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Kostengünstiges und effizientes Monitoring für - Technische ...

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<strong>Kostengünstiges</strong> <strong>und</strong> <strong>effizientes</strong> <strong>Monitoring</strong> <strong>für</strong><br />

„kleine“ instabile Hänge<br />

- Beispiele aus Österreich, der Schweiz <strong>und</strong> Bayern -<br />

Beitrag zur Bodenseetagung 2010<br />

Bregenz, 22.-23. Oktober 2010<br />

JOHN SINGER, KUROSCH THURO<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> Ingenieurgeologie, <strong>Technische</strong> Universität München,<br />

Arcisstraße 21, D-80333 München, Deutschland, singer@tum.de<br />

GÜNTER MOSER<br />

Moser/Jaritz Ziviltechnikergesellschaft,<br />

Muenzfeld 50, A-4810 Gm<strong>und</strong>en<br />

ULI SAMBETH<br />

Stump ForaTec AG,<br />

Madetswilerstrasse 33, CH-8332 Russikon


SINGER, J., THURO, K., MOSER, G. & SAMBETH, U.: 1<br />

<strong>Kostengünstiges</strong> <strong>und</strong> <strong>effizientes</strong> <strong>Monitoring</strong> <strong>für</strong> “kleine” instabile Hänge<br />

<strong>Kostengünstiges</strong> <strong>und</strong> <strong>effizientes</strong> <strong>Monitoring</strong> <strong>für</strong><br />

„kleine“ instabile Hänge<br />

- Beispiele aus Österreich, der Schweiz <strong>und</strong> Bayern –<br />

JOHN SINGER, KUROSCH THURO, JUDITH FESTL, GÜNTER MOSER & ULRICH SAMBETH<br />

1 Einleitung<br />

Die Überwachung von Großhangbewegungen stellt heutzutage eine Standardanwendung<br />

geotechnischer Instrumentierung dar. Bei großen Hangbewegungen oder einem<br />

hohen Gefährdungspotential ist meist das Beste gerade gut genug <strong>und</strong> Kosten sind oft<br />

zweitrangig. Aber wie sieht es mit den vielen kleinen instabilen Hängen aus, die beispielsweise<br />

die kleinen <strong>und</strong> mittleren Zugangsstraßen von Gemeinden bedrohen oder<br />

bei denen man nicht das große Budget hat? Auch <strong>für</strong> diese sollte ein möglichst kostengünstiges,<br />

aber trotzdem <strong>effizientes</strong> Messsystem möglich sein.<br />

In diesem Beitrag wird ein solches einfaches Messsystem mittels TDR-Koaxialkabeln<br />

vorgestellt, mit dem, unter entsprechenden geologisch-geotechnischen Rahmenbedingungen,<br />

episodische oder kontinuierliche Verformungsmessungen durchführbar sind.<br />

2 Gr<strong>und</strong>lagen der TDR Deformationsmessungen<br />

Das ursprünglich im Bereich der Kabelindustrie <strong>und</strong> Fernmeldetechnik eingesetzte<br />

TDR Messverfahren zur Detektierung von Störungen <strong>und</strong> Kabelbrüchen kann als kabelgeb<strong>und</strong>enes<br />

Radar beschrieben werden. Wie bei einem Radarsystem werden<br />

elektromagnetische Wellen von einem Sender ausgestrahlt. Treffen diese auf ein Hindernis<br />

werden sie zum Sender bzw. einem dort installierten Empfänger reflektiert,<br />

wo sie aufgenommen <strong>und</strong> auf ihre Reflexionscharakteristika hin analysiert werden<br />

(O’CONNOR & DOWDING 1999). Beim TDR System werden Koaxialkabel (z.B. TV-Kabel)<br />

verwendet, welche aus einem Innenleiter bestehen, der getrennt durch einen Isolator<br />

(z.B. PE Schaum), röhrenförmig von einem Außenleiter umgeben wird (Abbildung 1).<br />

Wird ein elektromagnetischer Impuls in ein Koaxialkabel eingespeist, kann über dessen<br />

konstante Ausbreitungsgeschwindigkeit (nahezu Lichtgeschwindigkeit) <strong>und</strong> die<br />

Zeitdifferenz zwischen der Aussendung <strong>und</strong> dem Empfangen einer durch eine Störstelle<br />

verursachten Reflexion die Entfernung der Störstelle zum Impulsgeber berechnet<br />

werden, was eine präzise Lokalisierung der Störung ermöglicht.<br />

Das TDR System, wie es mittlerweile in der Geotechnik in unterschiedlichen Bereichen<br />

zur Anwendung kommt, besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten<br />

(Abbildung 1): dem TDR Messgerät (optional mit Datenlogger <strong>für</strong> kontinuierliche<br />

Messungen, Multiplexer <strong>für</strong> parallele Messung von mehreren Messstellen mit einem<br />

Messgerät <strong>und</strong> Datenfernübertragungs Modul), dem koaxialen Messkabel <strong>und</strong> dem<br />

koaxialen Zuleitungskabel.


2 SINGER, J., THURO, K., MOSER, G. & SAMBETH, U.:<br />

<strong>Kostengünstiges</strong> <strong>und</strong> <strong>effizientes</strong> <strong>Monitoring</strong> <strong>für</strong> “kleine” instabile Hänge<br />

Abbildung 1: Installationsschema eines TDR Messsystems <strong>für</strong> die Überwachung von Hangbewegungen<br />

(verändert nach SINGER 2010).<br />

Bei der Überwachung von Hangbewegungen wird das Koaxialkabel in einem Bohrloch<br />

installiert <strong>und</strong> mit Hilfe eines Injektionsgutes mit dem Gebirge kraftschlüssig<br />

verb<strong>und</strong>en. Kommt das TDR Verfahren bei einer Überwachung von Bauwerksteilen<br />

zum Einsatz, so wird das Messkabel angepasst an die jeweilige Messaufgabe möglichst<br />

so in das Bauwerksteil integriert, dass die auftretende Deformation optimal auf<br />

das Messkabel übertragen wird. Auf jeden Fall muss sichergestellt sein, dass sich bei<br />

der Deformation des Koaxialkabels der Abstand zwischen Außen- <strong>und</strong> Innenleiter<br />

verändert, da dies die durch TDR messbare Änderung des Wellenwiderstandes im Koaxialkabel<br />

verursacht.<br />

Zu beachten ist, dass bei einer nur leichten Biegung eines Koaxialkabels meist keine<br />

ausreichende Geometrieänderung eintritt <strong>und</strong> die Deformation so <strong>für</strong> TDR nicht<br />

detektierbar wird. Dies hat zur Folge, dass sich TDR Deformationsmessungen in der<br />

Regel vor allem <strong>für</strong> die Untersuchung von Scherdeformationen entlang diskreter Bewegungsbahnen<br />

eignet. Eine Bestimmung des Bewegungssinnes ist generell nicht möglich.<br />

Durch die Analyse der von einer Kabeldeformation verursachten Signale können Informationen<br />

über den Betrag <strong>und</strong> die Art der Deformation gewonnen werden (SINGER et al<br />

2009a). Dazu werden die TDR Signale parametrisiert, wobei insgesamt 15 verschiedene<br />

Größen aus den Signalen abgeleitet werden (SINGER 2010). Dies ist z.B. die Amplitude,<br />

Fläche, Breite <strong>und</strong> Symmetrie des Signals, wobei die Amplitude <strong>und</strong> Fläche des Signals<br />

– Indikatoren <strong>für</strong> die Signalstärke – mit dem Deformationsbetrag korrelieren <strong>und</strong><br />

damit zur Quantifizierung der Deformation verwendet werden können (Abbildung 2).<br />

Die übrigen Parameter erlauben Rückschlüsse auf die Art <strong>und</strong> den Ort der Deformation.


SINGER, J., THURO, K., MOSER, G. & SAMBETH, U.: 3<br />

<strong>Kostengünstiges</strong> <strong>und</strong> <strong>effizientes</strong> <strong>Monitoring</strong> <strong>für</strong> “kleine” instabile Hänge<br />

Abbildung 2: a, Durch Scherung eines Koaxialkabels verursachte TDR Signale. b, Aus TDR Signalen abgeleiteter<br />

Zusammenhang zwischen Deformation <strong>und</strong> Signal-Amplitude (verändert nach SINGER et al 2006).<br />

Das Verhältnis zwischen der Signalstärke <strong>und</strong> der Deformation hängt immer stark<br />

von den Rahmenbedingungen ab, wie z.B. dem Typ des verwendeten Koaxialkabels<br />

sowie dem Injektionsmittel bzw. dem Material des Bauwerksteiles in das das Koaxialkabel<br />

eingebettet ist.<br />

Somit muss das TDR Messsystem <strong>für</strong> jede Messaufgabe in Labor- oder in In-situ-Versuchen<br />

kalibriert werden bevor eine Quantifizierung des Deformationsbetrags möglich<br />

wird. Durch die Definition von an die jeweilige Messaufgabe angepassten Installationsstandards<br />

(z.B. <strong>für</strong> die Überwachung von verschiedenen Hangbewegungstypen)<br />

kann dieser Aufwand jedoch <strong>für</strong> Endnutzer vermieden werden.<br />

Mit zunehmender Kabellänge wird das in das Koaxialkabel eingespeiste TDR Signal<br />

durch Leitungsverluste gedämpft (DOWDING et al 1988). Dies führt zu einer deutlichen<br />

Verminderung der Signalstärke, welche ebenfalls bei der Auswertung von TDR Signalen<br />

berücksichtigt werden muss. In diversen Feld- <strong>und</strong> Laborversuchen hat sich gezeigt,<br />

dass eine Signaldämpfung bis 6 dB noch zuverlässig korrigiert werden kann.<br />

Dementsprechend sollte die gesamte Kabellänge (Zuleitung <strong>und</strong> Messkabel) bei Verwendung<br />

von hoch qualitativen Koaxialkabeln in der Regel 100 m nicht überschreiten<br />

(Singer et al 2009c).<br />

3 Feldversuche<br />

Das TDR Messsystem wurde in den letzten Jahren in einer ganzen Reihe von Feldinstallationen<br />

auf seine Praxistauglichkeit <strong>für</strong> die Überwachung von Hangbewegungen<br />

geprüft. Dabei sind <strong>für</strong> das TDR-Messsystem generell drei verschiedene Installations-<br />

Szenarien üblich, die auch jeweils in einem der folgenden Praxixbeispiele zum Einsatz<br />

kamen: 1. Parallelinstallation von TDR Koaxialkabel <strong>und</strong> Inklinometer-Rohr im<br />

selben Bohrloch (Fallbeispiel Gschliefgraben), 2. Installation des TDR Koaxialkabels<br />

in ein abgeschertes Inklinometer-Rohr (Fallbeispiel Triesenberg) <strong>und</strong> 3. Installation<br />

des TDR Koaxialkabels in ein eigenständiges Bohrloch (Fallbeispiel Aggenalm)<br />

(Abbildung 3).


4 SINGER, J., THURO, K., MOSER, G. & SAMBETH, U.:<br />

<strong>Kostengünstiges</strong> <strong>und</strong> <strong>effizientes</strong> <strong>Monitoring</strong> <strong>für</strong> “kleine” instabile Hänge<br />

Abbildung 3: TDR-Installations-Szenarien (verändert nach SINGER et al 2006).<br />

3.1. Hangbewegung Gschliefgraben<br />

Am Gschliefgraben kam das TDR Messsystem im Zuge der <strong>Monitoring</strong>maßnahmen<br />

des Ereignisses von 2007 / 2008 zum Einsatz (s. auch MARSCHALLINGER et al 2009).<br />

Insgesamt war das Messsystem über einen Zeitraum von nahezu einem Jahr an verschiedenen<br />

Messstellen kontinuierlich in Betrieb. Die Datenerfassung <strong>und</strong> Datenspeicherung<br />

erfolge automatisch mit Hilfe eines Datenloggers, der sporadisch ausgelesen<br />

wurde. Aufgr<strong>und</strong> des geringen Stomverbrauchs des TDR Messsystems <strong>und</strong> durch den<br />

Einsatz von Leistungsfähigen Blei-Akkumulatoren war ein wartungsfreier Betrieb von<br />

bis zu 3 Monaten realisierbar. Die Ausfallquote der Messungen liegt im gesamten<br />

Messzeitraum bei weniger als 2 %, wobei Probleme mit der Konnektierung (Eindringen<br />

von Wasser, mechanische Überbeanspruchung durch versehentlichen Kabelzug)<br />

nahezu <strong>für</strong> alle Fehlmessungen verantwortlich waren.<br />

Da am Gschliefgraben die TDR Koaxialkabel parallel zu Inklinometer-Rohren installiert<br />

wurden, ist ein direkter Vergleich der Messdaten von beiden Systemen möglich<br />

(Abbildung 4).<br />

Dabei hat sich gezeigt, dass die TDR- <strong>und</strong> Inklinometermessungen generell vergleichbare<br />

Ergebnisse liefern. Durch den parallelen Einbau von Koaxialkabel <strong>und</strong><br />

Inklinometerrohr in ein Bohrloch reagierten allerdings die TDR Messungen in der<br />

Regel etwas später auf die Deformation als die Inklinometermessungen. Da<strong>für</strong> zeigten<br />

die TDR Messungen meist einen deutlich längeren Messweg von bis zu über 10 cm.<br />

Gleichzeitig erlaubten die TDR Messungen die Erfassung eines zeitlich hochaufgelösten<br />

Deformationspfades, was mit den sporadisch durchgeführten Inklinometermessungen<br />

nicht möglich war. Die Reaktion des Hanges auf etwaige Triggereinflüsse (z.B.<br />

Niederschlag) kann so besser beurteilt werden.


SINGER, J., THURO, K., MOSER, G. & SAMBETH, U.: 5<br />

<strong>Kostengünstiges</strong> <strong>und</strong> <strong>effizientes</strong> <strong>Monitoring</strong> <strong>für</strong> “kleine” instabile Hänge<br />

Abbildung 4: TDR Rohdaten (links) <strong>und</strong> Vergleich der von Inklinometer <strong>und</strong> TDR bestimmten Deformationen<br />

in der Messstelle KB08 (Scherzone bei ca. 17 m Teufe) (rechts).<br />

3.2. Hangbewegung Triesenberg<br />

Die Hangbewegung Triesenberg in Liechtenstein wird bereits seit mehreren Jahren<br />

intensiv messtechnisch überwacht, wobei die entlang einer diskreten Scherbahn auftretenden<br />

Deformationen im Untergr<strong>und</strong> mittels Inklinometern überwacht wurden.<br />

Im Mittel wurden so Bewegungsraten in einer Größenordnung von wenigen Zentimetern<br />

pro Jahr ermittelt. Nachdem einige Inklinometer-Rohre aufgr<strong>und</strong> zu hoher<br />

Scherdeformation nicht mehr durchgängig waren, wurden im März 2010 zwei Inklinometer-Rohre<br />

jeweils mit TDR Koaxialkabel bestückt <strong>und</strong> in einem Fall parallel dazu<br />

zusätzlich ein Extensometer installiert. Der verbleibende Hohlraum wurde dann mit<br />

einer Zementsuspension verfüllt. Beide Messsysteme wurden mit automatischen Datenerfassungsgeräten<br />

bestückt <strong>und</strong> die Daten sind per GSM Modem abrufbar. Durch<br />

eine Solarstromversorgung wurde ein autarkes System geschaffen, welches bis dato<br />

(Okotober 2010) wartungsfrei in Betrieb ist.<br />

Abbildung 5: autarkes TDR Messystem<br />

zur gleichzeitigen Überwachung von 2<br />

TDR Messstellen am Triesenberg.


6 SINGER, J., THURO, K., MOSER, G. & SAMBETH, U.:<br />

<strong>Kostengünstiges</strong> <strong>und</strong> <strong>effizientes</strong> <strong>Monitoring</strong> <strong>für</strong> “kleine” instabile Hänge<br />

Entgegen den Erwartungen traten an den TDR Messstellen am Triesenberg im Zeitraum<br />

März bis Oktober 2010 keine messbaren Deformationen auf. Die Anfangsinsensitivität<br />

des TDR-Systems (Deformation entlang der diskreten Scherbahn, die<br />

notwendig ist, um ein auswertbares TDR-Signal zu erzeugen) wurde <strong>für</strong> den am<br />

Triesenberg verwendeten Ausbau in Laborversuchen mit ca. 5 mm bestimmt. Dementsprechend<br />

wird davon ausgegangen, dass die im Messzeitraum aufgetretenen Deformationen<br />

unter diesem Wert liegen.<br />

3.3. Hangbewegung Aggenalm<br />

In einem weiteren Feldversuch an der Aggenalm-Hangbewegung (Sudelfeld nahe<br />

Bayrischzell, Bayerische Alpen) wurde das TDR Messsystem im Rahmen des Forschungsprojekts<br />

alpEWAS (www.alpewas.de) als Teil eines drahtlosen Geosensornetzwerks<br />

bestehend aus diversen weiteren Sensoren zur Erfassung der Oberflächendeformationen<br />

(Global Navigation Satellite System (GNSS) <strong>und</strong> Videotachymetrie (V-<br />

TPS)) <strong>und</strong> Triggereinflüsse (Wetterstation <strong>und</strong> Piezometer) installiert (SINGER et al<br />

2009c). Alle Daten der diversen Sensoren werden in diesem Geosensornetzwerk automatisch<br />

abgefragt, ausgewertet <strong>und</strong> in eine zentrale MySQL Datenbank gespeichert,<br />

auf die via Internet zugegriffen werden kann. Ein Datenviewer ermöglicht die Abfrage<br />

der Messdaten nahezu in Echtzeit <strong>und</strong> deren Darstellung als Zeitreihen so dass sofort<br />

eine erste visuelle Beurteilung <strong>und</strong> Analyse der Daten durchgeführt werden kann.<br />

Zwar konnten bislang an der Aggenalm aufgr<strong>und</strong> der sehr langsamen Bewegungen<br />

des Hanges weder in den Inklinometer noch in den TDR Messstellen signifikante Deformationen<br />

festgestellt werden, jedoch konnte seit Inbetriebnahme der automatisierten<br />

Datenerfassung im Zeitraum von nunmehr über einem Jahr eine sehr hohe<br />

Zuverlässigkeit des Messsystems auch bei alpinen winterlichen Bedingungen (bis 2 m<br />

Schnee) erreicht werden. Die Ausfallrate lag bei < 1 % während des Betriebs des<br />

Messsystems; längere Betriebspausen <strong>und</strong> dementsprechende Datenlücken sind vor<br />

allem durch fremdbeeinflusste Stromausfälle <strong>und</strong> während Software-Aktualisierungen<br />

entstanden (Abbildung 6).<br />

Abbildung 6: TDR Rohdaten der Messstelle B2 an der Aggenalm Hangbewegung im Zeitraum Januar<br />

2009 bis März 2010. Bislang ist keine signifikante Deformation detektierbar.


SINGER, J., THURO, K., MOSER, G. & SAMBETH, U.: 7<br />

<strong>Kostengünstiges</strong> <strong>und</strong> <strong>effizientes</strong> <strong>Monitoring</strong> <strong>für</strong> “kleine” instabile Hänge<br />

4 Kosten-Nutzen Analyse von TDR Deformationsmessungen im Kontext<br />

etablierter Messverfahren<br />

Auf Gr<strong>und</strong>lage der in den Labor- <strong>und</strong> Feldversuchen gewonnenen Erfahrungen wurde<br />

das TDR System im Vergleich zu den etablierten Inklinometer- <strong>und</strong> Extensometer-<br />

Messsystemen hinsichtlich der Funktionalität, Genauigkeit <strong>und</strong> anfallenden Kosten<br />

charakterisiert (Tabelle 1), wobei von der Überwachung einer diskreten Scherzone<br />

ausgegangen wurde.<br />

Tabelle 1: Vergleich der Funktionalität, Genauigkeit <strong>und</strong> Kosten von TDR-, Inklinometer- <strong>und</strong><br />

Extensometermessungen (verändert nach SINGER et al 2009c).<br />

Funktionalität TDR Ketteninklinometer Extensometer<br />

Messrichtung Horizontal Horizontal Vertikal<br />

Lokalisierung der Deformation<br />

(Genauigkeit)<br />

Qualitativ-quantitative<br />

Quantifizierung der Deformation<br />

(Genauigkeit)<br />

cm<br />

cm<br />

gute Qualitative<br />

Bestimmung<br />

dm - m<br />

mm<br />

dm – m<br />

(je nach Anzahl)<br />

Bestimmung der Orientierung - -<br />

Maximaler Messweg<br />

(bei diskreter Scherung)<br />

Überwachung der gesamten<br />

Bohrlochlänge<br />

mm<br />

cm - dm cm dm - m<br />

Ketteninklinometer <br />

Automatische Erfassung Inplace-Inklinometer<br />

Datenfernübertragung,<br />

Fernwartung<br />

Einschränkungen<br />

Nur mit automatischem<br />

Messgeber<br />

Inplace-Inklinometer <br />

Punktuelle<br />

Deformation<br />

Probleme beim Einbringen<br />

der Sonde<br />

Vertikale Messung<br />

Kosten<br />

(1 Messstelle, Teufe: 20 m)*<br />

TDR Inklinometer Extensometer<br />

Reine Bohrkosten Ca. € 1000 Ca. € 1500-2000 Ca. € 1500<br />

Installationsmaterial<br />

Messgeräte<br />

Koaxialkabel, Kupplung,<br />

Zubehör<br />

€ 200<br />

TDR Gerät,<br />

Datenlogger<br />

€ 5500<br />

Inklinometer-Rohr, Deckel,<br />

Zubehör<br />

€ 400<br />

Inplace-Inklinometer<br />

€ 1000 pro Stück<br />

Datenlogger:<br />

€ 5000<br />

Ketteninklinometer:<br />

> € 20000<br />

Kopf, Einpunkt-Messung<br />

€ 350 pro Stück<br />

Datenlogger:<br />

€ 5000<br />

Messgeber:<br />

Ca. € 300,- pro Stück<br />

* Da die tatsächlichen Kosten stark von den örtlichen Rahmenbedingungen abhängen, sind die hier<br />

genannten Zahlen nur grobe Richtwerte.<br />

Beim Einsatz des TDR Messsystems <strong>für</strong> die Überwachung von lokalisierten Scherzonen<br />

in Hangbewegungen oder Bauwerken kann mit einer vergleichbar hohen Genauigkeit<br />

bei der Positionierung einer Deformationszone gerechnet werden, jedoch müssen bei<br />

der Quantifizierung der Deformation geringfügige Abstriche gegenüber den etablierten<br />

Inklinometer- <strong>und</strong> Extensometer-Messsystemen gemacht werden. Nachteilig ist zudem


8 SINGER, J., THURO, K., MOSER, G. & SAMBETH, U.:<br />

<strong>Kostengünstiges</strong> <strong>und</strong> <strong>effizientes</strong> <strong>Monitoring</strong> <strong>für</strong> “kleine” instabile Hänge<br />

die „Blindheit“ des TDR Messsystem im Bezug auf graduelle Deformationen (Biegen)<br />

entlang längerer Messstreckenabschnitte, wobei in diesem Kontext der Messstellenausbau<br />

(Interaktion Gebirge-Hinterfüllung-Messkabel) eine bedeutende Rolle spielt<br />

(vgl. SINGER 2010). Ist der Deformationsmechanismus einer Hangbewegung unbekannt,<br />

kann das TDR Messsystem deshalb nicht die Aufdeckung aller stattfindenden Bewegungen<br />

garantieren – hier ist das Inklinometermesssystem klar im Vorteil.<br />

Um wie mit TDR möglich, kontinuierlich über die gesamte Bohrlochlänge lokalisierte<br />

Messungen der Deformation zu erhalten, mussten bisher jedoch das kostenintensive<br />

Ketteninklinometer oder ggf. sogar mehrere Multi-Point Extensometer zum Einsatz<br />

kommen. Hinsichtlich der Kosten ist TDR damit sehr konkurrenzfähig, insbesondere<br />

wenn mehrere Messkabel mit einem TDR Messgerät ausgelesen werden können. Ein<br />

zusätzlicher Kostenvorteil kann entstehen, wenn eine bereits existierende jedoch<br />

abgescherte Inklinometermessstelle mit TDR ausgestattet wird.<br />

Das TDR Messsystem hat sich im Feldeinsatz als sehr zuverlässig erwiesen. Eine<br />

hochfrequente, kontinuierliche Datenerfassung <strong>und</strong> Fernabfrage aller Messdaten ist<br />

einfach zu realisieren, so dass TDR sich insbesondere auch <strong>für</strong> den Einsatz in Alarmsystemen<br />

eignet, wo die Ereignisdetektion <strong>und</strong> nicht die absolute Messgenauigkeit im<br />

Vordergr<strong>und</strong> steht. Bei Installation einer Solar-Stromversorgung ist ein langfristiger<br />

autarker Betrieb möglich.<br />

Damit kann das TDR Messsystem <strong>für</strong> bestimmte Messaufgaben eine kostengünstige<br />

<strong>und</strong> effiziente Ergänzung oder sogar ein Ersatz der etablierten Messsysteme darstellen.<br />

Literatur<br />

DOWDING, C.H., SU, M.B. & O’CONNOR, K.M. (1988): Principles of Time Domain Reflectometry Applied to<br />

Measurement of Rock Mass Deformation.– Int. J. Rock Mech. Min. Sci. & Geomech. Abstr., 25<br />

(5): 287–297.<br />

O’CONNOR, K.M. & DOWDING, C.H. (1999): GeoMeasurements by Pulsing TDR Cables and Probes.– 402 p.;<br />

Boca Raton (CRC Press). (ISBN: 0-8493-0586-1).<br />

MARSCHALLINGER, R., EICHKITZ, C., GRUBER, H., HEIBL, K., HOFMANN, R. & SCHMID, K. (2009): The Gschliefgraben<br />

Landslide (Austria): A Remediation Approach Involving Torrent and Avalanch Control,<br />

Geology, Geophysics, Geotechnics and Geoinformatics.– Austrian Journal of Earth Sciences, 102<br />

(2): 36–51.<br />

SINGER, J. (2010): Development of a Continuous <strong>Monitoring</strong> System for Instable Slopes Using Time Domain<br />

Reflectometry. – Dissertation, Lehrstuhl <strong>für</strong> Ingenieurgeologie, <strong>Technische</strong> Universität<br />

München.<br />

SINGER, J., FESTL, J. & THURO, K. (2009a): Computergestütze Auswertung von Time Domain Reflectometry<br />

Messdaten zur Überwachung von Hangbewegungen.– In: MARSCHALLINGER, R. & WANKER, W.<br />

(Eds.): Geomonitoring, FE-Modellierung, Sturzprozesse <strong>und</strong> Massenbewegungen. Beiträge zur<br />

COG Fachtagung Salzburg 2008: 19–34; Heidelberg (Wichmann).<br />

SINGER, J., GRAFINGER, H. & THURO, K. (2009b): <strong>Monitoring</strong> the Deformation of a Temporary Top Heading<br />

Invert Using Time Domain Reflectometry.– Geomechanik & Tunnelbau, 2 (3): 238–249. (doi:<br />

10.1002/geot.200900023).<br />

SINGER, J., SCHUHBÄCK, S., WASMEIER, P., THURO, K., HEUNECKE, O., WUNDERLICH, T., GLABSCH, J. & FESTL, J.<br />

(2009c): <strong>Monitoring</strong> the Aggenalm Landslide using Economic Deformation Measurement<br />

Techniques.– Austrian Journal of Earth Sciences, 102 (2): 20–34.<br />

SINGER, J., THURO, K. & SAMBETH, U. (2006): Development of a Continuous 3D-<strong>Monitoring</strong> System for Unstable<br />

Slopes using TDR.– Felsbau, 24 (3): 16–23.

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