Stefan Holzhauer - Steampunk-Chroniken
Stefan Holzhauer - Steampunk-Chroniken Stefan Holzhauer - Steampunk-Chroniken
Die Steampunk-Chroniken Es ist nicht leicht, kein Held zu sein und Pferdewetten gesorgt. Wäre er nicht bereits so früh einem Jagdunfall zum Opfer gefallen, würde die Familie vielleicht sogar einer Arbeit nachgehen müssen. Schockierender Gedanke … Somit galt seine Familie als nicht einflussreich genug, um in der Gesellschaft ernstzunehmend wahrgenommen zu werden. Schon gar nicht von einer Frau wie Lady Walsington, die gute Verbindungen zum Hof hatte, wie es hieß. Aber zumindest wehrte sie sich nicht gegen seine Anwesenheit, im Gegenteil schien sie ihre gemeinsamen Spaziergänge über das Aussichtsdeck zu genießen. Nur bei jenen letzten Wanderungen nach dem Dinner griff verstärkt die Schwermut nach ihr. Nach kurzer Zeit reichte sie ihm ihren Arm, den er ergriff und sie zu ihrer Kabine geleitete. Als er sich kurze Zeit später zur Nacht umkleiden ließ, grübelte er immer noch, wie er ihr Erleichterung verschaffen konnte. Doch wie stets kam er auf keine Lösung. * * * »Sir, bitte wachen Sie auf. Bitte, Sir, es ist dringend!« Sein Butler, Lionel, stand vor seinem Bett, eine Tasse frisch gebrühten Tees in der Hand. Unwillig richtete Sir Geoffrey sich auf und sah seinen Butler an. »Ich habe mich doch soeben erst zum Schlafen niedergelassen, warum wecken Sie mich denn schon? Ich würde gern eine Bemerkung machen, dass es draußen noch dunkel ist, aber das wäre fruchtlos, im Æther ist es bekanntlich immer dunkel. Also, Lionel, was ist los? Gibt es einen Bridge-Notfall?« Mit einem versöhnlichen Lächeln das seinen Worten die Spitze nahm und einem dankbaren Nicken griff Sir Geoffrey nach der Teetasse. Trotzdem er es nicht zeigte und sogar versuchte, es mit 122
Die Steampunk-Chroniken Es ist nicht leicht, kein Held zu sein Humor zu überspielen, war er besorgt. Lionel würde ihn nie grundlos wecken, dafür kannten sie sich zu lange und hatten zu viel miteinander erlebt. Also musste etwas passiert sein, etwas sehr Ernstes sogar. »Wir werden angegriffen, Sir. Piraten, vermutet der Kapitän. Er bittet um Ihre Anwesenheit auf der Brücke. Darf ich Ihnen beim Anziehen helfen, Sir?« Sir Geoffrey verschluckte sich an einem Schluck Tee. Während er hustete, rasten seine Gedanken. Piraten! Und die World of Æther war ein Vergnügungsschiff, kein Kriegsschiff. Unbewaffnet, auch Soldaten waren nicht an Bord, von ein paar Passagieren abgesehen. Doch das waren meistens pensionierte Offiziere, die schon lange keinen Waffengang mehr erlebt hatten. Wie sollten sie sich also zur Wehr setzen? Wie die Damen beschützen gegen die unangebrachten Aufmerksamkeiten, welche diese ungehobelten Rohlinge sicherlich im Sinn hatten. Sie diesen Banditen kampflos zu überlassen, verbot sich von selbst. Kurz stieg die Vorstellung, Lady Walsington müsse ein derartiges Schicksal erleiden, vor seinem geistigen Auge auf, doch er verwarf diesen Gedanken sofort. Eilig kleidete er sich mit Hilfe von Lionel an, griff nach seinem Gehstock, dann begab er sich schnellen Schrittes zur Brücke. Auf dem Kommandostand herrschte eine Art geordnete Unruhe, zumindest konnte Sir Geoffrey keine bessere Beschreibung dafür finden. Man merkte deutlich, dass etwas nicht in Ordnung war, aber jeder Mann versah seine Aufgabe mit der üblichen Professionalität. Ihre Augen jedoch huschten unruhig hin und her, suchten die Quelle der Unruhe. Nur der Kapitän, ein würdevoller, älterer Gentleman in weißer Uniform und mit einem prächtigen Backenbart, stand wie ein Fels der Ruhe mitten auf der Brücke. 123
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Es ist nicht leicht, kein Held zu sein<br />
und Pferdewetten gesorgt. Wäre er nicht bereits so früh einem<br />
Jagdunfall zum Opfer gefallen, würde die Familie vielleicht sogar<br />
einer Arbeit nachgehen müssen. Schockierender Gedanke …<br />
Somit galt seine Familie als nicht einflussreich genug, um in<br />
der Gesellschaft ernstzunehmend wahrgenommen zu werden.<br />
Schon gar nicht von einer Frau wie Lady Walsington, die gute<br />
Verbindungen zum Hof hatte, wie es hieß. Aber zumindest wehrte<br />
sie sich nicht gegen seine Anwesenheit, im Gegenteil schien sie<br />
ihre gemeinsamen Spaziergänge über das Aussichtsdeck zu genießen.<br />
Nur bei jenen letzten Wanderungen nach dem Dinner griff<br />
verstärkt die Schwermut nach ihr.<br />
Nach kurzer Zeit reichte sie ihm ihren Arm, den er ergriff und<br />
sie zu ihrer Kabine geleitete. Als er sich kurze Zeit später zur<br />
Nacht umkleiden ließ, grübelte er immer noch, wie er ihr Erleichterung<br />
verschaffen konnte. Doch wie stets kam er auf keine Lösung.<br />
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»Sir, bitte wachen Sie auf. Bitte, Sir, es ist dringend!«<br />
Sein Butler, Lionel, stand vor seinem Bett, eine Tasse frisch gebrühten<br />
Tees in der Hand. Unwillig richtete Sir Geoffrey sich auf<br />
und sah seinen Butler an.<br />
»Ich habe mich doch soeben erst zum Schlafen niedergelassen,<br />
warum wecken Sie mich denn schon? Ich würde gern eine Bemerkung<br />
machen, dass es draußen noch dunkel ist, aber das wäre<br />
fruchtlos, im Æther ist es bekanntlich immer dunkel. Also, Lionel,<br />
was ist los? Gibt es einen Bridge-Notfall?«<br />
Mit einem versöhnlichen Lächeln das seinen Worten die Spitze<br />
nahm und einem dankbaren Nicken griff Sir Geoffrey nach der<br />
Teetasse. Trotzdem er es nicht zeigte und sogar versuchte, es mit<br />
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