Baloor.“ Rraar stemmte die Keule ins Eis und stützte sich darauf. So nahe beugte er seinen Schädel Baloor entgegen, dass dieser seine feinen Schnurrhaare vibrieren sehen konnte. „Ist ein Preis, den ihr bezahlen könnt …“ Draußen war es feucht und kalt. Matthew Drax stützte sich auf Aruulas Schwert und sog die Luft so tief ein, bis ihm die Lungen schmerzten. Sie roch nach feuchter Erde und Schnee. Ein Lederstreifen hielt den Blätterverband an seiner Stirn fest. Das Oberteil des Pilotenanzugs baumelte um seine Hüften. Matt schlüpfte hinein und zog sich den Schutzanzug über die Schultern. Er rümpfte die Nase – der Stoff roch nach altem Schweiß. Ein verwaschener Fleck hing am dunstigen Himmel über den schroffen Eisgipfeln. Die Morgensonne. Etwas an ihr beunruhigte Matt. Er konnte nicht sagen, was. Vielleicht, dass die Sonne überhaupt zu sehen war statt der prognostizierten Staubwolke, die die Erde eigentlich jetzt umhüllen sollte? Und die Gebirgsformation – noch nie hatte er derart zerklüftete und steil aufragende Eisberge gesehen. Er musste an Filmaufnahmen aus dem Transantarktischen Gebirge denken, die er vor Jahren gesehen hatte. Diese fremdartige Gegend hier sah ganz ähnlich aus. Wo zum Teufel bin ich bloß runtergekommen? dachte Matt. Ich bin doch in den Alpen, oder etwa nicht?

ständigen konnten. Nicht viele, die klug genug waren, einen Jagdzug zu organisieren und<br />

zu leiten.<br />

Aber es gab sie. Rraar war ein lebendiges Beispiel dafür. Wenn eine Sippe einen echten<br />

König an ihrer Spitze hatte, eine Taratze von der Klugheit Rraars, dann war sie kaum mehr<br />

zu bremsen in ihrer verheerenden Mordlust. Im nördlichen Meer gab es ganze Inseln, die<br />

von Taratzen beherrscht wurden.<br />

„Musst zugeben, hätte euch fast gehabt“, zischte Rraar. „Dumm von euch, in Höhlen zu<br />

verkriechen. Wenn dieser Gott nicht wäre gekommen …“<br />

Baloor horchte auf. Darum also ging es!<br />

„Ich biete Frieden an!“, fuhr Rraar fort. „Freien Abzug ins Südland. Was sagst du?“<br />

Die ungleichen Kreaturen musterten sich misstrauisch. Die Haare an den Ohren Rraars<br />

vibrierten. Sein Schwanz lag fast bewegungslos im Schnee. Nur seine Spitze zuckte ein<br />

wenig.<br />

Der lederverhüllte dürre Mann spitzte die Lippen. „Du wirst gleich deinen Preis nennen,<br />

wie ich dich einschätze.“<br />

Der Schwanz des Taratzenkönigs peitschte plötzlich aufgeregt hin und her. Er legte die<br />

Keule auf die Schulter und trat zwei Schritte näher. Der Göttersprecher wich nicht zurück.<br />

„Hör gut, Baloor.“ Rraar stemmte die Keule ins Eis und stützte sich darauf. So nahe<br />

beugte er seinen Schädel Baloor entgegen, dass dieser seine feinen Schnurrhaare vibrieren<br />

sehen konnte. „Ist ein Preis, den ihr bezahlen könnt …“<br />

Draußen war es feucht und kalt. Matthew Drax stützte sich auf Aruulas Schwert und sog die<br />

Luft so tief ein, bis ihm die Lungen schmerzten. Sie roch nach feuchter Erde und Schnee.<br />

Ein Lederstreifen hielt den Blätterverband an seiner Stirn fest. Das Oberteil des Pilotenanzugs<br />

baumelte um seine Hüften. Matt schlüpfte hinein und zog sich den Schutzanzug<br />

über die Schultern. Er rümpfte die Nase – der Stoff roch nach altem Schweiß.<br />

Ein verwaschener Fleck hing am dunstigen Himmel über den schroffen Eisgipfeln. Die<br />

Morgensonne. Etwas an ihr beunruhigte Matt. Er konnte nicht sagen, was. Vielleicht, dass<br />

die Sonne überhaupt zu sehen war statt der prognostizierten Staubwolke, die die Erde<br />

eigentlich jetzt umhüllen sollte?<br />

Und die Gebirgsformation – noch nie hatte er derart zerklüftete und steil aufragende<br />

Eisberge gesehen. Er musste an Filmaufnahmen aus dem Transantarktischen Gebirge<br />

denken, die er vor Jahren gesehen hatte. Diese fremdartige Gegend hier sah ganz ähnlich<br />

aus.<br />

Wo zum Teufel bin ich bloß runtergekommen? dachte Matt. Ich bin doch in den Alpen,<br />

oder etwa nicht?

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