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Stefan Holzhauer - Steampunk-Chroniken

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Die <strong>Steampunk</strong>-<strong>Chroniken</strong><br />

Das Herz, der Schlund und das Blut<br />

Weite suchen? In diesem Fall würde die dürre Ente nämlich für<br />

die Verbleibenden ausreichen.«<br />

»Bedienen Sie sich ruhig«, sagte die Gesellschafterin. »Ich hatte<br />

ohnehin vor, nur von dem Gemüse zu nehmen.«<br />

»Kein Wunder, dass Sie so saftlos sind, Mabel, bei dieser Ernährung!«,<br />

schnappte die Baronin und zog sich die Ente heran.<br />

»Mister Holland, nicht wahr? Sie sind doch hoffentlich keiner<br />

dieser schmierigen Klatschreporter, die ihren einzigen Lebenszweck<br />

darin sehen, auf der Vergangenheit anderer Leute herumzureiten<br />

... ihre Herkunft auszuposaunen, ihre Wurzeln aufzudecken,<br />

oder wie man so etwas in Ihren Kreisen nennt.«<br />

Sie sprach so schroff, dass der Hund erneut zu kläffen begann,<br />

aber Algernon hörte die unterschwellige Panik in ihrer Stimme.<br />

»Mir ist eher daran gelegen«, begann er vorsichtig, »in der Gegenwart<br />

Freundschaft zu halten.«<br />

Die Baronin begann auf die Entenbrust einzuhacken, als duelliere<br />

sie sich mit einem Kontrahenten. »Und was verstehen Sie<br />

unter Freundschaft?«<br />

Algernon erblickte die Gelegenheit, einen seiner Hollandismen<br />

unterzubringen. »Ach, wissen Sie ... eine Freundschaft unter Literaten<br />

hält meist nur so lange, wie das Mischen des Schierlingsbechers<br />

dauert.«<br />

Mabel warf ihm einen bewundernden Blick zu, und Shallow-<br />

Bargepole musterte betont gleichgültig seine Fingernägel, aber<br />

die Baronin stieß nur ein kurzes, papiernes Lachen aus. »Oscar<br />

Wilde. Sie vergessen, mein Lieber, dass ich vor ein paar Monaten<br />

wieder einmal die Gelegenheit hatte, meinen hundertsten Geburtstag<br />

zu feiern. Als junges Mädchen in London war ich mit der<br />

Familie befreundet.«<br />

Algernons Lächeln blieb unverändert. »Freundschaften pflegen<br />

zu können erscheint mir als die nobelste Tugend.«<br />

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