05.11.2013 Aufrufe

entscheid der bau-, verkehrs- und energiedirektion - Kanton Bern

entscheid der bau-, verkehrs- und energiedirektion - Kanton Bern

entscheid der bau-, verkehrs- und energiedirektion - Kanton Bern

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ENTSCHEID<br />

DER<br />

BAU-, VERKEHRS- UND ENERGIEDIREKTION<br />

RA Nr. 110/2011/59 <strong>Bern</strong>, 25. August 2011<br />

SP<br />

I. Sachverhalt<br />

1. Der Beschwerdegegner reichte am 11. Dezember 2009 bei <strong>der</strong> Stadt Biel ein Baugesuch<br />

ein für die Sanierung des Gymnasiums Strandboden mit Sporthalle auf Parzelle Biel<br />

Gr<strong>und</strong>buchblatt Nr. 2969 <strong>und</strong> Nr. 8833 (Baurecht 10311 <strong>und</strong> 10312). Die Parzelle liegt in<br />

<strong>der</strong> Zone für öffentliche Nutzung <strong>der</strong> Kategorie 1 mit <strong>der</strong> Zweckbestimmung Bildung (öffentliche<br />

Schulen, Kin<strong>der</strong>gärten, usw.). Die Schulanlage Strandboden besteht aus einem Ensemble<br />

von vier Schulgebäuden <strong>und</strong> ist im Anhang zum Bauinventar <strong>der</strong> Stadt Biel verzeichnet.<br />

1 Gegen das Bauvorhaben erhoben unter an<strong>der</strong>en X <strong>und</strong> Y Einsprachen. Mit<br />

Gesamt<strong>entscheid</strong> vom 6. April 2011 erteilte das Regierungsstatthalteramt Biel/Bienne für<br />

das Sanierungsvorhaben die Baubewilligung. Dagegen reichten die Beschwerdeführer am<br />

6. Mai 2011 bei <strong>der</strong> Bau-, Verkehrs- <strong>und</strong> Energiedirektion des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> (BVE) eine<br />

Kollektivbeschwerde ein. Sie beantragen, dem Baugesuch sei <strong>der</strong> Abschlag zu erteilen <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> angefochtene Gesamt<strong>bau</strong><strong>entscheid</strong> sei aufzuheben. Sie rügen zusammengefasst die<br />

unvollständige Abklärung des Sachverhalts <strong>und</strong> eine schwerwiegende Beeinträchtigung eines<br />

beson<strong>der</strong>s schützenswerten Baudenkmals von vermuteter nationaler Bedeutung. Zudem<br />

rügen sie, <strong>der</strong> angefochtene Entscheid verletze das Verbot des wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />

Verhaltens <strong>und</strong> das Gebot <strong>der</strong> grösstmöglichen Schonung von Baudenkmälern.<br />

2. Der Beschwerdegegner beantragt in seiner Beschwerdeantwort vom 9. Juni 2011 die<br />

Abweisung <strong>der</strong> Beschwerde. Er wendet ein, die Schulanlage falle nicht unter den Denkmalschutz<br />

im <strong>bau</strong>rechtlichen Sinn. Bei <strong>der</strong> Planung sei auf die bestehenden <strong>und</strong> unbestritten<br />

wertvollen Bauten des Architekten Max Schlup die grösstmögliche Rücksicht genommen<br />

worden. Das vorliegende Sanierungsprojekt sei in einem Projektwettbewerb von Ex-<br />

1 Vgl. S. 206 des Bauinventars <strong>der</strong> Stadt Biel, Band V, Solothurnstrasse – Zukunftsstrasse, Anhang; Planausschnitt<br />

4, Band VI des Bauinventars <strong>der</strong> Stadt Biel, Register <strong>und</strong> Pläne


2<br />

perten einer hoch qualifizierten Fachjury ausgewählt worden. Auch die kantonale Denkmalpflege<br />

sei in <strong>der</strong> Jury vertreten gewesen. Diese habe das Gesamtresultat ebenfalls unterstützt.<br />

3. Die Stadt Biel beantragt in ihrer Stellungnahme vom 9. Juni 2011 die vollumfängliche<br />

Abweisung <strong>der</strong> Beschwerde. Sie weist darauf hin, mit <strong>der</strong> Sanierung könne das Gymnasium<br />

mittel- bis langfristig seinem Zwecke dienen. Die Bauherrschaft habe versucht, bei <strong>der</strong><br />

Güterabwägung zwischen energetischer <strong>und</strong> klimatischer Sanierung <strong>und</strong> denkmalpflegerischen<br />

Anliegen, einen tragbaren Kompromiss zu finden. Dieser Lösung habe die kantonale<br />

Denkmalpflege als zuständige Fachstelle klar zugestimmt. Das Regierungsstatthalteramt<br />

Biel/Bienne verzichtete in seiner Eingabe vom 8. Juni 2011 auf eine weitere Stellungnahme.<br />

Es verweist ohne einen Antrag zu stellen auf die Argumente im angefochtenen Gesamt<strong>entscheid</strong>.<br />

4. Das Rechtsamt, welches die Beschwerdeverfahren für die BVE leitet 2 , führte den<br />

Schriftenwechsel durch <strong>und</strong> holte die Vorakten ein. Zusätzlich holte es bei <strong>der</strong> kantonalen<br />

Denkmalpflege eine Stellungnahme ein <strong>und</strong> liess beim Beschwerdegegner Unterlagen zum<br />

Projektwettbewerb sowie eine Projektvisualisierung edieren. Auf die vorhandenen Akten<br />

wird, soweit für den Entscheid relevant, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.<br />

II.<br />

Erwägungen<br />

1. Sachurteilsvoraussetzungen<br />

a) Angefochten ist ein Gesamt<strong>entscheid</strong> nach Art. 9 KoG 3 . Laut Art. 11 Abs. 1 KoG kann<br />

er – unabhängig von den geltend gemachten Einwänden – nur mit dem Rechtsmittel angefochten<br />

werden, das für das Leitverfahren massgeblich ist. Das Leitverfahren ist im vorliegenden<br />

Fall das Baubewilligungsverfahren (Art. 5 Abs. 1 KoG). Bau<strong>entscheid</strong>e können<br />

2 Art. 7 <strong>der</strong> Verordnung vom 18. Oktober 1995 über die Organisation <strong>und</strong> die Aufgaben <strong>der</strong> Bau-, Verkehrs- <strong>und</strong><br />

Energiedirektion (OrV BVE; BSG 152.221.191)<br />

3 Koordinationsgesetz vom 21. März 1994 (KoG; BSG 724.1)


3<br />

nach Art. 40 Abs. 1 BauG 4 innert 30 Tagen seit Eröffnung mit Baubeschwerde bei <strong>der</strong> BVE<br />

angefochten werden. Die BVE ist somit zur Beurteilung <strong>der</strong> Beschwerde gegen den Gesamt<strong>entscheid</strong><br />

zuständig.<br />

b) Zur Beschwerde befugt sind die Baugesuchsteller, die Einsprecher im Rahmen ihrer<br />

Einsprachegründe <strong>und</strong> die zuständige Gemeindebehörde (Art. 10 KoG in Verbindung mit<br />

Art. 40 Abs. 2 BauG). Die Beschwerdeführer sind private Organisationen im Sinn von<br />

Art. 35a BauG, <strong>der</strong>en Einsprachen abgewiesen wurden. Sie sind durch den vorinstanzlichen<br />

Gesamt<strong>entscheid</strong> beschwert <strong>und</strong> daher zur Beschwerdeführung legitimiert. Auf die<br />

form- <strong>und</strong> fristgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.<br />

2. Verfahren zur Unterschutzstellung von Baudenkmälern<br />

a) Die Beschwerdeführer verlangen, die Beurteilung <strong>der</strong> Schutzwürdigkeit <strong>der</strong> Schul<strong>bau</strong>ten<br />

sei im Beschwerdeverfahren nachzuholen. Im vorliegenden Baubewilligungs- bzw. Beschwerdeverfahren<br />

komme <strong>der</strong> autoritativen Beurteilung <strong>der</strong> Schutzwürdigkeit des Gymnasiums<br />

Strandboden zentrale Bedeutung zu. Dies umso mehr, als es sich aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Anmerkung<br />

im B<strong>und</strong>esinventar <strong>der</strong> schützenswerten Ortsbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schweiz (ISOS) vermutungsweise<br />

um ein Schutzobjekt von nationaler Bedeutung handle. Zeitliche Lücken im<br />

kantonalen Inventarisierungsprozess dürften nicht zur Folge haben, dass ein potentiell nationales<br />

Schutzobjekt ohne verbindliche Festlegung seiner Schutzwürdigkeit irreversibel<br />

beeinträchtigt o<strong>der</strong> zerstört werde. Das Gymnasium Strandboden sei im Anhang zum Bauinventar<br />

<strong>der</strong> Stadt Biel aufgenommen worden, womit im Zeitpunkt <strong>der</strong> Inventarisierung bereits<br />

eine hohe denkmalpflegerische Bedeutung vermutet wurde. Ausserdem werde das<br />

Objekt im neuen Kunstführer durch die Schweiz als Spitzenobjekt gekennzeichnet <strong>und</strong> abgebildet.<br />

Der <strong>Kanton</strong> als Eigentümer sei in beson<strong>der</strong>s hohem Mass an die Aussagen des<br />

von ihm genehmigten Bauinventars geb<strong>und</strong>en. Als Eigentümer <strong>der</strong> zum Verwaltungsvermögen<br />

gehörenden Liegenschaft könne sich <strong>der</strong> <strong>Kanton</strong> we<strong>der</strong> auf die Eigentumsgarantie<br />

noch auf die negative Funktion des Bauinventars gemäss Art. 10e BauG berufen. Auch mit<br />

Blick auf die aus dem ISOS zu vermutende nationale Bedeutung des Schutzobjekts biete<br />

sich eine Beurteilung durch die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EKD) o<strong>der</strong><br />

die Eidgenössische Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzkommission (ENHK) an.<br />

4 Baugesetz vom 9. Juni 1985 (BauG; BSG 721)


4<br />

b) Der Beschwerdegegner ist <strong>der</strong> Ansicht, die Erwähnung einer Baute im Anhang des<br />

kantonalen Bauinventars habe keine rechtliche Bedeutung. Der <strong>Kanton</strong> <strong>Bern</strong> sei an die<br />

Rechtsfolgen des Inventars geb<strong>und</strong>en, so wie sich diese aus <strong>der</strong> Baugesetzgebung ergebe.<br />

Darüber hinaus bestünden keine weitergehenden Pflichten. Auch aus <strong>der</strong> Anmerkung<br />

im ISOS könne betreffend die Schutzwürdigkeit nichts abgeleitet werden. Es bestehe we<strong>der</strong><br />

eine Einreihung in einer Aufnahmekategorie, eine Qualifikation zur räumlichen Qualität,<br />

noch ein Hinweis auf die Bedeutung. Lediglich die Umgebungszone XXIX „Strandboden,<br />

öffentliche Grünzone“ sei als Objekt von nationaler Bedeutung im ISOS aufgenommen<br />

worden. Dies bedeute gemäss Art. 6 NHG 5 aber einzig, dass durch die Aufnahme dargetan<br />

werde, dass dieses Gebiet in beson<strong>der</strong>em Masse die ungeschmälerte Erhaltung, jedenfalls<br />

aber unter Einbezug von Wie<strong>der</strong>herstellungs- o<strong>der</strong> angemessenen Ersatzmassnahmen die<br />

grösstmögliche Schonung verdiene. Für die Schutzwürdigkeit <strong>der</strong> Schulanlage als Einzelobjekt<br />

lasse sich daraus nichts ableiten. Zur Beurteilung <strong>der</strong> Schutzwürdigkeit durch einen<br />

verwaltungsunabhängigen, ausserkantonalen Denkmalpflegeexperten fehle eine gesetzliche<br />

Gr<strong>und</strong>lage. Überdies sei das Projekt bereits von Experten einer hoch qualifizierten<br />

Fachjury geprüft worden.<br />

c) Laut Art. 10a Abs. 1 BauG sind Baudenkmäler herausragende Objekte <strong>und</strong> Ensembles<br />

von kulturellem, historischem o<strong>der</strong> ästhetischem Wert. Dazu gehören namentlich<br />

Ortsbil<strong>der</strong>, Baugruppen, Bauten, Gärten, Anlagen, innere Bauteile, Raumstrukturen <strong>und</strong><br />

feste Ausstattungen. Baudenkmäler sind schützenswert, wenn sie wegen ihrer bedeutenden<br />

architektonischen Qualität o<strong>der</strong> ihrer ausgeprägten Eigenschaften ungeschmälert bewahrt<br />

werden sollen. Sie sind erhaltenswert, wenn sie wegen ihrer ansprechenden architektonischen<br />

Qualität o<strong>der</strong> ihrer charakteristischen Eigenschaften geschont werden sollen<br />

(Art. 10a Abs. 2 <strong>und</strong> 3 BauG). Art. 10b BauG bestimmt in Abs. 2 <strong>und</strong> 3 die Rechtsfolgen<br />

<strong>der</strong> unterschiedlichen Einstufung in schützenswert <strong>und</strong> erhaltenswert. Der Schutz von<br />

Art. 10b BauG setzt allerdings die Aufnahme des Objekts in ein Bauinventar voraus<br />

(Art. 10e BauG). Dies hält Art. 13c Abs. 3 BauV 6 ausdrücklich so fest: „Was nicht im Inventar<br />

ist, auf das kann <strong>der</strong> <strong>bau</strong>rechtliche Schutzgedanke nicht angewendet werden.“ 7 Den<br />

5 B<strong>und</strong>esgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz (NHG; SR 451)<br />

6 Bauverordnung vom 6. März 1985 (BauV; BSG 721.1)<br />

7 Vgl. Jürg Schweizer in: KPG-Bulletin 2002 S. 159 f.


5<br />

Bauinventaren kommt somit eine sog. „negative Wirkung“ zu (Art. 13c Abs. 3 BauV). 8 Ist<br />

demnach ein Bauinventar nach Art. 10d BauG erlassen, gelten alle Objekte, die nicht in ein<br />

Bauinventar aufgenommen worden sind, nicht als Baudenkmal. Nach <strong>der</strong> Inventarisierung<br />

ist es gr<strong>und</strong>sätzlich nicht mehr möglich, in einem Baubewilligungsverfahren zur Verän<strong>der</strong>ung<br />

o<strong>der</strong> zum Abbruch des nicht inventarisierten Gebäudes, geltend zu machen, es handle<br />

sich um ein Baudenkmal im <strong>bau</strong>rechtlichen Sinn (Art. 13c Abs. 3 BauV). 9 Vorbehalten<br />

sind Entdeckungen (Art. 10e Abs. 3 BauG) sowie Ergänzungen o<strong>der</strong> Anpassungen des<br />

Bauinventars, wenn sie im Rahmen einer Gesamtrevision des Inventars o<strong>der</strong> (als Einzelrevision)<br />

mehr als sechs Monate vor dem Einreichen eines Baugesuchs erfolgt sind (Art. 10e<br />

Abs. 2 BauG). 10 Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung für Bauwillige Rechtssicherheit<br />

schaffen <strong>und</strong> eine rechtsgleiche Behandlung innerhalb des untersuchten Baubestands<br />

gewährleisten. 11 Es soll bei Projektierungsbeginn eines Vorhabens Klarheit bestehen, ob<br />

das betreffende Objekt als schützenswert o<strong>der</strong> erhaltenswert eingestuft ist. Aufwändige<br />

<strong>und</strong> unnütze Planungen können so vermieden werden.<br />

d) Es ist unbestritten, dass die Stadt Biel ein kantonales Bauinventar nach<br />

Art. 10d Abs. 1 Bst. a BauG erlassen hat. Das Gymnasium Strandboden ist nur im Anhang<br />

des Bauinventars <strong>der</strong> Stadt Biel aufgeführt. Die fraglichen Objekte sind we<strong>der</strong> bewertet, einer<br />

Baugruppe zugeordnet, noch als „K-Objekte“ bezeichnet worden <strong>und</strong> fallen nicht unter<br />

den Schutz von Art. 10b BauG. Ob ein Objekt denkmalpflegerisch von Bedeutung ist o<strong>der</strong><br />

nicht, ist nach dem Willen des Gesetzgebers im Bauinventar, das periodisch nachzuführen<br />

ist, zu bestimmen (Art. 13d BauV). Die Beurteilung <strong>der</strong> Schutzwürdigkeit <strong>der</strong> Bauten im<br />

Baubewilligungs- <strong>und</strong> Beschwerdeverfahren setzt voraus, dass die fraglichen Bauten vorgängig<br />

in einem qualifizierten Verfahren als schützens- o<strong>der</strong> erhaltenswerte Bauten im<br />

Sinn von Art. 10b BauG bezeichnet wurden. Diese Voraussetzung ist mit <strong>der</strong> Erwähnung<br />

im Anhang des Bauinventars <strong>der</strong> Stadt Biel offensichtlich nicht erfüllt. Die Aufnahme von<br />

Bauten im Anhang des Bauinventars hat nach <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> BVE keine rechtliche Wirkung.<br />

12 Es handelt sich dabei um Neu<strong>bau</strong>objekte, die nach Erreichen eines Alters von<br />

8 Vgl. zum Ganzen Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong>, 3. Aufl., Band I,<br />

<strong>Bern</strong> 2007, Art. 10a-10f N. 10 ff ; Walter Engeler, Das Baudenkmal im schweizerischen Recht, Untersuchungen<br />

zum materiellen Baudenkmalbegriff <strong>und</strong> dem Verfahren <strong>der</strong> Unterschutzstellung, Diss. St. Galllen 2008, S. 283<br />

9 Vgl. zum Ganzen Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong>, 3. Aufl., Band I,<br />

<strong>Bern</strong> 2007, Art. 10a-10f N. 10 ff<br />

10 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong>, 3. Aufl., Band I, <strong>Bern</strong> 2007,<br />

Art. 10a-10f N. 11<br />

11 Vgl. Tagblatt des Grossen Rates 1999 / Heft 3, Beilage Nr. 12, Erläuterungen zu Art. 10e, S. 19<br />

12 Vgl. dazu RA Nr. 110/2002/36 vom 8. Juli 2003, i.S. P. AG


6<br />

30 Jahren möglicherweise anlässlich einer Revision ins Bauinventar aufgenommen werden<br />

könnten. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung bewusst in Kauf genommen, dass Objekte,<br />

die im Bauinventar nicht bewertet worden sind, vor Beeinträchtigungen nicht geschützt<br />

sind. Das BauG schreibt vor, dass die Bauinventare periodisch nachzuführen sind.<br />

Die Nachführungen <strong>der</strong> Bauinventare dürften mit <strong>der</strong> generellen Revision <strong>der</strong> Zonenpläne,<br />

die die Gemeinden in <strong>der</strong> Regel alle 15 Jahre vornehmen, zusammenfallen. Falls es aus<br />

denkmalpflegerischen Gründen angezeigt ist, können Bauinventare auch einzelfallweise<br />

ergänzt werden (Art. 10e Abs. 2 BauG). 13 Allfällige zeitliche Lücken im kantonalen Inventarisierungsprozess<br />

lassen sich mit diesem Konzept ohne Weiteres vermeiden. Zu Recht<br />

machen die Beschwerdeführer hier nicht geltend, bei den umstrittenen Schul<strong>bau</strong>ten handle<br />

es sich um Entdeckungen im Sinn von Art. 10f BauG, die nicht rechtzeitig in einem Nachtrag<br />

des Bauinventars erfasst werden konnten (Art. 13c Abs. 3 BauV). Nach dem Gesagten<br />

vereiteln – an<strong>der</strong>s als die Beschwerdeführer meinen – we<strong>der</strong> das Bau- noch das Denkmalpflegegesetz<br />

(DPG) 14 den <strong>bau</strong>rechtlichen Schutz neuerer Bauten. Auch die im Wettbewerbsprogramm<br />

enthaltene Würdigung des kantonalen Denkmalpflegers, das Gymnasium<br />

Strandboden sei eine wirkungsvoll austarierte Schulanlage von beeindrucken<strong>der</strong> Eleganz<br />

in Bezug auf landschaftliche Implantation, architektonisches Konzept <strong>und</strong> Fassadengestaltung<br />

– zweifellos ein schützenswertes Baudenkmal im Sinne <strong>der</strong> Baugesetzgebung –, än<strong>der</strong>t<br />

nichts daran, dass die Bauten im Inventar <strong>der</strong> Stadt Biel nicht eingestuft wurden.<br />

Unzutreffend ist zudem die Argumentation, wonach die Verfahrensvorschriften von Art. 10e<br />

BauG <strong>und</strong> <strong>der</strong>en rechtliche Wirkung für Bauten im Eigentum des Gemeinwesens nicht greifen<br />

sollen. Unbewegliche Objekte mit Denkmalrang unterliegen unabhängig davon, ob sie<br />

sich in öffentlichem o<strong>der</strong> privatem Eigentum befinden, alle <strong>der</strong> Inventarisierungspflicht. 15<br />

Für Baudenkmäler im öffentlichen Eigentum galt die Inventaraufnahme überdies bereits<br />

nach dem Kunstaltertümergesetz von 1902 16 . Zudem ist hier <strong>der</strong> <strong>Kanton</strong> <strong>Bern</strong> als Gr<strong>und</strong>eigentümer<br />

<strong>und</strong> Bauherr – an<strong>der</strong>s als die Beschwerdeführer meinen – wie eine Privatperson<br />

betroffen. 17 Die verwaltungsrechtliche Qualifikation des betroffenen Vermögens ist dabei<br />

13 Christophe Cueni in: KPG-Bulletin, 2002 S. 145<br />

14 Gesetz vom 8. September 1999 über die Denkmalpflege (Denkmalpflegegesetz, DPG; BSG 426.41)<br />

15 Tagblatt des Grossen Rates 1999 / Heft 3, Beilage Nr. 12, Erläuterungen zu Art. 10d, S. 19; vgl. auch Walter<br />

Engeler, Das Baudenkmal im schweizerischen Recht, Untersuchungen zum materiellen Baudenkmalbegriff <strong>und</strong><br />

dem Verfahren <strong>der</strong> Unterschutzstellung, Diss. St. Galllen 2008, S. 267<br />

16 Vgl. § 1 des Gesetzes über die Erhaltung <strong>der</strong> Kunstaltertümer <strong>und</strong> Urk<strong>und</strong>en, angenommen in <strong>der</strong> Volksabstimmung<br />

vom 16. März 1902<br />

17 BGer 1P.270/2005 vom 26.9.2005, E. 1.1; VGE 22935 vom 28.11.2007, E. 3; Merkli/Aeschlimann/Herzog,<br />

Kommentar zum bernischen VRPG, 1997, Art. 104 N. 15


7<br />

nicht <strong>entscheid</strong>end. 18 Der <strong>Kanton</strong> kann sich somit gleich wie Privatpersonen auf die negative<br />

Rechtswirkung des Bauinventars <strong>und</strong> die Eigentumsgarantie berufen <strong>und</strong> verlassen.<br />

Fälle, wo die negative Rechtswirkung <strong>der</strong> Bauinventare nicht zum Tragen kommt, hat <strong>der</strong><br />

kantonale Gesetzgeber ausdrücklich für die Entdeckungen vorgesehen (Art. 10f BauG).<br />

Weitere Ausnahmefälle sind nicht vorgesehen. Zu Recht bringen die Beschwerdeführer<br />

nicht vor, es bestehe im Bau- o<strong>der</strong> Denkmalpflegegesetz eine Vorschrift, die vorsehe, dass<br />

die „Negativwirkung“ des Bauinventars für Objekte im Eigentum des Gemeinwesens nicht<br />

gelte. Schliesslich sind im vorliegenden Fall auch im Gr<strong>und</strong>buch <strong>der</strong> betroffenen Gr<strong>und</strong>stücke<br />

keine Schutzmassnahmen nach DPG im Sinn von öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen<br />

angemerkt worden (vgl. Art. 18 DPG).<br />

e) Das Gymnasium Strandboden ist auch im ISOS nicht als schützenswertes Einzelelement<br />

aufgeführt. Das ISOS weist unter <strong>der</strong> Nr. 0.0.105 19 lediglich auf die fraglichen<br />

Schul<strong>bau</strong>ten hin. Die Schul<strong>bau</strong>ten sind keiner spezifischen Aufnahmekategorie zugeordnet<br />

<strong>und</strong> es wurden für sie we<strong>der</strong> Erhaltungsziele noch Schutzmassnahmen im ISOS festgelegt.<br />

Zwar befindet sich die Schulanlage in <strong>der</strong> im ISOS verzeichneten Umgebungszone XXIX<br />

„Strandboden, öffentliche Grünzone“. 20 Zu Recht weist <strong>der</strong> Beschwerdegegner darauf hin,<br />

dass damit für die Schutzwürdigkeit <strong>der</strong> Schulanlage als Einzelobjekt nichts abgeleitet werden<br />

kann. Mit dem geplanten Sanierungsvorhaben bleiben die gestalterischen Merkmale<br />

des Gymnasiums erhalten (vgl. nachfolgend Erwägung 4). Die geschützte Umgebungszone<br />

wird somit nicht tangiert. Der Schutz von Art. 6 NHG, wonach ein inventarisiertes Objekt<br />

in beson<strong>der</strong>em Masse die ungeschmälerte Erhaltung, jedenfalls aber unter Einbezug von<br />

Wie<strong>der</strong>herstellungs- o<strong>der</strong> angemessenen Ersatzmassnahmen die grösstmögliche Schonung<br />

verdient, greift somit nicht. Ferner ist das ISOS aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> b<strong>und</strong>esstaatlichen Kompetenzausscheidung<br />

im Bereich des Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzes <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> ausdrücklichen<br />

Vorschrift von Art. 6 Abs. 2 NHG nur bei <strong>der</strong> Erfüllung von B<strong>und</strong>esaufgaben unmittelbar<br />

verbindlich. Die Verweigerung einer Baubewilligung nach kantonalem Recht ist keine<br />

Erfüllung einer B<strong>und</strong>esaufgabe. 21 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist hier auch eine Begutachtung<br />

durch die EKD o<strong>der</strong> ENHK nicht erfor<strong>der</strong>lich (Art. 7 Abs. 2 NHG). 22 Der Beweisantrag ist<br />

abzuweisen.<br />

18 Vgl. Jörg Paul Müller, Gr<strong>und</strong>rechte in <strong>der</strong> Schweiz, 1999, S. 605;<br />

19 Vgl. ISOS S. 68<br />

20 ISOS S. 68<br />

21 Vgl. dazu URP 2005, S. 680 E. 3a; vgl. auch<br />

22 Leimbacher, Kommentar NHG, Zürich 1997, Art. 6 N. 4


8<br />

f) Zusammenfassend steht somit fest, dass die Beurteilung <strong>der</strong> Schutzwürdigkeit <strong>der</strong><br />

fraglichen Bauten im Beschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden kann. Bauten, die im<br />

kantonalen Bauinventar nicht als schützens- o<strong>der</strong> erhaltenswert aufgenommen sind, wozu<br />

auch die fraglichen Bauten gehören, können nach <strong>der</strong> Konzeption des Gesetzgebers im<br />

Baubewilligungs- <strong>und</strong> Beschwerdeverfahren nicht im Nachhinein als Schutzobjekte im Sinn<br />

von Art. 10b BauG bezeichnet werden (sog. negative Wirkung <strong>der</strong> Bauinventare). Hingegen<br />

kann <strong>der</strong> Eigentümer o<strong>der</strong> die Eigentümerin des Objekts im Baubewilligungsverfahren<br />

die Schutzmöglichkeit noch bestreiten, da diese Möglichkeit im Inventarisierungsverfahren<br />

nur erstinstanzlich bestanden hat. 23 Gleich wie Privatpersonen kann sich <strong>der</strong> <strong>Kanton</strong> auf<br />

die negative Rechtswirkung des Bauinventars <strong>und</strong> die Eigentumsgarantie berufen. Der<br />

Beweisantrag, ein verwaltungsunabhängiges Denkmalpflegegutachten eines ausserkantonalen<br />

Experten bzw. <strong>der</strong> EKD-ENHK einzuholen, ist mangels gesetzlicher Gr<strong>und</strong>lage abzuweisen.<br />

Da die <strong>bau</strong>rechtlichen Schutzbestimmungen von Art. 10a <strong>und</strong> Art. 10b BauG<br />

nicht zum Tragen kommen, braucht die Schutzwürdigkeit <strong>der</strong> Bauten nicht näher abgeklärt<br />

zu werden. Zusätzliche Gutachten <strong>und</strong> Expertisen sind im vorliegenden Fall nicht erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Auch die Hinweise im ISOS <strong>und</strong> neuen Kunstführer durch die Schweiz rechtfertigen<br />

nicht, die Schul<strong>bau</strong>ten im Baubewilligungs- <strong>und</strong> Beschwerdeverfahren statt im Inventarverfahren<br />

behördenverbindlich unter Schutz zu stellen.<br />

Zu berücksichtigen ist hier auch, dass das AGG gemäss den vorliegenden Akten vor Baueingabe<br />

für die geplante Fassadengestaltung aus eigenem Anlass einen vom SIA genehmigten<br />

Projektwettbewerb durchgeführt hat. 24 Den Wettbewerbsunterlagen kann entnommen<br />

werden, dass die Jury <strong>der</strong> Fassadenkonstruktion das Hauptgewicht beigemessen<br />

hat. 25 Sie hat an die architektonische Gestaltung <strong>der</strong> Fassade hohe Anfor<strong>der</strong>ungen gestellt<br />

<strong>und</strong> damit – an<strong>der</strong>s als die Beschwerdeführer behaupten – auch denkmalpflegerische Anliegen<br />

mitberücksichtigt. Weitere Gutachten <strong>und</strong> Expertisen sind auch aus diesem Gr<strong>und</strong><br />

unnötig. Der rechtserhebliche Sachverhalt ist genügend abgeklärt. Der Einwand <strong>der</strong> Beschwerdeführer,<br />

die Vorinstanz habe die Verpflichtung zur vollständigen Abklärung <strong>und</strong><br />

Würdigung des rechtserheblichen Sachverhalts verletzt, geht damit fehl. Im vorliegenden<br />

Fall kann auch auf die beantragte Durchführung eines Augenscheins verzichtet werden.<br />

23 Vgl. Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong>, 3. Aufl., Band I, <strong>Bern</strong> 2007,<br />

Art. 10a-10f N. 11<br />

24 Vgl. Beilage 6 <strong>der</strong> Beschwerdegegnerin<br />

25 Vgl. Wettbewerbsprogramm vom 30. Juni 2005, S. 18, unter Anfor<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Beilage 7 sowie Bericht<br />

<strong>der</strong> Jury zur Überarbeitung vom 3. Mai. 2006, S. 6 ff. <strong>der</strong> Beilage 13 des Beschwerdegegners


9<br />

Die vorhandenen Akten, Pläne, Beschreibungen <strong>und</strong> Wettbewerbsunterlagen vermitteln ein<br />

anschauliches Bild <strong>der</strong> Situation. Der diesbezügliche Beweisantrag ist abzuweisen.<br />

3. Selbstbindung des Gemeinwesens<br />

a) Die Beschwerdeführer bringen vor, <strong>der</strong> angefochtene Entscheid verletze das Verbot<br />

des wi<strong>der</strong>sprüchlichen Verhaltens. Dem Amt für Gebäude <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücke (AGG) sei die<br />

Schutzwürdigkeit <strong>der</strong> Anlage seit 2003 bekannt. Der <strong>Kanton</strong> sei als Bauherr aufgr<strong>und</strong> eines<br />

allgemeinen, in Art. 78 BV, Art. 3 NHG <strong>und</strong> Art. 5 DPG verankerten Rechtsgr<strong>und</strong>satzes im<br />

Sinn <strong>der</strong> Selbstbindung des Gesetzgebers verpflichtet, Denkmäler zu erhalten <strong>und</strong>, wo das<br />

öffentliche Interesse an ihnen überwiegt, diese zu schützen. Die Selbstbindung des Gesetzgebers<br />

an das Gebot <strong>der</strong> grösstmöglichen Schonung von Baudenkmälern sei hier verletzt.<br />

Das AGG müsse sich vorhalten lassen, dass es von Anfang an hinsichtlich <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />

Schutzwürdigkeit im Sinne <strong>der</strong> Baugesetzgebung über die genau gleichen Informationen<br />

verfügte, wie wenn eine Inventarisierung des Gymnasiums erfolgt wäre. Der Einwand,<br />

<strong>der</strong> Schutz als Baudenkmal sei dem Gymnasium Strandboden mangels Inventarisierung<br />

versagt, verstosse im konkreten Einzelfall auch gegen das Verbot wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />

Verhaltens <strong>und</strong> verletze das Gebot <strong>der</strong> grösstmöglichen Schonung von Baudenkmälern.<br />

Das AGG habe sich zugunsten <strong>der</strong> Öffenbarkeit <strong>der</strong> Fenster ohne objektive Notwendigkeit<br />

bewusst über die ihm bekannte denkmalpflegerische Qualifikation <strong>der</strong> Baute hinweggesetzt.<br />

b) Der Beschwerdeführer bemerkt, die Vorschriften des kantonalen Baugesetzes betreffend<br />

die Baudenkmäler seien nicht anwendbar. Dennoch seien die Gr<strong>und</strong>sätze <strong>der</strong> Denkmalpflege<br />

zu Sanierungsvorhaben so weit wie möglich beachtet worden. Mit dem Projektwettbewerb<br />

seien hinreichend günstige Voraussetzungen für den respektvollen <strong>und</strong><br />

zweckmässigen Umgang mit <strong>der</strong> Schulanlage des Architekten Max Schlup geschaffen<br />

worden. Er habe sich auch an die nicht rechtsverbindlichen Vorgaben gehalten, welche im<br />

Vorwort zum Anhang im Bauinventar wie folgt umschrieben seien:<br />

„An Renovationen, Verän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> Ergänzungen sind hohe Qualitätsanfor<strong>der</strong>ungen zu stellen, <strong>und</strong> sie<br />

bedürfen sorgfältiger Abklärungen unter Einbezug fachlicher Beratung.“<br />

Diese Vorgaben seien durch den Projektwettbewerb <strong>und</strong> das auserwählte Projekt eingehalten.<br />

Sofern <strong>der</strong> Gesetzgeber gewollt hätte, dass <strong>der</strong> <strong>Kanton</strong> gegenüber sämtlichen Bauten,<br />

welche er sanieren will, die Vorschriften über die Baudenkmäler anzuwenden hat, hätte


10<br />

dies im Gesetz so vorgesehen werden müssen. Art. 5 Abs. 2 DPG <strong>und</strong> Art. 3 NHG würden<br />

voraussetzen, dass es sich um ein inventarisiertes Baudenkmal bzw. ein inventarisiertes<br />

Objekt von nationaler Bedeutung handle. Der Beschwerdegegner sei – wie je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Bauherr auch – erst dann an seine Gesetzgebung geb<strong>und</strong>en, wenn die Bauobjekte in einem<br />

Inventar aufgenommen worden sind. Die Selbstbindung des Gesetzgebers könne hier<br />

nicht zulasten des Beschwerdegegners ausgelegt werden. Indem er sich auf die fehlende<br />

Schutzwürdigkeit berufe, handle er im Sinn des Gesetzes. Gegen das Gebot des wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />

Verhaltens verstosse er nicht.<br />

c) Die Beschwerdeführer übersehen, dass Art. 5 Abs. 2 DPG erst zum Tragen kommt,<br />

wenn vorweg entschieden ist, ob einem Objekt überhaupt Denkmalrang im Sinn von<br />

Art. 2 DPG zukommt. 26 Nach den Materialien bezwecken die Bauinventare, jene unbeweglichen<br />

Denkmäler zu erfassen, denen die Eigenschaft eines Denkmals im Sinn von<br />

Art. 2 DPG zukommt. 27 Damit wird eine Triage <strong>der</strong> denkmalwürdigen Objekte vorgenommen.<br />

Da die fraglichen Schulgebäude nicht inventarisiert sind, berufen sich die Beschwerdeführer<br />

vergeblich auf Art. 5 DPG. An<strong>der</strong>s als nach dem Planungs- <strong>und</strong> Baugesetz des<br />

<strong>Kanton</strong>s Zürich 28 entfaltet Art. 5 DPG seine rechtliche Wirkung erst, wenn ein Gebäude<br />

formell ein Schutzobjekt darstellt. Zudem berufen sich die Beschwerdeführer auch vergeblich<br />

auf Art. 78 Abs. 2 BV. Der Anwendungsbereich von Art. 78 Abs. 2 BV ist ausschliesslich<br />

auf die Erfüllung von B<strong>und</strong>esaufgaben beschränkt. 29 Im vorliegenden Fall wird eine<br />

Baubewilligung nach kantonalem Recht erteilt, um eine Schulanlage bereitzustellen. Es<br />

handelt sich dabei offensichtlich um die Erfüllung kantonaler Aufgaben. Für das Schulwesen<br />

(Art. 62 Abs. 1 BV) <strong>und</strong> die Erteilung von Baubewilligungen sind die <strong>Kanton</strong>e zuständig.<br />

Schliesslich vermögen die Beschwerdeführer auch aus Art. 3 NHG nichts zu ihren<br />

Gunsten abzuleiten. Der Anwendungsbereich von Art. 3 NHG ist ebenfalls auf die Erfüllung<br />

von B<strong>und</strong>esaufgaben beschränkt. 30 Art. 3 NHG bestimmt, dass <strong>der</strong> B<strong>und</strong>, seine Anstalten<br />

<strong>und</strong> Betriebe sowie die <strong>Kanton</strong>e bei <strong>der</strong> Erfüllung von B<strong>und</strong>esaufgaben dafür sorgen, dass<br />

das heimatliche Landschafts- <strong>und</strong> Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- <strong>und</strong> Kultur-<br />

26 Tagblatt des Grossen Rates 1999 / Heft 3, Beilage Nr. 12, Erläuterungen zu Art. 5, S. 9<br />

27 Tagblatt des Grossen Rates 1999 / Heft 3, Beilage Nr. 12, Erläuterungen zu Art. 10d, S. 19<br />

28 Vgl. § 204 des Planungs- <strong>und</strong> Baugesetzes des <strong>Kanton</strong>s Zürich i.V.m. § 1 <strong>der</strong> Verordnung vom 20. Juli 1977<br />

über den Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz <strong>und</strong> über kommunale Erholungsflächen (Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzverordnung)<br />

29 Vgl. Ehrenzeller, St. Galler Kommentar zur Schweizerischen B<strong>und</strong>esverfassung, 2. Aufl., 2008, Art. 78 N 6;<br />

Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, 2004, N. 561 ff.; Nina Dajcar, Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzinventare des B<strong>und</strong>es,<br />

Diss. Zürich 2011, S. 38 ff.<br />

30 Favre, Kommentar NHG, Zürich 1997, Art. 3 N. 6


11<br />

denkmäler geschont werden <strong>und</strong>, wo das allgemeine Interesse an ihnen überwiegt, ungeschmälert<br />

erhalten bleiben (Abs. 1). Sie erfüllen diese Pflicht u.a., indem sie Konzessionen<br />

<strong>und</strong> Bewilligungen nur unter Bedingungen o<strong>der</strong> Auflagen erteilen o<strong>der</strong> aber verweigern<br />

(Art. 2 Bst. b). Diese Pflicht gilt unabhängig von <strong>der</strong> Bedeutung des Objektes im Sinn von<br />

Art. 4 NHG; eine Massnahme darf jedoch nicht weitergehen, als es <strong>der</strong> Schutz des Objektes<br />

<strong>und</strong> seiner Umgebung erfor<strong>der</strong>t (Abs. 3). Selbst wenn hier Art. 5 DPG zum Tragen käme,<br />

stünde das Sanierungsprojekt – wie aus den Erwägungen 4 <strong>und</strong> 5 hervorgeht – in Einklang<br />

mit dem generellen Schonungs- <strong>und</strong> Erhaltungsgebot.<br />

d) Unbegründet ist schliesslich die Argumentation, <strong>der</strong> angefochtene Entscheid verletze<br />

das Verbot wi<strong>der</strong>sprüchlichen Verhaltens. Als Verbot wi<strong>der</strong>sprüchlichen Verhaltens <strong>und</strong><br />

des Rechtsmissbrauchs untersagt <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>satz von Treu <strong>und</strong> Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV)<br />

sowohl den Behörden wie auch den Privaten, sich in ihren öffentlichrechtlichen Rechtsbeziehungen<br />

wi<strong>der</strong>sprüchlich o<strong>der</strong> rechtsmissbräuchlich zu verhalten. Er gebietet staatlichen<br />

Organen <strong>und</strong> Privaten ein loyales <strong>und</strong> vertrauenswürdiges Verhalten im Rechtsverkehr. 31<br />

Ein behördeverbindliches Inventarverfahren, in welchem die Schutzwürdigkeit von Baudenkmälern<br />

bestimmt wird, wurde im vorliegenden Fall nicht durchgeführt. Dennoch hat <strong>der</strong><br />

Beschwerdegegner im Wissen um die hohe architektonische Qualität des Gymnasiums<br />

Strandboden vor <strong>der</strong> Baueingabe einen Projektwettbewerb lanciert. Im Wettbewerbsprogramm<br />

wurde die Anfor<strong>der</strong>ung aufgenommen, dass das Sanierungsprojekt die hohe architektonische<br />

Qualität <strong>der</strong> bestehenden Schlup-Bauten zu respektieren hat. 32 Der kantonale<br />

Denkmalpfleger war im Wettbewerbsverfahren Mitglied <strong>der</strong> Jury. Die <strong>Kanton</strong>ale Denkmalpflege,<br />

die im Baubewilligungsverfahren als Fachbehörde beigezogen wurde, hat das umstrittene<br />

Sanierungsprojekt gutgeheissen. 33 Von einem wi<strong>der</strong>sprüchlichen Verhalten des<br />

AGG kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Die Behauptung, dass die Denkmalpflege<br />

ausgetrickst wurde <strong>und</strong> kantonsintern unter Druck stand, ist we<strong>der</strong> belegt, noch<br />

wurde dies in <strong>der</strong> Stellungnahme <strong>der</strong> Denkmalpflege vom 10. Juni 2011 bestätigt. Zu berücksichtigen<br />

ist schliesslich, dass sich <strong>der</strong> Beschwerdegegner nach Art. 89 Abs. 1 BV im<br />

Rahmen seiner Zuständigkeiten auch für einen sparsamen <strong>und</strong> rationellen Energieverbrauch<br />

einzusetzen hat. Am Energiesparen <strong>und</strong> <strong>der</strong> zweckmässigen <strong>und</strong> effizienten<br />

Nutzung <strong>der</strong> Energie besteht ein grosses öffentliches Interesse. Dass <strong>der</strong> <strong>Kanton</strong> <strong>und</strong> Ge-<br />

31 Vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2002, N. 623 ff<br />

32 Vgl. Wettbewerbsprogramm vom 30. Juni 2005, S. 18, unter Anfor<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Beilage 7<br />

33 Vgl. Fachbericht vom 10. September 2010, pag. 99 <strong>der</strong> Akten des Regierungsstatthalteramts Biel/Bienne


12<br />

meinden als Gebäudeeigentümer im Energiebereich eine Vorbildfunktion haben, schreibt<br />

das geltende Energiegesetz 34 ausdrücklich vor. Mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung, wonach das umstrittene<br />

Projekt nach dem Minergie-Standard zu sanieren ist, setzt <strong>der</strong> Beschwerdegegner verfassungsrechtliche<br />

<strong>und</strong> kantonale Vorgaben folgerichtig um. Das revidierte kantonale Energiegesetz<br />

(KEnG), das am 1.1.2012 in Kraft tritt, sieht zudem vor, dass die Minimalanfor<strong>der</strong>ungen<br />

an die Energienutzung bei kantonalen Gebäuden erhöht werden. 35 Danach soll bei<br />

Gesamtrenovationen <strong>der</strong> Minergie-Standard <strong>und</strong> bei Neu<strong>bau</strong>ten sogar <strong>der</strong> Energiewert des<br />

Minergie-P-Standards gelten. 36 Die Beschwerde erweist sich demnach in diesem Punkt als<br />

nicht stichhaltig.<br />

4. Schonungs- <strong>und</strong> Erhaltungsgebot<br />

a) Nach dem Gesagten sind hier die Schutzvorschriften des BauG betreffend die Baudenkmäler<br />

nicht anwendbar (vgl. Erwägung 2). Eine Pflicht zur integralen Erhaltung <strong>der</strong><br />

Schul<strong>bau</strong>ten bzw. <strong>der</strong> Erhaltung <strong>der</strong> unbestritten sanierungsbedürftigen Fassadenkonstruktion<br />

besteht nicht. Auch wenn hier das in Art. 5 Abs. 2 DPG verankerte Schonungs- <strong>und</strong><br />

Erhaltungsgebot zum Tragen käme, wäre es im vorliegenden Fall nicht verletzt. Das Schonungs-<br />

<strong>und</strong> Erhaltungsgebot ist ein gr<strong>und</strong>sätzlicher Appell. Es überschneidet sich in seiner<br />

Zielsetzung mit dem allgemeinen Orts- <strong>und</strong> Landschaftsschutz. 37<br />

b) Das Sanierungsprojekt sieht vor, die bestehende Fassadenkonstruktion so zu erneuern,<br />

dass die funktionalen, technischen, energietechnischen, sicherheitsmässigen <strong>und</strong> klimatischen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen erfüllt werden. Im Wettbewerbsverfahren wurde <strong>der</strong> aus 22 Projekten<br />

ausgewählte Lösungsvorschlag unter <strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong> Jury einer zweimaligen intensiven<br />

Überarbeitung unterzogen. 38 Die Visualisierung des umstrittenen Projekts zeigt anschaulich,<br />

dass mit <strong>der</strong> gewählten Fassadenkonstruktion die äussere Erscheinung <strong>der</strong> be-<br />

34 Art. 22 Abs. 1 Energiegesetz vom 26. Juni 1998 (EnG; SR 730.0)<br />

35<br />

Art. 52 KEnG in <strong>der</strong> Fassung des Volksvorschlags vom 15. Mai 2011 (vgl.<br />

http://www.bve.be.ch/bve/de/index/direktion/organisation/ra/rechtliche_gr<strong>und</strong>lagen/kantonales_energiegesetz.ht<br />

ml (besucht am 11. Juli 2011)<br />

36<br />

Vgl. Art. 53 Abs. 3 KEnG des Vortrages zum <strong>Kanton</strong>alen Energiegesetz<br />

(http://www.bve.be.ch/bve/de/index/direktion/organisation/ra/rechtliche_gr<strong>und</strong>lagen/kantonales_energiegesetz.a<br />

ssetref/content/dam/documents/BVE/RA/de/ra_vortrag_keng_gruene_vorlage_d_als_pdf.pdf (besucht am<br />

11. Juli 2011)<br />

37 Walter Engeler, Das Baudenkmal im schweizerischen Recht, Untersuchungen zum materiellen Baudenkmalbegriff<br />

<strong>und</strong> dem Verfahren <strong>der</strong> Unterschutzstellung, Diss. St. Galllen 2008, S. 159 f.<br />

38 Vgl. Beilagen 7 bis 13 des Beschwerdegegners


13<br />

stehenden Bauten im Wesentlichen erhalten bleibt. 39 Durch die grossflächige Verglasung,<br />

den feinen Vertikalrippen <strong>und</strong> den sorgfältig ausgearbeiteten Ecken 40 treten die Schultrakte<br />

nach wie vor sehr zurückhaltend in Erscheinung. Die Hauptmerkmale <strong>der</strong> architektonischen<br />

Gestaltung, namentlich die pavillonartige Architektur <strong>der</strong> Schulgebäude mit dem zurückversetzten,<br />

transparenten Erdgeschoss, das Zusammenfassen <strong>der</strong> zwei Obergeschosse mit<br />

<strong>der</strong> Vorhangfassade sowie die Farbgebung, bleiben mit dem Fassadenersatz gewahrt. Den<br />

Projektplänen kann zudem entnommen werden, dass insbeson<strong>der</strong>e auch an den Gebäudevolumen<br />

nichts verän<strong>der</strong>t wird. Der Kritik <strong>der</strong> Beschwerdeführer, die Dimensionen <strong>der</strong><br />

Attikageschosse zu verkleinern, wurde zudem entsprochen. Dem geplanten Sanierungsprojekt<br />

kommt mit <strong>der</strong> vorgesehenen Gestaltung im Kontext seiner Umgebung nach wie vor<br />

ein gewisser Situationswert zu. Auch die Innenraumkonzeption mit den charakteristischen<br />

offenen Hallen, Treppenanlagen <strong>und</strong> Erschliessungszonen bleibt erhalten. Zwar werden im<br />

Trakt des französischen Gymnasiums die Gangzonen im ersten <strong>und</strong> zweiten Obergeschoss<br />

aus Gründen des Brandschutzes mit Trennwänden abgetrennt. Die Trennwände<br />

sind allerdings aus Glas, womit die optische Leichtigkeit des Innenraums auch mit den<br />

neuen Trennwänden erhalten bleibt. Damit wurde den denkmalpflegerischen Anliegen genügend<br />

Rechnung getragen. Von einer Verletzung des generellen Schonungs- <strong>und</strong> Erhaltungsgebots<br />

kann nicht gesprochen werden. Die von den Beschwerdeführenden erwähnten<br />

Sanierungsbeispiele vermögen daran nichts zu än<strong>der</strong>n.<br />

5. Überwiegende öffentliche Interessen<br />

a) Wenn das Schonungs- <strong>und</strong> Erhaltungsgebot von Art. 5 Abs. 2 DPG zum Tragen käme,<br />

so müssten im Rahmen einer Gesamtinteressenabwägung die Interessen an <strong>der</strong> Erhaltung<br />

<strong>der</strong> Originalfassaden den Interessen an <strong>der</strong> Sanierung gegenüber gestellt werden.<br />

Im vorliegenden Fall würden die Interessen am Sanierungsprojekt die Interessen am Erhalt<br />

<strong>der</strong> Originalfassade überwiegen.<br />

b) Mit dem geplanten Ersatz <strong>der</strong> Fassade, dem aussenliegenden Sonnenschutz <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Dreifach-Isolierverglasung können <strong>der</strong> Minergiestandard <strong>und</strong> die Anfor<strong>der</strong>ungen an den<br />

39 Vgl. Beilage 14 des Beschwerdegegners<br />

40 Vgl. Projektplan Längs- <strong>und</strong> Querschnitt (Massstab 1:200) <strong>und</strong> Konstruktionsdetails (Massstab 1:10) vom<br />

30. Juni 2010


14<br />

winterlichen <strong>und</strong> sommerlichen Wärmeschutz eingehalten werden. 41 An<strong>der</strong>s als die Beschwerdeführenden<br />

argumentieren, wird bei <strong>der</strong> vorgesehenen energietechnischen Sanierung<br />

<strong>der</strong> Schwerpunkt nicht bloss auf die Isolationswerte (Dämmung <strong>der</strong> Gebäudehülle)<br />

gelegt. Im Gegenteil: Dem Minergiestandard liegt vielmehr das Konzept zugr<strong>und</strong>e, dass<br />

das ganze Gebäude als integrales System betrachtet wird (Gebäudehülle <strong>und</strong> Haustechnik).<br />

42 Der Minergiestandard verlangt, dass keine hohen sommerlichen Raumlufttemperaturen<br />

entstehen dürfen. Auch Art. 5 KEnV 43 schreibt einen sommerlichen Wärmeschutz nach<br />

dem Stand <strong>der</strong> Technik vor. Ein innerhalb <strong>der</strong> Räume liegen<strong>der</strong> Sonnenschutz lässt im<br />

Vergleich zu einem äusseren Sonnenschutzsystem r<strong>und</strong> dreimal mehr Energie eindringen.<br />

44 Die Energie, die für Lüftung <strong>und</strong> Raumklimatisierung nötig ist, ist für die Einhaltung<br />

des Minergiestandards ebenfalls relevant. Im vorliegenden Fall können die Bodenplatte<br />

des Untergeschosses <strong>und</strong> die Decke des Untergeschosses, die r<strong>und</strong> 50 Prozent <strong>der</strong> Aussenhüllen<br />

ausmachen, nur ungenügend gedämmt werden. 45 Einer guten energetischen<br />

Fassadensanierung kommt damit eine grosse Bedeutung zu. Mit <strong>der</strong> geplanten Sanierung<br />

lassen sich <strong>der</strong> hohe Energiebedarf <strong>und</strong> die steigenden Unterhaltskosten massiv senken.<br />

Indem das Sanierungsprojekt die Anfor<strong>der</strong>ungen des Minergiestandards einhält, trägt es<br />

<strong>der</strong> ökologischen Nachhaltigkeit Rechnung. Das Energiesparen <strong>und</strong> die zweckmässige<br />

Nutzung <strong>der</strong> Energie sind zudem anerkannte Zielsetzungen <strong>der</strong> <strong>Bern</strong>er Energiepolitik (vgl.<br />

Art. 35 Abs. 2 <strong>und</strong> Art. 31 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 KV 46 sowie Art. 1 <strong>und</strong> 24 EnG 47 ). Mit additiven<br />

Massnahmen könnte <strong>der</strong> Minergiestandard, wie dies <strong>der</strong> Beschwerdegegner in seiner Beschwerdeantwort<br />

nachvollziehbar erklärt, aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>bau</strong>physikalischen Bedeutung <strong>der</strong><br />

Fassade nicht eingehalten werden.<br />

Das Sanierungsprojekt sieht öffenbare Fenster vor. Dies entspricht einem unverzichtbaren<br />

Bedürfnis <strong>der</strong> Nutzer. Die Sonneneinstrahlung führt heute in <strong>der</strong> Übergangszeit <strong>und</strong> im<br />

Sommer – trotz Klimatisierung – vor allem in den Eckzimmern im Südwesten <strong>und</strong> Südosten<br />

41 Vgl. pag. 42 <strong>der</strong> Vorakten des Regierungsstatthalteramtes Biel-Bienne<br />

42 Vgl. das Wichtigste zum Minergie-Standard in Kürze http://www.minergie.ch/standard_minergie.html#daswichtigste-in-kuerze<br />

(besucht am 5. August 2011)<br />

43 <strong>Kanton</strong>ale Energieverordnung 13. Januar 2003 (KEnV; 741.111)<br />

44 Vgl. S. 2 <strong>der</strong> Broschüre Sommerlicher Wärmeschutz für Wohn<strong>bau</strong>ten, Januar 2010 auffindbar unter<br />

http://www.minergie.ch/tl_files/download/Sommerlicher_Waermeschutz.pdf<br />

45 Vgl. Projektplan Gr<strong>und</strong>riss 1 <strong>und</strong> 2 Untergeschoss vom 17. Juni 2010 im Massstab 1:200<br />

46 Verfassung des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 6. Juni 1993 (KV; BSG 101.1)<br />

47 Energiegesetz vom 14. Mai 1981 (EnG; BSG 741.1)


15<br />

innert kurzer Zeit zu überhöhten Raumtemperaturen. 48 Mit <strong>der</strong> zusätzlichen Fensterlüftung<br />

ist eine effiziente <strong>und</strong> natürliche Lüftung möglich (Nachtlüftung <strong>und</strong> intensive Lüftung am<br />

Morgen). Durch die Möglichkeit automatischer Steuerung <strong>der</strong> Fensterflügel können zudem<br />

Nutzerfehler einfach korrigiert werden. Hinzu kommt, dass sich mit <strong>der</strong> vorgesehenen<br />

Fensterlüftung <strong>der</strong> Energieverbrauch senken lässt. Dass sich das AGG mit <strong>der</strong> Öffenbarkeit<br />

<strong>der</strong> Fenster ohne objektive Notwendigkeit bewusst über denkmalpflegerische Qualifikation<br />

<strong>der</strong> Bauten hinweggesetzte, ist damit wi<strong>der</strong>legt. Falsch ist auch die Behauptung, dass<br />

bei <strong>der</strong> überwiegenden Zahl <strong>der</strong> Minergie<strong>bau</strong>ten die Fenster nicht geöffnet werden können.<br />

49 Die Kritik <strong>der</strong> Beschwerdeführenden an den Fenstern erweist sich somit als nicht<br />

stichhaltig. Demgegenüber sind ein angenehmes Raumklima <strong>und</strong> die gute Luftqualität berechtigte<br />

Interessen <strong>der</strong> Nutzer.<br />

Schliesslich fallen auch die berechtigten öffentlichen Interessen, vor allem an einem sicheren<br />

Betrieb <strong>der</strong> Schul<strong>bau</strong>ten (Beseitigung <strong>der</strong> Brandschutzmängel <strong>und</strong> Beseitigung <strong>der</strong> Gefahr<br />

von herunterfallenden Fassadenteilen), einem umfassenden Schallschutz sowie einem<br />

wirtschaftlichen <strong>und</strong> zukunftstauglichen Weiterbetrieb <strong>der</strong> Schulanlage an diesem Standort,<br />

in die Waagschale für das umstrittene Sanierungsprojekt.<br />

c) Das Interesse am Erhalt <strong>der</strong> bestehenden Fassadenkonstruktion ist demgegenüber<br />

als gering einzustufen. Dem Gymnasium Strandboden kommt zwar unbestritten eine hohe<br />

architektonische Qualität zu. Die Bauten des Gymnasiums stehen aber nicht unter Denkmalschutz.<br />

Wie oben ausgeführt (vgl. Erwägung 2 f), respektiert das vorgesehene Sanierungsprojekt<br />

die hohe architektonische Qualität. Diese wurde mit einem vom SIA genehmigten<br />

Wettbewerbsverfahren sichergestellt. Die zuständige Fachbehörde im Bereich <strong>der</strong><br />

Denkmalpflege hat das Projekt gutgeheissen. Den denkmalpflegerischen Interessen wurde<br />

damit ausreichend Rechnung getragen.<br />

d) Eine Gesamtbeurteilung <strong>der</strong> verschiedenen geprüften Aspekte ergibt, dass die öffentlichen<br />

Interessen an <strong>der</strong> ökologischen Nachhaltigkeit, <strong>der</strong> angenehmen Raumluftqualität,<br />

<strong>der</strong> Sicherheit, <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> zukunftstauglichen Weiterführung <strong>der</strong> Schulanlage<br />

die denkmalpflegerischen Interessen am Erhalt <strong>der</strong> Fassadenkonstruktion überwiegen.<br />

Die umstrittenen Bauten stehen nicht unter Denkmalschutz. Mit <strong>der</strong> geplanten Sanie-<br />

48 Vgl. Beilage 7 des Beschwerdegegners, S. 15, Haustechnik<br />

49 Vgl. S. 3 <strong>der</strong> Minergie-Broschüre, Standard-Lüftungssysteme für Wohn<strong>bau</strong>ten, März 2009 auffindbar unter<br />

http://www.minergie.ch/tl_files/download/Broschuere_Standard_Lueftungssysteme_2009.pdf


16<br />

rung fügen sich die Bauten günstig in das bestehende Ortsbild ein <strong>und</strong> wirken sich auch im<br />

denkmalpflegerischen Kontext positiv aus. Die heutige Schulanlage bleibt mit ihren Beson<strong>der</strong>heiten<br />

auch den zukünftigen Generationen erhalten. Die geplante Sanierung wi<strong>der</strong>spricht<br />

we<strong>der</strong> den massgebenden Ästhetik- noch den Denkmalschutzvorschriften. Hinzu<br />

kommt, dass Denkmalschutzmassnahmen nicht nur im Interesse einzelner Fachspezialisten<br />

erlassen werden dürfen. Sie müssen breiter abgestützt sein. 50 Die Verpflichtung, die<br />

Fassade in ihrer Originalität zu erhalten, wäre unverhältnismässig. Der angefochtene Entscheid<br />

des Regierungsstatthalters ist nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist unbegründet.<br />

f) Nach dem Gesagten ist die von den Beschwerdeführern beantragte energietechnische<br />

Expertise des Sanierungspotentials <strong>der</strong> bestehenden Bauten durch ein Expertenteam<br />

„Fassadenplanung <strong>und</strong> Haustechnik“ unnötig. Der Beweisantrag ist abzuweisen.<br />

6. Kosten<br />

a) Bei diesem Ausgang des Verfahrens unterliegen die Beschwerdeführer. Sie haben<br />

die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 108 Abs. 1 VRPG). Diese werden bestimmt auf eine<br />

Pauschalgebühr von Fr. 1'800.00.<br />

b) Die unterliegende Partei hat <strong>der</strong> Gegenpartei die Parteikosten zu ersetzen, sofern<br />

nicht <strong>der</strong>en prozessuales Verhalten o<strong>der</strong> die beson<strong>der</strong>en Umstände eine an<strong>der</strong>e Teilung<br />

o<strong>der</strong> Wettschlagung gebieten o<strong>der</strong> die Auflage <strong>der</strong> Parteikosten an das Gemeinwesen als<br />

gerechtfertigt erscheint (Art. 108 Abs. 3 VRPG). Verwaltungsbehörden im Sinn von<br />

Art. 2 Abs. 1 Bst. a VRPG haben im Beschwerdeverfahren keinen Anspruch auf Parteikostenersatz<br />

(Art. 104 Abs. 3 VRPG). Den Gemeinwesen wird in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Ersatz <strong>der</strong><br />

Parteikosten jedoch zugebilligt, wenn sie keine hoheitlichen Interessen wahren, son<strong>der</strong>n<br />

wie eine Privatperson betroffen sind. Dies ist beispielsweise <strong>der</strong> Fall, wenn das Gemeinwesen<br />

als Bauherrin o<strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>eigentümerin betroffen ist. 51<br />

Vorliegend tritt <strong>der</strong> <strong>Kanton</strong> <strong>Bern</strong> als Baugesuchsteller, Bauherr <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>eigentümer auf.<br />

Er ist daher wie eine Privatperson betroffen <strong>und</strong> hat Anspruch auf Ersatz <strong>der</strong> Parteikosten.<br />

50 Vgl. BVR 1988 S. 323<br />

51 Merkli/Aeschlimann/Herzog, a.a.O., Art. 104 N 15


17<br />

Die Kostennote des Anwaltes des Beschwerdegegners gibt zu keinen Bemerkungen Anlass.<br />

Die Beschwerdeführenden haben somit dem Beschwerdegegner die Parteikosten von<br />

Fr. 5'702.40 (inkl. Mehrwertsteuer) zu ersetzen.<br />

III.<br />

Entscheid<br />

1. Die Beschwerde wird abgewiesen. Der Gesamt<strong>entscheid</strong> des Regierungsstatthalteramtes<br />

Biel/Bienne vom 6. April 2011 wird bestätigt.<br />

2. Die Verfahrenskosten von Fr. 1'800.00 werden den Beschwerdeführenden zur Bezahlung<br />

auferlegt. Die Beschwerdeführer haften solidarisch für den gesamten Betrag.<br />

Eine separate Zahlungseinladung folgt, sobald dieser Entscheid in Rechtskraft erwachsen<br />

ist.<br />

3. Die Beschwerdeführenden haben dem Beschwerdegegner die Parteikosten im Betrag<br />

von Fr. 5'702.40 (inkl. Mehrwertsteuer) zu ersetzen. Die Beschwerdeführenden<br />

haften solidarisch für den gesamten Betrag.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!