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Die Dolmen-Nekropole im „Bois des Géantes“ bei Bourg-Saint ...

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Ausgrabung von 5000 Jahre alten Gräbern in Südfrankreich<br />

<strong>Die</strong> <strong>Dolmen</strong>-<strong>Nekropole</strong> <strong>im</strong> <strong>„Bois</strong> <strong>des</strong> <strong>Géantes“</strong> <strong>bei</strong> <strong>Bourg</strong>-<strong>Saint</strong>-Andéol <strong>im</strong> Département<br />

Ardèche und die <strong>Dolmen</strong> <strong>des</strong> Bas-Vivarais<br />

Wolfgang Pape<br />

Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie <strong>des</strong> Mittelalters<br />

Einleitung<br />

Als <strong>Dolmen</strong> (bretonisch: Stein-Tisch) werden in Frankreich große, aus gewaltigen<br />

Steinplatten errichtete Grabkammern bezeichnet, in denen wie in einer Gruft <strong>im</strong>mer wieder<br />

Tote bestattet wurden.<br />

In Süddeutschland ist diese Grabform außerordentlich selten, es gibt nur zwei schlecht<br />

erhaltene Exemplare am Hochrhein direkt an der Schweizer Grenze.<br />

<strong>Die</strong> wenigen süddeutschen Vertreter dieser Form von Grabarchitektur können über<br />

verbindende Vorkommen in der Schweiz und in Ostfrankreich nur aus Südfrankreich<br />

abgeleitet werden. Zum besseren Verständnis dieser Ausbreitung einer Bestattungssitte und<br />

einer Grabform aus der Zeit um 3000 v.Chr. lag es daher nahe, zu den Ursprüngen zu gehen.<br />

Denn dort sind diese <strong>Dolmen</strong> viel zahlreicher und meist weniger zerstört.<br />

Daher befasste ich mich auf zahlreichen Reisen mit den südfranzösischen <strong>Dolmen</strong> und baute<br />

gute Kontakte zu den dortigen Kollegen auf. Dennoch war ich sehr überrascht, als die<br />

Archäologische Denkmalpflege der Region Rhône-Alpes mir 2001 das einmalige Angebot<br />

machte, eine ganze Gruppe von sechs solcher <strong>Dolmen</strong> <strong>im</strong> Département Ardèche auszugraben.<br />

Und so haben wir von 2002 bis 2005 mit großem wissenschaftlichen Gewinn die <strong>Nekropole</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>„Bois</strong> <strong>des</strong> <strong>Géantes“</strong>, <strong>im</strong> „Wald der Riesen“, komplett ausgegraben. <strong>Die</strong>s geschah in enger<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t mit der französischen Denkmalpflege in einem deutsch-französischen<br />

Gemeinschaftsprojekt, mit französischen und Freiburger Studierenden und mit französischer<br />

(Kultusministerium Paris und Conseil Général <strong>des</strong> Département Ardèche) und deutscher<br />

(Deutsche Forschungsgemeinschaft, Wissenschaftliche Gesellschaft, Verband der Freunde der<br />

Universität Freiburg, Franz-und-Eva-Rutzen-Stiftung) Finanzierung. Der Ausgrabungsteil<br />

dieses Forschungsprojektes ist abgeschlossen, ein Vorbericht auf Französisch und auf Deutsch<br />

ist erschienen.<br />

Abgeschlossenes Projekt: <strong>Die</strong> Ausgrabung<br />

Mit der Ausgrabung haben wir in doppelter Hinsicht völliges Neuland betreten: Das gilt<br />

einerseits für die angewandte Grabungsmethode, betrifft andererseits aber auch die völlig<br />

neuen, einmaligen wissenschaftlichen Ergebnisse.<br />

Methodik:<br />

1


Es gibt in Südfrankreich kaum komplett gegrabene <strong>Dolmen</strong>gruppen. Und <strong>bei</strong> den wenigen<br />

Beispielen ist man so vorgegangen, einen <strong>Dolmen</strong> nach dem anderen zu ergraben. <strong>Die</strong><br />

Gesamtauswertung konnte erst hinterher am Schreibtisch durch Vergleich der Photo- und<br />

Zeichendokumentation erfolgen. Wir haben uns als völlig neuer Ansatz gleichzeitig mit allen<br />

sechs <strong>Dolmen</strong> befasst. <strong>Die</strong>se parallelen Ausgrabungen gaben uns die Möglichkeit,<br />

Auswertung und Vergleich vor Ort und an den Originalbefunden vorzunehmen. Man mußte<br />

also nicht mehr hinterher mit Zeichnungen und Photos ar<strong>bei</strong>ten, sondern konnte einfach von<br />

einer Grabungsstelle zur anderen gehen und direkt – gleichsam 1:1 - vergleichen. <strong>Die</strong>ses<br />

Vorgehen hat uns zahlreiche völlig neue Erkenntnisse und Beobachtungen beschert und uns<br />

die sehr komplexen geologischen und archäologischen Verhältnisse erst verstehen lassen.<br />

Frühere Forschergenerationen haben sich nur für die eigentliche Grabkammer und deren<br />

Inhalt interessiert, bestenfalls noch für den Gang, durch den man sie betreten konnte. Daher<br />

sind die Grabkammern heute fast alle geleert. <strong>Die</strong> teils gewaltigen Steinhügel, aufgeschichtet<br />

aus mehreren tausend Tonnen Steinen, wurden dagegen vernachlässigt, weil sie kaum<br />

Fundstücke enthielten, die man <strong>im</strong> Museum ausstellen konnte.<br />

Wir haben diese Hügel erstmals als integralen Bestandteil der Gesamtanlage aufgefasst, von<br />

der wuchernden Vegetation befreit, freigelegt und mit einer bisher nicht üblichen Präzision<br />

Stein für Stein auf großen Plänen zeichnerisch dokumentiert. Das gab es bisher, zumin<strong>des</strong>t für<br />

Südfrankreich, noch nicht. Doch der <strong>im</strong>mense zeichnerische Aufwand hat sich in mehrfacher<br />

Hinsicht gelohnt. Erstmals liegt nun eine Dokumentation vor, die den heutigen Zustand mit<br />

allen Details auch für künftige Forschergenerationen festhält. Weiterhin konnten wir so an<br />

den meisten <strong>Dolmen</strong> eine regelhafte Abfolge der Bauabschnitte, quasi der Gewerke,<br />

herausar<strong>bei</strong>ten. Und drittens konnten wir das „Innenleben“ dieser Hügel entschlüsseln. Es<br />

handelt sich nicht, wie bisher vielfach vermutet, um wirr und regellos angehäufte<br />

Steinmassen, sondern um planmäßig nach erkennbaren Regeln konstruierte Bauwerke, also –<br />

wie <strong>bei</strong> der eigentlichen Kammer <strong>im</strong> Zentrum – um Architektur.<br />

Schließlich gelang es, einen Piloten und einen Photographen zu finden, der die <strong>Dolmen</strong><br />

einzeln und als Gruppe in Luftbildern festhielt. <strong>Die</strong>se Bildserie zeigt die Position der<br />

einzelnen <strong>Dolmen</strong> und die Einbettung der gesamten <strong>Nekropole</strong> in ihre natürliche Umwelt<br />

besser als jeder Vermessungsplan. Auch damit haben wir Neuland betreten.<br />

Ergebnisse:<br />

Von den zahlreichen neuen, z.T. völlig unerwarteten Ergebnissen seien hier nur die<br />

wichtigsten kurz genannt.<br />

1. <strong>Die</strong> <strong>Nekropole</strong> <strong>im</strong> <strong>„Bois</strong> <strong>des</strong> <strong>Géantes“</strong> hat sich als absolut singulär herausgestellt, da in ihr<br />

als einzigem mir bekannten Fall alle drei in Südfrankreich bekannten Konstruktionstypen<br />

zusammen vorkommen. Es gibt die einfachen <strong>Dolmen</strong> mit einer Kammer aus zwei<br />

Seitenplatten, einer Stirnplatte und einer Deckplatte (Typ „caussenard“). Daneben existieren<br />

komplexere Formen mit einer ähnlichen Kammer, einer Vorkammer und einem langen, oft bis<br />

zum Hügelfuß reichenden Gang (Typ „languedocien“). Und mit einem Exemplar ist<br />

schließlich eine Form vertreten, die aus Platten und gewölbten Seiten aus Trockenmauern<br />

(Typ „bas-rhodanien“) besteht. Alle drei <strong>Dolmen</strong>typen besitzen unterschiedliche<br />

geographische Schwerpunkte, ihr Nebeneinander in einer <strong>Nekropole</strong> ist einzigartig und<br />

zwingt dazu, lieb gewordene Forschungsmeinungen zur räumlichen und zeitlichen Verteilung<br />

völlig neu zu diskutieren.<br />

2


2. Eine kleine archäologische Sensation bildete die Entdeckung einer Kulturschicht unter dem<br />

Hügel von <strong>Dolmen</strong> 1. Hier hatte sich, durch den Steinhügel vor Erosion geschützt, ein alter<br />

Oberboden mit Humus erhalten, der überall sonst wegerodiert ist. Ein derartiger Befund ist<br />

mir aus dem ganzen Midi nicht bekannt.<br />

Während bis jetzt allgemein davon ausgegangen wurde, dass die Karstlandschaft der unteren<br />

Ardèche bereits in der Jungsteinzeit so devastiert und erodiert und damit so lebensfeindlich<br />

war wie heute, zeigt sich jetzt, dass die weitgehende Zerstörung der Umwelt jünger ist und<br />

später als die Erbauung der <strong>Dolmen</strong> erfolgte. Dadurch entsteht ein gänzlich anderes Bild von<br />

der Vegetations- und Kl<strong>im</strong>ageschichte der Region und damit auch von der<br />

Wirtschaftsgeschichte zur Zeit der Erbauer der <strong>Dolmen</strong>. <strong>Die</strong> populäre Vorstellung, dass man<br />

die <strong>Dolmen</strong> in einer völlig unwirtlichen Gegend, quasi auf dem nackten Felsen, errichtet habe,<br />

lässt sich nicht länger aufrecht erhalten. Vielmehr müssen wir jetzt davon ausgehen, dass die<br />

<strong>Dolmen</strong>erbauer in einer fruchtbareren, weniger lebensfeindlichen Umwelt lebten, die erst<br />

später durch Verkarstung und Erosion zerstört wurde und zur heutigen, fast semi-ariden<br />

Landschaft mit Felsflächen und Buschvegetation führte. Noch fehlen eindeutige Argumente,<br />

um für diesen Niedergang einer ganzen Landschaft den Eingriff <strong>des</strong> Menschen, etwa durch<br />

Überweidung und Rodung, verantwortlich zu machen. Als gesichert ist jedoch schon<br />

anzusehen, dass dieser Prozeß später als bisher gedacht eingesetzt hat. Wir müssen also<br />

umdenken und uns die Umwelt <strong>im</strong> frühen dritten Jahrtausend fruchtbarer, vegetations- und<br />

wohl auch wasserreicher vorstellen als heute.<br />

Der unter Hügel 1 konservierte Oberboden barg eine weitere Sensation: Er enthielt zahlreiche<br />

archäologische Funde, Tongefäßscherben, Knochen und Feuersteingeräte. Auch das ist ein<br />

singuläres Ergebnis und beweist, daß vor und vielleicht während der Errichtung <strong>des</strong> <strong>Dolmen</strong>s<br />

hier Menschen gesiedelt haben. Zudem helfen diese Funde unter dem <strong>Dolmen</strong>, den Zeitpunkt<br />

seiner Errichtung noch enger einzugrenzen Zum Fortschritt in der Kl<strong>im</strong>a-, Vegetations- und<br />

Wirtschaftsgeschichte tritt also noch eine Verfeinerung der Chronologie.<br />

3. Nach der generellen topographischen Situation lassen sich für die <strong>Dolmen</strong> unterschiedliche<br />

Lagetypen herausar<strong>bei</strong>ten, das ist schon länger bekannt. Aber zur kleinräumigen Wahl <strong>des</strong><br />

Bauplatzes gibt es völlig neue Erkenntnisse: Bei der Grabung erstmals erkannt und durch die<br />

Prospektion mehrfach bestätigt wurde gezielt ein Bauplatz ausgewählt, der zwei Bedingungen<br />

erfüllte. Das Kalksubstrat stand punktuell mit einer Art Nase höher an als die Umgebung und<br />

direkt daneben gab es eine von der Erosion geschaffene natürliche Vertiefung. <strong>Die</strong>se Vertiefung<br />

wurde eventuell noch künstlich erweitert und in diese „Baugrube“ wurde die <strong>Dolmen</strong>kammer<br />

gesetzt. <strong>Die</strong>se Kammer lehnte sich gleichsam an die Felsnase an und gewann noch dadurch an<br />

Stabilität, daß der schmale Zwischenraum zum anstehenden Fels mit Paketen aus kleineren<br />

senkrechten Platten verkeilt wurde. Außer auf diesen praktischen, statischen Grund kann<br />

vielleicht auch auf einen psychologischen bzw. ar<strong>bei</strong>tsökonomischen geschlossen werden: <strong>Die</strong>se<br />

Platzwahl war außerdem ar<strong>bei</strong>tssparend. Denn der um die Kammer errichtete <strong>im</strong>posante<br />

Steinhügel, der mehrere 1000 Tonnen Material enthalten konnte, spiegelte eine <strong>im</strong>ponierende<br />

Ar<strong>bei</strong>tsleistung vor, indem er eine natürliche Erhebung einbezog. Beide Beobachtungen sind mir<br />

in der Literatur nirgends begegnet. Da während der bisherigen Prospektion <strong>bei</strong> vielen<br />

Monumenten zu beobachten war, daß das Substrat neben der Kammer oder <strong>im</strong> Hügel häufig viel<br />

höher anstand als das Niveau <strong>des</strong> Kammerbodens, haben wir das Gefühl bekommen, ein wenig<br />

in die Gedanken der Baumeister hineingesehen zu haben und die Beobachtung als „loi du<br />

substratum“ bezeichnet.<br />

Ebenfalls neu ist die Beobachtung, daß in vielen Fällen die linke Längsplatte größer und solider<br />

ist als die rechte, und die rechte öfter zerbrochen ist. Es ist dann auch diese linke Platte, die sich<br />

an das hoch anstehende Substrat anlehnt. Zusammen mit der Stirnplatte hat man also mit der<br />

3


linken Längsplatte einen ersten stabilen Winkel errichtet und durch Belastung und Verkeilung<br />

von außen weiter stabilisiert.<br />

All diese neuen Erkenntnisse gilt es an weiteren Monumenten zu verifizieren und Antworten zu<br />

finden auf die Fragen, ob diese charakteristischen Züge <strong>bei</strong> allen Monumente auftreten oder nur<br />

<strong>bei</strong> einem Teil, und ob sie auf einen Teilraum beschränkt sind oder über das ganze<br />

Untersuchungsgebiet streuen. Wir suchen also gleichsam nach der individuellen Handschrift <strong>des</strong><br />

Baumeisters.<br />

4. Völlig neue Erkenntnisse ergaben sich schließlich auch zur inneren Struktur der Hügel. An<br />

nicht gestörten Hügeln besteht die Oberfläche aus schräg nach außen geneigten Kalkplatten,<br />

die sich wie Dachziegel oder Fischschuppen überlappen. Wie wir in unseren Tiefschnitten<br />

nachweisen konnten, handelt es sich da<strong>bei</strong> nicht um die besonders sorgfältige Anlage der<br />

sichtbaren „Schauseite“, sondern um ein Grundprinzip der Hügelstruktur. Allerdings bestehen<br />

die Hügel nicht nur aus derartigen Steinlagen. Vielmehr konnten wir an mehreren Stellen<br />

einen regelmäßigen Wechsel nachweisen zwischen derartigen sich überlappenden Steinlagen<br />

und dazwischen liegenden Schichten aus Erde und kleinen Steinen. <strong>Die</strong>ser Wechsel<br />

Steinschicht-Erdschicht-Steinschicht wurde von der Grabungsmannschaft das „Lasagne-<br />

Prinzip“ getauft. Das Einbringen von Zwischenschichten aus Erde dürfte statische Gründe<br />

gehabt haben. Auch diese Beobachtung ist mir aus der Literatur nicht bekannt.<br />

Anschlussprojekt: <strong>Die</strong> Prospektion<br />

<strong>Die</strong> meines Wissens einmalige parallele Ausgrabung einer kompletten <strong>Nekropole</strong> erbrachte so<br />

viele neue Beobachtungen und einzigartige Erkenntnisse, daß sich völlig neue Fragestellungen<br />

zur Megalith-Architektur, aber auch zur Rekonstruktion der jungsteinzeitlichen Umwelt der<br />

südlichen Ardèche ergaben.<br />

Daraus resultierte zwingend die Notwendigkeit, unsere punktuellen Ergebnisse mit den anderen<br />

Monumenten der Umgebung, der historischen Landschaft <strong>des</strong> Bas-Vivarais, zu vergleichen, um<br />

Gemeinsamkeiten und Unterschiede in dieser Gräberlandschaft festzustellen. <strong>Die</strong>se kurz als<br />

Prospektion bezeichneten Untersuchungen entwickelten sich damit zu einem eigenen Projekt,<br />

das 2005 schon während der letzten Grabungskampagne mit überwiegend französischer<br />

Finanzierung, aber auch unterstützt vom Verband der Freunde der Universität und der Franzund-Eva-Rutzen-Stiftung,<br />

und mit großem Erfolg begonnen wurde. Eine zweite<br />

Prospektionskampagne ist für September 2006 angesetzt; die Genehmigung liegt bereits vor, die<br />

beantragten Mittel sind erst teilweise bewilligt.<br />

Forschungsstand:<br />

Unser Kenntnisstand hat sich gegenüber dem publizierten und unpublizierten Forschungsstand in<br />

erstaunlichem Maße verbessert. Während wir anfangs von 40, dann 50 weiteren Monumenten in<br />

einem Umkreis von etwa 10 km ausgingen (das offizielle Inventar verzeichnet erheblich<br />

weniger), müssen wir derzeit von mehr als 90 Fundstellen ausgehen. Obwohl sich die<br />

französische Archäologie seit über 150 Jahren mit den <strong>Dolmen</strong> beschäftigt, ist also <strong>im</strong>mer noch<br />

echte Pionierar<strong>bei</strong>t möglich und nötig. <strong>Die</strong> Fundstellen zeigen ein breites Spektrum der<br />

Erhaltung. Es reicht von völlig intakten Anlagen über teilweise beschädigte und die Standplätze<br />

völlig zerstörter <strong>Dolmen</strong> bis hin zu verdächtigen Steinhügeln.<br />

Durch neue Kontakte zur Lokalforschung, durch Auswertung von Nachlässen in Archiven, durch<br />

Hinweise aus der Bevölkerung und auch durch schieres Glück und eine Portion Hartnäckigkeit<br />

4


ei der Ar<strong>bei</strong>t <strong>im</strong> Gelände konnte die Zahl der zu untersuchenden Fundstellen fast verdoppelt<br />

werden. Für diese deutliche Verbreiterung der Quellenbasis nur einige Beispiele; so konnten wir<br />

-einen sehr beklagten, seit 20 Jahren als zerstört geltenden <strong>Dolmen</strong> fast intakt wiederfinden,<br />

-mehrere <strong>Dolmen</strong> lokalisieren, die von der Lokalforschung nach der alten, ungenauen Literatur<br />

seit vielen Jahren vergeblich gesucht wurden,<br />

-oder an einer anderen Stelle, für welche die Datenbank der Denkmalpflege nur einen <strong>Dolmen</strong><br />

verzeichnet, weitere fünf auf Grund alter Literatur in der unmittelbaren Nachbarschaft nachweisen,<br />

-schließlich völlig unbekannte <strong>Dolmen</strong> entdecken, die noch nie den Weg in die Literatur oder in<br />

die Akten gefunden haben.<br />

Das Auffinden der Monumente nach den vagen Angaben der alten Literatur oder den oft<br />

ungenauen Hinweisen z.B. von Jägern wird weiter erschwert durch das z.T. extrem schwierige<br />

Gelände und die oft undurchdringliche, dichte Vegetation der „garrigue“. <strong>Die</strong> Hinweise in der<br />

alten Literatur sind <strong>des</strong>halb so ungenau, weil damals durch die Weidewirtschaft die Vegetation<br />

höchstens kniehoch war und die <strong>Dolmen</strong> schon von weitem zu erkennen waren. Mit dem Ende<br />

der Viehzucht – und <strong>des</strong> Abbrennens der „garrigue“ - schoß die Vegetation in die Höhe, verbarg<br />

die <strong>Dolmen</strong> und macht heute sehr präzise Lokalisierungen unumgänglich. Es gelang, historische<br />

Photographien einiger Monumente aufzufinden, die diesen Unterschied sehr deutlich zeigen.<br />

Wenn bereits Koordinaten vorliegen, handelt es sich meist um das alte französische Lambert-<br />

System. Außerdem weichen sie oft um mehrere hundert Meter von der realen Position ab, weil<br />

sie nur <strong>im</strong> „Nadelfallverfahren“ best<strong>im</strong>mt wurden. In der dichten Vegetation genügen aber schon<br />

wenige Meter Abweichung, um das Ziel zu verfehlen.<br />

Vorar<strong>bei</strong>ten:<br />

All diese Probleme sind jedoch für die nächste Kampagne fast gänzlich behoben, da in<br />

jahrelanger Vorar<strong>bei</strong>t für fast alle der gut 90 Fundpunkte die internationalen UTM-Koordinaten<br />

bereits mit GPS-Satellitenortung vor Ort festgelegt wurden. <strong>Die</strong> wenigen noch fehlenden<br />

<strong>Dolmen</strong> wurden mir in diesem Frühjahr von ortskundigen Führern gezeigt und ihre Lage genau<br />

best<strong>im</strong>mt. So sollte das Auffinden aller Ziele <strong>im</strong> Herbst kein Problem mehr darstellen.<br />

Auch das Problem der <strong>Dolmen</strong> <strong>im</strong> benachbarten Département Gard, die in die Zuständigkeit<br />

einer anderen Denkmalpflege fallen, ist gelöst: <strong>Die</strong> Denkmalpflege der Nachbarregion<br />

Languedoc-Roussillon hat uns grünes Licht gegeben.<br />

Ein Bericht über die Kampagne 2005 <strong>des</strong> Projektes Prospektion liegt vor: W. Pape und B. Gély,<br />

Les dolmens du Bas-Vivarais. Prospection thématique autour de la nécropole dolménique du<br />

<strong>„Bois</strong> <strong>des</strong> <strong>Géantes“</strong> à <strong>Bourg</strong>-<strong>Saint</strong>-Andéol (Ardèche). Autorisation de prospection n o 2005/8746<br />

(37 Seiten plus 80 Abbildungen).<br />

Ziele:<br />

Von den gut 90 Fundpunkten konnten bis jetzt knapp ein Drittel aufgesucht, vermessen und nach<br />

einheitlichem Standard photographisch und zeichnerisch dokumentiert werden. Viele<br />

Monumente wurden da<strong>bei</strong> zum ersten Mal überhaupt zeichnerisch und photographisch erfasst<br />

und präzise lokalisiert. Wenn schon Pläne vorlagen, erwiesen sich diese oft als ungenau oder<br />

sehr phantasievoll. Statt sie mühsam zu korrigieren, war es oft einfacher, neue Pläne zu erstellen.<br />

5


Um den Transport von sehr viel Gerät auf oft langen Fußmärschen zu den einzelnen <strong>Dolmen</strong> zu<br />

vermeiden, wurde ein einfaches, mit wenig Gerät auskommen<strong>des</strong> Verfahren der Dokumentation<br />

entwickelt Mit Nivelliergerät, Latte, Kompaß und einigen Bandmaßen können mit einem<br />

eingespielten Team in relativ kurzer Zeit Pläne von hinreichender Genauigkeit <strong>im</strong> Maßstab 1:50<br />

gezeichnet werden. Mehr Zeit kosten oft die mühsamen Anmarschwege und die häufig<br />

notwendige Beseitigung der Vegetation.<br />

Als eine Art Checkliste und zur Vermeidung langatmiger Beschreibungen wurde ein<br />

zweiseitiges Formblatt entwickelt, das alle Angaben zusätzlich zur zeichnerischen und<br />

photographischen Dokumentation enthält. Darauf müssen viele Informationen und<br />

Beschreibungen nicht notiert, sondern einfach angekreuzt oder gestrichen werden.<br />

Zeichnung und Formblatt garantieren so eine standardisierte Information, die für alle Objekte<br />

von gleicher Qualität ist, was bisher völlig fehlte. So ist durch die bereits durchgeführte<br />

Prospektion eine breite, homogene Datenbasis entstanden. Wenn es gelingt, auch die restlichen<br />

Objekte nach diesem Schema zu bear<strong>bei</strong>ten, wird für ein eng umrissenes Gebiet eine Datenfülle<br />

von einheitlicher Qualität vorliegen wie sonst nirgends in Südfrankreich.<br />

Erstes Ziel ist die Schaffung einer umfassenden, möglichst vollständigen Datenbasis für den<br />

gesamten Untersuchungsraum, um den bisherigen, sehr inhomogenen Informationsstand zu<br />

beenden. Wenn erstmals für alle Objekte alle verfügbaren Informationen nach identischen<br />

Kriterien zusammengetragen sind, steht eine einmalige Vergleichsbasis zur Verfügung.<br />

Zweites Ziel ist dann, alle prospektierten <strong>Dolmen</strong> untereinander und mit der gegrabenen<br />

<strong>Nekropole</strong> <strong>im</strong> <strong>„Bois</strong> <strong>des</strong> <strong>Géantes“</strong> zu vergleichen. Der Vergleich wird mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit zu folgenden Ergebnissen führen:<br />

1. <strong>Die</strong> Typisierung der Bauwerke wird sich verfeinern lassen. <strong>Die</strong> bisherige Klassifizierung in<br />

drei Konstruktionstypen kann schon jetzt als zu grob und schematisch bezeichnet werden. <strong>Die</strong><br />

gegrabene <strong>Nekropole</strong> ist für diesen Vergleich besonders geeignet, da in ihr als singulärem Fall<br />

alle drei Typen vereint sind.<br />

2. Ansatzweise ist schon die Möglichkeit zu erkennen, einen Typ aus einem anderen abzuleiten.<br />

Da bis jetzt keine naturwissenschaftlichen Datierungen möglich waren und durch das Fehlen<br />

datierender Funde auch die Typologie versagt, böte eine derartige Ableitung die Möglichkeit zu<br />

einer internen Chronologie.<br />

Gemeint ist folgen<strong>des</strong>: Bei der bisherigen Prospektion sind uns zwei <strong>Dolmen</strong> begegnet, deren<br />

Längsplatten zu kurz waren und deren Lücken mit kleinteiligem Trockenmauerwerk ausgefüllt<br />

waren. <strong>Die</strong> Vermutung erscheint plausibel, daß die <strong>Dolmen</strong>erbauer dadurch auf die Idee kamen,<br />

die Längsplatten ganz wegzulassen und komplett durch Trockenmauerwerk zu ersetzen. Dazu<br />

paßt, daß dieser Typ („bas-rhodanien“) in der Literatur schon <strong>im</strong>mer für eine späte Erscheinung<br />

gehalten wurde, ohne dafür tragfähige Argumente <strong>bei</strong>bringen zu können.<br />

3. Auch ohne weitere Prospektion und genauere Dokumentation läßt sich schon jetzt, nur aus der<br />

inzwischen bekannten Zahl der Monumente, ableiten, daß die Verteilung der <strong>Dolmen</strong> viel dichter<br />

war als bisher angenommen. Rechnet man noch die aus alter Literatur bekannten, inzwischen<br />

verschwundenen Objekte hinzu, wird eine „<strong>Dolmen</strong>dichte“ erreicht, die selbst die der Bretagne<br />

zahlenmäßig übertreffen dürfte. Und da die <strong>Dolmen</strong> für die Toten zugleich ein Spiegelbild der<br />

lebenden Bevölkerung sind, muß bereits für das dritte Jahrtausend auf eine außerordentlich<br />

dichte Besiedlung geschlossen werden. <strong>Die</strong>se Erkenntnis ist <strong>des</strong>halb besonders wichtig, weil die<br />

6


Siedlungsstellen selber kaum bekannt sind: <strong>Die</strong> besonders starke Erosion hat diese offenbar<br />

weitgehend zerstört.<br />

Als drittes Ziel schließlich sollen die bis jetzt in der Grabung und auch <strong>bei</strong> der Prospektion<br />

erkannten Charakteristika großräumig verfolgt werden. Es geht also schlicht darum, möglichst<br />

viele <strong>Dolmen</strong> <strong>im</strong> Umkreis unserer Ausgrabungen zu finden und exakt zu positionieren (schon<br />

erfolgt) und nach bewährtem Muster zu dokumentieren (zu etwa einem Drittel erledigt).<br />

Ob es gelingen wird, alle restlichen Objekte in diesem einen Monat abzuar<strong>bei</strong>ten, bleibt fraglich.<br />

Denn trotz inzwischen eingespielter Routine stehen diesem Wunsch zwei Hindernisse entgegen.<br />

Einmal werden wir mit einer verkleinerten Mannschaft ar<strong>bei</strong>ten. <strong>Die</strong> Prospektion 2005 wurde<br />

von zwei Trupps durchgeführt, was sich als unzweckmäßig erwiesen hat, da ich ständig<br />

zwischen <strong>bei</strong>den pendeln mußte. Und zum anderen steht der Erfüllung <strong>des</strong> Wunsches entgegen,<br />

daß die Zahl der neu hinzukommenden <strong>Dolmen</strong> größer war als die der <strong>im</strong> selben Zeitraum<br />

abgear<strong>bei</strong>teten. <strong>Die</strong>s geschah, wie oben gesagt, durch neue Hinweise, neue Entdeckungen und<br />

die jetzt genehmigte Ausweitung auf jene <strong>Dolmen</strong> in unserem 10-km-Radius, die <strong>im</strong><br />

Département Gard liegen. Hinzu kommt, daß wir uns bisher auf die leichter erreichbaren<br />

Monumente und die größeren Gruppen konzentriert haben. <strong>Die</strong> einzeln und weit entfernt<br />

liegenden mit jeweils getrennten Anmarschwegen warten also noch auf uns. Das macht eine<br />

Schätzung <strong>des</strong> Zeitbedarfes sehr schwierig. Aber ich habe Zweifel, ob wir die restlichen mehr als<br />

60 Fundpunkte komplett bewältigen werden.<br />

Nach Ende der Prospektion folgt dann die oben beschriebene Vergleichsanalyse <strong>des</strong><br />

Untersuchungsgebietes sowie die graphische Aufbereitung der Prospektionsergebnisse.<br />

Vor der Publikation muß dann der Blickwinkel noch einmal erweitert und die Ergebnisse<br />

großräumig mit anderen <strong>Dolmen</strong>zentren Frankreichs verglichen werden. <strong>Die</strong>s soll aber nur nach<br />

der Literatur und nicht durch Autopsie geschehen.<br />

Zusammenfassung:<br />

Ziel dieser mit Prospektion nur schlagwortartige umschriebenen Forschung ist es also, die<br />

Quellenbasis 1. qualitativ zu verbessern und 2. quantitativ erheblich zu verbreitern. <strong>Die</strong>se<br />

Erfassung einer archäologischen Kleinregion wird erstmals die Möglichkeit bieten, die<br />

einmaligen Grabungsergebnisse der <strong>Nekropole</strong> <strong>im</strong> <strong>„Bois</strong> <strong>des</strong> <strong>Géantes“</strong> über den lokalen Bereich<br />

hinaus auf folgende Fragen zu prüfen:<br />

1. Beschränken sich die Charakteristika und völlig neuen Beobachtungen auf diese <strong>Nekropole</strong><br />

oder markieren sie eine archäologische Kleinregion?<br />

2. Gelten die erkannten Regelhaftigkeiten <strong>bei</strong> der Platzwahl und der Abfolge der Bauschritte für<br />

das gesamte Untersuchungsgebiet?<br />

3. Hat das <strong>bei</strong> der Grabung erkannte und durch die angelaufene Prospektion bestätigte „loi du<br />

substratum“, daß der anstehende Kalk <strong>im</strong> Hügel und in der Nähe der Grabkammer höher ansteht<br />

als diese, für alle <strong>Dolmen</strong> <strong>des</strong> Untersuchungsgebietes Gültigkeit oder nur für best<strong>im</strong>mte<br />

Lagetypen? Schon jetzt scheint sich anzudeuten, daß dieses „Gesetz“ nur für Monumente in<br />

leichter Hanglage gilt, ebenso auf Kuppen, jedoch nicht für solche auf horizontalen Kalkflächen.<br />

<strong>Die</strong> erzielten Ergebnisse sollen möglichst rasch in zwei Artikeln in je einer französischen und<br />

deutschen überregionalen Fachzeitschrift bekannt gegeben werden. Abschließend soll nach<br />

Auswertung aller Erkenntnisse und der Aufnahme aller Fundstücke aus den alten Grabungen<br />

eine umfassende monographische Archäologie dieser Gräberlandschaft auf Französisch<br />

erscheinen.<br />

7


Vallon-Pont-d'Arc<br />

Salavas<br />

St.-Remèze<br />

<strong>Bourg</strong>-St.-Andéol<br />

Bois <strong>des</strong> Géantes<br />

Bidon<br />

Paris<br />

A<br />

r<br />

d<br />

è<br />

c h<br />

e<br />

St.-Marcel<br />

R h ô n e<br />

Lyon<br />

St.-Martin-d'Ardèche<br />

St.-Just<br />

Marseille<br />

Lage <strong>des</strong> Untersuchungsgebietes um den <strong>„Bois</strong> <strong>des</strong> <strong>Géantes“</strong><br />

<strong>im</strong> Süden <strong>des</strong> Département Ardèche


Typ "caussenard"<br />

Typ "languedocien"<br />

Typ "bas-rhodanien"<br />

500m<br />

Schematischer Plan der <strong>Dolmen</strong>-<strong>Nekropole</strong> mit ihren drei Bautypen


Zwei ausgegrabene <strong>Dolmen</strong> <strong>im</strong> <strong>„Bois</strong> <strong>des</strong> <strong>Géantes“</strong>:<br />

<strong>Dolmen</strong> 2 (oben) und der Hügel von <strong>Dolmen</strong> 4 (unten) mit neuzeitlichem Steinturm


Prospektion <strong>im</strong> Gelände


<strong>Dolmen</strong> in der Landschaft <strong>des</strong> Bas-Vivarais

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