entscheid der bau-, verkehrs- und energiedirektion - Kanton Bern
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ENTSCHEID<br />
DER<br />
BAU-, VERKEHRS- UND ENERGIEDIREKTION<br />
RA Nr. 110/2011/59 <strong>Bern</strong>, 25. August 2011<br />
SP<br />
I. Sachverhalt<br />
1. Der Beschwerdegegner reichte am 11. Dezember 2009 bei <strong>der</strong> Stadt Biel ein Baugesuch<br />
ein für die Sanierung des Gymnasiums Strandboden mit Sporthalle auf Parzelle Biel<br />
Gr<strong>und</strong>buchblatt Nr. 2969 <strong>und</strong> Nr. 8833 (Baurecht 10311 <strong>und</strong> 10312). Die Parzelle liegt in<br />
<strong>der</strong> Zone für öffentliche Nutzung <strong>der</strong> Kategorie 1 mit <strong>der</strong> Zweckbestimmung Bildung (öffentliche<br />
Schulen, Kin<strong>der</strong>gärten, usw.). Die Schulanlage Strandboden besteht aus einem Ensemble<br />
von vier Schulgebäuden <strong>und</strong> ist im Anhang zum Bauinventar <strong>der</strong> Stadt Biel verzeichnet.<br />
1 Gegen das Bauvorhaben erhoben unter an<strong>der</strong>en X <strong>und</strong> Y Einsprachen. Mit<br />
Gesamt<strong>entscheid</strong> vom 6. April 2011 erteilte das Regierungsstatthalteramt Biel/Bienne für<br />
das Sanierungsvorhaben die Baubewilligung. Dagegen reichten die Beschwerdeführer am<br />
6. Mai 2011 bei <strong>der</strong> Bau-, Verkehrs- <strong>und</strong> Energiedirektion des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> (BVE) eine<br />
Kollektivbeschwerde ein. Sie beantragen, dem Baugesuch sei <strong>der</strong> Abschlag zu erteilen <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> angefochtene Gesamt<strong>bau</strong><strong>entscheid</strong> sei aufzuheben. Sie rügen zusammengefasst die<br />
unvollständige Abklärung des Sachverhalts <strong>und</strong> eine schwerwiegende Beeinträchtigung eines<br />
beson<strong>der</strong>s schützenswerten Baudenkmals von vermuteter nationaler Bedeutung. Zudem<br />
rügen sie, <strong>der</strong> angefochtene Entscheid verletze das Verbot des wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />
Verhaltens <strong>und</strong> das Gebot <strong>der</strong> grösstmöglichen Schonung von Baudenkmälern.<br />
2. Der Beschwerdegegner beantragt in seiner Beschwerdeantwort vom 9. Juni 2011 die<br />
Abweisung <strong>der</strong> Beschwerde. Er wendet ein, die Schulanlage falle nicht unter den Denkmalschutz<br />
im <strong>bau</strong>rechtlichen Sinn. Bei <strong>der</strong> Planung sei auf die bestehenden <strong>und</strong> unbestritten<br />
wertvollen Bauten des Architekten Max Schlup die grösstmögliche Rücksicht genommen<br />
worden. Das vorliegende Sanierungsprojekt sei in einem Projektwettbewerb von Ex-<br />
1 Vgl. S. 206 des Bauinventars <strong>der</strong> Stadt Biel, Band V, Solothurnstrasse – Zukunftsstrasse, Anhang; Planausschnitt<br />
4, Band VI des Bauinventars <strong>der</strong> Stadt Biel, Register <strong>und</strong> Pläne
2<br />
perten einer hoch qualifizierten Fachjury ausgewählt worden. Auch die kantonale Denkmalpflege<br />
sei in <strong>der</strong> Jury vertreten gewesen. Diese habe das Gesamtresultat ebenfalls unterstützt.<br />
3. Die Stadt Biel beantragt in ihrer Stellungnahme vom 9. Juni 2011 die vollumfängliche<br />
Abweisung <strong>der</strong> Beschwerde. Sie weist darauf hin, mit <strong>der</strong> Sanierung könne das Gymnasium<br />
mittel- bis langfristig seinem Zwecke dienen. Die Bauherrschaft habe versucht, bei <strong>der</strong><br />
Güterabwägung zwischen energetischer <strong>und</strong> klimatischer Sanierung <strong>und</strong> denkmalpflegerischen<br />
Anliegen, einen tragbaren Kompromiss zu finden. Dieser Lösung habe die kantonale<br />
Denkmalpflege als zuständige Fachstelle klar zugestimmt. Das Regierungsstatthalteramt<br />
Biel/Bienne verzichtete in seiner Eingabe vom 8. Juni 2011 auf eine weitere Stellungnahme.<br />
Es verweist ohne einen Antrag zu stellen auf die Argumente im angefochtenen Gesamt<strong>entscheid</strong>.<br />
4. Das Rechtsamt, welches die Beschwerdeverfahren für die BVE leitet 2 , führte den<br />
Schriftenwechsel durch <strong>und</strong> holte die Vorakten ein. Zusätzlich holte es bei <strong>der</strong> kantonalen<br />
Denkmalpflege eine Stellungnahme ein <strong>und</strong> liess beim Beschwerdegegner Unterlagen zum<br />
Projektwettbewerb sowie eine Projektvisualisierung edieren. Auf die vorhandenen Akten<br />
wird, soweit für den Entscheid relevant, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.<br />
II.<br />
Erwägungen<br />
1. Sachurteilsvoraussetzungen<br />
a) Angefochten ist ein Gesamt<strong>entscheid</strong> nach Art. 9 KoG 3 . Laut Art. 11 Abs. 1 KoG kann<br />
er – unabhängig von den geltend gemachten Einwänden – nur mit dem Rechtsmittel angefochten<br />
werden, das für das Leitverfahren massgeblich ist. Das Leitverfahren ist im vorliegenden<br />
Fall das Baubewilligungsverfahren (Art. 5 Abs. 1 KoG). Bau<strong>entscheid</strong>e können<br />
2 Art. 7 <strong>der</strong> Verordnung vom 18. Oktober 1995 über die Organisation <strong>und</strong> die Aufgaben <strong>der</strong> Bau-, Verkehrs- <strong>und</strong><br />
Energiedirektion (OrV BVE; BSG 152.221.191)<br />
3 Koordinationsgesetz vom 21. März 1994 (KoG; BSG 724.1)
3<br />
nach Art. 40 Abs. 1 BauG 4 innert 30 Tagen seit Eröffnung mit Baubeschwerde bei <strong>der</strong> BVE<br />
angefochten werden. Die BVE ist somit zur Beurteilung <strong>der</strong> Beschwerde gegen den Gesamt<strong>entscheid</strong><br />
zuständig.<br />
b) Zur Beschwerde befugt sind die Baugesuchsteller, die Einsprecher im Rahmen ihrer<br />
Einsprachegründe <strong>und</strong> die zuständige Gemeindebehörde (Art. 10 KoG in Verbindung mit<br />
Art. 40 Abs. 2 BauG). Die Beschwerdeführer sind private Organisationen im Sinn von<br />
Art. 35a BauG, <strong>der</strong>en Einsprachen abgewiesen wurden. Sie sind durch den vorinstanzlichen<br />
Gesamt<strong>entscheid</strong> beschwert <strong>und</strong> daher zur Beschwerdeführung legitimiert. Auf die<br />
form- <strong>und</strong> fristgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.<br />
2. Verfahren zur Unterschutzstellung von Baudenkmälern<br />
a) Die Beschwerdeführer verlangen, die Beurteilung <strong>der</strong> Schutzwürdigkeit <strong>der</strong> Schul<strong>bau</strong>ten<br />
sei im Beschwerdeverfahren nachzuholen. Im vorliegenden Baubewilligungs- bzw. Beschwerdeverfahren<br />
komme <strong>der</strong> autoritativen Beurteilung <strong>der</strong> Schutzwürdigkeit des Gymnasiums<br />
Strandboden zentrale Bedeutung zu. Dies umso mehr, als es sich aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Anmerkung<br />
im B<strong>und</strong>esinventar <strong>der</strong> schützenswerten Ortsbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schweiz (ISOS) vermutungsweise<br />
um ein Schutzobjekt von nationaler Bedeutung handle. Zeitliche Lücken im<br />
kantonalen Inventarisierungsprozess dürften nicht zur Folge haben, dass ein potentiell nationales<br />
Schutzobjekt ohne verbindliche Festlegung seiner Schutzwürdigkeit irreversibel<br />
beeinträchtigt o<strong>der</strong> zerstört werde. Das Gymnasium Strandboden sei im Anhang zum Bauinventar<br />
<strong>der</strong> Stadt Biel aufgenommen worden, womit im Zeitpunkt <strong>der</strong> Inventarisierung bereits<br />
eine hohe denkmalpflegerische Bedeutung vermutet wurde. Ausserdem werde das<br />
Objekt im neuen Kunstführer durch die Schweiz als Spitzenobjekt gekennzeichnet <strong>und</strong> abgebildet.<br />
Der <strong>Kanton</strong> als Eigentümer sei in beson<strong>der</strong>s hohem Mass an die Aussagen des<br />
von ihm genehmigten Bauinventars geb<strong>und</strong>en. Als Eigentümer <strong>der</strong> zum Verwaltungsvermögen<br />
gehörenden Liegenschaft könne sich <strong>der</strong> <strong>Kanton</strong> we<strong>der</strong> auf die Eigentumsgarantie<br />
noch auf die negative Funktion des Bauinventars gemäss Art. 10e BauG berufen. Auch mit<br />
Blick auf die aus dem ISOS zu vermutende nationale Bedeutung des Schutzobjekts biete<br />
sich eine Beurteilung durch die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EKD) o<strong>der</strong><br />
die Eidgenössische Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzkommission (ENHK) an.<br />
4 Baugesetz vom 9. Juni 1985 (BauG; BSG 721)
4<br />
b) Der Beschwerdegegner ist <strong>der</strong> Ansicht, die Erwähnung einer Baute im Anhang des<br />
kantonalen Bauinventars habe keine rechtliche Bedeutung. Der <strong>Kanton</strong> <strong>Bern</strong> sei an die<br />
Rechtsfolgen des Inventars geb<strong>und</strong>en, so wie sich diese aus <strong>der</strong> Baugesetzgebung ergebe.<br />
Darüber hinaus bestünden keine weitergehenden Pflichten. Auch aus <strong>der</strong> Anmerkung<br />
im ISOS könne betreffend die Schutzwürdigkeit nichts abgeleitet werden. Es bestehe we<strong>der</strong><br />
eine Einreihung in einer Aufnahmekategorie, eine Qualifikation zur räumlichen Qualität,<br />
noch ein Hinweis auf die Bedeutung. Lediglich die Umgebungszone XXIX „Strandboden,<br />
öffentliche Grünzone“ sei als Objekt von nationaler Bedeutung im ISOS aufgenommen<br />
worden. Dies bedeute gemäss Art. 6 NHG 5 aber einzig, dass durch die Aufnahme dargetan<br />
werde, dass dieses Gebiet in beson<strong>der</strong>em Masse die ungeschmälerte Erhaltung, jedenfalls<br />
aber unter Einbezug von Wie<strong>der</strong>herstellungs- o<strong>der</strong> angemessenen Ersatzmassnahmen die<br />
grösstmögliche Schonung verdiene. Für die Schutzwürdigkeit <strong>der</strong> Schulanlage als Einzelobjekt<br />
lasse sich daraus nichts ableiten. Zur Beurteilung <strong>der</strong> Schutzwürdigkeit durch einen<br />
verwaltungsunabhängigen, ausserkantonalen Denkmalpflegeexperten fehle eine gesetzliche<br />
Gr<strong>und</strong>lage. Überdies sei das Projekt bereits von Experten einer hoch qualifizierten<br />
Fachjury geprüft worden.<br />
c) Laut Art. 10a Abs. 1 BauG sind Baudenkmäler herausragende Objekte <strong>und</strong> Ensembles<br />
von kulturellem, historischem o<strong>der</strong> ästhetischem Wert. Dazu gehören namentlich<br />
Ortsbil<strong>der</strong>, Baugruppen, Bauten, Gärten, Anlagen, innere Bauteile, Raumstrukturen <strong>und</strong><br />
feste Ausstattungen. Baudenkmäler sind schützenswert, wenn sie wegen ihrer bedeutenden<br />
architektonischen Qualität o<strong>der</strong> ihrer ausgeprägten Eigenschaften ungeschmälert bewahrt<br />
werden sollen. Sie sind erhaltenswert, wenn sie wegen ihrer ansprechenden architektonischen<br />
Qualität o<strong>der</strong> ihrer charakteristischen Eigenschaften geschont werden sollen<br />
(Art. 10a Abs. 2 <strong>und</strong> 3 BauG). Art. 10b BauG bestimmt in Abs. 2 <strong>und</strong> 3 die Rechtsfolgen<br />
<strong>der</strong> unterschiedlichen Einstufung in schützenswert <strong>und</strong> erhaltenswert. Der Schutz von<br />
Art. 10b BauG setzt allerdings die Aufnahme des Objekts in ein Bauinventar voraus<br />
(Art. 10e BauG). Dies hält Art. 13c Abs. 3 BauV 6 ausdrücklich so fest: „Was nicht im Inventar<br />
ist, auf das kann <strong>der</strong> <strong>bau</strong>rechtliche Schutzgedanke nicht angewendet werden.“ 7 Den<br />
5 B<strong>und</strong>esgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz (NHG; SR 451)<br />
6 Bauverordnung vom 6. März 1985 (BauV; BSG 721.1)<br />
7 Vgl. Jürg Schweizer in: KPG-Bulletin 2002 S. 159 f.
5<br />
Bauinventaren kommt somit eine sog. „negative Wirkung“ zu (Art. 13c Abs. 3 BauV). 8 Ist<br />
demnach ein Bauinventar nach Art. 10d BauG erlassen, gelten alle Objekte, die nicht in ein<br />
Bauinventar aufgenommen worden sind, nicht als Baudenkmal. Nach <strong>der</strong> Inventarisierung<br />
ist es gr<strong>und</strong>sätzlich nicht mehr möglich, in einem Baubewilligungsverfahren zur Verän<strong>der</strong>ung<br />
o<strong>der</strong> zum Abbruch des nicht inventarisierten Gebäudes, geltend zu machen, es handle<br />
sich um ein Baudenkmal im <strong>bau</strong>rechtlichen Sinn (Art. 13c Abs. 3 BauV). 9 Vorbehalten<br />
sind Entdeckungen (Art. 10e Abs. 3 BauG) sowie Ergänzungen o<strong>der</strong> Anpassungen des<br />
Bauinventars, wenn sie im Rahmen einer Gesamtrevision des Inventars o<strong>der</strong> (als Einzelrevision)<br />
mehr als sechs Monate vor dem Einreichen eines Baugesuchs erfolgt sind (Art. 10e<br />
Abs. 2 BauG). 10 Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung für Bauwillige Rechtssicherheit<br />
schaffen <strong>und</strong> eine rechtsgleiche Behandlung innerhalb des untersuchten Baubestands<br />
gewährleisten. 11 Es soll bei Projektierungsbeginn eines Vorhabens Klarheit bestehen, ob<br />
das betreffende Objekt als schützenswert o<strong>der</strong> erhaltenswert eingestuft ist. Aufwändige<br />
<strong>und</strong> unnütze Planungen können so vermieden werden.<br />
d) Es ist unbestritten, dass die Stadt Biel ein kantonales Bauinventar nach<br />
Art. 10d Abs. 1 Bst. a BauG erlassen hat. Das Gymnasium Strandboden ist nur im Anhang<br />
des Bauinventars <strong>der</strong> Stadt Biel aufgeführt. Die fraglichen Objekte sind we<strong>der</strong> bewertet, einer<br />
Baugruppe zugeordnet, noch als „K-Objekte“ bezeichnet worden <strong>und</strong> fallen nicht unter<br />
den Schutz von Art. 10b BauG. Ob ein Objekt denkmalpflegerisch von Bedeutung ist o<strong>der</strong><br />
nicht, ist nach dem Willen des Gesetzgebers im Bauinventar, das periodisch nachzuführen<br />
ist, zu bestimmen (Art. 13d BauV). Die Beurteilung <strong>der</strong> Schutzwürdigkeit <strong>der</strong> Bauten im<br />
Baubewilligungs- <strong>und</strong> Beschwerdeverfahren setzt voraus, dass die fraglichen Bauten vorgängig<br />
in einem qualifizierten Verfahren als schützens- o<strong>der</strong> erhaltenswerte Bauten im<br />
Sinn von Art. 10b BauG bezeichnet wurden. Diese Voraussetzung ist mit <strong>der</strong> Erwähnung<br />
im Anhang des Bauinventars <strong>der</strong> Stadt Biel offensichtlich nicht erfüllt. Die Aufnahme von<br />
Bauten im Anhang des Bauinventars hat nach <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> BVE keine rechtliche Wirkung.<br />
12 Es handelt sich dabei um Neu<strong>bau</strong>objekte, die nach Erreichen eines Alters von<br />
8 Vgl. zum Ganzen Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong>, 3. Aufl., Band I,<br />
<strong>Bern</strong> 2007, Art. 10a-10f N. 10 ff ; Walter Engeler, Das Baudenkmal im schweizerischen Recht, Untersuchungen<br />
zum materiellen Baudenkmalbegriff <strong>und</strong> dem Verfahren <strong>der</strong> Unterschutzstellung, Diss. St. Galllen 2008, S. 283<br />
9 Vgl. zum Ganzen Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong>, 3. Aufl., Band I,<br />
<strong>Bern</strong> 2007, Art. 10a-10f N. 10 ff<br />
10 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong>, 3. Aufl., Band I, <strong>Bern</strong> 2007,<br />
Art. 10a-10f N. 11<br />
11 Vgl. Tagblatt des Grossen Rates 1999 / Heft 3, Beilage Nr. 12, Erläuterungen zu Art. 10e, S. 19<br />
12 Vgl. dazu RA Nr. 110/2002/36 vom 8. Juli 2003, i.S. P. AG
6<br />
30 Jahren möglicherweise anlässlich einer Revision ins Bauinventar aufgenommen werden<br />
könnten. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung bewusst in Kauf genommen, dass Objekte,<br />
die im Bauinventar nicht bewertet worden sind, vor Beeinträchtigungen nicht geschützt<br />
sind. Das BauG schreibt vor, dass die Bauinventare periodisch nachzuführen sind.<br />
Die Nachführungen <strong>der</strong> Bauinventare dürften mit <strong>der</strong> generellen Revision <strong>der</strong> Zonenpläne,<br />
die die Gemeinden in <strong>der</strong> Regel alle 15 Jahre vornehmen, zusammenfallen. Falls es aus<br />
denkmalpflegerischen Gründen angezeigt ist, können Bauinventare auch einzelfallweise<br />
ergänzt werden (Art. 10e Abs. 2 BauG). 13 Allfällige zeitliche Lücken im kantonalen Inventarisierungsprozess<br />
lassen sich mit diesem Konzept ohne Weiteres vermeiden. Zu Recht<br />
machen die Beschwerdeführer hier nicht geltend, bei den umstrittenen Schul<strong>bau</strong>ten handle<br />
es sich um Entdeckungen im Sinn von Art. 10f BauG, die nicht rechtzeitig in einem Nachtrag<br />
des Bauinventars erfasst werden konnten (Art. 13c Abs. 3 BauV). Nach dem Gesagten<br />
vereiteln – an<strong>der</strong>s als die Beschwerdeführer meinen – we<strong>der</strong> das Bau- noch das Denkmalpflegegesetz<br />
(DPG) 14 den <strong>bau</strong>rechtlichen Schutz neuerer Bauten. Auch die im Wettbewerbsprogramm<br />
enthaltene Würdigung des kantonalen Denkmalpflegers, das Gymnasium<br />
Strandboden sei eine wirkungsvoll austarierte Schulanlage von beeindrucken<strong>der</strong> Eleganz<br />
in Bezug auf landschaftliche Implantation, architektonisches Konzept <strong>und</strong> Fassadengestaltung<br />
– zweifellos ein schützenswertes Baudenkmal im Sinne <strong>der</strong> Baugesetzgebung –, än<strong>der</strong>t<br />
nichts daran, dass die Bauten im Inventar <strong>der</strong> Stadt Biel nicht eingestuft wurden.<br />
Unzutreffend ist zudem die Argumentation, wonach die Verfahrensvorschriften von Art. 10e<br />
BauG <strong>und</strong> <strong>der</strong>en rechtliche Wirkung für Bauten im Eigentum des Gemeinwesens nicht greifen<br />
sollen. Unbewegliche Objekte mit Denkmalrang unterliegen unabhängig davon, ob sie<br />
sich in öffentlichem o<strong>der</strong> privatem Eigentum befinden, alle <strong>der</strong> Inventarisierungspflicht. 15<br />
Für Baudenkmäler im öffentlichen Eigentum galt die Inventaraufnahme überdies bereits<br />
nach dem Kunstaltertümergesetz von 1902 16 . Zudem ist hier <strong>der</strong> <strong>Kanton</strong> <strong>Bern</strong> als Gr<strong>und</strong>eigentümer<br />
<strong>und</strong> Bauherr – an<strong>der</strong>s als die Beschwerdeführer meinen – wie eine Privatperson<br />
betroffen. 17 Die verwaltungsrechtliche Qualifikation des betroffenen Vermögens ist dabei<br />
13 Christophe Cueni in: KPG-Bulletin, 2002 S. 145<br />
14 Gesetz vom 8. September 1999 über die Denkmalpflege (Denkmalpflegegesetz, DPG; BSG 426.41)<br />
15 Tagblatt des Grossen Rates 1999 / Heft 3, Beilage Nr. 12, Erläuterungen zu Art. 10d, S. 19; vgl. auch Walter<br />
Engeler, Das Baudenkmal im schweizerischen Recht, Untersuchungen zum materiellen Baudenkmalbegriff <strong>und</strong><br />
dem Verfahren <strong>der</strong> Unterschutzstellung, Diss. St. Galllen 2008, S. 267<br />
16 Vgl. § 1 des Gesetzes über die Erhaltung <strong>der</strong> Kunstaltertümer <strong>und</strong> Urk<strong>und</strong>en, angenommen in <strong>der</strong> Volksabstimmung<br />
vom 16. März 1902<br />
17 BGer 1P.270/2005 vom 26.9.2005, E. 1.1; VGE 22935 vom 28.11.2007, E. 3; Merkli/Aeschlimann/Herzog,<br />
Kommentar zum bernischen VRPG, 1997, Art. 104 N. 15
7<br />
nicht <strong>entscheid</strong>end. 18 Der <strong>Kanton</strong> kann sich somit gleich wie Privatpersonen auf die negative<br />
Rechtswirkung des Bauinventars <strong>und</strong> die Eigentumsgarantie berufen <strong>und</strong> verlassen.<br />
Fälle, wo die negative Rechtswirkung <strong>der</strong> Bauinventare nicht zum Tragen kommt, hat <strong>der</strong><br />
kantonale Gesetzgeber ausdrücklich für die Entdeckungen vorgesehen (Art. 10f BauG).<br />
Weitere Ausnahmefälle sind nicht vorgesehen. Zu Recht bringen die Beschwerdeführer<br />
nicht vor, es bestehe im Bau- o<strong>der</strong> Denkmalpflegegesetz eine Vorschrift, die vorsehe, dass<br />
die „Negativwirkung“ des Bauinventars für Objekte im Eigentum des Gemeinwesens nicht<br />
gelte. Schliesslich sind im vorliegenden Fall auch im Gr<strong>und</strong>buch <strong>der</strong> betroffenen Gr<strong>und</strong>stücke<br />
keine Schutzmassnahmen nach DPG im Sinn von öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen<br />
angemerkt worden (vgl. Art. 18 DPG).<br />
e) Das Gymnasium Strandboden ist auch im ISOS nicht als schützenswertes Einzelelement<br />
aufgeführt. Das ISOS weist unter <strong>der</strong> Nr. 0.0.105 19 lediglich auf die fraglichen<br />
Schul<strong>bau</strong>ten hin. Die Schul<strong>bau</strong>ten sind keiner spezifischen Aufnahmekategorie zugeordnet<br />
<strong>und</strong> es wurden für sie we<strong>der</strong> Erhaltungsziele noch Schutzmassnahmen im ISOS festgelegt.<br />
Zwar befindet sich die Schulanlage in <strong>der</strong> im ISOS verzeichneten Umgebungszone XXIX<br />
„Strandboden, öffentliche Grünzone“. 20 Zu Recht weist <strong>der</strong> Beschwerdegegner darauf hin,<br />
dass damit für die Schutzwürdigkeit <strong>der</strong> Schulanlage als Einzelobjekt nichts abgeleitet werden<br />
kann. Mit dem geplanten Sanierungsvorhaben bleiben die gestalterischen Merkmale<br />
des Gymnasiums erhalten (vgl. nachfolgend Erwägung 4). Die geschützte Umgebungszone<br />
wird somit nicht tangiert. Der Schutz von Art. 6 NHG, wonach ein inventarisiertes Objekt<br />
in beson<strong>der</strong>em Masse die ungeschmälerte Erhaltung, jedenfalls aber unter Einbezug von<br />
Wie<strong>der</strong>herstellungs- o<strong>der</strong> angemessenen Ersatzmassnahmen die grösstmögliche Schonung<br />
verdient, greift somit nicht. Ferner ist das ISOS aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> b<strong>und</strong>esstaatlichen Kompetenzausscheidung<br />
im Bereich des Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzes <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> ausdrücklichen<br />
Vorschrift von Art. 6 Abs. 2 NHG nur bei <strong>der</strong> Erfüllung von B<strong>und</strong>esaufgaben unmittelbar<br />
verbindlich. Die Verweigerung einer Baubewilligung nach kantonalem Recht ist keine<br />
Erfüllung einer B<strong>und</strong>esaufgabe. 21 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist hier auch eine Begutachtung<br />
durch die EKD o<strong>der</strong> ENHK nicht erfor<strong>der</strong>lich (Art. 7 Abs. 2 NHG). 22 Der Beweisantrag ist<br />
abzuweisen.<br />
18 Vgl. Jörg Paul Müller, Gr<strong>und</strong>rechte in <strong>der</strong> Schweiz, 1999, S. 605;<br />
19 Vgl. ISOS S. 68<br />
20 ISOS S. 68<br />
21 Vgl. dazu URP 2005, S. 680 E. 3a; vgl. auch<br />
22 Leimbacher, Kommentar NHG, Zürich 1997, Art. 6 N. 4
8<br />
f) Zusammenfassend steht somit fest, dass die Beurteilung <strong>der</strong> Schutzwürdigkeit <strong>der</strong><br />
fraglichen Bauten im Beschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden kann. Bauten, die im<br />
kantonalen Bauinventar nicht als schützens- o<strong>der</strong> erhaltenswert aufgenommen sind, wozu<br />
auch die fraglichen Bauten gehören, können nach <strong>der</strong> Konzeption des Gesetzgebers im<br />
Baubewilligungs- <strong>und</strong> Beschwerdeverfahren nicht im Nachhinein als Schutzobjekte im Sinn<br />
von Art. 10b BauG bezeichnet werden (sog. negative Wirkung <strong>der</strong> Bauinventare). Hingegen<br />
kann <strong>der</strong> Eigentümer o<strong>der</strong> die Eigentümerin des Objekts im Baubewilligungsverfahren<br />
die Schutzmöglichkeit noch bestreiten, da diese Möglichkeit im Inventarisierungsverfahren<br />
nur erstinstanzlich bestanden hat. 23 Gleich wie Privatpersonen kann sich <strong>der</strong> <strong>Kanton</strong> auf<br />
die negative Rechtswirkung des Bauinventars <strong>und</strong> die Eigentumsgarantie berufen. Der<br />
Beweisantrag, ein verwaltungsunabhängiges Denkmalpflegegutachten eines ausserkantonalen<br />
Experten bzw. <strong>der</strong> EKD-ENHK einzuholen, ist mangels gesetzlicher Gr<strong>und</strong>lage abzuweisen.<br />
Da die <strong>bau</strong>rechtlichen Schutzbestimmungen von Art. 10a <strong>und</strong> Art. 10b BauG<br />
nicht zum Tragen kommen, braucht die Schutzwürdigkeit <strong>der</strong> Bauten nicht näher abgeklärt<br />
zu werden. Zusätzliche Gutachten <strong>und</strong> Expertisen sind im vorliegenden Fall nicht erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Auch die Hinweise im ISOS <strong>und</strong> neuen Kunstführer durch die Schweiz rechtfertigen<br />
nicht, die Schul<strong>bau</strong>ten im Baubewilligungs- <strong>und</strong> Beschwerdeverfahren statt im Inventarverfahren<br />
behördenverbindlich unter Schutz zu stellen.<br />
Zu berücksichtigen ist hier auch, dass das AGG gemäss den vorliegenden Akten vor Baueingabe<br />
für die geplante Fassadengestaltung aus eigenem Anlass einen vom SIA genehmigten<br />
Projektwettbewerb durchgeführt hat. 24 Den Wettbewerbsunterlagen kann entnommen<br />
werden, dass die Jury <strong>der</strong> Fassadenkonstruktion das Hauptgewicht beigemessen<br />
hat. 25 Sie hat an die architektonische Gestaltung <strong>der</strong> Fassade hohe Anfor<strong>der</strong>ungen gestellt<br />
<strong>und</strong> damit – an<strong>der</strong>s als die Beschwerdeführer behaupten – auch denkmalpflegerische Anliegen<br />
mitberücksichtigt. Weitere Gutachten <strong>und</strong> Expertisen sind auch aus diesem Gr<strong>und</strong><br />
unnötig. Der rechtserhebliche Sachverhalt ist genügend abgeklärt. Der Einwand <strong>der</strong> Beschwerdeführer,<br />
die Vorinstanz habe die Verpflichtung zur vollständigen Abklärung <strong>und</strong><br />
Würdigung des rechtserheblichen Sachverhalts verletzt, geht damit fehl. Im vorliegenden<br />
Fall kann auch auf die beantragte Durchführung eines Augenscheins verzichtet werden.<br />
23 Vgl. Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong>, 3. Aufl., Band I, <strong>Bern</strong> 2007,<br />
Art. 10a-10f N. 11<br />
24 Vgl. Beilage 6 <strong>der</strong> Beschwerdegegnerin<br />
25 Vgl. Wettbewerbsprogramm vom 30. Juni 2005, S. 18, unter Anfor<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Beilage 7 sowie Bericht<br />
<strong>der</strong> Jury zur Überarbeitung vom 3. Mai. 2006, S. 6 ff. <strong>der</strong> Beilage 13 des Beschwerdegegners
9<br />
Die vorhandenen Akten, Pläne, Beschreibungen <strong>und</strong> Wettbewerbsunterlagen vermitteln ein<br />
anschauliches Bild <strong>der</strong> Situation. Der diesbezügliche Beweisantrag ist abzuweisen.<br />
3. Selbstbindung des Gemeinwesens<br />
a) Die Beschwerdeführer bringen vor, <strong>der</strong> angefochtene Entscheid verletze das Verbot<br />
des wi<strong>der</strong>sprüchlichen Verhaltens. Dem Amt für Gebäude <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücke (AGG) sei die<br />
Schutzwürdigkeit <strong>der</strong> Anlage seit 2003 bekannt. Der <strong>Kanton</strong> sei als Bauherr aufgr<strong>und</strong> eines<br />
allgemeinen, in Art. 78 BV, Art. 3 NHG <strong>und</strong> Art. 5 DPG verankerten Rechtsgr<strong>und</strong>satzes im<br />
Sinn <strong>der</strong> Selbstbindung des Gesetzgebers verpflichtet, Denkmäler zu erhalten <strong>und</strong>, wo das<br />
öffentliche Interesse an ihnen überwiegt, diese zu schützen. Die Selbstbindung des Gesetzgebers<br />
an das Gebot <strong>der</strong> grösstmöglichen Schonung von Baudenkmälern sei hier verletzt.<br />
Das AGG müsse sich vorhalten lassen, dass es von Anfang an hinsichtlich <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />
Schutzwürdigkeit im Sinne <strong>der</strong> Baugesetzgebung über die genau gleichen Informationen<br />
verfügte, wie wenn eine Inventarisierung des Gymnasiums erfolgt wäre. Der Einwand,<br />
<strong>der</strong> Schutz als Baudenkmal sei dem Gymnasium Strandboden mangels Inventarisierung<br />
versagt, verstosse im konkreten Einzelfall auch gegen das Verbot wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />
Verhaltens <strong>und</strong> verletze das Gebot <strong>der</strong> grösstmöglichen Schonung von Baudenkmälern.<br />
Das AGG habe sich zugunsten <strong>der</strong> Öffenbarkeit <strong>der</strong> Fenster ohne objektive Notwendigkeit<br />
bewusst über die ihm bekannte denkmalpflegerische Qualifikation <strong>der</strong> Baute hinweggesetzt.<br />
b) Der Beschwerdeführer bemerkt, die Vorschriften des kantonalen Baugesetzes betreffend<br />
die Baudenkmäler seien nicht anwendbar. Dennoch seien die Gr<strong>und</strong>sätze <strong>der</strong> Denkmalpflege<br />
zu Sanierungsvorhaben so weit wie möglich beachtet worden. Mit dem Projektwettbewerb<br />
seien hinreichend günstige Voraussetzungen für den respektvollen <strong>und</strong><br />
zweckmässigen Umgang mit <strong>der</strong> Schulanlage des Architekten Max Schlup geschaffen<br />
worden. Er habe sich auch an die nicht rechtsverbindlichen Vorgaben gehalten, welche im<br />
Vorwort zum Anhang im Bauinventar wie folgt umschrieben seien:<br />
„An Renovationen, Verän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> Ergänzungen sind hohe Qualitätsanfor<strong>der</strong>ungen zu stellen, <strong>und</strong> sie<br />
bedürfen sorgfältiger Abklärungen unter Einbezug fachlicher Beratung.“<br />
Diese Vorgaben seien durch den Projektwettbewerb <strong>und</strong> das auserwählte Projekt eingehalten.<br />
Sofern <strong>der</strong> Gesetzgeber gewollt hätte, dass <strong>der</strong> <strong>Kanton</strong> gegenüber sämtlichen Bauten,<br />
welche er sanieren will, die Vorschriften über die Baudenkmäler anzuwenden hat, hätte
10<br />
dies im Gesetz so vorgesehen werden müssen. Art. 5 Abs. 2 DPG <strong>und</strong> Art. 3 NHG würden<br />
voraussetzen, dass es sich um ein inventarisiertes Baudenkmal bzw. ein inventarisiertes<br />
Objekt von nationaler Bedeutung handle. Der Beschwerdegegner sei – wie je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />
Bauherr auch – erst dann an seine Gesetzgebung geb<strong>und</strong>en, wenn die Bauobjekte in einem<br />
Inventar aufgenommen worden sind. Die Selbstbindung des Gesetzgebers könne hier<br />
nicht zulasten des Beschwerdegegners ausgelegt werden. Indem er sich auf die fehlende<br />
Schutzwürdigkeit berufe, handle er im Sinn des Gesetzes. Gegen das Gebot des wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />
Verhaltens verstosse er nicht.<br />
c) Die Beschwerdeführer übersehen, dass Art. 5 Abs. 2 DPG erst zum Tragen kommt,<br />
wenn vorweg entschieden ist, ob einem Objekt überhaupt Denkmalrang im Sinn von<br />
Art. 2 DPG zukommt. 26 Nach den Materialien bezwecken die Bauinventare, jene unbeweglichen<br />
Denkmäler zu erfassen, denen die Eigenschaft eines Denkmals im Sinn von<br />
Art. 2 DPG zukommt. 27 Damit wird eine Triage <strong>der</strong> denkmalwürdigen Objekte vorgenommen.<br />
Da die fraglichen Schulgebäude nicht inventarisiert sind, berufen sich die Beschwerdeführer<br />
vergeblich auf Art. 5 DPG. An<strong>der</strong>s als nach dem Planungs- <strong>und</strong> Baugesetz des<br />
<strong>Kanton</strong>s Zürich 28 entfaltet Art. 5 DPG seine rechtliche Wirkung erst, wenn ein Gebäude<br />
formell ein Schutzobjekt darstellt. Zudem berufen sich die Beschwerdeführer auch vergeblich<br />
auf Art. 78 Abs. 2 BV. Der Anwendungsbereich von Art. 78 Abs. 2 BV ist ausschliesslich<br />
auf die Erfüllung von B<strong>und</strong>esaufgaben beschränkt. 29 Im vorliegenden Fall wird eine<br />
Baubewilligung nach kantonalem Recht erteilt, um eine Schulanlage bereitzustellen. Es<br />
handelt sich dabei offensichtlich um die Erfüllung kantonaler Aufgaben. Für das Schulwesen<br />
(Art. 62 Abs. 1 BV) <strong>und</strong> die Erteilung von Baubewilligungen sind die <strong>Kanton</strong>e zuständig.<br />
Schliesslich vermögen die Beschwerdeführer auch aus Art. 3 NHG nichts zu ihren<br />
Gunsten abzuleiten. Der Anwendungsbereich von Art. 3 NHG ist ebenfalls auf die Erfüllung<br />
von B<strong>und</strong>esaufgaben beschränkt. 30 Art. 3 NHG bestimmt, dass <strong>der</strong> B<strong>und</strong>, seine Anstalten<br />
<strong>und</strong> Betriebe sowie die <strong>Kanton</strong>e bei <strong>der</strong> Erfüllung von B<strong>und</strong>esaufgaben dafür sorgen, dass<br />
das heimatliche Landschafts- <strong>und</strong> Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- <strong>und</strong> Kultur-<br />
26 Tagblatt des Grossen Rates 1999 / Heft 3, Beilage Nr. 12, Erläuterungen zu Art. 5, S. 9<br />
27 Tagblatt des Grossen Rates 1999 / Heft 3, Beilage Nr. 12, Erläuterungen zu Art. 10d, S. 19<br />
28 Vgl. § 204 des Planungs- <strong>und</strong> Baugesetzes des <strong>Kanton</strong>s Zürich i.V.m. § 1 <strong>der</strong> Verordnung vom 20. Juli 1977<br />
über den Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz <strong>und</strong> über kommunale Erholungsflächen (Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzverordnung)<br />
29 Vgl. Ehrenzeller, St. Galler Kommentar zur Schweizerischen B<strong>und</strong>esverfassung, 2. Aufl., 2008, Art. 78 N 6;<br />
Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, 2004, N. 561 ff.; Nina Dajcar, Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzinventare des B<strong>und</strong>es,<br />
Diss. Zürich 2011, S. 38 ff.<br />
30 Favre, Kommentar NHG, Zürich 1997, Art. 3 N. 6
11<br />
denkmäler geschont werden <strong>und</strong>, wo das allgemeine Interesse an ihnen überwiegt, ungeschmälert<br />
erhalten bleiben (Abs. 1). Sie erfüllen diese Pflicht u.a., indem sie Konzessionen<br />
<strong>und</strong> Bewilligungen nur unter Bedingungen o<strong>der</strong> Auflagen erteilen o<strong>der</strong> aber verweigern<br />
(Art. 2 Bst. b). Diese Pflicht gilt unabhängig von <strong>der</strong> Bedeutung des Objektes im Sinn von<br />
Art. 4 NHG; eine Massnahme darf jedoch nicht weitergehen, als es <strong>der</strong> Schutz des Objektes<br />
<strong>und</strong> seiner Umgebung erfor<strong>der</strong>t (Abs. 3). Selbst wenn hier Art. 5 DPG zum Tragen käme,<br />
stünde das Sanierungsprojekt – wie aus den Erwägungen 4 <strong>und</strong> 5 hervorgeht – in Einklang<br />
mit dem generellen Schonungs- <strong>und</strong> Erhaltungsgebot.<br />
d) Unbegründet ist schliesslich die Argumentation, <strong>der</strong> angefochtene Entscheid verletze<br />
das Verbot wi<strong>der</strong>sprüchlichen Verhaltens. Als Verbot wi<strong>der</strong>sprüchlichen Verhaltens <strong>und</strong><br />
des Rechtsmissbrauchs untersagt <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>satz von Treu <strong>und</strong> Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV)<br />
sowohl den Behörden wie auch den Privaten, sich in ihren öffentlichrechtlichen Rechtsbeziehungen<br />
wi<strong>der</strong>sprüchlich o<strong>der</strong> rechtsmissbräuchlich zu verhalten. Er gebietet staatlichen<br />
Organen <strong>und</strong> Privaten ein loyales <strong>und</strong> vertrauenswürdiges Verhalten im Rechtsverkehr. 31<br />
Ein behördeverbindliches Inventarverfahren, in welchem die Schutzwürdigkeit von Baudenkmälern<br />
bestimmt wird, wurde im vorliegenden Fall nicht durchgeführt. Dennoch hat <strong>der</strong><br />
Beschwerdegegner im Wissen um die hohe architektonische Qualität des Gymnasiums<br />
Strandboden vor <strong>der</strong> Baueingabe einen Projektwettbewerb lanciert. Im Wettbewerbsprogramm<br />
wurde die Anfor<strong>der</strong>ung aufgenommen, dass das Sanierungsprojekt die hohe architektonische<br />
Qualität <strong>der</strong> bestehenden Schlup-Bauten zu respektieren hat. 32 Der kantonale<br />
Denkmalpfleger war im Wettbewerbsverfahren Mitglied <strong>der</strong> Jury. Die <strong>Kanton</strong>ale Denkmalpflege,<br />
die im Baubewilligungsverfahren als Fachbehörde beigezogen wurde, hat das umstrittene<br />
Sanierungsprojekt gutgeheissen. 33 Von einem wi<strong>der</strong>sprüchlichen Verhalten des<br />
AGG kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Die Behauptung, dass die Denkmalpflege<br />
ausgetrickst wurde <strong>und</strong> kantonsintern unter Druck stand, ist we<strong>der</strong> belegt, noch<br />
wurde dies in <strong>der</strong> Stellungnahme <strong>der</strong> Denkmalpflege vom 10. Juni 2011 bestätigt. Zu berücksichtigen<br />
ist schliesslich, dass sich <strong>der</strong> Beschwerdegegner nach Art. 89 Abs. 1 BV im<br />
Rahmen seiner Zuständigkeiten auch für einen sparsamen <strong>und</strong> rationellen Energieverbrauch<br />
einzusetzen hat. Am Energiesparen <strong>und</strong> <strong>der</strong> zweckmässigen <strong>und</strong> effizienten<br />
Nutzung <strong>der</strong> Energie besteht ein grosses öffentliches Interesse. Dass <strong>der</strong> <strong>Kanton</strong> <strong>und</strong> Ge-<br />
31 Vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2002, N. 623 ff<br />
32 Vgl. Wettbewerbsprogramm vom 30. Juni 2005, S. 18, unter Anfor<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Beilage 7<br />
33 Vgl. Fachbericht vom 10. September 2010, pag. 99 <strong>der</strong> Akten des Regierungsstatthalteramts Biel/Bienne
12<br />
meinden als Gebäudeeigentümer im Energiebereich eine Vorbildfunktion haben, schreibt<br />
das geltende Energiegesetz 34 ausdrücklich vor. Mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung, wonach das umstrittene<br />
Projekt nach dem Minergie-Standard zu sanieren ist, setzt <strong>der</strong> Beschwerdegegner verfassungsrechtliche<br />
<strong>und</strong> kantonale Vorgaben folgerichtig um. Das revidierte kantonale Energiegesetz<br />
(KEnG), das am 1.1.2012 in Kraft tritt, sieht zudem vor, dass die Minimalanfor<strong>der</strong>ungen<br />
an die Energienutzung bei kantonalen Gebäuden erhöht werden. 35 Danach soll bei<br />
Gesamtrenovationen <strong>der</strong> Minergie-Standard <strong>und</strong> bei Neu<strong>bau</strong>ten sogar <strong>der</strong> Energiewert des<br />
Minergie-P-Standards gelten. 36 Die Beschwerde erweist sich demnach in diesem Punkt als<br />
nicht stichhaltig.<br />
4. Schonungs- <strong>und</strong> Erhaltungsgebot<br />
a) Nach dem Gesagten sind hier die Schutzvorschriften des BauG betreffend die Baudenkmäler<br />
nicht anwendbar (vgl. Erwägung 2). Eine Pflicht zur integralen Erhaltung <strong>der</strong><br />
Schul<strong>bau</strong>ten bzw. <strong>der</strong> Erhaltung <strong>der</strong> unbestritten sanierungsbedürftigen Fassadenkonstruktion<br />
besteht nicht. Auch wenn hier das in Art. 5 Abs. 2 DPG verankerte Schonungs- <strong>und</strong><br />
Erhaltungsgebot zum Tragen käme, wäre es im vorliegenden Fall nicht verletzt. Das Schonungs-<br />
<strong>und</strong> Erhaltungsgebot ist ein gr<strong>und</strong>sätzlicher Appell. Es überschneidet sich in seiner<br />
Zielsetzung mit dem allgemeinen Orts- <strong>und</strong> Landschaftsschutz. 37<br />
b) Das Sanierungsprojekt sieht vor, die bestehende Fassadenkonstruktion so zu erneuern,<br />
dass die funktionalen, technischen, energietechnischen, sicherheitsmässigen <strong>und</strong> klimatischen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen erfüllt werden. Im Wettbewerbsverfahren wurde <strong>der</strong> aus 22 Projekten<br />
ausgewählte Lösungsvorschlag unter <strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong> Jury einer zweimaligen intensiven<br />
Überarbeitung unterzogen. 38 Die Visualisierung des umstrittenen Projekts zeigt anschaulich,<br />
dass mit <strong>der</strong> gewählten Fassadenkonstruktion die äussere Erscheinung <strong>der</strong> be-<br />
34 Art. 22 Abs. 1 Energiegesetz vom 26. Juni 1998 (EnG; SR 730.0)<br />
35<br />
Art. 52 KEnG in <strong>der</strong> Fassung des Volksvorschlags vom 15. Mai 2011 (vgl.<br />
http://www.bve.be.ch/bve/de/index/direktion/organisation/ra/rechtliche_gr<strong>und</strong>lagen/kantonales_energiegesetz.ht<br />
ml (besucht am 11. Juli 2011)<br />
36<br />
Vgl. Art. 53 Abs. 3 KEnG des Vortrages zum <strong>Kanton</strong>alen Energiegesetz<br />
(http://www.bve.be.ch/bve/de/index/direktion/organisation/ra/rechtliche_gr<strong>und</strong>lagen/kantonales_energiegesetz.a<br />
ssetref/content/dam/documents/BVE/RA/de/ra_vortrag_keng_gruene_vorlage_d_als_pdf.pdf (besucht am<br />
11. Juli 2011)<br />
37 Walter Engeler, Das Baudenkmal im schweizerischen Recht, Untersuchungen zum materiellen Baudenkmalbegriff<br />
<strong>und</strong> dem Verfahren <strong>der</strong> Unterschutzstellung, Diss. St. Galllen 2008, S. 159 f.<br />
38 Vgl. Beilagen 7 bis 13 des Beschwerdegegners
13<br />
stehenden Bauten im Wesentlichen erhalten bleibt. 39 Durch die grossflächige Verglasung,<br />
den feinen Vertikalrippen <strong>und</strong> den sorgfältig ausgearbeiteten Ecken 40 treten die Schultrakte<br />
nach wie vor sehr zurückhaltend in Erscheinung. Die Hauptmerkmale <strong>der</strong> architektonischen<br />
Gestaltung, namentlich die pavillonartige Architektur <strong>der</strong> Schulgebäude mit dem zurückversetzten,<br />
transparenten Erdgeschoss, das Zusammenfassen <strong>der</strong> zwei Obergeschosse mit<br />
<strong>der</strong> Vorhangfassade sowie die Farbgebung, bleiben mit dem Fassadenersatz gewahrt. Den<br />
Projektplänen kann zudem entnommen werden, dass insbeson<strong>der</strong>e auch an den Gebäudevolumen<br />
nichts verän<strong>der</strong>t wird. Der Kritik <strong>der</strong> Beschwerdeführer, die Dimensionen <strong>der</strong><br />
Attikageschosse zu verkleinern, wurde zudem entsprochen. Dem geplanten Sanierungsprojekt<br />
kommt mit <strong>der</strong> vorgesehenen Gestaltung im Kontext seiner Umgebung nach wie vor<br />
ein gewisser Situationswert zu. Auch die Innenraumkonzeption mit den charakteristischen<br />
offenen Hallen, Treppenanlagen <strong>und</strong> Erschliessungszonen bleibt erhalten. Zwar werden im<br />
Trakt des französischen Gymnasiums die Gangzonen im ersten <strong>und</strong> zweiten Obergeschoss<br />
aus Gründen des Brandschutzes mit Trennwänden abgetrennt. Die Trennwände<br />
sind allerdings aus Glas, womit die optische Leichtigkeit des Innenraums auch mit den<br />
neuen Trennwänden erhalten bleibt. Damit wurde den denkmalpflegerischen Anliegen genügend<br />
Rechnung getragen. Von einer Verletzung des generellen Schonungs- <strong>und</strong> Erhaltungsgebots<br />
kann nicht gesprochen werden. Die von den Beschwerdeführenden erwähnten<br />
Sanierungsbeispiele vermögen daran nichts zu än<strong>der</strong>n.<br />
5. Überwiegende öffentliche Interessen<br />
a) Wenn das Schonungs- <strong>und</strong> Erhaltungsgebot von Art. 5 Abs. 2 DPG zum Tragen käme,<br />
so müssten im Rahmen einer Gesamtinteressenabwägung die Interessen an <strong>der</strong> Erhaltung<br />
<strong>der</strong> Originalfassaden den Interessen an <strong>der</strong> Sanierung gegenüber gestellt werden.<br />
Im vorliegenden Fall würden die Interessen am Sanierungsprojekt die Interessen am Erhalt<br />
<strong>der</strong> Originalfassade überwiegen.<br />
b) Mit dem geplanten Ersatz <strong>der</strong> Fassade, dem aussenliegenden Sonnenschutz <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
Dreifach-Isolierverglasung können <strong>der</strong> Minergiestandard <strong>und</strong> die Anfor<strong>der</strong>ungen an den<br />
39 Vgl. Beilage 14 des Beschwerdegegners<br />
40 Vgl. Projektplan Längs- <strong>und</strong> Querschnitt (Massstab 1:200) <strong>und</strong> Konstruktionsdetails (Massstab 1:10) vom<br />
30. Juni 2010
14<br />
winterlichen <strong>und</strong> sommerlichen Wärmeschutz eingehalten werden. 41 An<strong>der</strong>s als die Beschwerdeführenden<br />
argumentieren, wird bei <strong>der</strong> vorgesehenen energietechnischen Sanierung<br />
<strong>der</strong> Schwerpunkt nicht bloss auf die Isolationswerte (Dämmung <strong>der</strong> Gebäudehülle)<br />
gelegt. Im Gegenteil: Dem Minergiestandard liegt vielmehr das Konzept zugr<strong>und</strong>e, dass<br />
das ganze Gebäude als integrales System betrachtet wird (Gebäudehülle <strong>und</strong> Haustechnik).<br />
42 Der Minergiestandard verlangt, dass keine hohen sommerlichen Raumlufttemperaturen<br />
entstehen dürfen. Auch Art. 5 KEnV 43 schreibt einen sommerlichen Wärmeschutz nach<br />
dem Stand <strong>der</strong> Technik vor. Ein innerhalb <strong>der</strong> Räume liegen<strong>der</strong> Sonnenschutz lässt im<br />
Vergleich zu einem äusseren Sonnenschutzsystem r<strong>und</strong> dreimal mehr Energie eindringen.<br />
44 Die Energie, die für Lüftung <strong>und</strong> Raumklimatisierung nötig ist, ist für die Einhaltung<br />
des Minergiestandards ebenfalls relevant. Im vorliegenden Fall können die Bodenplatte<br />
des Untergeschosses <strong>und</strong> die Decke des Untergeschosses, die r<strong>und</strong> 50 Prozent <strong>der</strong> Aussenhüllen<br />
ausmachen, nur ungenügend gedämmt werden. 45 Einer guten energetischen<br />
Fassadensanierung kommt damit eine grosse Bedeutung zu. Mit <strong>der</strong> geplanten Sanierung<br />
lassen sich <strong>der</strong> hohe Energiebedarf <strong>und</strong> die steigenden Unterhaltskosten massiv senken.<br />
Indem das Sanierungsprojekt die Anfor<strong>der</strong>ungen des Minergiestandards einhält, trägt es<br />
<strong>der</strong> ökologischen Nachhaltigkeit Rechnung. Das Energiesparen <strong>und</strong> die zweckmässige<br />
Nutzung <strong>der</strong> Energie sind zudem anerkannte Zielsetzungen <strong>der</strong> <strong>Bern</strong>er Energiepolitik (vgl.<br />
Art. 35 Abs. 2 <strong>und</strong> Art. 31 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 KV 46 sowie Art. 1 <strong>und</strong> 24 EnG 47 ). Mit additiven<br />
Massnahmen könnte <strong>der</strong> Minergiestandard, wie dies <strong>der</strong> Beschwerdegegner in seiner Beschwerdeantwort<br />
nachvollziehbar erklärt, aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>bau</strong>physikalischen Bedeutung <strong>der</strong><br />
Fassade nicht eingehalten werden.<br />
Das Sanierungsprojekt sieht öffenbare Fenster vor. Dies entspricht einem unverzichtbaren<br />
Bedürfnis <strong>der</strong> Nutzer. Die Sonneneinstrahlung führt heute in <strong>der</strong> Übergangszeit <strong>und</strong> im<br />
Sommer – trotz Klimatisierung – vor allem in den Eckzimmern im Südwesten <strong>und</strong> Südosten<br />
41 Vgl. pag. 42 <strong>der</strong> Vorakten des Regierungsstatthalteramtes Biel-Bienne<br />
42 Vgl. das Wichtigste zum Minergie-Standard in Kürze http://www.minergie.ch/standard_minergie.html#daswichtigste-in-kuerze<br />
(besucht am 5. August 2011)<br />
43 <strong>Kanton</strong>ale Energieverordnung 13. Januar 2003 (KEnV; 741.111)<br />
44 Vgl. S. 2 <strong>der</strong> Broschüre Sommerlicher Wärmeschutz für Wohn<strong>bau</strong>ten, Januar 2010 auffindbar unter<br />
http://www.minergie.ch/tl_files/download/Sommerlicher_Waermeschutz.pdf<br />
45 Vgl. Projektplan Gr<strong>und</strong>riss 1 <strong>und</strong> 2 Untergeschoss vom 17. Juni 2010 im Massstab 1:200<br />
46 Verfassung des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 6. Juni 1993 (KV; BSG 101.1)<br />
47 Energiegesetz vom 14. Mai 1981 (EnG; BSG 741.1)
15<br />
innert kurzer Zeit zu überhöhten Raumtemperaturen. 48 Mit <strong>der</strong> zusätzlichen Fensterlüftung<br />
ist eine effiziente <strong>und</strong> natürliche Lüftung möglich (Nachtlüftung <strong>und</strong> intensive Lüftung am<br />
Morgen). Durch die Möglichkeit automatischer Steuerung <strong>der</strong> Fensterflügel können zudem<br />
Nutzerfehler einfach korrigiert werden. Hinzu kommt, dass sich mit <strong>der</strong> vorgesehenen<br />
Fensterlüftung <strong>der</strong> Energieverbrauch senken lässt. Dass sich das AGG mit <strong>der</strong> Öffenbarkeit<br />
<strong>der</strong> Fenster ohne objektive Notwendigkeit bewusst über denkmalpflegerische Qualifikation<br />
<strong>der</strong> Bauten hinweggesetzte, ist damit wi<strong>der</strong>legt. Falsch ist auch die Behauptung, dass<br />
bei <strong>der</strong> überwiegenden Zahl <strong>der</strong> Minergie<strong>bau</strong>ten die Fenster nicht geöffnet werden können.<br />
49 Die Kritik <strong>der</strong> Beschwerdeführenden an den Fenstern erweist sich somit als nicht<br />
stichhaltig. Demgegenüber sind ein angenehmes Raumklima <strong>und</strong> die gute Luftqualität berechtigte<br />
Interessen <strong>der</strong> Nutzer.<br />
Schliesslich fallen auch die berechtigten öffentlichen Interessen, vor allem an einem sicheren<br />
Betrieb <strong>der</strong> Schul<strong>bau</strong>ten (Beseitigung <strong>der</strong> Brandschutzmängel <strong>und</strong> Beseitigung <strong>der</strong> Gefahr<br />
von herunterfallenden Fassadenteilen), einem umfassenden Schallschutz sowie einem<br />
wirtschaftlichen <strong>und</strong> zukunftstauglichen Weiterbetrieb <strong>der</strong> Schulanlage an diesem Standort,<br />
in die Waagschale für das umstrittene Sanierungsprojekt.<br />
c) Das Interesse am Erhalt <strong>der</strong> bestehenden Fassadenkonstruktion ist demgegenüber<br />
als gering einzustufen. Dem Gymnasium Strandboden kommt zwar unbestritten eine hohe<br />
architektonische Qualität zu. Die Bauten des Gymnasiums stehen aber nicht unter Denkmalschutz.<br />
Wie oben ausgeführt (vgl. Erwägung 2 f), respektiert das vorgesehene Sanierungsprojekt<br />
die hohe architektonische Qualität. Diese wurde mit einem vom SIA genehmigten<br />
Wettbewerbsverfahren sichergestellt. Die zuständige Fachbehörde im Bereich <strong>der</strong><br />
Denkmalpflege hat das Projekt gutgeheissen. Den denkmalpflegerischen Interessen wurde<br />
damit ausreichend Rechnung getragen.<br />
d) Eine Gesamtbeurteilung <strong>der</strong> verschiedenen geprüften Aspekte ergibt, dass die öffentlichen<br />
Interessen an <strong>der</strong> ökologischen Nachhaltigkeit, <strong>der</strong> angenehmen Raumluftqualität,<br />
<strong>der</strong> Sicherheit, <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> zukunftstauglichen Weiterführung <strong>der</strong> Schulanlage<br />
die denkmalpflegerischen Interessen am Erhalt <strong>der</strong> Fassadenkonstruktion überwiegen.<br />
Die umstrittenen Bauten stehen nicht unter Denkmalschutz. Mit <strong>der</strong> geplanten Sanie-<br />
48 Vgl. Beilage 7 des Beschwerdegegners, S. 15, Haustechnik<br />
49 Vgl. S. 3 <strong>der</strong> Minergie-Broschüre, Standard-Lüftungssysteme für Wohn<strong>bau</strong>ten, März 2009 auffindbar unter<br />
http://www.minergie.ch/tl_files/download/Broschuere_Standard_Lueftungssysteme_2009.pdf
16<br />
rung fügen sich die Bauten günstig in das bestehende Ortsbild ein <strong>und</strong> wirken sich auch im<br />
denkmalpflegerischen Kontext positiv aus. Die heutige Schulanlage bleibt mit ihren Beson<strong>der</strong>heiten<br />
auch den zukünftigen Generationen erhalten. Die geplante Sanierung wi<strong>der</strong>spricht<br />
we<strong>der</strong> den massgebenden Ästhetik- noch den Denkmalschutzvorschriften. Hinzu<br />
kommt, dass Denkmalschutzmassnahmen nicht nur im Interesse einzelner Fachspezialisten<br />
erlassen werden dürfen. Sie müssen breiter abgestützt sein. 50 Die Verpflichtung, die<br />
Fassade in ihrer Originalität zu erhalten, wäre unverhältnismässig. Der angefochtene Entscheid<br />
des Regierungsstatthalters ist nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist unbegründet.<br />
f) Nach dem Gesagten ist die von den Beschwerdeführern beantragte energietechnische<br />
Expertise des Sanierungspotentials <strong>der</strong> bestehenden Bauten durch ein Expertenteam<br />
„Fassadenplanung <strong>und</strong> Haustechnik“ unnötig. Der Beweisantrag ist abzuweisen.<br />
6. Kosten<br />
a) Bei diesem Ausgang des Verfahrens unterliegen die Beschwerdeführer. Sie haben<br />
die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 108 Abs. 1 VRPG). Diese werden bestimmt auf eine<br />
Pauschalgebühr von Fr. 1'800.00.<br />
b) Die unterliegende Partei hat <strong>der</strong> Gegenpartei die Parteikosten zu ersetzen, sofern<br />
nicht <strong>der</strong>en prozessuales Verhalten o<strong>der</strong> die beson<strong>der</strong>en Umstände eine an<strong>der</strong>e Teilung<br />
o<strong>der</strong> Wettschlagung gebieten o<strong>der</strong> die Auflage <strong>der</strong> Parteikosten an das Gemeinwesen als<br />
gerechtfertigt erscheint (Art. 108 Abs. 3 VRPG). Verwaltungsbehörden im Sinn von<br />
Art. 2 Abs. 1 Bst. a VRPG haben im Beschwerdeverfahren keinen Anspruch auf Parteikostenersatz<br />
(Art. 104 Abs. 3 VRPG). Den Gemeinwesen wird in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Ersatz <strong>der</strong><br />
Parteikosten jedoch zugebilligt, wenn sie keine hoheitlichen Interessen wahren, son<strong>der</strong>n<br />
wie eine Privatperson betroffen sind. Dies ist beispielsweise <strong>der</strong> Fall, wenn das Gemeinwesen<br />
als Bauherrin o<strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>eigentümerin betroffen ist. 51<br />
Vorliegend tritt <strong>der</strong> <strong>Kanton</strong> <strong>Bern</strong> als Baugesuchsteller, Bauherr <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>eigentümer auf.<br />
Er ist daher wie eine Privatperson betroffen <strong>und</strong> hat Anspruch auf Ersatz <strong>der</strong> Parteikosten.<br />
50 Vgl. BVR 1988 S. 323<br />
51 Merkli/Aeschlimann/Herzog, a.a.O., Art. 104 N 15
17<br />
Die Kostennote des Anwaltes des Beschwerdegegners gibt zu keinen Bemerkungen Anlass.<br />
Die Beschwerdeführenden haben somit dem Beschwerdegegner die Parteikosten von<br />
Fr. 5'702.40 (inkl. Mehrwertsteuer) zu ersetzen.<br />
III.<br />
Entscheid<br />
1. Die Beschwerde wird abgewiesen. Der Gesamt<strong>entscheid</strong> des Regierungsstatthalteramtes<br />
Biel/Bienne vom 6. April 2011 wird bestätigt.<br />
2. Die Verfahrenskosten von Fr. 1'800.00 werden den Beschwerdeführenden zur Bezahlung<br />
auferlegt. Die Beschwerdeführer haften solidarisch für den gesamten Betrag.<br />
Eine separate Zahlungseinladung folgt, sobald dieser Entscheid in Rechtskraft erwachsen<br />
ist.<br />
3. Die Beschwerdeführenden haben dem Beschwerdegegner die Parteikosten im Betrag<br />
von Fr. 5'702.40 (inkl. Mehrwertsteuer) zu ersetzen. Die Beschwerdeführenden<br />
haften solidarisch für den gesamten Betrag.