Kongressvorträge Deutsch - BRUNA 2012
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Inhaltsverzeichnis<br />
Session 1 ..................................................................................................................................... 2<br />
Braunvieh weltweit – eine Übersicht .......................................................................................... 3<br />
Evaluation von 10-Jahren-Rassenkreuzungen mit Brown Swiss ............................................... 5<br />
Genetische Entwicklung in der Slowenischen Braunviehpopulation .......................................... 9<br />
Original Braunvieh für Bio-Betriebe im Berggebiet .................................................................. 15<br />
Braunvieh in Südamerika ........................................................................................................ 19<br />
Disolabruna® Italienische Genossenschaft zur Aufwertung der Braunviehrasse .................... 21<br />
Brown Swiss in Südafrika ........................................................................................................ 25<br />
Erfahrungen mit <strong>Deutsch</strong>em Braunvieh in einem gemischtrassigen<br />
Milchviehbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern ........................................................................ 29<br />
Brown Swiss auf den Philippinen – Rückblick und Ausblick .................................................... 33<br />
Session 2 ................................................................................................................................... 36<br />
Genomische Zuchtwertschätzung der Population von deutschen und<br />
österreichischen Brown Swiss ................................................................................................. 37<br />
Intergenomics: Voraussetzungen und erste Erfahrungen ........................................................ 41<br />
Vergleich genomischer Zuchtwertschätzungs-Methoden für Braunvieh bei<br />
Intergenomics ......................................................................................................................... 47<br />
Einsatz von genomisch getesteten Jungstieren in der Schweiz ............................................... 51<br />
Genomische Selektion bei Brown Swiss für kommerzielle Milchviehbetriebe mit<br />
Übersicht von Brown Swiss in den USA .................................................................................. 55<br />
Nutzung von SNP-Daten zur Identifikation von mit potenziellen Erbfehlern<br />
assoziierten Haplotypen beim Braunvieh ................................................................................ 59<br />
Genomik und Wettbewerbsfähigkeit aus Sicht eines Elite-Holsteinzüchters ............................ 63<br />
Aktuelle Entwicklungen in der genomischen Zuchtwertschätzung ........................................... 65<br />
Session 3 ................................................................................................................................... 68<br />
Möglichkeiten der genomischen Selektion für neue funktionale Merkmale .............................. 69<br />
Zuchtwertschätzung für Mastitis in Frankreich ......................................................................... 73<br />
Zucht auf Langlebigkeit beim slowenischen Braunvieh ........................................................... 77<br />
Neue Zuchtwertschätzung Fruchtbarkeit bei Braunvieh Schweiz ............................................ 81<br />
Die Braunviehrasse eignet sich für automatische Melksysteme .............................................. 85<br />
Optimale funktionale Merkmale auf meinem Braunviehbetrieb ................................................ 87<br />
Gesundheitsmonitoring Rind – Gesundheits-Zuchtwerte für Braunvieh in<br />
Österreich und <strong>Deutsch</strong>land .................................................................................................... 91<br />
Funktioneller Vergleich der angeborenen Immunantwort zeigt deutliche<br />
Unterschiede zwischen zwei Rinderrassen ............................................................................. 95<br />
Notizen ...................................................................................................................................... 99<br />
Inhaltsverzeichnis 1
Session 1<br />
Braunvieh in unterschiedlichen Produktionssystemen und Ländern<br />
Markus Zemp, Schweiz:<br />
Braunvieh weltweit – eine Übersicht<br />
Marc Van Hove, Frankreich:<br />
Evaluation von 10-Jahren-Rassenkreuzungen mit Brown Swiss<br />
Klemen Potočnik, Slowenien:<br />
Genetische Entwicklung in der Slowenischen Braunviehpopulation<br />
Dominique Mahrer, Schweiz:<br />
Original Braunvieh für Bio-Betriebe im Berggebiet<br />
Mauricio Reyes, Kolumbien<br />
Braunvieh in Südamerika<br />
Pietro Laterza, Italien:<br />
Disolabruna® Italienische Genossenschaft zur Aufwertung der Braunviehrasse<br />
Anton Smit, Südafrika:<br />
Brown Swiss in Südafrika<br />
Steffen Schildt, <strong>Deutsch</strong>land:<br />
Erfahrungen mit <strong>Deutsch</strong>em Braunvieh in einem gemischtrassigen Milchviehbetrieb in<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Rene G. Abad, Philippinen:<br />
Brown Swiss auf den Philippinen – Rückblick und Ausblick<br />
2<br />
Session 1
Braunvieh weltweit – eine Übersicht<br />
Markus Zemp<br />
Präsident der Weltvereinigung der Braunviehzüchter und von Braunvieh Schweiz,<br />
Chamerstrasse 56, 6300 Zug<br />
markus.zemp@yetnet.ch<br />
Kurzfassung<br />
Mittels einer Umfrage haben wir versucht, eine Übersicht über die Braunviehbestände und deren<br />
Leistungsdaten in den Ländern zu erhalten, von denen wir Kontaktadressen zur Verfügung<br />
haben. Grundsätzlich kommt Braunvieh in allen Kontinenten vor. In den rapportierten 19 Ländern<br />
gibt es 2.3 Mio. Herdebuchtiere, wobei 530`000 Kühe unter Milchleistungskontrolle stehen. Die<br />
höchsten Leistungen erreichen die Kühe in den USA mit durchschnittlich 8`842 kg. Es fehlen<br />
insbesondere gesicherte Daten aus Ländern wie Russland, Kasachstan, Usbekistan, Türkei,<br />
Brasilien etc., wo relativ grosse Populationen vorhanden sind. Der Gesamtbestand an Braunvieh<br />
weltweit dürfte deshalb über 6 Mio. Tiere betragen. Als Problem wird erkannt, dass Braunvieh in<br />
fast allen Ländern, mit Ausnahme des europäischen Alpengürtels, einen sehr kleinen Anteil an<br />
der Kuhpopulation aufweist. Entsprechend fehlen züchterische und wissenschaftliche<br />
Unterstützung. Es wird deshalb vorgeschlagen, dass unter der Führung der europäischen<br />
Vereinigung der Braunviehzüchter ein weltweites Netzwerk aufgebaut wird und die Rasse klar<br />
positioniert wird.<br />
Die Braunvieh-Populationen<br />
Gemäss Umfrage gibt es in den 19 Ländern, welche ihre Posters geschickt haben, 2`134`000<br />
Braunviehtiere, wovon 530`000 Kühe unter Milchleistungskontrolle stehen. Am höchsten ist der<br />
Anteil an der jeweiligen nationalen Milchviehpopulation mit 33 % in der Schweiz, gefolgt von<br />
Rumänien mit 25 %, Italien mit 20 % und Österreich mit 7.3 %. In den meisten Ländern ist der<br />
Anteil 5 % und weniger. Die höchsten Bestandeszahlen weisen die Schweiz mit 520`000 Stück,<br />
gefolgt von Italien mit 473`100, <strong>Deutsch</strong>land mit 453`000, Rumänien mit 278`794 und Österreich<br />
mit 150`363 auf. Grosse Populationen gibt es weiter in Südamerika, Osteuropa und der Türkei.<br />
Vor allem in Ländern wie Russland, Kasachstan, Usbekistan und Kirgistan gibt es viele<br />
Braunviehtiere, welche allerdings zum Teil unter anderen Namen geführt werden und züchterisch<br />
wenig bis gar nicht organisiert sind. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass es über 6<br />
Mio. Braunvieh weltweit gibt. Der Anteil an Braunvieh-Kreuzungstieren ist wachsend und dürfte<br />
deutlich über 1 Mio. Tiere liegen. Die durchschnittlichen Milchleistungen sind in den USA mit<br />
8`842 kg am höchsten. In vielen Ländern wurde die 7`000 kg–Grenze überschritten. In den<br />
offiziellen Zuchtprogrammen werden über 300 Jungbullen jährlich geprüft. Wobei in den Ländern<br />
mit organisierten Nachzuchtprüfungsprogrammen der Einsatz von genomischen Tests zum<br />
Standard gehört. Braunvieh hat als einzige Rasse zur Erhöhung der Sicherheit der genomischen<br />
Zuchtwerte die Daten aus den europäischen Ländern und den USA bei Interbull gepoolt.<br />
Die Stärken von Braunvieh<br />
Braunvieh ist die Eiweissrasse. Dies dank dem hohen Eiweissgehalt und dem grossen Anteil an<br />
Kappa–Kasein B, welches für die Käseproduktion besonders wichtig ist. Besonders geschätzt<br />
wird das gute Fundament, die Robustizität und Langlebigkeit dieser Rasse, die tiefen Zellzahlen<br />
und die grosse Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Klimas, insbesondere Hitze und Kälte.<br />
In grossen Herden werden das ruhige Temperament und die vorzüglichen Kalbeeigenschaften<br />
hervorgehoben.<br />
Session 1 3
Ausblick – was ist zu tun<br />
Braunvieh ist mit Ausnahme einiger europäischer Länder, gemessen an den<br />
Gesamtpopulationen, eine Rasse mit wenig Verbreitung. Damit ist sie für die weltweit<br />
operierenden Genetikunternehmen von geringer Bedeutung. Angesichts der hohen Investitionen,<br />
welche derzeit in neue Zuchtmethoden getätigt werden, besteht die Gefahr, dass sowohl die<br />
Wissenschaft wie auch Genetikunternehmen diese Rasse wenig beachten, respektive in deren<br />
Zuchtprogramme investieren. Dazu kommt, dass in vielen Ländern Osteuropas, wo es durchaus<br />
viele Braunviehtiere gibt, eine organisierte Zucht fehlt. Oft werden die Braunviehtiere in Lagen<br />
gehalten, welche für eine intensive Milchproduktion schlecht geeignet sind.<br />
Die Braunviehzüchter müssen sich weltweit besser vernetzen. Es genügt nicht, alle vier Jahre<br />
eine Konferenz zu organisieren. Es braucht eine klare Positionierung der Rasse und ein<br />
entsprechendes Marketing, damit internationale Genetikunternehmen diese Rasse kennen und in<br />
sie investieren. Die Europäische Vereinigung der Braunviehzüchter sollte hier mit einem<br />
permanenten Sekretariat die Führungsrolle übernehmen.<br />
Angesichts der weltweiten Verknappung von Nahrungsmitteln, der Konkurrenz der tierischen<br />
Produktion mit der menschlichen Ernährung (Soja!) wird die Zukunft den Milchkühen gehören,<br />
welche in erster Linie Milch und Fleisch aus Raufutter produzieren. Dies ist die grosse Chance<br />
der braunen Kuh. Nutzen wir dies mit einer verstärkten Aktivität und Zusammenarbeit weltweit.<br />
4<br />
Session 1
Evaluation von 10-Jahren-Rassenkreuzungen mit Brown Swiss<br />
Marc Van Hove 1 , Aurore Grave 2 , Olivier Bulot 2<br />
1 French Breeder, 2 Brune Génétique Services, 149, rue de Bercy, 75595 Paris Cedex 12, Frankreich<br />
marc.vanhove@free.fr<br />
Kurzfassung<br />
2002 wurden Herr und Frau Van Hove auf das Braunvieh aufmerksam gemacht und<br />
beschlossen, ihre Holstein-Kühe einzukreuzen, um die funktionellen Merkmale zu verbessern<br />
und die Zuchtkosten zu senken. Zehn Jahre später haben sich die Braunvieh- und<br />
Kreuzungstiere an ihr System sehr gut angepasst. In ihrem Betrieb spielt die Bruttomarge eine<br />
wichtigere Rolle als die Leistung pro Kuh. Im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Vergleichsgruppe<br />
liegen sie jetzt im oberen Teil der Tabelle. Ihre Bruttomarge ist um 75€/1000L höher als der<br />
Durchschnitt.<br />
Einleitung<br />
Seit 1991 besitzen Herr und Frau Van Hove eine Holstein-Herde in Nordfrankreich. 2002 wurden<br />
sie auf das Braunvieh aufmerksam gemacht. Ihr Ziel war es, die Mängel bei den funktionellen<br />
Merkmalen (Zellzahl, Beinstellung, Fruchtbarkeit ...) zu korrigieren, da sie beim Holstein<br />
besonders stark sind und hohe Kosten verursachen. Ferner konnten sie durch die BV-<br />
Milchleistung eine gute Milchquote aufrechterhalten und die Inhaltsstoffe erhöhen. Heute haben<br />
sie einen Bestand von 66 Milchkühen mit einer durchschnittlichen Milchleistung von 7823 kg, der<br />
wie folgt zusammengesetzt ist: 13 reinrassige Braunviehkühe, 41 Kreuzungstiere – von denen 19<br />
zu 50 % mit Braunvieh gekreuzt, 22 zu 75 %, 7 zu 87.5 % und 1 zu 93.75 %, die nun als<br />
reinrassig betrachtet wird – sowie 4 Holstein-Kühe.<br />
Die Stufen der Rassenumstellung<br />
Da das Braunvieh nur wenig bekannt war, wurde mit der Kreuzung vorsichtig angefangen. Im<br />
ersten Jahr wurden 10 Braunvieh-Sameneinheiten eingesetzt und 6 weibliche F1-Tiere geboren.<br />
5 Kühe stiegen 2005 in die erste Laktation ein. Zur Kreuzung wurden Holstein-Kühe ausgewählt,<br />
die eine lange Lebensdauer aufwiesen. Die Auswahl der Stiere war einfacher, da das Problem<br />
der Inzucht bei der ersten Generation der KB-Tiere nicht besteht. Ausgewählt wurden also die<br />
Braunvieh-Stiere, die unter den für die Kreuzung empfohlenen Tiere am ausgewogensten waren.<br />
Aus diesem Grund gibt es viele Töchter von Paradis, Mosaïque, Prince und zuletzt auch von<br />
Thibault und Traction. Gleichzeitig wurden 9 reinrassige Braunviehkühe 2005 und 7 weitere<br />
Kuhkälber zwei Jahre später angekauft.<br />
Technische Ergebnisse<br />
Die Einführung der Braunviehrasse ist erfolgreich und die ersten gemischtrassigen Tiere weisen<br />
bereits Verbesserungen vor allem bei der Fruchtbarkeit und dem Fundament auf. Im Vergleich<br />
zum alten Holstein-Bestand ist die Zwischenkalbezeit (ZKZ) um 11 Tage kürzer und der<br />
Besamungsindex um 0.3 Punkte niedriger. Ebenso ist die durchschnittliche Zellzahl deutlich<br />
gesunken und liegt heute bei 134„000 gegen 214„000 beim Holstein. Wenn man die Milchleistung<br />
der Tiere analysiert, die seit 2005 (als die ersten gemischtrassigen und reinrassigen<br />
Braunviehtiere eingeführt wuren) im Bestand sind, beobachtet man bei jeder Generation von<br />
Kreuzungstieren einen höheren Eiweißgehalt, der fast so hoch wie beim reinen Braunvieh ist. Die<br />
Milchleistung entwickelt sich entsprechend und sinkt auf das Niveau der Braunviehrasse. Die<br />
Ergebnisse der 2. und 3. Generation pro Laktationsstufe zeigen einen langsamen Start in die<br />
erste Laktation, der dann in der 2. und 3. Laktation nachgeholt wird. Das Verhalten der<br />
reinrassigen Braunviehtiere wird in der 2. und 3. Laktation deutlich, so dass ihre Leistungen<br />
Session 1 5
egelmäßiger scheinen, als es oft angegeben wird. Es ist heute noch schwierig,<br />
Schlussfolgerungen über die Langlebigkeit der Tiere zu ziehen, da viele Kreuzungstiere noch<br />
leistungsgfähig sind. Der schmale Unterschied bei der Langlebigkeit zwischen reinrassigen<br />
Hostein- und Braunviehtieren kann einfach auf die Entscheidung zurückgeführt werden, nur<br />
langlebige Holstein-Blutlinien zu Kreuzungszwecken einzusetzen.<br />
Tabelle 1: Durchschnittliche Milchleistung der Kühe nach Rasse<br />
2005 bis heute Anzahl<br />
Kühe<br />
Milch<br />
Eiweiß<br />
%<br />
Fett %<br />
Feststoffe<br />
gesamt<br />
Durchschn.<br />
Anzahl<br />
Laktationen<br />
Holstein 25 8618 3.11 3.77 593 2.3<br />
50%-Kreuzungstiere 1. Laktation 39 7236 3.20 3.92 515<br />
50%-Kreuzungstiere 2. Laktation 32 7924 3.35 3.96 579<br />
50%-Kreuzungstiere 3. und weitere<br />
Laktationen<br />
22 7878 3.30 3.96 572<br />
Durchschnitt 50%-Kreuzungstiere 39 7662 3.28 3.94 553 2.2<br />
75%-Kreuzungstiere 1. Laktation 29 6278 3.28 4.03 459<br />
75%-Kreuzungstiere 2. Laktation 19 7555 3.35 4.11 564<br />
75%-Kreuzungstiere 3. und weitere<br />
Laktationen<br />
8 7735 3.44 4.03 578<br />
Durchschnitt 75%-Kreuzungstiere 29 6961 3.33 4.05 514 1.8<br />
87.5%-Kreuzungstiere 1. Laktation 5 6754 3.19 4.20 499<br />
87.5%-Kreuzungstiere 2. Laktation 2 7669 3.75 4.43 627<br />
87.5%-Kreuzungstiere 3. und weitere<br />
Laktationen<br />
2 7741 3.65 4.26 612<br />
Durchschnitt 87.5%-Kreuzungstiere 5 7177 3.42 4.26 551 1.7<br />
Brown Swiss 24 7043 3.44 4.10 531 2.5<br />
Wirtschaftliche Ergebnisse<br />
Der Betrieb ist Mitglied einer wirtschaftlichen Vergleichsgruppe bestehend aus 80 Herden<br />
(hauptsächlich Holstein) mit Maissilage-Fütterungssystem. Vor der Rassenumstellung erzielte der<br />
Betrieb durchschnittliche Ergebnisse. Seitdem Braunvieh- und Kreuzungstiere in die Herde<br />
eingeführt wurden, ist die Bruttomarge ständig gewachsen. Bei einer vergleichbaren<br />
Milchleistung und einem geringeren Kraftfutterbedarf als beim Holstein wurden seit der<br />
Rassenumstellung ca. 20 €/1000L bei den Fütterungskosten eingespart. Die Fütterungskosten<br />
sind zur Zeit um 30 € niedriger als der Gruppendurchschnitt und der Milchpreis ist aufgrund der<br />
besseren Inhaltsstoffe um 15 € höher. Unter dem Gruppendurchschnitt liegen auch die<br />
Betriebskosten (32.4 €/1000L vs. 39.8 €/1000L) und vor allem die Veterinärkosten in Höhe von<br />
8.7€/1000L gegen 14.8€/1000L für die Gruppe. Der Margenunterschied zwischen dem Betrieb<br />
und der Gruppe wächst ständig. Nach einem internen Gewinn von 20 €/1000L durch die<br />
Rassenumstellung liegt jetzt der Betrieb im oberen Teil der Tabelle. Seine Bruttomarge ist um 75<br />
€ höher als der Durchschnitt und beträgt 296 €/1000L gegenüber 221 € für die Gruppe.<br />
6<br />
Session 1
Tabelle 2: Wirtschaftliche Ergebnisse vor und nach der Rassenumstellung<br />
1997/1998 1998/1999 2000/2001 2001/2002 2008/2009 2009/2010 2010/2011 2011/<strong>2012</strong><br />
Zusammensetzung Herde 100% Holstein Herde mit Kreuzungstieren<br />
Anzahl Kühe 64.2 64.9 63 63.8 68.1 69.1 68.5 67.7<br />
Gruppendurchschnitt 48 46.3 47.6 45.0 57.3 52.4 56.9 54.5<br />
Milchleistung/Kuh 7495 7071 7260 7244 7538 7262 7601 7823<br />
Gruppendurchschnitt 7343 7401 7434 7291 8221 8284 8504 8720<br />
Milchpreis/1000L 320 322 328 341 354.6 298.7 350.6 361.8<br />
Gruppendurchschnitt 313 311 319 326 339 288 333 347<br />
Fütterungskosten/100 L 95 85 85 91 82.7 79.3 71.3 71.3<br />
Gruppendurchschnitt 98 99 93 99 116.9 102.8 101.8 112.1<br />
Betriebskosten/1000L 20 21 24 24 31.1 32.1 33.0 32.4<br />
Gruppendurchschnitt 30 26 37 38 47.5 41.4 38.4 39.8<br />
Bruttomarge/1000L 236 255 249 248 268 218 280 296<br />
Gruppendurchschnitt 232 238 236 224 204 176 223 221<br />
Fazit<br />
Die Entscheidung, durch Kreuzungen auf die Braunviehrasse umzustellen, ist für den Betrieb<br />
sowohl technisch als auch wirtschaftlich ein voller Erfolg, wie die Ergebnisse zeigen. Durch den<br />
gleichzeitigen Ankauf von reinrassigen Braunviehtieren wurde die ursprüngliche Entscheidung<br />
bestätigt und das Endziel gezeigt, obwohl die Entwicklung aufgrund der Kreuzungen viel höher<br />
war. Am schwierigsten scheint es, die niedrigere Milchleistung in der 1. Laktation in Kauf zu<br />
nehmen, die aber im Endeffekt aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtergebnisse bald akzeptiert<br />
wird. Heute bedauern Herr und Frau Van Hove ihre Entscheidung nicht und sind mit ihrer<br />
Erfahrung völlig zufrieden.<br />
Session 1 7
8<br />
Session 1
Genetische Entwicklung in der Slowenischen Braunviehpopulation<br />
Klemen Potočnik 1 , Marko Čepon 1 and Gregor Gorjanc 1<br />
1 University of Ljubljana, Biotechnical Faculty, Zootechnical Department, Groblje 3, 1230 Domžale,<br />
Slowenien<br />
klemen.potocnik@bf.uni-lj.si<br />
Kurzfassung<br />
In Slowenien haben Braunviehzuchtverbände mehr als hundert Jahre Geschichte hinter sich.<br />
Dort ist das Braunvieh eine Zweinutzungsrasse, wird jedoch hauptsächlich für seine Milchleistung<br />
eingesetzt. In den letzten dreißig Jahren ist der Milchviehbestand von über 56„000 auf knapp<br />
16„000 Kühe zurückgegangen. Trotzdem war der Zuchtfortschritt im letzten Jahrzehnt bei den<br />
meisten selektierten Merkmalen signifikant. Der höchste Zuchtfortschritt wurde bei<br />
Morphologiemerkmalen, insbesondere bei Euter- und Exterieurmerkmalen, sowie bei Milch-, Fettund<br />
Eiweißleistung erreicht. Fett- und Eiweißgehalt sowie Fruchtbarkeitsmerkmale und<br />
Bemuskelung haben hingegen keine Änderungen gezeigt.<br />
Schlüsselwörter: Braunvieh, genetischer Trend, Leistungsmerkmale, Sekundärmerkmale<br />
Einleitung<br />
Der aussagekräftigste Parameter zur Bewertung der Selektion ist der Zuchtfortschritt (Falconer<br />
und Mackay, 1996). Als mehrere Merkmale gleichzeitig selektiert wurden, konnte der höchste<br />
Zuchtfortschritt aus einem wirtschaftlichen Gesichtspunkt unter Verwendung der<br />
Gesamtzuchtwerte erreicht werden. Im Zuchtsystem sollten wir genetische Änderungen aufgrund<br />
genetischer Korrelationen bei allen im Selektionsprogramm enthaltenen Merkmalen überwachen<br />
(z.B. Pogačar, 1984). Um gute Ergebnisse zu erzielen, brauchen wir eine langfristige Strategie.<br />
Zuchtziele können nur durch gemeinsame Anstrengungen auf nationaler Ebene sowie durch die<br />
Unterstützung von Züchtern, die erfolgsorientiert sind und Zuchtentscheidungen in ihrer Herde<br />
treffen, erreicht werden. In diesem Beitrag präsentieren wir die Zuchtergebnisse der letzten zehn<br />
Jahre in der slowenischen Braunviehpopulation unter Milchkontrolle.<br />
Material und Methoden<br />
Bei den Analysen wurden die Daten der routinemäßigen Zuchtwertschätzung von Oktober <strong>2012</strong><br />
verwendet. Zur Auswertung wurden Merkmale und Werte ausgewählt, die einen hohen<br />
wirtschaftlichen Einfluss auf die Braunviehrasse haben. Für die meisten analysierten Merkmale<br />
wurden Einmerkmals-Tiermodelle zur Zuchtwertschätzung eingesetzt. Bei den<br />
Exterieurmerkmalen wurde ein multivariates Tiermodell in Anspruch genommen. Standardisierte<br />
Zuchtwerte wurden bei Zusammenstellungen verwendet, bei denen der Durchschnitt 100 und die<br />
Standardabweichung 12 beträgt. Bei Merkmalen mit erwünschten negativen Zuchtwerten werden<br />
die Vorzeichen gekehrt, damit hohe Indexwerte für die erwünschte Markmalsausprägung stehen.<br />
Die Zuchtwerte wurden mit VCE6.0 (Groeneveld et al., <strong>2012</strong>) abgeleitet, während die Bewertung<br />
genetischer Trends mittels SAS-Softwarepaket (SAS Institute, 2001) durchgeführt wurde.<br />
Ergebnisse<br />
Die Abbildung 1 zeigt die genetischen Änderungen bei Milchleistungsmerkmalen für Tiere, die<br />
zwischen 2000 und 2009 geboren sind. Die höchsten Zuchtfortschritte wurden in diesem<br />
Zeitrahmen bei Milch-, Eiweiß- und Fettleistungen erzielt. Im Laufe von 12 Jahren wurde<br />
mindestens eine Standardabweichung beim Zuchtfortschritt für alle Leistungsmerkmale<br />
verzeichnet. Trotz der negativen Korrelationen zwischen Leistungs- und Gehaltsmerkmalen ist<br />
Session 1 9
eim Eiweißgehalt ein leicht positiver genetischer Trend ersichtlich, während keine maßgebliche<br />
Änderung beim Fettgehalt erzielt wurde (Abbildung 1). Da nur eine kleine Anzahl von Stieren<br />
eingesetzt wird, ändert sich der genetische Trend Jahr um Jahr erheblich.<br />
Abbildung 1: Genetische Trends bei Milchleistungsmerkmalen anhand des Testtagsmodells<br />
Bei den Fruchtbarkeitsmerkmalen haben wir einen positiven genetischen Trend beim<br />
Erstkalbealter (Abbildung 2) beobachtet. Bei der Zwischenkalbezeit war dies nur in den letzten<br />
zwei Jahren der Fall, wie wir aufgrund der Datenstruktur teilweise erwartet hatten – junge Kühe,<br />
die zum zweiten Mal abkalbten (der erste Datensatz für ZKZ), stellen die letzten Geburtsjahre dar<br />
(Abbildung 2). Die Leichtkalbigkeit zeigte im letzten Jahrzehnt keine bedeutsamen genetischen<br />
Änderungen.<br />
Abbildung 2: Genetische Trends bei Fruchtbarkeitsmerkmalen<br />
10<br />
Session 1
Unter den Exterieurmerkmalen, die den Körperrahmen beschreiben, zeigen Kreuzbeinhöhe,<br />
Beckenlänge und Rahmennote einen mäßigen positiven genetischen Trend (Abbildung 3). Bei<br />
der Brustbreite wurde ein leicht negativer genetischer Trend beobachtet (Abbildung 3).<br />
Abbildung 3: Genetische Trends bei Rahmenmerkmalen<br />
Bei den Exterieurmerkmalen, die die Körperform beschreiben, wurde kein bedeutsamer<br />
genetischer Trend beobachtet (Abbildung 4). Nur die Formnote zeigt einen ziemlich hohen<br />
Zuchtfortschritt. Für Fesseln, hintere Beine und Klauenhöhe sind durchschnittliche Werte<br />
erwünscht. Keine genetischen Änderungen werden daher vorgezogen und dies führt zu einer<br />
möglichen geringeren Varianz.<br />
Abbildung 4: Genetische Trends bei Formmerkmalen<br />
Session 1 11
Bei allen Eutermerkmalen wurden positive genetische Trends beobachtet (Abbildung 5). Bei der<br />
Euternote überschritt der höchste Zuchtfortschritt eine Standardabweichung. Nur beim<br />
Euterboden wurde kein genetischer Trend verzeichnet.<br />
Abbildung 5: Genetische Trends bei Eutermerkmalen<br />
Beim Gesamtzuchtwert für die Milchleistung wurde in der Berichtsperiode ein beachtlicher<br />
Zuchtfortschritt beobachtet (Abbildung 6). Dasselbe gilt auch für die Exterieurwerte, die sowohl<br />
bei Milch- als auch bei Zweinutzungszielen eine Rolle spielen. Der Gesamtzuchtwert für das<br />
Zweinutzungsziel wies keinen Zuchtfortschritt auf. Das ist nachvollziehbar, da die meisten Tiere<br />
unter Milchkontrolle das Milchleistungsziel verfolgen.<br />
12<br />
Session 1
Abbildung 6: Genetische Trends bei Gesamtzucht- und Exterieurwerten<br />
Diskussion<br />
Die untersuchte slowenische Braunviehpopulation unter Milchkontrolle stellt 14 % des<br />
eingetragenen Milchviehbestandes dar. Bei dieser Rasse setzt die Selektion auf gesunde und<br />
langlebige Kühe mit gutem Euter und guter Milchleistung. Wie die Auswertung zeigt, hat der<br />
Zuchtfortschritt in den letzten zehn Jahren Änderungen auf dem richtigen Weg mit sich gebracht.<br />
Die wichtigsten Änderungen wurden bei der Milchleistung und den Eutermerkmalen erzielt. Da all<br />
diese Merkmale einen großen Einfluss auf den Gesamtzuchtwert für Milchkühe haben, ist die<br />
Selektion in dieser Population erfolgreich.<br />
Literaturverzeichnis<br />
FALCONER D. S., MACKAY T.F.C., 1996. Introduction to Quantitative Genetics. Fourth Edition. Longman,<br />
Essex – England, 464 p.<br />
Groeneveld E., Kovač M., Mielenz N. VCE User‟s Guide and Reference Manual Version 6.0<br />
POGAČAR J. 1984. Kontrola in selekcija v govedoreji. Ljubljana, ČZP Kmečki glas:174 p.<br />
SAS INSTITUTE Inc., 2001. The SAS System for Windows, Release 8.02. SAS Institute Inc., Cary, NC.<br />
Session 1 13
14<br />
Session 1
Original Braunvieh für Bio-Betriebe im Berggebiet<br />
Dominique Mahrer 1,2,3 , Alexander Burren 2 , Anet Spengler Neff 1 , Christine Flury 2 , Jürg Moll 3<br />
1 FiBL (Research Institute of Organic Agriculture), Ackerstrasse, 5070 Frick, Schweiz; 2 Bern University of<br />
applied Sciences, School of Agricultural, Forest and Food Sciences, Länggasse 85, 3052 Zollikofen,<br />
Schweiz; 3 Qualitas AG, Chamerstrasse 56, 6300 Zug, Schweiz<br />
dominique.mahrer@qualitasag.ch<br />
Einleitung<br />
Der Braunviehherdebuchbestand hat sich in den Jahren 2000 bis 2010 verändert. Von 219‟474<br />
Tieren im Jahr 2000 sank der Bestand auf 204‟232 Tiere im Jahr 2010. Gleichzeitig hat aber die<br />
Zahl der Herdebuchtiere beim Original Braunvieh (OB) von 4„161 auf 5„256 zugenommen.<br />
Viehzuchtberater im Berggebiet stellen fest, dass insbesondere auf Biobetrieben vermehrt<br />
Braunviehkühe (BV) mit OB-Stieren belegt werden (Spengler Neff 2011). Es stellt sich also die<br />
Frage, ob diese Kreuzungen sich für Bio-Bergbetriebe eignen und wie sie sich von den<br />
Elternrassen unterscheiden. Ziel der Untersuchung ist es, Unterschiede in den Merkmalen<br />
Milchleistung, Eutergesundheit, Fruchtbarkeit und Langlebigkeit zwischen den Braunviehkühen<br />
und Original Braunviehkühen und ihren Kreuzungen (F1 und F2) zu finden und deren Eignung für<br />
die Praxis einzuschätzen.<br />
Material und Methoden<br />
Braunvieh Schweiz hat die Daten der ersten abgeschlossenen Standardlaktation von Tieren mit<br />
Jahrgang 2000-2010 geliefert, zusätzlich die Daten von toten Tieren zu Lebensleistung, Alter und<br />
Nutzungsdauer. Für die Auswertungen wurden die Rassencodes BV und OB als eigene Rassen<br />
definiert. Die Tiere wurden aufgrund ihrer Kreuzungsverhältnisse in sechs Rassenklassen<br />
unterteilt. Die Klasse l beinhaltet reine OB-Tiere, die Klasse ll die BV-Tiere, die Klasse lll die F1<br />
aus OBxBV, die Klasse lV die F2 aus BVxF1, die Klasse V die F2 aus OBxF1 und die Klasse Vl<br />
die F2 aus F1xF1. Die Rassenklasse VI wurde aufgrund ihrer Grösse von nur 46 Tieren aus den<br />
Auswertungen ausgeschlossen. Um eine statistisch auswertbare Stichprobe zu erhalten, wurden<br />
die OB- und BV-Kühe im selben Berg-/Tal-Verhältnis ausgewählt. In einem weiteren Teil der<br />
Arbeit wurden Interviews mit fünf Bio-Berglandwirten durchgeführt. Die praktische Relevanz der<br />
Kreuzungen sollte dadurch aufgezeigt werden. Die Ergebnisse der Befragungen wurden jedoch<br />
nicht statistisch ausgewertet, sondern dienen lediglich dazu, einen Einblick in die<br />
landwirtschaftliche Praxis von biologisch wirtschaftenden Bergbetrieben zu erhalten.<br />
Die Daten wurden plausibilisiert und mit General Linear Models (GLM) auf Unterschiede<br />
zwischen den Rassenklassen ausgewertet. Jedes Modell wurde einmal ohne und einmal mit der<br />
Interaktion Rassenklasse x Produktionsstufe berechnet. Die Schätzung zeigte, dass alle<br />
Parameter der Modelle einen hoch signifikanten Effekt (p0.05). Die<br />
Ergebnisse sind in LSQ-Mittelwerten dargestellt.<br />
Ergebnisse<br />
In der Milchleistung hat sich gezeigt, dass BV-Blut einen positiven Effekt hat. Die OB-Tiere und<br />
die F1-Generation unterscheiden sich nicht signifikant voneinander, weisen aber tiefere kg ECM<br />
(Energie-korrigierte Milch) Mittelwerte auf als die BV-Klasse. Die F2 mit 75 % OB zeigt über alle<br />
Produktionsstufen die tiefste Milchleistung.<br />
Kreuzungstiere (F1 und beide F2) sind in den Milchgehalten tiefer als BV und OB. Der<br />
Eiweissgehalt der OB- und BV-Tiere ist auf allen Produktionsstufen höher als diejenigen der<br />
Kreuzungstiere, wobei die F2-Kühe mit 75 % BV-Blut, ausser in der Talzone, eine leicht höhere<br />
Eiweissleistung erbringen als die anderen Kreuzungen. Es handelt sich dabei nicht um einen<br />
Session 1 15
signifikanten Unterschied. Ein hoher Fettgehalt auf allen Produktionsstufen zeigen die BV-Kühe.<br />
In der Talzone hat die F2-Generation mit 75 %-OB Blutanteil einen vergleichbar hohen Fettanteil<br />
wie die BV-Tiere. Ab der Hügelzone zeigt sich aber, dass ein hoher BV-Blutanteil sich positiv auf<br />
den Fettgehalt auswirkt.<br />
Das OB-Blut hat einen positiven Einfluss auf die Zellzahlen. Die Schätzungen haben gezeigt,<br />
dass die Zellzahlen tiefer sind, je höher der OB-Blutanteil, wobei die F1-Kreuzung mit den OB-<br />
Tieren vergleichbar ist.<br />
Die Persistenz ist ebenfalls positiv vom OB-Blut beeinflusst. Je höher der OB-Blutanteil ist, desto<br />
höher auch die Persistenz, wobei dies besonders in den Bergzonen deutlich ist. Ab der<br />
Hügelzone fallen Tiere mit hohem BV-Anteil ab und halten sich bei rund 83 %. Die Persistenz von<br />
Kühen mit 75 % OB-Anteil steigt in der Bergzone 3+4 wieder etwas an, sodass sie mit der OB-<br />
Klasse vergleichbar ist.<br />
Bei den Fruchtbarkeitsmerkmalen hat sich ebenfalls gezeigt, dass sich OB-Blut positiv auf die<br />
Merkmale auswirkt. OB-Tiere zeigen kürzere Serviceperioden und Rastzeiten, damit einher geht<br />
ein tieferer Besamungsindex. Die Auswertung der Nutzungsdauer zeigte, dass Tiere mit 75 %<br />
BV-Blut eine längere Nutzungsdauer als die übrigen Klassen haben. Die F2 mit 75 % OB zeigt<br />
auf allen Stufen die kürzeste Nutzungsdauer. In den Bergzonen 3+4 ist diese Klasse aber wieder<br />
mit der BV-Klasse vergleichbar.<br />
Die Betriebsbesuche bei den fünf Landwirten haben gezeigt, dass OBxBV-Kreuzungen gute,<br />
kompakte Tiere sind, mit einer für Biobergbetriebe guten Milchleistung, einer guten<br />
Fleischleistung, einer guten Gesundheit (Euter, Klauen und Stoffwechsel) und Fruchtbarkeit.<br />
Einzig der Eiweissgehalt entspricht nicht immer den Wünschen der Landwirte.<br />
Diskussion<br />
OB-Blut zeigt einen negativen Einfluss auf die Milchleistungsmerkmale. Reine OB-Tiere<br />
erreichen nicht dieselben Leistungen wie Tiere mit hohem BV-Blutanteil. Bei den Milchgehalten<br />
dagegen sind OB-Kühe mit BV-Kühen in allen Produktionsstufen vergleichbar. Aus dem OB-Blut<br />
ergibt sich ein positiver Effekt in den Merkmalen Persistenz und Eutergesundheit. In diesen<br />
untersuchten Parametern kann auch die leistungsschwache Klasse V mit 75 % OB Stärken<br />
beweisen und lässt sich teilweise mit den 100 % OB-Tieren vergleichen. Durch die stark positive<br />
genetische Korrelation zwischen der Milchleistung und dem SCS, bzw. der Milchleistung und der<br />
Mastitishäufigkeit (Rupp und Boichard 1999), kann davon ausgegangen werden, dass OB-Tiere<br />
eine bessere Eutergesundheit im Gegensatz zu Tieren mit hohem BV-Blutanteil haben. Die<br />
Verschlechterung der Zellzahlen trotz verringerter Milchleistung mit zunehmender Höhenstufe<br />
kann damit erklärt werden, dass Bergbetriebe ihre Kühe öfter alpen als Talbetriebe und ihre Tiere<br />
dadurch öfter grösserem Stress aussetzen (fremder Melker, Futterumstellung) (Walkenhorst et al.<br />
2005).<br />
Die Untersuchung der Fruchtbarkeit zeigte eine leichte Tendenz in Richtung eines positiven<br />
Einflusses von OB-Blut. Zumindest in der Talzone bewegen sich aber alle Rassenklassen in den<br />
Normwerten. Es wird aber ersichtlich, dass sich die Fruchtbarkeit mit sinkender Milchleistung<br />
verbessert. Windig et al. (2005) haben zwar gezeigt, dass die Fruchtbarkeit unabhängig des<br />
Produktionsniveaus gut sein kann, solange der Stress der hohen Leistung nicht grösser als der<br />
Managementeffekt ist. Die Befragung der Landwirte hat auch Ähnliches hervorgebracht. Sie<br />
meinten, sie hätten keine Probleme mit der Fruchtbarkeit in ihren Herden, schreiben dies aber<br />
nicht prinzipiell der Rasse zu, sondern vielmehr dem Fruchtbarkeitsmanagement auf dem<br />
Betrieb.<br />
16<br />
Session 1
Schlussfolgerungen<br />
OB-Tiere zeigen generell gute Leistungen bei guter Fruchtbarkeit und guter Eutergesundheit.<br />
Kreuzungstiere mit OB, besonders mit 75 % OB-Blut, genügen aber oft nicht den Ansprüchen der<br />
Landwirte. Sie verzeichnen die kürzeste Nutzungsdauer. Eine gezielte Rückkreuzung auf OB<br />
(ROB) kann sich dennoch lohnen. Die tieferen Milchleistungen im Vergleich zu BV-Tieren ist in<br />
Berggebieten, und im besonderen für Biobetriebe, durchaus erwünscht, da die Kühe dadurch mit<br />
der betriebseigenen Futtergrundlage gefüttert werden können und dennoch eine genügende<br />
Leistung erbringen. Die tiefen Zellzahlen, und damit einhergehend eine gute Eutergesundheit,<br />
ermöglichen einen tiefen Antibiotika-Einsatz und somit tiefere Arzneimittel- und Tierarztkosten.<br />
Die positiven Effekte von OB-Blut auf die Fruchtbarkeit ermöglichen den Aufbau einer<br />
langlebigen, robusten und stabilen Herde, welche an den Betrieb angepasst ist. Dennoch sollte<br />
bei der Rückkreuzung darauf geachtet werden, dass nur solche F1-Tiere für die Zucht auf ROB<br />
selektiert werden, welche überdurchschnittliche Leistungen erbringen. Die eher schlechteren<br />
Werte dieser F2 können dadurch etwas abgefedert werden.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Rupp R., Boichard D., 1999. Genetic Parameters for Clinical Mastitis, Somatic Cell Score, Production,<br />
Udder Type Traits, and Milking Ease in First Lactation Holsteins. Journal of Dairy Science 82, 2198-2204.<br />
Walkenhorst M., Spranger J., Klocke P., Schären W., 2005. Risk Factors Contributing to Udder Health<br />
Depression During Alpine Summer Pasturing in Swiss Dairy Herds. In: Hogeveen, H. (Ed.) Mastitis in dairy<br />
production - Current knowledge and future solutions. Wageningen Academic Publishers, Wageningen, 642-<br />
648.<br />
Windig J.J., Calus M.P.L., Veerkamp R.F., 2005. Influence of Herd Environment on Health and Fertility and<br />
Their Relationship with Milk Production. Journal of Dairy Science 88, 335-347.<br />
Spengler Neff A., 2011. Persönliche Mitteilungen vom 31.01.2011 bis 10.08.2011<br />
Session 1 17
Abbildung 3:LSQ-Mittelwerte ECM (Energiekorrigierte<br />
Milch) kg und Unterschiede zwischen<br />
den Rassenklassen mit Interaktion Rasse*Stufe<br />
Abbildung 6: LSQ-Mittelwerte Fett % und<br />
Unterschiede zwischen den Rassenklassen mit<br />
Interaktion Rasse*Stufe<br />
Abbildung 2: LSQ-Mittelwerte Eiweiss % und<br />
Unterschiede zwischen den Rassenklassen mit<br />
Interaktion Rasse*Stufe<br />
Abbildung 5: : LSQ-Mittelwerte SCS und<br />
Unterschiede zwischen den Rassenklassen mit<br />
Interaktion Rasse*Stufe<br />
Abbildung 1: LSQ-Mittelwerte Persistenz und<br />
Unterschiede zwischen den Rassenklassen mit<br />
Interaktion Rasse*Stufe<br />
Abbildung 4: LSQ-Mittelwerte Serviceperiode und<br />
Unterschiede zwischen den Rassenklassen mit<br />
Interaktion Rasse*Stufe<br />
Unterschiedliche Buchstaben bedeuten signifikant (p
Braunvieh in Südamerika<br />
Mauricio Reyes<br />
Columbus house, Calle 105 No 21 – 32, Bogota, Kolumbien<br />
mreyes@columbhouse.com<br />
Vorgeschichte<br />
Südamerika ist ein Kontinent voller Kontraste, Schätze und Möglichkeiten. Reich an<br />
Süßwasserquellen und Artenvielfalt ist es die Weltregion mit den größten Flächen für<br />
Landwirtschaft und Viehzucht, mit ausgiebigen, qualifizierten und billigen Arbeitskräften. Unter<br />
einem klimatischen Gesichtspunkt weisen diese Gebiete tropische bis zu subtropische<br />
Umgebungsbedingungen auf, wobei der südlichste Teil Südamerikas mit allen Jahreszeiten<br />
rechnen kann. Dies ermöglicht die wettbewerbsfähige Erzeugung aller Getreidearten, Viehfutter,<br />
Öle, Ethanol aus Zuckerrohr, Biodiesel aus Ölpalm-Plantagen, Obst, Gemüse, Milch und Fleisch<br />
usw. Somit ist Südamerika allmählich die größte Vorratskammer der Welt geworden.<br />
Im Allgemeinen orientieren sich die Volkswirtschaften dieses Kontinentes an einer umsichtigen<br />
Verwaltung und an einem immer offeneren Welthandel. Zu verzeichnen ist die sechstgrößte<br />
Volkswirtschaft der Welt, Brasilien, mit 200 Millionen Stück Vieh. <strong>2012</strong> rechnet man mit einem<br />
Wirtschaftswachstum in dieser Region (BIP) von 4 %. Südamerika ist eine Weltmacht im Hinblick<br />
auf Wasserkraft, Erdöl, Gas, Kohle, Kupfer, Nickel, Gold, Silber und Smaragden. Hier sind alle<br />
natürlichen Ressourcen zu finden, um weltweit wettbewerbsfähig zu sein. Die internationalen<br />
Investoren bringen seit Jahren einträgliche Wirtschaftsmittel und Technologien in diese Region.<br />
Fleisch- und Milchviehzucht<br />
Da dieser Kontinent alle thermischen Höhenstufen aufweist, ist die Produktion von Fleisch und<br />
Milch in allen Landbauformen möglich und zwar unter sehr günstigen Bedingungen. Die<br />
erheblichen Flächen sind durch eine reichhaltige und meistens unberührte Pflanzendecke<br />
gekennzeichnet, was die Entwicklung der Viehzucht auf Weiden fördert; üblich sind ferner die<br />
Weidetierhaltung mit Futterergänzung, die Stallhaltung mit gemischter Futterration sowohl unter<br />
gedeckten Flächen als auch im Freien in Schattenbereichen und die Agroforstwirtschaft, die die<br />
Wiederaufforstung einiger Regionen ermöglicht hat.<br />
Südamerika exportiert Fleisch und Milch weltweit, da die zur Verfügung stehenden Mengen<br />
ausreichend groß sind. Allerdings ist die Haupt-Herausforderung der lateinamerikanischen<br />
Staaten die Erhöhung des Eigenverbrauchs, insbesondere von Milchprodukten. Zur Zeit liegt der<br />
durchschnittliche Konsum bei 50 % der von der FAO empfohlenen Werte. Ein Anstieg bis auf<br />
100 % dieser Werte stellt eine außergewöhnliche Aufgabe dar, die unter anderem zur geistigen<br />
und körperlichen Entwicklung der Bevölkerung führen wird, was im Endeffekt zum Fortschritt der<br />
sozialen Gerechtigkeit beitragen wird.<br />
Braunvieh<br />
Die Braunviehrasse ist seit über 70 Jahren in Südamerika zu finden und dank ihrer Anpassung<br />
an alle thermischen und geographischen Höhenstufen, vom Meeresspiegel bis zu 3„500 m Höhe,<br />
ist sie sehr gut verbreitet.<br />
In den tropischen Ländern ist das Braunvieh die weltweit beste Rasse zur Zweinutzung; dank<br />
seiner Eigenschaften wie Robustheit, Langlebigkeit, blauschwarze Augenpigmentierung,<br />
schwarze Klauen, dichtes und braunes Haarkleid mit thermischer Körperregulierung, geringe<br />
Anzahl von somatischen Zellen kann sich das Braunvieh am besten an tropische Bedingungen<br />
anpassen. Ferner produziert diese Rasse die vom Weltmarkt gefragte Milchqualität, d.h. mit sehr<br />
hohem Gehalt an Feststoffen, insbesondere Fett und Eiweiß. Insbesondere in Kolumbien ist<br />
Session 1 19
dieses Merkmal sehr wichtig, da die Milcherzeuger nach Fett- und Eiweißgehalt und nicht nach<br />
Volumen bezahlt werden.<br />
Kolumbien ist ein tropisches Land, wo 70 % der Flächen auf Meerespiegel sind und wo die<br />
indischen Buckelrinder (Bos Indicus) sehr verbreitet sind; dank ihrer Anpassung an diese Klimats<br />
werden sie "Tropenkönig" genannt. Allerdings werden heutzutage Kreuzungen mit europäischen<br />
Rinderrassen (Bos Taurus) verwendet, um Milch und Fleisch besserer Qualität zu erhalten, wobei<br />
das Schweizer Braunvieh für die Milchproduktion bevorzugt wird, da sich diese Rasse an die<br />
tropischen Bedingungen am besten anpasst.<br />
Die aus den Kreuzungen zwischen Bos indicus und Bos taurus hervorgegangenen Hybride<br />
weisen eine Verbesserung der Fruchtbarkeit, Robustheit und Produktivität auf; die F1-<br />
Nachkommen übernehmen das beste aus beiden Rassen, die F2-Generation, auch mit<br />
Braunvieh gekreuzt, führt zu einem 75 %-Kreuzungstier, das die ertragsreichste Kuh in der<br />
kolumbianischen Tierhaltung ist.<br />
Die restlichen 30 % der Fläche verteilen sich in Bergen mit kalten Temperaturen, wo die<br />
Holsteinrasse traditionell verbreitet war; allerdings mit dem Wechsel in der Bezahlung der Milch<br />
nach Gehalt und unter dem Druck der verarbeitenden Betriebe, die auf die Milchqualität setzen,<br />
haben einige Tierzüchter die Kreuzungen von Holstein mit Jersey und Braunvieh bevorzugt.<br />
Für die Fleischerzeugung ist das Original Braunvieh als Zweinutzungsrasse immer populärer<br />
geworden, die in Kolumbien mit einem Verhältnis von 70 % Fleisch und 30 % Milch zum Einsatz<br />
kommt. Die Fleischqualität entspricht genau der Marktnachfrage und die grosse Milchmenge<br />
ermöglicht, dass das weibliche F1-Rind die beste Mutter ist, weil es den Kälbern mehr Milch<br />
liefert, die ihrerseits ein höheres Absetzgewicht erreichen.<br />
Hinzu kommt die hohe Anpassung an tropische Bedingungen, was diese Rasse von den anderen<br />
sehr unterscheidet; in diesen Ländern wird generell nicht künstlich besamt, sondern kommen<br />
Stiere zum Einsatz, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Temperaturen zwischen 25° und 35°<br />
C liegen, die Entfernungen groß sind, die Flächen extensiv betrieben werden und die Tiere<br />
nährstoffarmes Futter fressen. Unter diesen Bedingungen kann man das Braunvieh als<br />
Tropenkönig unter allen europäischen Rinderrassen (Bos taurus) nennen.<br />
Um einen Überblick zu bekommen, verfügt Kolumbien über 26 Millionen Rinder, davon 1 Million<br />
mit Betonung auf die Milchleistung (Holstein, Braunvieh und Jersey), 1 Million zur Zweinutzung<br />
(Normande, Simmentaler, Original Braunvieh), 4 Millionen Mischlinge zur Milcherzeugung und 20<br />
Millionen Zebusrinder (Braman), die mit europäischen Rinderrassen mit Doppelnutzung gekreuzt<br />
werden.<br />
Die vermittelten Angaben beziehen sich generell auf Kolumbien. Sie gelten allerdings auch für<br />
alle tropischen und subtropischen Länder von Mexiko bis Brasilien.<br />
20<br />
Session 1
Disolabruna® Italienische Genossenschaft<br />
zur Aufwertung der Braunviehrasse<br />
Pietro Laterza<br />
Associazione nazionale allevatori bovini RAZZA <strong>BRUNA</strong>, Loc. Ferlina, 204 – 37012 Bussolengo (VR),<br />
Italien<br />
info@disolabruna.it<br />
Disolabruna®<br />
Anarb, der italienische Verband der Braunviehzüchter, hat sich schon immer sehr intensiv mit der<br />
Milchqualität der Braunviehrasse befasst und diese soweit wie möglich überwacht und gefördert.<br />
Ende der 90er Jahre aber sah Anarb die Möglichkeit, seine Potentiale besser zu verteilen und<br />
richtete zwei getrennte Bereiche für seine Fördermaßnahmen ein: einen für Milchprodukte und<br />
einen anderen für landwirtschaftliche Lebensmittel.<br />
Im Jahr 2002 entstand dann das Logo disolabruna®. Markenzeichen und Logo sind Eigentum<br />
von Anarb und damit der italienischen Braunviehzüchter und wurden in Italien und im Ausland,<br />
Europa, in der Schweiz und in den Vereinigten Staaten von Amerika, patentrechtlich geschützt.<br />
Genossenschaft und Produktaufwertung<br />
Heute ist disolabruna ® in der Lage, den effektiven Eintrag von Milchprodukten bei der<br />
Genossenschaft zur Aufwertung von Braunviehprodukten, die 2005 in Verona gegründet wurde,<br />
durch Anarb zu zertifizieren.<br />
Ziel der Genossenschaft ist es, die Optimierung des Verhältnisses zwischen Tieren, Gebiet,<br />
produzierter Menge, Qualität und Auswirkung der Fertigprodukte auf die Verbrauchergesundheit<br />
durch ein Zertifikat zu belegen und dadurch dem Verbraucher die Rückverfolgbarkeit und die<br />
hervorragenden Eigenschaften der disolabruna ® Milch nachzuweisen.<br />
Gleichzeitig hat die Genossenschaft auch Kontrollfunktionen in Bezug auf ihre Mitglieder, um die<br />
Einhaltung der vorschriftsmäßigen Produktionsvorschriften zu gewährleisten. Nach vielen<br />
Forschungen wurde eine Methode entwickelt, mit der durch eine DNA-Analyse der Produkte<br />
(Milch und Käse) geringste Anteile an Milch anderer Rassen im disolabruna ® Produkt aufgedeckt<br />
werden kann.<br />
Hier einige Zahlen: im Jahr 2005 wurde die Genossenschaft von zehn Mitgliedern gegründet, die<br />
insgesamt jährlich 13.500 Doppelzentner Milch verarbeiteten und etwas über 20 Produkte<br />
erzeugten. Heute, nach sieben Jahren<br />
- werden 81.000 Doppelzentner disolabruna ® Milch verarbeitet<br />
- haben wir 23 Mitglieder, Bauernhöfe und Molkereien<br />
- gibt es über 50 typische disolabruna ® Käse, darunter 4 mit der Herkunftsbezeichnung "dop"<br />
(denominazione di origine protetta) (Parmigiano Reggiano, Toma Piemontese, Bitto und<br />
Valtellina Casera)<br />
- die Anzahl der Besucher auf der Webseite www.disolabruna.it ist unglaublich gestiegen.<br />
Kennzeichnung<br />
In Anbetracht der zahlreichen Produkte, die mit dem disolabruna ® Kennzeichen markiert werden<br />
müssen, haben wir verschiedene Identifizierungsmethoden für den Verbraucher bereitgestellt:<br />
Ein selbsthaftendes Etikett aus Papier, die Ursprungs-Kennzeichnung und die Kennzeichnung<br />
der Rohmilch. Aktuell betrifft die Ursprungs-Kennzeichnung nur den echten Parmesan-Käse und<br />
ist das Ergebnis langer Verhandlungen mit der Parmesan-Schutzgenossenschaft, die eine<br />
exklusives Markenzeichen verlangt hat - solodibruna ® - welches auch von der Genossenschaft<br />
Session 1 21
Anarb geschützt wurde. Die Kennzeichnung wird durch ausfräsen einer Teflonscheibe erhalten<br />
und zusätzlich sind darauf auch der Name des Bauernhofes und der Molkerei angegeben.<br />
“Rasse”- Faktor und die Molkerei-Verarbeitung<br />
Neuere Universitätsstudien haben ergeben, dass der Rasse-Faktor ausschlaggebend ist – in<br />
Bezug auf Ergiebigkeit, einfache Verarbeitung, Nährwert und Geschmack – auch bei<br />
gleichbleibender Hofverwaltung, Ernährung des Viehs, gleicher Molkerei, gleicher<br />
Verarbeitungstechnik und gleicher Lagerung.<br />
Der echte Parmesan-Käse, der nur aus Braunviehmilch hergestellt wird, hat einen größeren<br />
Nährwert und enthält mehr Kalzium und Phosphor als Parmesan-Käse aus anderer Milch.<br />
Wissenschaftliche Studien haben auch gezeigt, dass er sich auch im Duft und Geschmack<br />
hervorhebt (Duft und Aroma sind delikater als bei den anderen Sorten und der Geschmack ist<br />
feiner).<br />
Anerkennungen<br />
Jahr für Jahr bekommen unsere disolabruna ® Käse immer mehr wichtige Anerkennungen.<br />
Von der Teilnahme am Galaabend des Kinofestivals in Rom, über den Preis “Golosario”<br />
(Feinschmecker) im Vinitaly-Agrifood Club, bis zur Nennung als "Klassenbester" des Made in<br />
Italy im Käseführer der besten italienischen Käse “Formaggi, i migliori d‟Italia <strong>2012</strong>” vom<br />
Feinschmecker-Verlag Gambero Rosso. Insgesamt gibt es in Italien nur 17 "Klassenbeste", die<br />
wegen ihrer Güte, der Ausgewogenheit und der Eleganz so genannt werden.<br />
Marketingplanung<br />
Zurück zur Genossenschaft: Die durchgeführten Förderungsmaßnahmen haben in den Jahren zu<br />
neuen Kontakten und neuen Anforderungen geführt und damit das Bedürfnis geweckt, einen<br />
Direktverkauf einzurichten.<br />
Dementsprechend wurde eine umfassende Analyse durchgeführt, um einen strategischen<br />
Marketingplan für das Markenzeichen disolabruna ® zu erarbeiten.<br />
In diesem Plan sollten die Ziele, Feedback-Elemente und operative Marketingmassnahmen<br />
angegeben werden.<br />
Die Objektive umfassen eine Marktsegmentierung (Definierung der Handelskanäle und der<br />
Kunden), die Auswahl strategischer Sektoren (Auswahl der wichtigsten Bereiche und Kunden)<br />
und die Positionierung des Produktes (a priori und a posteriori).<br />
Das Feedback sieht die Sammlung spezifischer Informationen (intern und extern) und die darauf<br />
folgende Datenanalyse vor, aus der sich die Marktsegmentierung und die Kundendefinierung<br />
ergeben.<br />
Die Anwendung des operativen Marketings umfasst u.a. die Planung der o.g. Tätigkeiten, die<br />
Definierung der Kontrollpunkte und die Bewertung des verfügbaren Budgets in Bezug auf<br />
menschliche Ressourcen (Zeit und Kosten) und Materialien.<br />
Mehrwert<br />
Die geschäftliche Implementierung durch die Genossenschaft brachte u.a. auch eine umfassende<br />
Analyse zur Fokussierung ihrer Tätigkeiten mit sich und erforderte letztendlich eine Änderung der<br />
Statuten, die bei der letzten Mitgliederversammlung beschlossen wurde.<br />
Eine der ersten kommerziellen Tätigkeiten war die Eröffnung eines Online-Geschäftes auf der E-<br />
Commerce Plattform von EBay, was vorläufig noch als Versuch gilt und ausgewertet werden<br />
muss.<br />
22<br />
Session 1
Im Fall des Parmigiano Reggiano war der Erfolg der Vermarktung sofort deutlich, da die<br />
Mitglieder, die den „dop“-markierten Parmesankäse aus solodibruna ® Milch herstellen, von<br />
Anfang an ein 1 Euro pro Kilo mehr verlangen konnten.<br />
Heute wird der Parmigiano Reggiano solodibruna ® unter den Elitekäsen der wichtigsten<br />
Handelsketten geführt und rangiert unter den besten Käsen mit Eigenschaften, die weit über dem<br />
Standard liegen.<br />
Die ökonomischen Vorteile konnten auch bei anderen disolabruna ® Käsen erzielt werden, die in<br />
den besten lokalen Feinkostgeschäften geführt werden – ein Abschnitt der Webseite<br />
www.disolabruna.it enthält die Liste dieser Geschäfte – und einige Produkte werden in<br />
verschiedene Länder exportiert: Nach Australien, Japan und in die Vereinigten Staaten.<br />
Session 1 23
24<br />
Session 1
Brown Swiss in Südafrika<br />
Anton Smit<br />
South African Dairy Swiss Breeder‟s Society, P.O. Box 265, Ottosdal, 2610, Südafrika<br />
anton@otdk.co.za<br />
Kurzfassung<br />
Obwohl 2011 für die südafrikanische Milchviehpopulation die niedrigsten Zahlen der Geschichte<br />
erreicht wurden, ist die Zahl der Brown Swiss Tiere in Südafrika in den letzten 5 Jahren ständig<br />
gestiegen und zeigt eine entscheidende Verbesserung der morphologischen Eigenschaften, der<br />
Milcherzeugung und des Milchgehalts. Die Nachfrage nach Brown-Swiss-Kühen für die<br />
südafrikanische Umgebung ist wachsend und übersteigt ständig das Angebot.<br />
Südafrikanische Milchviehzucht<br />
Da ich hier S.A. Dairy Swiss vertrete, möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick über den Verlauf<br />
dieser Rasse in Südafrika und im Süden des Kontinents seit der letzten Weltkonferenz im Jahr<br />
2008 geben.<br />
Im Jahr 2008 profitierte die südafrikanische Milchwirtschaft von einer sehr vorteilhaften Marktlage<br />
und einem starken Anstieg der Nachfrage, der bis zum Jahr 2010 anhielt. Dann allerdings ging<br />
der Bestand der Viehzuchten durch das brüske Absinken der Nachfrage stark zurück und von<br />
Januar 2008 bis Januar <strong>2012</strong> sank die Zahl der Züchter um 36 % und ging von 3665 auf 2354<br />
zurück. Unser Zuchtverband zum Beispiel konnte bis zum Jahr 2010 mit einem stetigen Anstieg<br />
der Mitgliederzahl rechnen, während sich der Trend durch den allgemeinen Rückgang des<br />
Sektors im Jahr 2011 drastisch änderte (siehe Tabelle 1).<br />
Interessant ist auch die Anzahl der Original Braunvieh (OB) Tiere im Monat August <strong>2012</strong>: Im<br />
Zuchtbuch eingetragen waren 1711 weibliche und 516 männliche Tiere. Die Original<br />
Braunviehrasse konnte sich in Südafrika in kürzester Zeit in der Fleischtierhaltung entwickeln. Die<br />
Bullen wurden für Kreuzungen mit Zebus verwendet, weil diese Kreuzung robuste Kälber<br />
hervorbringt, die mit 205 Tagen abgesetzt werden können.<br />
Tabelle 1: Der Dairy Swiss Bestand von 2008 bis <strong>2012</strong><br />
2008 2009 2010 2011 <strong>2012</strong><br />
Verbandsmitglieder 30 28 22 16 15<br />
Züchter 24 22 14 9 10<br />
Aktive Züchter 12 9 9 6 6<br />
Im Herdebuch eingetragene 1107 1137 1354 664 867<br />
weibliche Tiere<br />
Im Herdebuch eingetragene 89 93 88 41 37<br />
männliche Tiere<br />
Insgesamt im Herdebuch<br />
eingetragene Tiere<br />
1196 1230 1442 705 904<br />
Da es sich um Milchvieh handelt, soll hier auch gezeigt werden, wie sich die Rasse in Bezug auf<br />
Menge und Milchgehalt in den letzten zehn Jahren verbessert hat. In Südafrika ist die<br />
Milchleistungsprüfung nicht Pflicht, wird aber empfohlen. Trotzdem registrieren weniger als 50 %<br />
der Züchter von eingetragenen Tieren ihre Milchproduktion. Tabelle 2 zeigt die Milchproduktion in<br />
Zahlen.<br />
Session 1 25
Tabelle 2: Milchproduktion S.A. Dairy Swiss (alle gleichmelkend)<br />
Jahr Anzahl Eingetragene Milchproduktion Fettgehalt Proteingehalt<br />
Herden Laktationen<br />
2005 8 493 7 128 kg 4.02 3.39<br />
2008 6 606 7 304 kg 3.96 3.28<br />
2010 6 567 7 409 kg 3.94 3.33<br />
2011 3 126 7 462 kg 4.48 3.56<br />
Einführung der BLUP-ZWS und des Systems für lineare Beschreibung<br />
Im Jahr 2007 hat die Dairy Swiss Breeder‟s Society ein Selbstverbesserungsprogramm<br />
eingeführt, um die gelieferten Dienstleistungen zu optimieren. In diesem Zusammenhang haben<br />
wir die lineare Beschreibung eingeführt und konnten im Jahr 2010 unsere ersten BLUP-Indexe<br />
berechnen. Außerdem haben wir mehr Disziplin bei der Verwendung von nicht ausgewiesenen<br />
Zuchttieren in unserem Genpool und haben unser Bestes getan, um die Verfügbarkeit des<br />
besten internationalen Spermas in Südafrika zu gewährleisten. Zu unserem Leidwesen müssen<br />
wir in Südafrika immer noch einen sehr hohen Anteil an blutsverwandten Tieren feststellen, und<br />
unser Verband überwacht und verwaltet daher die Situation.<br />
Einsatz von Brown-Swiss-Tieren im Kreuzungsprogramm in Südafrika<br />
Unser Verband setzt sich auch sehr stark für die Vermarktung der Rasse in Südafrika und im<br />
afrikanischen Kontinent ein und das Potential der Rasse wird mit ausgezeichneten Ergebnissen<br />
bei der Kreuzungszucht belegt.<br />
In den letzten 4 Jahren hat die S.A. Dairy Swiss Breeder‟s Society eine ausschlaggebende Rolle<br />
bei der Verbreitung der Rasse in den verschiedenen afrikanischen Ländern gespielt. Im Jahr<br />
2010 wurde ein Kreuzungsprogramm für zwei Milchviehzuchten auf Mauritius entwickelt, bei dem<br />
die Brown Swiss zur Verbesserung der Langlebigkeit, der Fruchtbarkeit und der Gliedmassen<br />
ihrer aktuellen Herden aus Holstein, Ayrshire und Jersey eingesetzt wurden. Im Endeffekt ging es<br />
darum, Braunviehzuchten auf der Insel anzusiedeln. Die ersten Ergebnisse sind positiv<br />
gewesen.<br />
Auch Angola importiert rund 800 Dosen Brown-Swiss-Samen pro Jahr für reinrassige Tiere und<br />
Kreuzungen. Auch in diesem Land steigt die Nachfrage nach Braunvieh.<br />
Kürzlich wurde eine erste Herde von Brown-Swiss-Färsen nach Uganda eingeführt, wo gerade<br />
eine Vergleichsstudie zwischen Holsteiner, Ayrshire, Jersey, Fleckvieh und Brown Swiss<br />
durchgeführt wird.<br />
Heute stehen wir erst am Anfang der Entdeckung der Braunviehrasse in Afrika: Wir arbeiten<br />
gerade an der Einführung von Braunviehzuchten für die Milchproduktion in den Bergen des<br />
Lesotho. Auch Zambia, Malawi und Swaziland sind interessiert am Ankauf von Brown Swiss.<br />
Die Expansion der genetisch ausgewählten und an die afrikanische Umgebung angepaßten<br />
Rasse Brown Swiss auf dem afrikanischen Markt stellt eine Reihe von Herausforderungen an die<br />
S.A. Dairy Swiss Breeder‟s Society dar. Sie darf nur mit einem eher kleinen Budget, einer extrem<br />
kleinen Population und einem begrenzten genetischen Pool rechnen. Die Lage würde mögliche<br />
Joint-Venture mit konsolidierten Brown-Swiss-Populationen erfordern.<br />
Internatonale Tätigkeit<br />
Auf internationaler Ebene sind mein Verband und ich besonders aktiv: Im Jahr 2008 haben wir<br />
den LBE-Chefexpereten Willy Schmid von Braunvieh Schweiz für einen Kurs bei uns gehabt. Im<br />
Jahr 2010 bin ich nach <strong>Deutsch</strong>land gefahren, um Abkommen für Samenimporte abzuschließen.<br />
Im folgenden Jahr hatte ich die Ehre, die U.K. National Showcase von Nantwich zu bewerten und<br />
<strong>2012</strong> durften wir Stefan Hodel von Braunvieh Schweiz als Richter bei unserem<br />
Nationalwettbewerb bei uns haben.<br />
26<br />
Session 1
Trotz dem Rückgang der nationalen Milchviehpopulationen registrierte und registriert Südafrika<br />
eine ausgezeichnete Verbesserung der Tierqualität, der Milchproduktion und des Milchanteils.<br />
Die Ausbreitung der Braunviehrasse in den anderen afrikanischen Ländern ist zusätzlich eine<br />
interessante Herausforderung für Südafrika.<br />
Session 1 27
28<br />
Session 1
Erfahrungen mit <strong>Deutsch</strong>em Braunvieh in einem gemischtrassigen<br />
Milchviehbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern<br />
Steffen Schildt<br />
GbR Schildt, 17179 Gross Nieköhr, <strong>Deutsch</strong>land<br />
steffen.schildt@gbr-schildt.de<br />
Betriebsbeschreibung<br />
Betriebsentstehung<br />
Gründung 1996 als Familienbetrieb (3 Gesellschafter – Vater mit 2 Söhnen). Entstanden aus der<br />
Auflösung eines DDR-Landwirtschaftsbetriebes mit 360 Milchkühen der Rasse HF und ca. 300<br />
Stück Nachzucht mit 2„404„937 kg Milchquote bei 4,39 % Fett und 600 ha LN.<br />
377 Kühe HF 82 Kühe BV<br />
Ø 9395 Milch-kg bei 4,15 % F und 3,43 % E<br />
ergibt 389 F-kg und 322 E-kg = 9549 kg ECM<br />
EKA 25,6 Monate / BI 1,94 / ZKZ 389 Tage<br />
Ø 8661 Milch-kg bei 4,54 % F und 3,71 % E<br />
ergibt 393 F-kg und 322 E-kg = 9384 kg ECM<br />
EKA 26,2 Monate / BI 1,90 / ZKZ 392 Tage<br />
ND: 1,6 Laktationen, Remontierung 22,6 % ND: 2,4 Laktationen, Remontierung 21,8 %<br />
Abgänge 2011: 44,9 % Klauen & Gliedmaßen<br />
Abgänge 20011: 22,2 % Klauen & Gliedmaßen<br />
20,7 % Eutererkrankungen 16,7 % geringe Leistungen<br />
Session 1 29
Stallsystem<br />
Die Milchkühe befinden sich in einem Laufstall mit Tiefliegeboxen, die mit separiertem<br />
Güllefeststoff eingestreut sind. Die Laufgänge sind mit Gussasphalt planbefestigt und werden<br />
durch eine Gülleschieberanlage alle 1,5 h entmistet. Die Gruppengröße liegt zw. 30 und 155<br />
Tiere je nach Laktationsstand. Auf einem 26er Melkkarussell werden die Kühe 2 x täglich im 12 h<br />
Rhythmus gemolken. Kühe zum Abkalben kommen in Boxen mit Stroh.<br />
Kälberhaltung und Saugverhalten der Kälber<br />
Die Kälber bis zum Alter von 14 Tagen sind in Iglus untergebracht. Dort werden sie erst mit<br />
Kolostralmilch und dann mit Vollmilch getränkt. Danach kommen sie in Großboxen mit<br />
Stroheinstreu wo sie durch Tränkautomaten über eine Tränkkurve 75 Tage lang mit MAT versorgt<br />
werden. Alle männlichen Kälber werden ab einem Alter von 14 Tagen an Mastbetriebe verkauft.<br />
Hierbei möchte ich zur Diskussion um das Saugverhalten von Braunviehkälbern noch folgende<br />
Erfahrungen erwähnen: Auch bei uns ist es ab und zu mal vorgekommen, dass ein Kalb kaum<br />
oder gar nicht saugt. Dieses Verhalten ist aber selten aufgetreten. Einen speziellen<br />
Rasseunterschied konnten wir nicht ausmachen. Wir haben in den letzten Jahren sowohl beim<br />
HF sowie auch beim BV diese Beobachtung machen können. Ein positiver Vorteil bei den<br />
Braunviehkälbern ist uns bei der Geburt aufgefallen. Hier sind die BV-Kälber vitaler und die<br />
Totgeburtenrate, gerade bei männlichen Kälbern, geringer als beim HF.<br />
Fütterung<br />
An alle laktierenden Kühe wird eine TMR-Ration 2x täglich frisch verfüttert. Diese Ration ist auf<br />
36 Mkg, 4,0 % Fett, und 3,4 % Eiweiß berechnet. Die Trockensubstanz der Ration liegt bei 23 kg<br />
und hat 6,75 MJ NEL/kg TS.<br />
Rationszusammensetzung: 31 kg Silomais , 11,5 kg Anwelksilage, 4,1 kg 16/4 MLF mit 20 %<br />
Maisschrot, 1,6 kg Sojaschrot, 1,6 kg Rapsschrot, 1,6 kg Rübentrockenschnitzel, 0,7 kg<br />
Glycerin , Mineralfutter, Futterkalk, Viehsalz.<br />
Bei den frischlaktierenden Kühen bis zum 30. Tag n. PP, wird in diese Ration noch Heu<br />
eingemischt und das Viehsalz durch Natriumbicarbonat ersetzt.<br />
Trockensteher und Vorbereiter bekommen eine Ration, die entsprechend ihren Bedarf<br />
zusammengestellt wurde. Weidegang erhalten nur die Jungrinder und vereinzelt Trockensteher.<br />
Mit dieser Rationsgestaltung haben wir jetzt 12 Jahre gute Erfahrung sammeln können. Davor<br />
wurden mehrere Leistungsrationen gefüttert, was aber ein Nachteil bei Gruppenumstellungen<br />
war. Jede Leistungsumstellung zog einen Milchverlust mit sich. Seit dem wir eine Leistungsration<br />
füttern, stieg die Milchleistung/Kuh/Jahr, wobei Probleme wie z.B. Stoffwechselkrankheiten nach<br />
dem Abkalben nicht zugenommen haben. Kühe, die zur Verfettung gegen Ende der Laktation<br />
neigen, sind meist solche, die spät tragend geworden sind. Solche Tiere hatten wir vorher aber<br />
auch. Einen Unterschied zw. HF und BV gibt es hier nicht. Beide Rassen kommen mit dieser<br />
Fütterungsstrategie sehr gut klar.<br />
So kam das <strong>Deutsch</strong>e Braunvieh in unsere Herde<br />
2006 sind wir beim Bundesmelkwettbewerb im bayrischen Almesbach auf das <strong>Deutsch</strong>e<br />
Braunvieh (BV) aufmerksam geworden. Nicht nur wir, auch andere Berufskollegen bei uns waren<br />
zu der Zeit mit den Leistungseigenschaften des HF nicht ganz zufrieden. Immer wieder verließen<br />
gute, junge Kühe den Bestand mit hauptsächlich Problemen an Klauen, Gliedmaßen und<br />
Stoffwechselerkrankungen. Dazu kamen noch die geringen Milchinhaltsstoffe. Unterm Strich<br />
fehlte es dem HF einfach an etwas Robustheit. So manch einer versuchte durch Kreuzung des<br />
HF mit anderen Rassen (z.B. Schwedisch Rbt.), wieder an robuste, leistungsfähige Kühe zu<br />
kommen. Dem BV wurden ja diese Eigenschaften nachgesagt, die wir beim HF vermissten.<br />
Leider gab es bei uns im Norden noch keine Erfahrung mit dieser Rasse (siehe Tabelle).<br />
30<br />
Session 1
Jahresendbestand von Braunvieh in Mecklenburg Vorpommern (Quelle: Jahresabschluss 2011 LKV MV)<br />
Gesamt MV: 70 Kühe<br />
Landkreis 1. Laktation 2. Laktation 3. Laktation 4. Laktation EKA<br />
Ostvorpommern (11) 3 Kühe - 7 Kühe 1 Kühe 27<br />
Ludwigslust (18) 10 Kühe - 5 Kühe 3 Kühe 27,4<br />
Güstrow (41) 9 Kühe 4 Kühe 14 Kühe 14 Kühe 26,2<br />
Gesamt 22 Kühe 4 Kühe 26 Kühe 18 Kühe<br />
Wir haben daraufhin den Schritt gewagt und wollten das Braunvieh in unsere Herde einkreuzen.<br />
Im Sommer 2006 wurden die ersten Braunviehtiere gekauft. Mit einem BV- Deckbullen und<br />
einem weiblichen BV-Kalb fingen wir an. Der Bulle wurde bei den deckfähigen HF-Färsen ab<br />
einem Alter von 15. Monaten eingesetzt. Leider wurde der BV-Deckbulle aggressiv und musste<br />
so nach nur einer Saison den Bestand verlassen. Der Wunsch nach einer kleinen reinrassigen<br />
BV-Herde blieb bestehen. So ergab es sich, dass wir 2008 mit dem Umbau des Stallkomplexes<br />
anfingen und eine damit verbundene Bestandserhöhung uns veranlasste, Kühe zu zukaufen. So<br />
wurden dann die ersten 60 Braunviehkühe, abgekalbte Tiere in der 1. Laktation, auf einer Auktion<br />
im Allgäu erworben. Wir waren von diesen Tieren angenehm überrascht. Es gab wenige<br />
Probleme mit Stall- und Futterumstellung. Die Milchleistung war akzeptabel, bei höheren<br />
Inhaltsstoffen als beim HF. Uns ist aufgefallen, dass das Braunvieh vom Temperament viel<br />
ruhiger und umgänglicher ist, als die anderen Rassen. 2009 kamen dann die ersten<br />
Kreuzungstiere aus der Anpaarung mit dem BV-Deckbullen in die Milch. Sie haben erfüllt, was<br />
wir uns von der Kreuzung versprochen haben. Es sind rahmige Kühe mit überzeugendem<br />
Potenzial in Fundament und Milchleistung bei guten Inhaltsstoffen. Diese Kreuzungskühe habe<br />
ich weiter züchterisch mit Braunvieh bzw. mit Weißblaue Belgier (für die Mast) belegt. Aus der<br />
Rückanpaarung mit Braunvieh sind 2010 zwei weibliche Kälber hervorgegangen, die dieses Jahr<br />
abgekalbt haben und mit je 33 Mkg bzw. 36 Mkg Einsatzleistung gestartet sind. Heute, nach vier<br />
Jahren Erfahrung mit Braunvieh, hat uns das BV überzeugt. Von den ersten BV-Kühen sind<br />
zurzeit noch 26 Tiere im Bestand und werden in Kürze in die 5. Laktation kommen. Die<br />
Leistungsentwicklung dieser BV-Kühe von der 1. bis zur 4. Laktation steht unserem HF in nichts<br />
nach (siehe Tabellen).<br />
Leistungsentwicklung (305 Tage) Braunvieh GbR Schildt 2008 - <strong>2012</strong><br />
Laktation Milch kg F % E % kg ECM<br />
1 7472 4,12 3,70 7727<br />
2 8357 4,35 3,70 8868<br />
3 9153 4,41 3,65 9751<br />
4 9206 4,51 3,74 9963<br />
Session 1 31
Leistungsentwicklung (305 Tage) Kreuzung BV x HF GbR Schildt 2009 - <strong>2012</strong><br />
Laktation Milch kg F % E % kg ECM<br />
1 8125 4,18 3,63 8428<br />
2 9551 4,37 3,58 10081<br />
3 9958 4,68 3,68 10932<br />
305- Tage- Leistung in MV nach Rassen - Durchschnitt aller Laktationen<br />
(Quelle: Jahresabschluss 2011 LKV MV)<br />
Rasse Anzahl Mtg Mkg F-% Fkg E-% Ekg Fkg ECM<br />
SBT ges. 124453 300 8962 4,01 35<br />
SBT HB 90814 300 9169 4,00<br />
9<br />
36<br />
RBT ges. 1898 299 8113 4,12<br />
7<br />
33<br />
RBT HB 1259 299 8256 4,11<br />
4<br />
33<br />
BV ges. 39 301 8553 4,41<br />
9<br />
37<br />
BV HB 29 303 8870 4,45<br />
7<br />
39<br />
5<br />
3,35 300 659 8955<br />
3,34 306 673 9145<br />
3,39 275 609 8230<br />
3,39 280 619 8364<br />
3,68 315 692 9123<br />
3,70 328 723 9514<br />
Ich bin der Meinung, dass das Braunvieh durch seine allgemein bessere Fitness, Gesundheit und<br />
die daraus resultierende höhere Nutzungsdauer dem HF gegenüber ihren Nachteil in der<br />
Milchleistung ausgleicht. Hinzu kommen zusätzlich höhere Erlöse bei der Schlachtung sowie<br />
beim Verkauf von männlichen Kälbern. Beim Verkauf der Milch erzielt das Braunvieh durch die<br />
höheren Inhaltsstoffe zwar einen höheren Milchpreis/Mkg, ist aber auf die Jahresleistung<br />
gesehen nur gering unter den HF Kühen in unserem Betrieb (siehe Berechnung Milcherlös).<br />
Berechnung Milcherlös / Kuh:<br />
HF : 9395 Mkg, 4,15 F %, 389 Fkg, 3,43 E % 322 Ekg = 9549 kg ECM<br />
BV: 8661 Mkg, 4,54 F %, 393 Fkg, 3,71 E %, 322 Ekg = 9385 kg ECM<br />
0,30 €/ kg Milchgrundpreis bei 4,00% Fett und 3,40 % Eiweiß<br />
Zuschläge der Molkerei: Fettkorrektur = 2,50 Ct /FE , Eiweißkorrektur = 5,00 Ct / EE.<br />
Milchpreis HF = 0,30525 €/Mkg<br />
Milchpreis BV = 0,329 €/Mkg<br />
HF = 9395 Mkg x 0,30525 €/Mkg = 2867,82 €/Jahr<br />
BV = 8661 Mkg x 0,32900 €/Mkg = 2849,47 €/Jahr ( - 18,35 € )<br />
Bei den Kosten liegt das BV auf Grund seiner Robustheit und der höheren ND unter dem HF.<br />
Zukunftsentwicklung<br />
2011 haben wir durch einen weiteren Zukauf von BV den Bestand weiter erhöht. Für die Zukunft<br />
wird es so aussehen, dass der jetzige BV-Bestand mit 82 Kühen sich durch die eigene<br />
Reproduktion weiter erhöhen soll. Ich sehe im BV ein Rind, was unter unseren Voraussetzungen<br />
das Potenzial hat, mit der HF-Rasse mitzuhalten.<br />
32<br />
Session 1
Brown Swiss auf den Philippinen – Rückblick und Ausblick<br />
Rene Abad<br />
Camiling Cattlemen‟s Association, 148 Bignay St., 1102 Quezon City, Philippinen<br />
rengab1@gmail.com<br />
Kurzfassung<br />
Brown Swiss wurde noch vor dem zweiten Weltkrieg auf die Philippinen importiert. Die meisten<br />
Einfuhren kamen in Form von Bullen und Samen aus den Vereinigten Staaten. Das Schweizer<br />
Original Braunvieh wurde dieses Jahr importiert. Verschiedene Studien haben ergeben, dass<br />
Brown Swiss sich dem tropischen Klima der Philippinen anpassen kann. Wie bei anderen<br />
importierten Viehrassen wurde das Braunvieh nicht andauernd und ununterbrochen gezüchtet.<br />
Die verschiedenen Braunviehstämme – von der Fleisch- zur Zweinutzungs- bis hin zur<br />
Milchviehrasse – geben den philippinischen Züchtern die notwendige Flexibilität, die Rasse in<br />
verschiedenen Produktionssystemen einzusetzen – von der Kreuzungszucht zur reinrassigen<br />
Zucht und von der Fleisch- zur Zweinutzungs- bis hin zur Milchviehzucht. Damit kann der Erfolg<br />
von Brown Swiss auf den Philippinen sichergestellt werden.<br />
Einleitung<br />
Brown Swiss hat eine lange Geschichte auf den Philippinen, obwohl seine Zucht nicht andauernd<br />
und regelmäßig war. Diese Rasse muss deshalb noch ihr volles Potential zur Verbesserung der<br />
philippinischen Viehzuchtindustrie entfalten.<br />
Rückblick auf die Brown-Swiss-Einfuhren auf den Philippinen<br />
Vor dem 2. Weltkrieg gab es einige Einfuhren von Brown Swiss-Stieren durch die koloniale<br />
Regierung der USA. 1953 verkaufte Herr William Meisch aus Lodi, California (USA), den Stier<br />
Edelweiss Dairy's Ideal 108004 an das Bureau of Animal Industry der Philippinen. Tiefgefrorener<br />
Brown-Swiss-Samen wurde von der Cornell University an die Landwirtschaftliche Fakultät der<br />
Universität der Philippinen gebracht. Das erste Kalb aus einer KB-Anpaarung wurde im Juni 1956<br />
auf den Philippinen geboren.<br />
In den 60er Jahren schenkte die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten<br />
Nationen (FAO) der philippinischen Regierung zwei Brown-Swiss-Stiere, die zur<br />
Samengewinnung beim National Artificial Breeding Center untergebracht wurden. Aus diesen<br />
beiden Bullen sind die meisten auf den Philippinen gezüchteten Brown-Swiss-Kreuzungstiere<br />
entstanden. Anfang der 80er Jahre waren noch Brown-Swiss-Kreuzungstiere in der Provinz<br />
Bulacan, nördlich von Manila, auf dem staatlichen Milchviehbetrieb in Santa Maria zu sehen. Die<br />
Milchproduzenten, mit denen ich gesprochen habe, erreichten mit ihren Kreuzungstieren eine<br />
Spitzenleistung von 20 Litern Milch pro Tag.<br />
Nachdem der Samen von diesen zwei Brown-Swiss-Stieren der FAO aufgebraucht war, wurde<br />
die Braunviehzucht eingestellt. Mitte der 80er Jahre konnte ein Franzose mit philippinischer Frau<br />
den Samen einiger französischer Rassen, darunter auch des französischen Braunviehs,<br />
importieren. Leider ging der Samen wegen mangelndem Interesse von Züchtern und Regierung<br />
sowie aufgrund von Problemen mit flüssigem Stickstoff verloren.<br />
Brown Swiss heute auf den Philippinen<br />
Am 13. Juli 2009 kamen acht Brown-Swiss-Kühe aus Neuseeland als Teil der Einfuhr durch das<br />
National Dairy Authority auf die Philippinen. Alle Kühe wurden auf den Milchviehbetrieb von<br />
Antonio G. Manikan in der Provinz Zambales gebracht. Ihre Spitzenleistung beträgt 15 bis 20<br />
Liter Milch pro Tag, wobei drei Kühe noch in Laktation sind. In den ersten Monaten musste Herr<br />
Session 1 33
Manikan Probleme bei der Anpassung der Kühe vom gemäßigten Neuseeland an das tropische<br />
Klima der Philippinen überwinden. Die Zwischenkalbezeit war auch lang. Das ist eine übliche<br />
Situation bei Milchkühen, die von gemäßigten in tropischen Ländern eingeführt werden.<br />
Aufgrund der Probleme, die reinrassige Tiere aus gemäßigten Ländern in den Tropen haben,<br />
setzt das Kreuzungszucht-Projekt für Brown Swiss der Camiling Cattlemen‟s Association die<br />
künstliche Besamung auf einheimische Kühen ein, um F1-Tiere für die Fleisch- und<br />
Milchproduktion zu erhalten. Die weiblichen Tiere werden für ihre Milchleistung eingesetzt,<br />
während die männlichen Tiere für die Fleischproduktion genutzt werden. Unser Zuchtprogramm<br />
setzt auf die F1-Produktion. Deshalb werden wir kontinuierlich auf Samenimporte angewiesen<br />
sein. Wir sehen auch Chancen beim Einsatz von Samen aus Brown-Swiss-Kreuzungsstieren von<br />
anderen tropischen Ländern, wie Carora aus Venezuela, Sunandini aus Kerala (Indien) und<br />
Karan Swiss aus Karnal (Indien). Am 18. Mai 2008 lieferte ein amerikanischer Braunviehzüchter,<br />
Jay Fledderjohann aus St. Mary‟s, Ohio, tiefgefrorenen Samen an die Camiling Cattlemen‟s<br />
Association.<br />
Das Bureau of Agricultural Research des philippinischen Landwirtschaftsministeriums finanzierte<br />
unser Forschungsprojekt „Das Einkommen von kleinen Viehzüchtern aus Milch- und<br />
Fleischproduktion durch die Kreuzung mit der Braunvieh-Zweinutzungsrasse (Milch und Fleisch)<br />
erhöhen“. Im Rahmen dieses Projekts haben wir Brown-Swiss-Samen aus der Schweiz importiert<br />
und wir sind dabei, einige philippinische Kühe künstlich zu besamen. Die Stiere, die wir<br />
einsetzen, sind Tinito CH 120.0273.8803.4 BS, Remo CH 110.2651.0971.3 OB, Caesar CH<br />
110.3491.4943.7 OB, Milor CH 110.7070.5823.4 OB und Waldo CH 110.1060.5854.5 OB.<br />
Brown Swiss in der tropischen philippinischen Umgebung (Forschungsprojekt aus<br />
dem Jahre 1950)<br />
Die Blutproben von sechs untersuchten Brown-Swiss-Kühen wiesen einen durchschnittlichen<br />
Wert von 9.19 g Hämoglobin/100 ml, 11.06 Tausend Leukozyten/ml und 5.82 Millionen<br />
Erythrozyten/ml auf. Diese Zahlen sind bei Rindern normal. Daduch wurde bestätigt, dass die<br />
Rasse während der Beobachtungsphase vom tropischen Klima der Philippinen nicht negativ<br />
beeinflusst wurde. Die Anzahl Erythrozyten zeigte eine hochsignifikante Varianz unter den Tieren<br />
– mit einer standardisierten mittleren Differenz (SMD) von 2.17 – sowie die Hämoglobinwerte –<br />
mit einer SMD von 0.63 bei 1 % Wahrscheinlichkeitsrate. Hochsignifikante Varianzen in der<br />
durchschnittlichen Anzahl der Leukozyten wurden mit einer SMD von 2.50 bei 1 %<br />
Wahrscheinlichkeitsrate erhalten. Von den drei physiologischen Werten zeigte nur die Anzahl<br />
Erythrozyten signifikante monatliche Abweichungen mit einer SMD von 1.02 bei 1 %<br />
Wahrscheinlichkeitsrate. Die durchschnittliche Korpuskularhämoglobin im Blut der sechs Brown<br />
Swiss-Kühe war 15.90 Micro-g (Castillo, 2001).<br />
In einer Studie lag die durchschnittliche jährliche Pulsfrequenz der Brown-Swiss-Kühe bei 65.7<br />
pro Minute und die durchschnittliche Atmungsrate bei 53.5 pro Minute bei einer mittleren<br />
Körpertemperatur von 101.8° F. Bei der durchschnittlichen Pulsfrequenz, Atmungsrate und<br />
Körpertemperatur der untersuchten Brown-Swiss-Kühe wurden signifikante Abweichungen unter<br />
den Monaten und Tieren festgestellt. Die Pulsfrequenz und die Körpertemperatur waren mit der<br />
Feuchtigkeit negativ korreliert, wobei die Korrelation zwischen Körpertemperatur und Feuchtigkeit<br />
hochsignifikant war. Die übrigen untersuchten Merkmale und Faktoren waren positiv und<br />
unbedeutend korreliert. Die Jahreszeiten beeinflussen die Pulsfrequenz, die Atmungsrate und die<br />
Körpertemperatur der Brown-Swiss-Kühe. In der trockenen Jahreszeit lag die durchschnittliche<br />
Pulsfrequenz bei 70.5 pro Minute, die Atmungsrate bei 60.3 pro Minute und die mittlere<br />
Körpertemperatur bei 101.9° F. In der Regenzeit war die durchschnittliche Pulsfrequenz 62.4 pro<br />
Minute, die durchschnittliche Atmungsrate 49.3 pro Minute und die mittlere Körpertemperatur<br />
101.8° F. Die Abkalbung hatte keine wahrnehmbare Auswirkung auf die Pulsfrequenz, die<br />
Atmungsrate und die Körpertemperatur der Brown-Swiss-Kühe (Castillo, 2001).<br />
In einer anderen Vergleichsstudie zwischen Brown Swiss und Holstein lag die durchschnittliche<br />
Pulsfrequenz der Brown-Swiss-Kühe bei 65.4 pro Minute, die Atmungsrate bei 48.6 pro Minute<br />
34<br />
Session 1
und die Körpertemperatur bei 102.2° F. Diese Werte wiesen eine signifikante monatliche<br />
Abweichung auf. Deutliche Unterschiede wurden unter den einzelnen Kühen festgestellt,<br />
während die Jahreszeit keinen Einfluss hatte (Castillo, 2001).<br />
Der tägliche Grünfutterverbrauch der Brown-Swiss-Kühe lag zwischen 11.2 und 40.3 kg mit<br />
einem Durchschnitt von 22.4 kg. Der Grünfutterverbrauch in der ersten morgigen Fressstunde<br />
betrug 6.7 kg, wobei die durchschnittliche am Morgen verbrauchte Menge bei 12.7 kg lag. Die<br />
untersuchten Tiere hatten einen durchschnittlichen Grünfutterverbrauch von 5.6 kg pro 100 kg<br />
Lebendgewicht (Castillo, 2001).<br />
Ausblick<br />
Brown Swiss kann deutlich dazu beitragen, die 99%-Abhängigkeit meines Landes auf<br />
Milchimporte und die knapp 30%-Abhängigkeit auf Fleischimporte zu reduzieren. Die<br />
verschiedenen Brown-Swiss-Stämme – von der Fleisch- zur Zweinutzungs- bis hin zur<br />
Milchviehrasse – geben den philippinischen Züchtern die notwendige Flexibilität, die Rasse in<br />
verschiedenen Produktionssystemen einzusetzen – von der Kreuzungszucht zur reinrassigen<br />
Zucht und vom Fleisch- zur Zweinutzungs- bis hin zur Milchviehzucht. Die vielseitige<br />
Einsetzbarkeit der Brown-Swiss-Rasse zur Milch- und Fleischproduktion durch KB-Kreuzungen<br />
ist das, was mein Land braucht.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Lodi News Sentinel (29. Mai 1953). “Lodi Brown Swiss Sold to the Philippines”<br />
Annotierte Bibliographie zur philippinischen Artenvielfalt: livestock and poultry (agrobiodiversity) 1949-1997<br />
Dairy cattle, Castillo, L.S..- Bicutan, Taguig, Metro Manila (Philippines), 2001.- ISBN 971-8538-66-6. 110 p.<br />
Orville L. Bondoc, Animal Breeding: Principles and Practice in the Philippine Context, UP Press 2008<br />
Session 1 35
Session 2<br />
Genomische Selektion<br />
Rainer Emmerling, <strong>Deutsch</strong>land:<br />
Genomische Zuchtwertschätzung in der Population von deutschen und<br />
österreichischen Brown Swiss<br />
Enrico Santus, Italien:<br />
Intergenomics – Voraussetzungen und erste Erfahrungen<br />
Pascal Croiseau, Frankreich:<br />
Vergleich genomischer Zuchtwertschätzungs-Methoden für Braunvieh bei<br />
Intergenomics<br />
Susanne Ruoss, Schweiz:<br />
Einsatz von genomisch getesteten Jungstieren in der Schweiz<br />
Dan Gilbert, USA:<br />
Genomische Selektion bei Brown Swiss für kommerzielle Milchviehbetriebe mit<br />
Übersicht von Brown Swiss in den USA<br />
Hermann Schwarzenbacher, <strong>Deutsch</strong>land:<br />
Nutzung von SNP-Daten zur Identifikation von mit potenziellen Erbfehlern assoziierten<br />
Haplotypen beim Braunvieh<br />
Matt Hendel, USA:<br />
Genomik und Wettbewerbsfähigkeit aus der Sicht eines Elite-Holsteinzüchter<br />
Beat Bapst, Schweiz:<br />
Aktuelle Entwicklungen in der genomischen Zuchtwertschätzung<br />
36<br />
Session 2
Genomische Zuchtwertschätzung der Population von deutschen und<br />
österreichischen Brown Swiss<br />
Reiner Emmerling 1 , Stefan Neuner 1 , Christian Edel 1 , Hermann Schwarzenbacher 2 , Henning Hamann 3 ,<br />
Kay-Uwe Götz 1<br />
1 Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Tierzucht, D-85580 Grub, <strong>Deutsch</strong>land;<br />
2 ZuchtData EDV-Dienstleistungen GmbH, A-1200 Wien, Österreich; 3 Landesamt für Geoinformation und<br />
Landentwicklung, D-70806 Kornwestheim, <strong>Deutsch</strong>land<br />
Reiner.Emmerling@lfl.bayern.de<br />
Kurzfassung<br />
Im Dezember 2011 wurde für die Population deutscher und österreicher Brown Swiss offiziell die<br />
genomische Zuchtwertschätzung auf der Grundlage aller Zuchtwerte eingeführt, inbegriffen<br />
Gesamtzuchtwerte und bestimmte Unter-Zuchtwerte wie Milchindex, Gesundheitsindex und<br />
Fleischindex. Die Genombeurteilung beruht auf deregressierten MACE ZW-Merkmalen für<br />
Interbull-Zuchtwerte und auf nationalen Zuchtwerten und umweltkorrigierten Leistungsabweichungen<br />
der Töchter im Fall anderer Merkmale. Der Genotypenpool umfasst heute etwa<br />
2100 bis 3700 Bullen in Funktion der zu bewertenden Zuchtmerkmale. Zusätzlich wurden weitere<br />
1700 Kandidaten genotypisiert. Über die genomische Zuchtwertschätzung hinaus wurde die<br />
Logistik durch Internet-Anwendungen zur Rückverfolgung der Proben und Verteilung der<br />
genotypischen Merkmale online implementiert. Die Organisation der Vorbereitung und<br />
Genotypisierung der DNA erfolgt gemeinsam für deutsche und österreichische Züchter. Die<br />
GEBV-Merkmale stellen den offiziellen Test für alle Bullen dar, unter der Bedingung, dass sie<br />
genotypisch validiert wurden.<br />
Einleitung<br />
Im Jahr 2011 aktivierten <strong>Deutsch</strong>land und Österreich gemeinsam ein transnationales System zur<br />
genomischen Zuchtwertschätzung. Um das Hauptziel der genomischen Zuchtwertschätzung zu<br />
implementieren, wurde für Brown Swiss und Fleckvieh gleichzeitig auch eine gemeinsame<br />
logistische Internet-Plattform eingerichtet. Diese stellt ein nützliches Instrument dar, bei dem die<br />
für die Verwaltung der Stammbücher verantwortlichen Züchterverbände als Partner eine zentrale<br />
Rolle spielen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Selektionsprogramme<br />
zwischen den beiden Ländern ist sehr intensiv und die gemeinsame Internetplattform geniesst<br />
dabei eine absolute Priorität.<br />
Genomische Selektion<br />
Züchter und Zuchtbetriebe haben die Möglichkeit, einen Genotypisierungsantrag über das<br />
genomische Internetportal zu stellen, den gesamten Genotypisierungs-Prozess mitzuverfolgen<br />
und die Ergebnisse einzusehen. Aktuell werden Blutproben für die Laborbestimmung<br />
vorgezogen. Die DNA wird zentral in einem Labor (AIT - Austrian Institute of Technology,<br />
Österreich) für deutsche und österreichische Kanditaten extrahiert. Die darauf folgende<br />
Genotypisierung mit 50 k Illumina BeadChip erfolgt im Zentrallabor mit Sitz in Grub (GeneControl<br />
GmbH). Zwei gespiegelte Datenbanken sind in München und in Wien für das Hosting der Daten<br />
und die Rückverfolgung der Proben durch Online-Kommunikation verfügbar. Nach der<br />
Vorbereitungsphase der Genotypen im Zuchtwertzentrum in Grub erfolgt die genomische<br />
Zuchtwertschätzung, nach Merkmalskomplexen aufgeteilt, in Grub (Produktionsmerkmale,<br />
Exterieurindex, Zellzahlwert und Melkgeschwindigkeit), Wien (Funktionsindex und<br />
Gesamtzuchtwert) und Stuttgart (Fleischwert). Die Ergebnisse werden den verantwortlichen<br />
Zuchtbuch-Verbänden via Datenbankapplikationen zum Eintrag zugeschickt.<br />
Session 2 37
Methodik<br />
Die genomische Zuchtwertschätzung der deutschen Brown Swiss basiert auf GBLUP-<br />
Zuchtwerten (Van Raden, 2008). Phänotyp-Informationen werden aus deregressierten MACE<br />
Zuchtwerten für die von Interbull bewerteten Merkmale und aus nationalen Zuchtwerten oder<br />
umweltkorrigierten Leistungsabweichungen der Töchter für die übrigen Merkmale (Persistenz,<br />
einige nationale morphologische Merkmale, Fleischwerte) abgeleitet. Gegenüber anderen<br />
Anwendungen werden bei der genomischen Zuchtwertschätzung auch die nationalen ZW-<br />
Merkmale der Bullenmütter mitbewertet – sowohl bei der Deregressionsprozedur (Garrick et al.,<br />
2009), als auch bei Genomik-verbesserten Berechnungen der ZW-Merkmale (Edel et al., 2010).<br />
Die genomische Zuchtwertschätzung erfolgt auf monatlicher Basis.<br />
Ziel ist es, einen ausreichend großen Genotypenpool einzurichten, um einen Sicherheitsgrad zu<br />
erreichen, der für die praktische Selektion verwendbar ist. Zu diesem Zweck wurden mit der<br />
Unterstützung von nationalen Projekten und Tierzuchtverbänden ca. 2300 deutsche und<br />
österreichische Bullen genotypisiert. Darüber hinaus konnten in Austauschprogrammen mit den<br />
Vereinigten Staaten, der Schweiz und Italien weitere 1700 Genotypen erfaßt werden. Eine<br />
zusätzliche Erweiterung durch etwa 1800 Genotypen geprüfter Bullen aus dem Genotypenpool<br />
von InterGenomics fand im Sommer <strong>2012</strong> statt und wird bis Dezember dieses Jahres effektiv.<br />
Ergebnisse und Überlegungen<br />
Die kombinierten Zuchwerte (GEBV) werden aktuell schon für Selektionsprogramme von<br />
deutschem und österreichischem Braunvieh verwendet. Die sogenannten Selektionszentren (z.<br />
B. regionale Kooperationen zwischen KB-Organisationen und Herdenbuchführer) wählen<br />
gemeinsam die Kanditaten aus, die der Genotypisierung und der genomischen<br />
Zuchtwertschätzung unterzogen werden sollen. Zusätzlich haben die Züchter die Möglichkeit,<br />
ihre Kälber, männliche wie weibliche, auf eigene Kosten genotypisieren zu lassen. In den letzten<br />
8 Monatszyklen wurden durchschnittlich 124 Kandidaten pro Monat genotypisiert. Die GEBV-<br />
Indizes aller Kandidaten werden bei jedem Kalibrierzyklus, dreimal pro Jahr, angepaßt und zwar<br />
gleichzeitig mit der herkömmlichen Zuchtwertschätzung. Wenn auf der einen Seite schon eine<br />
spürbare Verbesserung der genetischen Durchschnittswerte der KB-Stierkälber verzeichnet<br />
werden kann, ist die Anzahl der von den KB-Zentren erworbene Anzahl an Bullen bedeutend<br />
gesunken.<br />
Außer der Selektionsbesserung der Jungbullen für die KB-Zentrale, hatte die genomische<br />
Zuchtwertschätzung auch den Zweck, Stiersamen zu vermarkten, ohne das Ergebnis der<br />
Nachzuchtprüfung abzuwarten. Durchschnittlich erreichen die GEBV-Indizes der jungen<br />
Kandidaten 60 % Sicherheit beim Milchindex, so dass praktisch der gesamte Samen der<br />
genotypisierten Jungbullen entsprechend der europäischen Richtlinien verkauft werden darf. Seit<br />
Dezember 2011 war eine bedeutende Steigerung des Marktanteils an Jungstiersamen zu<br />
bemerken. Im bayrischen Selektionsprogramm stieg der Anteil der Jungbullen von einem<br />
Anfangsdurchschnitt von 26 % im August 2011 auf etwa 50 % im Juni <strong>2012</strong>. Gleichzeitig ist der<br />
Gesamtzuchtwert aller eingesetzten Zuchtbullen um 0,8 % genetische Standardabweichung<br />
gestiegen. Dies bedeutet, dass die Kaptation der genomischen Zuchtwerte innerhalb der Brown-<br />
Swiss-Population intensiver ist, als bei den Simmentalern.<br />
Zusammenfassung<br />
Das deutsche und österreichische Selektionsprogramm liefert verbesserte Genomikmerkmale,<br />
die maßgeblich bei der Selektion der Brown-Swiss-Population mitgewirkt haben. Weitere<br />
Fortschritte sind durch die Veröffentlichung der genomischen Selektion im Rahmen des Projektes<br />
InterGenomics für Jungbullen zu erwarten, deren Genotypen aktuell bei der routinemäßigen<br />
deutschen und österreichischen Zuchtwertschätzung nicht verfügbar sind.<br />
Auf nationaler Ebene befindet sich das Genomiksystem schon in der Verbesserungsphase. Dank<br />
der staatlich finanzierten Forschungsprogramme und weiterem bilateralem Austausch konnten<br />
etwa 670 hochdichte SNP-Genotypen generiert werden, die in Forschungs- und Entwicklungs-<br />
38<br />
Session 2
programmen destiniert sind. Zusätzlich wird bald die Sequenzierung der vollständigen Genome<br />
bei mindestens 30 Stieren durchgeführt. Die dünngesiedelte Brown-Swiss-Population auf<br />
weltweiter Ebene erfordert besonders feingeeichte Methoden, damit das Braunvieh mit den<br />
anderen Rassen konkurrieren kann.<br />
Danksagung<br />
Unser herzlicher Dank geht an das <strong>Deutsch</strong>e Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft<br />
und Verbraucherschutz (BMELV) und an die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung<br />
(BLE) für die Unterstützung beim Projekt PAGeS (Prüfbullenauswahl durch genomische<br />
Selektion beim Braunvieh) im Rahmen des Programms für Innovationsfinanzierung (FKZ<br />
2813502008). Ganz besonders bedanken wir uns auch für den Beitrag der KB-Organisationen<br />
und der Herdebuch-Verbände (ARGE Braunvieh <strong>Deutsch</strong>land, ARGE Braunvieh Österreich) aus<br />
<strong>Deutsch</strong>land und Österreich.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Edel, C., Emmerling, R., Götz, K.-U. (2010): A modification of VanRaden‟s index for the blending of<br />
genomic breeding values. Proc. 9th World Congr. Genet. Appl. Livest. Prod.<br />
Garrick, D.J., J.F. Taylor and R.L. Fernando, (2009): Deregressing estimated breeding values and<br />
weighting information for genomic regression analyses. Genet. Select. Evol. 41, 55.<br />
Van Raden, P.M., (2008): Efficient Methods to Compute Genomic Predictions. J. Dairy Sci. 91, 4414–4423.<br />
Session 2 39
40<br />
Session 2
Intergenomics: Voraussetzungen und erste Erfahrungen<br />
Enrico Santus, Attilio Rossoni<br />
Associazione nazionale allevatori bovini RAZZA <strong>BRUNA</strong>, Loc. Ferlina, 204 – 37012 Bussolengo (VR),<br />
Italien<br />
enrico.santus@anarb.it<br />
Kurzfassung<br />
Das Projekt Intergenomics wird heute offiziell als Dienstleistung von Interbull für die<br />
routinemäßige genomische Zuchtwertschätzung von Braunviehstieren auf weltweiter Basis<br />
angeboten. Eine große Trainingspopulation ermöglicht die Schätzung von zuverlässigen<br />
genomischen Zuchtwerten. Anhand der Ergebnisse des ersten Arbeitsjahres konnte festgestellt<br />
werden, dass die genomischen Zuchtwerte der Jungstiere weitaus zuverlässiger als die<br />
konventionellen Zuchtwerte sind, um die Zuchtwertschätzung aufgrund der laktierenden Töchter<br />
vorherzusagen. Die enorme Datengrundlage, die bei diesem Projekt schon zusammengestellt<br />
werden konnte, bietet sich für zukünftige Weiterentwicklungen an und lässt auf interessante<br />
Analysemöglichkeiten schließen, um innovative Dienstleistungen für die Züchter daraus<br />
abzuleiten.<br />
Das Projekt Intergenomics<br />
Das Projekt Intergenomics wird heute offiziell als Dienstleistung von Interbull angeboten und ist<br />
das Ergebnis der gemeinsamen Anstrengungen der Zuchtverbände aus weltweit 7 Ländern,<br />
praktisch alle, in denen Braunvieh gezüchtet wird.<br />
Ziel war dabei von Anfang an die Einrichtung technischer und organisatorischer<br />
Voraussetzungen, um eine wirksame Zuchtmethodik anhand genomischer Technologien zu<br />
entwickeln.<br />
Die neuen genomweiten Untersuchungen analysieren das DNA der Tiere nicht auf gezielte<br />
Weise, sondern sie stellen eine Reihe von Ergebnissen aus den bei allen Chromosomen<br />
durchgeführten Analysen ohne Auswertung bereit. Um sie auszulegen, müssen die Analysen mit<br />
den für uns relevanten Merkmalen in Zusammenhang gebracht werden: Milchleistung, Eiweiß,<br />
Morphologie. Die Bewertung ist umso zuverlässiger, je mehr Analyseergebnisse dafür zur<br />
Verfügung stehen. Diese Einsicht hat dazu geführt, dass sich die Zuchtverbände weltweit zur<br />
Umsetzung des Projektes Intergenomics zusammengeschlossen haben.<br />
Die Ergebnisse<br />
Der Einfachheit halber sind die Ergebnisse die genomische Zuchtwertschätzung der Stiere sowie<br />
die Schätzung des positiven oder negativen Wertes jeden einzelnen Markers für alle selektierten<br />
Merkmale.<br />
Die Berechnung ist jeweils die gleiche und erfolgt integriert für die gesamte, weltweite<br />
Braunviehpopulation, wobei die genomische Zuchtwertschätzung auf nationaler Basis erfolgt und<br />
daher mit den traditionellen Zuchtwerten verglichen werden kann.<br />
Die Schätzung der einzelnen Markereffekte dient hingegen zur Einschätzung des genomischen<br />
Zuchtwertes eines Tieres „im Schnellverfahren“, d. h. ohne aufwendige Neuberechnungen,<br />
sondern einfach indem diese Werte beim Laborergebnis angewendet werden.<br />
Nach einigen Monaten Erfahrung und mehreren Bewertungszyklen beschließen wir heute das<br />
erste Arbeitsjahr nach der ersten offiziellen Freigabe von Interbull. Zu diesem Zeitpunkt sollten<br />
wir einige Überlegungen und Analysen anstellen und unsere Zukunftsvision überdenken.<br />
Session 2 41
Anzahl an Stieren<br />
Zuerst müssen wir uns ansehen, wie viele Stiere im Laufe der Jahre genotypisiert wurden.<br />
GRAFIK 1 entnehmen wir die Zahlen der Stiere, nach Geburtsjahr stratifiziert, die der<br />
genomischen Analyse unterzogen wurden. Die dunklen Balken zeigen die Stiere, die auch in die<br />
traditionelle Zuchtwertschätzung einbezogen wurden. Die hellen Balken hingegen stellen die<br />
Stiere dar, deren Zuchtwertschätzung nur aufgrund genomischer Analysen durchgeführt wurde.<br />
Wichtig zu bemerken ist, dass die Genotypisierung ab der Generation der Stiere, die im Jahr<br />
2009 geboren wurden, sich stark verbreitet hat. Im Jahr 2010 und besonders auch im Jahr 2011<br />
hat sich dieser Trend gefestigt. Die Botschaft ist meiner Meinung nach unzweideutig: Die<br />
genomische Analyse ist ein wichtiges Instrument, das insbesondere in den letzten 12 bzw. 18<br />
Monaten für die Vorselektion der Stiere auf nationaler Ebene massiv eingesetzt wurde.<br />
GRAFIK 2 zeigt die Anzahl Stiere in der Trainingspopulation, nach Ländern eingeteilt. <strong>Deutsch</strong>land<br />
+ Österreich gemeinsam (DEA) liefern die meisten Stiere, gefolgt von der Schweiz (CHE) und<br />
Italien (ITA). Keines dieser Länder hätte im Alleingang die Möglichkeit, genügende Stiere in der<br />
Trainingspopulation zu haben, um zuverlässige Prognosegleichungen zu berechnen. Zusammen<br />
erhält man hingegen eine beachtliche Trainingsspopulation – und zwar die größte, wenn man die<br />
2 internationalen Holsteinzuchtverbände ausnimmt.<br />
Funktioniert es überhaupt?<br />
Abgesehen von der Theorie und den Zahlen, stellt sich die Frage, ob das System überhaupt<br />
funktioniert. Mittlerweile haben wir ein Jahr Erfahrung mit der Anwendung der von Interbull<br />
erarbeiteten Daten aus dem internationalen Archiv und können die ersten Überlegungen über<br />
deren Sicherheit anstellen.<br />
Auf GRAFIK 3 sehen wir die Korrelationen zwischen den genomisch optimierten Zuchtwerten vom<br />
August <strong>2012</strong> betreffend Stiere, die zum ersten Mal mit tatsächlich melkenden Töchtern<br />
veröffentlicht wurden, und den besten Prognosen, die wir für diese Daten im Dezember 2011 mit<br />
oder ohne Genomik hatten.<br />
Hätten wir im Dezember 2011 die normalen Zuchtwerte (ohne Genomik) verwendet, so hätten wir<br />
eine Korrelation von 50 bis 60 % erhalten. Dank der Genomik stieg die Korrelation auf allen<br />
nationalen Skalen auf über 80 %: Wir können daraus schließen, dass die Genomik uns dabei<br />
hilft, genauere Prognosen über den zukünftigen Zuchtwert der Stiere anzustellen, wenn deren<br />
Töchter in Laktation stehen!<br />
Auf GRAFIK 4 ist der Vorteil der jeweiligen Länder aus der Genomik und dem Projekt<br />
Intergenomics bei der Prognose der zukünftigen Zuchtwerte ihrer nachkommengeprüften Stiere<br />
noch ersichtlicher: Es handelt sich dabei eindeutig um beträchtliche Vorteile.<br />
Wir stehen erst am Anfang<br />
Das Projekt hat sein Hauptziel erreicht, d.h. eine genaue genomische Zuchtwertschätzung von<br />
Jungstieren zu ermöglichen. Wir stehen jedoch erst am Anfang. Die Ergebnisse aus dem Projekt<br />
können auf verschiedene, innovative Weise bearbeitet werden.<br />
Insbesondere können Analysen am einzelnen Chromosom vorgenommen werden: Den Züchtern<br />
könnten damit kurzfristig für jede Kuh spezifische Paarungspläne zur Verfügung gestellt werden,<br />
sobald sich die genomische Analyse der weiblichen Blutlinien in der Population verbreitet.<br />
Bisher haben wir uns darauf beschränkt, die Unterschiede bei den Chromosomenwerten unter<br />
den Stieren festzustellen, deren Gesamtzuchtwerte ähnlich sind. Aus GRAFIK 5 gehen die<br />
Chromosomenwerte von zwei sehr gut bekannten Stieren hervor, die insgesamt die gleichen<br />
Eiweiß-kg besitzen, aber sehr klare Unterschiede in den Chromosomen aufweisen: Ihr<br />
zukünftiger Einsatz könnte dadurch je nach Kuh anders bestimmt werden.<br />
42<br />
Session 2
1981<br />
1983<br />
1985<br />
1987<br />
1989<br />
1991<br />
1993<br />
1995<br />
1997<br />
1999<br />
2001<br />
2003<br />
2005<br />
2007<br />
2009<br />
2011<br />
Schließlich können die genetischen Trends auch vertieft erforscht werden, indem man die<br />
einzelnen Chromosomen beobachtet. Auf GRAFIK 6 und GRAFIK 7 sehen wir die<br />
Chromosomentrends, aufgeteilt nach Eiweiß-kg und Gesamtpunktzahl: Einige Chromosomen<br />
unterliegen sicherlich einer stärkeren Selektion als andere.<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
Grafik 1: Anzahl der genotypisierten Tiere, nach Geburtsjahr geordnet<br />
Trainingspopulation<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
DEA CHE ITA USA SVN FRA<br />
Grafik 2: Länder, die zur Intergenomics-Trainingspopulation beitragen<br />
Session 2 43
1<br />
0.9<br />
0.8<br />
0.7<br />
0.6<br />
0.5<br />
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0<br />
Korrelationen mit GOZW AUGUST <strong>2012</strong><br />
GEBV dic 2011 PED dic 2011<br />
FRA USA CHE ITA DEA SVN<br />
Grafik 3: Korrelationen der genomischen und konventionellen Zuchtwerte mit vor Ort erhobenen Werten<br />
Korrelationen mit GOZW AUG <strong>2012</strong> nur für nationale Stiere<br />
USA<br />
ITA<br />
DEU<br />
PED dic 2011<br />
GEBV dic 2011<br />
CHE<br />
AUT<br />
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1<br />
Grafik 4: Korrelationen der genomischen und konventionellen Zuchtwerte mit den tatsächlichen Zuchtwerten<br />
der nationalen Stiere, aufgeteilt nach Land<br />
44<br />
Session 2
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31<br />
-0.1<br />
-0.2<br />
-0.3<br />
Moiado<br />
Poster<br />
Grafik 5 : Genetische Chromosomenwerte für Eiweiß-kg bei insgesamt gleichwertigen Stieren<br />
Grafik 6: Chromosomentrends für das Merkmal Eiweiß-kg<br />
Session 2 45
Grafik 7: Chromosomentrends für das Merkmal Gesamtpunktzahl<br />
46<br />
Session 2
Vergleich genomischer Zuchtwertschätzungs-Methoden für Braunvieh bei<br />
Intergenomics<br />
Pascal Croiseau 1 , François Guillaume 2 , Sebastien Fritz 3<br />
1 INRA, 147 rue de l'Université 75338 Paris Cedex 07, Frankreich; 2 Institut de l‟Elevage, 149 rue de Bercy,<br />
75012 Paris, Frankreich; 3 UNCEIA, 149 rue de Bercy, 75595 Paris Cedex 12, Frankreich<br />
pascal.croiseau@jouy.inra.fr<br />
Kurzfassung<br />
Die Europäische Vereinigung der Braunviehzüchter finanziert und führt ein Projekt, Intergenomics<br />
genannt, in Zusammenarbeit mit Interbull. Das Ziel des Projektes ist es, genomische<br />
Zuchtwertschätzungen der Stiere aufgrund einer gemeinsamen Analyse aller weltweit<br />
gesammelten Genotypen durchzuführen. Zur Zeit sind sechs Länder in Intergenomics involviert<br />
und zwischen 3 und 15 Merkmalen je nach Land verfügbar. Im Rahmen dieser Studie nehmen<br />
wir uns vor, 5 Zuchtwertschätzungs-Methoden mit der Pedigree-basierten BLUP-Auswertung<br />
(Best Linear Unbiased Prediction), die keine Markerinformationen berücksichtigt, zu vergleichen.<br />
Unter anderem wurde die genomische Zuchtwertschätzungs-Methode getestet, die für die<br />
Rassen Holstein, Normande und Montbéliarde auf nationaler Ebene verwendet wird.<br />
Verglichen werden die Korrelationen zwischen beobachteten und geschätzten Phänotypen für<br />
verschiedene Merkmale, nationale Skalen und Methoden. Im Vergleich zum Pedigree-basierten<br />
BLUP-System ermöglichen genomische ZWS-Ansätze eine Steigerung der Korrelation um 6.5 bis<br />
20.9%. Die Ergebnisse der ZWS-Methoden sind hinsichtlich der Korrelation ähnlich aber weisen<br />
Unterschiede in der Regressionskurve auf. Die Regressionskurve ist ein wichtiger Parameter:<br />
Wenn sie nahe bei 1 ist, wird sichergestellt, dass Jungstiere ohne Phänotypen und geprüfte<br />
Stiere richtig rangiert werden. Nach diesem Kriterium liefert die französische Methode die besten<br />
Ergebnisse.<br />
Einleitung<br />
Die Europäische Vereinigung der Braunviehzüchter finanziert und führt ein Projekt, Intergenomics<br />
genannt, in Zusammenarbeit mit Interbull. Das Ziel des Projektes ist es, genomische<br />
Zuchtwertschätzungen der Stiere aufgrund einer gemeinsamen Analyse aller weltweit<br />
gesammelten Genotypen durchzuführen. Seit Anfang <strong>2012</strong> liefert Interbull dreimal im Jahr GOZW<br />
für 15 Merkmale in 6 verschiedenen nationalen Skalen mittels eines GBLUP-Tiermodells. Das<br />
Ziel dieser französischen Studie ist es, die aktuell verwendete Methode mit 4 anderen Ansätzen<br />
sowie mit der Pedigree-basierten BLUP-Auswertung, das keine Markerinformationen anwendet,<br />
zu vergleichen. Aufgrund der erzielten Ergebnisse haben wir die Korrelation zwischen<br />
beobachteten und geschätzten Leistungen sowie die Regressionskurve für jedes Merkmal bei<br />
jeder nationalen Skala untersucht.<br />
Material und Methoden<br />
Datengrundlage waren 7'041 nachkommengeprüfte Braunvieh-Stiere, die mit Illumina Bovine<br />
SNP50 BeadChip® genotypisiert wurden. Die Anzahl geschätzter Merkmale ist in den jeweiligen<br />
Ländern unterschiedlich. Um die Ergebnisse zu vergleichen, wurden daher nur gemeinsame<br />
Merkmale berücksichtigt. Die slowenische Skala wurde ausgeschlossen, weil nur 3<br />
Leistungsmerkmale verfügbar waren (Tabelle 1).<br />
Session 2 47
Swiss German French Italian Slovenian US<br />
Nb of traits 15 15 13 12 3 15<br />
production 3 3 3 3 3 3<br />
type 9 9 8 7 0 9<br />
functional 3 3 2 2 0 3<br />
Tabelle 1: Anzahl untersuchter Merkmale nach Land<br />
Unter den 10 untersuchten Merkmalen sind 3 Leistungsmerkmale (Fett-, Milch- und<br />
Eiweißmenge), 6 Exterieurmerkmale (Fußwinkelung, Zitzenlänge, Beckenneigung, Hinterbeinwinkelung,<br />
Breite der hinteren Aufhängung und Kreuzbeinhöhe) und 1 funktionelles Merkmal<br />
(Langlebigkeit).<br />
Um die Genauigkeit jeder genomischen Zuchtwertschätzungs-Methode zu bestimmen, werden<br />
die Daten in eine Trainings- und eine Validierungspopulation unterteilt. Die Zuchtwerte der<br />
Validierungspopulation werden anhand der Trainingspopulation geschätzt und dann mit den<br />
Zuchtwerten aus der Nachzuchtprüfung dieser Tiere verglichen. Im Rahmen dieser Studie wurde<br />
zur Kreuzvalidierung eine retrospektive Untersuchung durchgeführt. Die Trainingspopulation<br />
besteht aus 445 bis 3'430 Bullen, je nach Merkmal. Diese Tiere sind vor 2002 geboren und all<br />
ihre Zuchtwerte wurden 2007 geschätzt. Die Validierungspopulation enthält hingegen Tiere, die<br />
zwischen 2002 und 2007 geboren sind und deren Zuchtwerte 2011 geschätzt wurden (Abbildung<br />
1).<br />
Abbildung 1: Retrospektive Kreuzvalidierungs-Untersuchung zum Vergleich von geschätzten und<br />
beobachteten Zuchtwerten.<br />
Die Genauigkeit der verschiedenen genomischen Zuchtwertschätzungs-Methoden wird anhand<br />
zweier Kriterien definiert: Die Korrelation zwischen den 2007 geschätzten Zuchtwerte und den<br />
2011 beobachteten Zuchtwerte, sowie die Abweichung zu 1 der Regressionskurve. Eine hohe<br />
Korrelation und eine niedrige Abweichung stellen sicher, dass ungeprüfte Jungstiere und geprüfte<br />
Stiere unverzerrt eingestuft werden. Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse von fünf genomischen<br />
Zuchtwertschätzungs-Methoden (Habier et al., 2007; VanRaden, 2008 ; Legarra et al, 2011 ;<br />
Kizilkaya et al, 2010 ; Zou und Hastie, 2003 und 2005 ; Croiseau et al, 2011 ; Boichard et al,<br />
2011).<br />
Pedigree-based<br />
BLUP<br />
Mean correlation<br />
Deviation to 1 of the<br />
slope of regression<br />
Proportion of traits which<br />
validate interbull test<br />
0.393 0.184 60%<br />
gblup 0.475 0.138 90%<br />
blasso 0.533 0.110 82%<br />
bayescpi 0.535 0.108 84%<br />
EN 0.537 0.124 92%<br />
SAMg 0.515 0.097 96%<br />
Tabelle 2: Durchschnittliche Korrelation, durchschnittliche Abweichung zu 1 der Regressionskurve und Anteil<br />
Merkmale, die den Interbull-Test bei den 10 Merkmalen und den 5 nationalen Skalen erfüllen.<br />
48<br />
Session 2
Im Vergleich zu einem Pedigree-basierten BLUP-Modell führen alle genomischen<br />
Zuchtwertschätzung-Methoden zu einer beachtlichen Steigerung der Korrelation (zwischen 8.2<br />
und 14.4 %). Mit Ausnahme der GBLUP-Methode, die niedrigere Korrelationen aufweist, sind die<br />
resultierenden Korrelationen im Durchschnitt sehr ähnlich (zwischen 0.515 und 0.537).<br />
Hinsichtlich der Abweichung zu 1 der Regressionskurve liefern das Pedigree-basierte BLUP- und<br />
das GBLUP-System sehr hohe Werte im Vergleich zu den anderen Methoden. Nur die<br />
französische Methode (SAMg) erzielt einen Wert unter 0.1.<br />
Zur Validierung der nationalen genomischen Zuchtwertschätzungen muss die Regressionskurve<br />
nach Interbull zwischen 0.8 und 1.2 liegen (Mantysaari et al, 2010). Nach diesem Kriterium ist die<br />
französische Methode viel genauer als die anderen untersuchten Ansätze, da 96 % der<br />
Merkmale, als durchschnittlicher Wert der 5 nationalen Skalen, den Test erfüllen. Bei Bayes Cπ<br />
und BLASSO werden hingegen nur 82% der Merkmale validiert. GBLUP erzielt ein mittleres<br />
Ergebnis (90%), allerdings mit einer niedrigeren Korrelation.<br />
Untersucht wurde auch der Einfluss der nationalen Skala. Tabelle 3 zeigt die durchschnittliche<br />
Korrelation bei den 10 Merkmalen für jede nationale Skala anhand von SAMg. Dadurch können<br />
wir verstehen, wie die Anzahl der in die Bezugspopulation aufgenommenen Tiere die<br />
Korrelationen beeinflusst (es gibt auch andere Faktoren, wie die Qualität der Phänotypen, die<br />
sich auf diese Korrelation auswirken). Frankreich, deren Anzahl Tiere in der Trainingspopulation<br />
(ca. 200) am niedrigsten ist, weist die niedrigste Korrelation auf, während die höchste Korrelation<br />
bei der schweizer Population, die am größten ist (ca. 2„000 Tiere), erhalten wird. Der Unterschied<br />
hinsichtlich der Korrelation (ca. 4 %) ist jedoch gering.<br />
country scale mean correlations<br />
Swiss 0.527<br />
French 0.487<br />
US 0.518<br />
Italian 0.524<br />
German 0.521<br />
Tabelle 3: Durchschnittliche Korrelation bei den 10 Merkmalen für jede nationale Skala anhand der<br />
französischen Methode SAMg.<br />
Diskussion<br />
Die vorliegende Studie zeigt die Ergebnisse eines Vergleichs unter genomischen<br />
Zuchtwertschätzungs-Methoden beim Braunvieh für 10 Merkmale. Die Länder, welche die Daten<br />
zur Verfügung gestellt haben, trugen zur Trainingspopulation mit ca. 200 bis 2'000 Tieren bei.<br />
Dies kann die Umrechnungsgenauigkeit der Bestimmtheitsmaße von ausländischen Tieren und<br />
damit die Effizienz der genomischen Zuchtwertschätzungs-Methode beeinflussen. Obwohl die<br />
Anzahl Tiere die Genauigkeit der genomischen ZWS beeinflusst (der Korrelationsunterschied<br />
zwischen dem Land mit der größten Anzahl an Tieren in der Trainingspopulation und dem Land<br />
mit der niedrigsten Anzahl beträgt 4%), ist dieser Einfluss gering.<br />
Im Vergleich zum Pedigree-basierten BLUP-System erlaubt die genomische Zuchtwertschätzung,<br />
die Korrelation zwischen beobachteten und geschätzten Zuchtwerte um 8.2 bis 14.4 % zu<br />
erhöhen. Die Korrelationswerte aus den genomischen Zuchtwertschätzungs-Methoden sind<br />
vergleichbar. Allerdings weisen einige Methoden wie GBLUP, EN und SAMg bei den meisten<br />
Merkmalen eine Regressionskurve bei 1 auf. Das bedeutet, dass sie einen hohen Anteil an<br />
Merkmalen haben, die den Interbull-Test erfüllen. Nach diesem Kriterium ist SAMg die beste<br />
Methode.<br />
Session 2 49
Literaturverzeichnis<br />
D. Boichard, F. Guillaume, A. Baur, P. Croiseau, M.N. Rossignol, M.Y. Boscher, T. Druet, L. Genestout, L. Journaux, V.<br />
Ducrocq, S. Fritz. 2011. Genomic selection in French dairy cattle. Animal Production Science, 52(3) 115-120<br />
Croiseau, P., Legarra, A., Guillaume, F., Fritz, S., Baur, A., Colombani, C., Robert-Granié, C., Boichard, D. and<br />
Ducrocq, V. 2011. Fine tuning genomic evaluations in dairy cattle through SNP pre-selection with the Elastic-Net<br />
algorithm. Genetics research. 93.6, 409-417.<br />
Habier, D., Fernando, R.L. and Dekkers, J.C. 2007. The impact of genetic relationship information on genome-assisted<br />
breeding values. Genetics. 177, 2389-2397.<br />
Kizilkaya, K., Fernando, R.L. and Garrick, D.J. 2010. Genomic prediction of simulated multibreed and purebred<br />
performance using observed fifty thousand single nucleotide polymorphism genotypes. J Anim Sci. 88, 544-551.<br />
Legarra, A., Robert-Granié, C.,Croiseau, P., Guillaume, F., and Fritz, S. 2011. Improved Lasso for genomic selection.<br />
Genet Res. 93, 77-87.<br />
Mantysaari, E., Zengting, L. and Van Raden, P. 2010. Interbull Validation Test for Genomic Evaluations. Interbull<br />
bulletin. 41.<br />
VanRaden, P. 2008. Efficient methods to compute genomic predictions. J Dairy Sci. 91, 4414-4423.<br />
Zou, H., and Hastie, T. 2003. Regression shrinkage and selection via the Elastic Net, with application to microarrays.<br />
Technical report, Standford University.<br />
Zou, H., and Hastie, T. 2005. “Regularization and variable selection via the Elastic Net.” J. R. Statist. Soc. B. 67, 301-<br />
320.<br />
50<br />
Session 2
Einsatz von genomisch getesteten Jungstieren in der Schweiz<br />
Ruoss Seraina 1 , Schmitz-Hsu Fritz 2 , Bigler Andreas 3 , Jörg Hannes 1 , Flury Christine 1<br />
1 Berner Fachhochschule, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften, Zollikofen,<br />
Schweiz; 2 Swissgenetics, Zollikofen, Schweiz; 3 Qualitas AG, Zug, Schweiz<br />
seraina.ruoss@gmx.ch<br />
Kurzfassung<br />
Im Rahmen einer Bachelorthesis an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften<br />
wurde untersucht, wie es um die Akzeptanz von genomisch getesteten<br />
Jungstiere bei den Züchtern der drei Rassen Braunvieh, Red Holstein und Holstein in der<br />
Schweiz steht. Zu dem Zwecke wurde in Zusammenarbeit mit Swissgenetics und Qualitas eine<br />
Umfrage erarbeitet und an 900 Züchter versandt. Der Rücklauf war mit 51 % hoch. Der Begriff<br />
genomische Selektion ist bei den Befragten gut bekannt (84 %). Das Produkt „Optimis“ kennen<br />
54 % der befragten Züchter. Am häufigsten wurden Optimis-Stiere aufgrund ihrer interessanten<br />
Abstammung gefolgt vom Reiz für die Landwirte, etwas Neues auszuprobieren, eingesetzt. Die<br />
Hälfte der Betriebe mit Optimis-Einsatz haben eine bis drei Besamungen mit diesen Stieren<br />
gemacht. Wenn das Produkt Optimis bekannt ist, wurde häufig angegeben, dass keine<br />
Belegungen gemacht wurden, weil die Sicherheiten zu tief sind oder kein passender Stier<br />
vorhanden war. Der Preis wurde eher selten als Argument gegen einen Einsatz von Optimis-<br />
Stieren genannt. Die Akzeptanz der genomischen Zuchtwerte ist im Allgemeinen gegeben. Dem<br />
Einsatz von genomischen Jungstieren stehen viele Betriebsleiter noch skeptisch gegenüber und<br />
warten ab, bis die Ergebnisse der ersten Optimis-Stiere ausgewertet und die Sicherheiten der<br />
Zuchtwerte höher sind.<br />
Einleitung<br />
Seit Ende 2009 sind genomische Zuchtwerte in der Schweiz für die drei wichtigsten<br />
Milchviehrassen verfügbar. Wichtig neben den wissenschaftlichen Aspekten ist bei der<br />
Einführung einer neuen Methode immer auch die Akzeptanz der Verbraucher – hier der Züchter.<br />
Bei Swissgenetics – der grössten KB-Organisation der Schweiz – werden genomische<br />
Zuchtwerte insbesondere bei der Auswahl von Prüfstieren und bei der Vermarktung von<br />
Jungstieren berücksichtigt. Seit Oktober 2010 werden wenige, ausgewählte Jungstiere unter dem<br />
Label „Optimis“ vermarktet. Optimis-Stiere stammen aus ausgewiesenen Kuhfamilien und<br />
verfügen über überdurchschnittliche genomische Zuchtwerte (in der Schweiz gerechnet und<br />
publiziert). Sie durchlaufen zuerst einen Prüfeinsatz und werden anschliessend während einer<br />
beschränkten Zeit aktiv vermarktet.<br />
Session 2 51
%<br />
Anteil der Optimis-Stiere an den<br />
verkauften Samendosen<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
2010.4 2011.1 2011.2 2011.3 2011.4 <strong>2012</strong>.1 <strong>2012</strong>.2<br />
Jahr.Quartal<br />
Brown Swiss Red Holstein Holstein<br />
Abbildung 1: Anteil der Optimis-Stiere an den verkauften Samendosen pro Jahr und Quartal für die drei<br />
Hauptrassen Brown Swiss, Red Holstein und Holstein<br />
Wie die Verkaufszahlen (Abbildung 1) von Swissgenetics zeigen, ist der Einsatz von Optimis<br />
Stieren von Rasse zu Rasse sehr unterschiedlich. Der höchste Anteil haben die Brown-Swiss-<br />
Stiere.<br />
Das Angebot an Optimis-Stieren wird laufend erweitert. Im Moment sind 24 Stiere als Optimis-<br />
Stiere erhältlich. Das Angebot ist von Rasse zu Rasse unterschiedlich. Für die Rasse Brown<br />
Swiss sind aktuell 6 Stiere mit Schweizer Herkunft im Angebot. Bei den Rassen Holstein und Red<br />
Holstein dominieren importierte Samendosen das Angebot.<br />
Material und Methoden<br />
Der Fragebogen wurde von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in<br />
Zusammenarbeit mit Swissgenetics und Qualitas ausgearbeitet und in folgende vier Teile<br />
gegliedert:<br />
Allgemeine Angaben Betrieb<br />
Begriffe „Genomischer Zuchtwert“ und „Optimis“<br />
Einsatz von Optimis-Stieren<br />
Typisierung von eigenen Tieren<br />
Aufgrund des ersten Teiles können die Betriebe charakterisiert werden. Der zweite Teil gibt<br />
Hinweise zum Kenntnisstand/Bekanntheitsgrad des Begriffs genomischer Zuchtwert bzw. des<br />
Labels Optimis. Aufgrund des dritten und vierten Teiles sind Rückschlüsse auf den<br />
betriebseigenen Einsatz von Optimis-Stieren respektive die Typisierung von eigenen Tieren<br />
möglich.<br />
Basierend auf der Kundendatenbank von Swissgenetics wurden zufällig Adressen von 150<br />
aktiven Betrieben mit Optimis-Einsatz und 150 aktive Betriebe ohne Optimis-Einsatz von den drei<br />
Hauptrassen ausgewählt und angeschrieben.<br />
Ergebnisse und Diskussion<br />
Insgesamt 460 der 900 versandten Fragebögen (51 %) sind ausgefüllt und zurückgesandt<br />
worden. Im Vergleich über die drei Rassen war der Rücklauf bei Braunvieh am höchsten.<br />
Der Begriff „genomischer Zuchtwert“ ist bei fast allen (84 %) befragten Landwirten bekannt. Das<br />
Produkt „Optimis“ von Swissgenetics kennen jedoch nur 54 % der Befragten. Deutlich weniger<br />
gut informiert sind Betriebsleiter im Berggebiet mit weniger als 20 Kühen und einem Stalldurchschnitt<br />
von
ältere. Deutliche Unterschiede betreffend Kenntnis des Labels Optimis konnten zwischen den<br />
Rassen festgestellt werden: Braunvieh-Züchter kennen Optimis häufiger als die Züchter der<br />
Rassen Holstein und Red Holstein/Swiss Fleckvieh. Drei Viertel aller Züchter, die Optimis<br />
kennen, gaben an, dass es sich dabei um Top-Jungstiere mit einer Erbgutanalyse handelt.<br />
Unklarheit besteht bei den Befragten, ob die Stiere mit oder ohne vorhergehenden Testeinsatz<br />
als Optimis-Stiere vermarktet werden.<br />
Die Umfrage hat ergeben, dass signifikant mehr Optimis-Stiere bei einem Stalldurchschnitt<br />
>10`000 kg oder bei der Berücksichtigung von weiteren KB-Organisationen neben Swissgenetics<br />
eingesetzt werden. Der häufigste Grund für einen Optimis-Einsatz war die interessante<br />
Abstammung gefolgt vom Reiz, etwas Neues auszuprobieren (Abbildung 2).<br />
Gute<br />
Sicherheit<br />
6%<br />
Andere<br />
4%<br />
n= 147<br />
Gesextes<br />
Sperma<br />
6%<br />
Neues<br />
ausprobieren<br />
21%<br />
Interessante<br />
Abstammung<br />
33%<br />
Zuchtfortschritt<br />
16%<br />
Guter<br />
Zuchtwert<br />
14%<br />
Abbildung 2: Gründe für den Einsatz von Optimis-Stieren<br />
Etwa die Hälfte der Betriebe hat eine bis drei Besamungen mit Optimis-Stieren getätigt. Bei der<br />
Umfrage gaben die Landwirte an, dass sie Optimis-Stiere hauptsächlich auf Kühe eingesetzt<br />
hatten und die meisten Befragten gaben an, dass sie ihren Optimis-Einsatz so beibehalten<br />
wollen. Bei höheren Sicherheiten, einem breiteren Angebot oder tieferen Preisen würden die<br />
meisten Befragten häufiger Optimis-Stiere einsetzen.<br />
Bei denjenigen, die noch keine Optimis-Stiere eingesetzt haben, können stark signifikante<br />
Unterschiede zwischen der Gruppe, die das Label „Optimis“ kennen und denjenigen, die das<br />
Label nicht kennen, festgestellt werden. Wenn das Produkt Optimis bekannt ist, wurde häufig<br />
angegeben, dass die Sicherheiten der Zuchtwerte zu tief sind oder kein passender Stier<br />
vorhanden ist. Die anderen kannten die Optimis-Stiere meistens nicht und finden das<br />
Standardangebot an nachzuchtgeprüften Stieren genügend gross. Der Preis wurde eher selten<br />
als Argument dagegen genannt. Drei Viertel derjenigen, die noch keine Optimis-Stiere eingesetzt<br />
haben, wissen noch nicht, ob sie welche in Zukunft einsetzen werden.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die Akzeptanz der genomischen Zuchtwerte ist im Allgemeinen gegeben. Dem Einsatz von<br />
genomischen Jungstieren stehen die meisten noch skeptisch gegenüber und warten ab, bis die<br />
Ergebnisse der ersten Optimis-Stiere ausgewertet und die Sicherheiten der Zuchtwerte höher<br />
sind.<br />
Session 2 53
54<br />
Session 2
Genomische Selektion bei Brown Swiss für kommerzielle Milchviehbetriebe<br />
mit Übersicht von Brown Swiss in den USA<br />
Dan Gilbert<br />
New Generation Genetics, Inc., W6368 Briar Lane Fort Atkinson, WI 53538, USA<br />
dan@brownswiss.com<br />
Kurzfassung<br />
Das größte Ausbreitungspotential bei Brown Swiss liegt in „kommerziellen“ Milchviehbetrieben.<br />
Das gilt insbesondere für die USA, wird aber weltweit als immer wichtigere Tendenz zu<br />
beobachten sein. Einige dieser kommerziellen Milchviehbetriebe haben reinrassige Tiere. Es gibt<br />
jedoch zunehmend Betriebe, die Kreuzungen aus verschiedenen Rassen einsetzen. Die<br />
Entwicklung einer Genetik, die die Bedürfnisse und Wünsche dieser Milchproduzenten erfüllt, ist<br />
maßgebend für die Zukunft unseres Geschäfts und, meiner Ansicht nach, der gesamten<br />
Braunviehrasse.<br />
Was haben diese Betriebe gemeinsam?<br />
Erstens handelt es sich bei den meisten um grosse oder mindestens überdurchnittlich große<br />
Betriebe. In den Vereinigten Staaten beträgt der Durchschnitt 358 Tiere. Etwa ein Drittel aller<br />
Betriebe erzeugt 86.4 % der Milch in den USA. In 5 Staaten ist die durchschnittliche<br />
Betriebsgröße zur Zeit über 1000 Kühe. Die Tendenz ist wachsend. Von 2002 bis <strong>2012</strong> ist die<br />
Anzahl Betriebe mit 500 oder mehr Tieren, während diejenigen mit 100 oder weniger Kühen um<br />
ein Drittel gesunken sind.<br />
Zweitens arbeiten die meisten Entscheidungsträger auf den Betrieben nicht direkt mit Kühen,<br />
sondern sie führen die Leute, die sich tatsächlich um die Tiere kümmern.<br />
Drittens sind die meisten gewinnorientiert. Wenn ein Produkt bzw. eine Dienstleistung zu keiner<br />
deutlichen Verbesserung des Betriebsgewinns führt, ist es bzw. sind sie für die<br />
Entscheidungsträger nicht interessant.<br />
Viertens bezeichnen sie die ‚Morphologie„ anders als traditionelle reinrassige Herdebuchzüchter.<br />
Was sie interessiert, ist das funktionelle Exterieur.<br />
Fünftens die Fitnessmerkmale: Mastitis, Fruchtbarkeit und Leichtkalbigkeit sind genauso wichtig<br />
wie die Milchleistung. Ebenso wichtig sind die Mobilität, d.h. keine Klauenpflege, und<br />
Stoffwechselstörungen wie zum Beispiel Labmagenverlagerung.<br />
Schliesslich: Sie WERDEN KEINE beachtliche Produktionsmenge darangeben!<br />
Um auf diesem ständig wachsenden und immer wichtigeren Markt wettbewerbsfähig zu sein,<br />
müssen genetische Optionen in allen Punkten wettbewerbsfähig sein und sich bei möglichst<br />
vielen als hervorragend erweisen.<br />
Die ‚genomische Revolution„<br />
Obwohl unsere Selektionsprioritäten sich im Laufe der Zeit geändert haben, hauptsächlich um<br />
den Bedürfnissen der kommerziellen Milchbetriebe gerecht zu werden, erlaubt uns die<br />
genomische Revolution, einen sehr aggressiven Ansatz bei der Selektion dieser Merkmale<br />
anzuwenden. Bisher haben wir Folgendes erreicht:<br />
1. Mit dem 3K- und dann dem GGP-Chip haben wir 700 Färsen, hauptsächlich vor dem 6.<br />
Altersmonat, als zukünftige Stierenmutter genomisch getestet.<br />
2. Die besten unter diesen Färsen wurden gepaart. Wir sind sehr selektiv bei Merkmalen wie<br />
Töchterträchtigkeitsrate („Daughter Pregnancy Rate“, DPR) und Lebensleistung. Mit der<br />
Session 2 55
Einführung der Zuchtwerte für Mobilität in den USA werden wir auch diesen Aspekt genau<br />
beobachten. Obwohl die Zellzahlen weiterhin wichtig sind, hat die Überlegenheit unserer<br />
Rasse uns erlaubt, den Schwerpunkt auf die oben genannten Merkmalen zu setzen.<br />
3. Die besten Stiere für die oben genannten Merkmale, die natürlich auch sehr gute<br />
Leistungsmerkmale aufweisen, werden bei kommerziellen Milchbetrieben stark beworben.<br />
4. Durch den lang überfälligen Austausch von Genotypen können wir nun diesen<br />
Milchbetrieben beweisen, dass unsere genomischen Zuchtwertschätzungen im Sinne der<br />
Zuverlässigkeit vergleichbar mit denen von Holstein, Jersey, Montbeliard und<br />
Scandinavian Red sind.<br />
Die Zukunft...<br />
1. Genomische Tests werden in kommerziellen Milchviehbetrieben immer öfter durchgeführt.<br />
SNP-basierte Paarungssysteme werden entwickelt. US Jersey wird bald in der Lage sein,<br />
ein solches System anzubieten. Dies wird ihnen einen großen Vorsprung geben.<br />
2. In den USA wird es möglich sein, Kreuzungen genomisch zu testen.<br />
3. Potentielle genomische Untersuchungen mit Kreuzungen und Rückkreuzungen.<br />
4. Eine rassenübergreifende genomische Zuchtwertschätzung eine sehr reelle Möglichkeit<br />
setzt HD-Genotypen voraus, könnte aber ähnliche Ergebnisse wie Holstein liefern und<br />
daher unsere Konkurrenzfähigkeit bei kommerziellen Milchviehbetrieben weiterhin<br />
stärken.<br />
5. Es ist nun an der Zeit für die ‚führenden„ Personen in diesem Raum zu verstehen, dass<br />
die Konkurrenz sich nicht unter Braunvieh-Ländern sondern zwischen Brown Swiss und<br />
Rassen aus allen anderen Ländern abspielt!!<br />
Wir haben einen einzigartigen Vorteil, allerdings wid dieser potenielle Vorteil zu oft zu einem<br />
Nachteil. Die Vielfältigkeit unseres Zuchtbestandes ist dieser Vorteil. Unterschiedliche Zuchtziele<br />
führen weltweit zu einer vielfältigen und lebhaften Zuchtpopulation.<br />
Andererseits ist kein Land finanziell stark genug, um bedeutsame Forschungsprogramme und<br />
Investitionen auf die Beine zu stellen. Länderübergreifende Kooperation und Koordination finden<br />
langsam statt, wenn überhaupt. Das ist meiner Meinung nach sehr besorgniserregend. Wir<br />
verpassen die Gelegenheit, dem GLOBALEN Milchproduzenten die wichtigen Merkmale der<br />
Braunviehrasse zu zeigen. Insbesondere müssen wir beweisen, dass Brown Swiss bei<br />
Milchleistung, Fruchtbarkeit und Gesundheit in kommerziellen Milchviehbetrieben mit allen<br />
anderen Rassen konkurrieren kann – und zwar bei einer kostengünstigeren Fütterung.<br />
Fazit<br />
Damit sie eine überlebensfähige und wichtige Rasse bleibt, muss sich Brown Swiss bei kommerziellen<br />
Milchviehbetrieben bewähren.<br />
Die Genomik erlaubt uns, diesen Betrieben konkurrenzfähige genetische Optionen anzubieten.<br />
Kommerzielle Milchbetriebe werden die Genomik bei ihren Management- und Zuchtentscheidungen<br />
berücksichtigen.<br />
Forschung und Zusammenarbeit sind notwendig, um unsere Konkurrenzfähigkeit zu beweisen.<br />
56<br />
Session 2
Brown Swiss in den USA<br />
Eine Übersicht<br />
Obwohl der Milchviehbestand in den letzten 5 Jahren allgemein gesunken ist, konnte die<br />
Braunviehrasse ihre Population in den USA bewahren. Wie die unten stehende Tabelle zeigt, ist<br />
die Anzahl der Eintragungen ins Herdebuch mittlerweile leicht gestiegen.<br />
Eintragungen in das Herdebuch in den letzten 5 Jahren<br />
2011 11„172<br />
2010 10„658<br />
2009 10„201<br />
2008 10„824<br />
2007 10„416<br />
Alle genetischen Trends weisen eine sehr positive und konkurrenzfähige Entwicklung bei allen<br />
Merkmalen auf. Die Ausnahme bildet wie bei allen anderen Rassen in den USA die<br />
Töchterträchtigkeitsrate.<br />
Abbildung 1: Genetischer Trend bei Milchleistung<br />
Abbildung 2: Genetischer Trend bei Eiweiß<br />
Session 2 57
Abbildung 3: Genetischer Trend bei Lebensleistung<br />
Abbildung 4: Genetischer Trend bei Töchterträchtigkeitsrate<br />
Wie die untere Tabelle zeigt, ist die Anzahl der verkauften Braunvieh-Sameneinheiten aus den<br />
USA weiterhin hoch und weist auf einen steigenden US-Markt hin. Im selben Zeitraum wurden im<br />
Durchschnitt ca. 5000 Einheiten pro Jahr importiert.<br />
Jahr<br />
2005<br />
2008<br />
2010<br />
Gesamte verarbeitete<br />
BS-Einheiten<br />
270,000 190,000<br />
298,000 205,000<br />
362,000 210,000<br />
Verkaufte Einheiten in<br />
den USA (Schätzung)<br />
Literaturverzeichnis<br />
United States Department of Agriculture (2011)<br />
Abbildung 5: Samenverarbeitung und Verkaufsschätzung<br />
Brown Swiss Cattle Breeders Association of U.S.A. (<strong>2012</strong>)<br />
USDA-AIPL http://aipl.arsusda.gov/eval/summary/trend.cfm?R_Menu=BS#StartBody<br />
Nation Association of Animal Breeders and New Generation Genetics http://www.naabcss.org/sales/table27.html<br />
58<br />
Session 2
Nutzung von SNP-Daten zur Identifikation von mit potenziellen Erbfehlern<br />
assoziierten Haplotypen beim Braunvieh<br />
Hermann Schwarzenbacher 1 , Christian Fuerst 1 , Birgit Fuerst-Waltl 2 , Marlies Dolezal 3<br />
1 ZuchtData EDV-Dienstleistungen GmbH, Dresdner Str. 89/19, 1200 Vienna, Austria; 2 University of Natural<br />
Resources and Applied Life Sciences, Department of Sustainable Agricultural Systems, Division of<br />
Livestock Sciences, Gregor-Mendel-Str. 33, 1180 Vienna, Austria; 3 University of Milan, Department of<br />
Veterinary Science and Technology for Food Safety, Via Celoria 10, 20133 Milan, Italy<br />
schwarzenbacher@zuchtdata.at<br />
Zusammenfassung<br />
Nach umfassenden Qualitätschecks wurden Illumina 50K Genotypen von knapp 3.000<br />
Braunviehstieren mit der Software Beagle v3.1 gephased. Im ersten Analyseschritt wurde ein<br />
„sliding-window‟ Ansatz angewendet um Haplotypen zu identifizieren, die nicht im homozygoten<br />
Status auftreten, unter Berücksichtigung der Haplotypenfrequenz und der tatsächlich<br />
durchgeführten Anpaarungen. Insgesamt konnten drei signifikante Haplotypen auf den<br />
Chromosomen 7 und 19 identifiziert werden. Im zweiten Analyseschritt wurden die<br />
phänotypischen Effekte dieser Chromosomensegmente untersucht. Dabei wurden die Merkmale<br />
Non Return Rate zum 56. Tag bei der Kalbin bzw. Kuh, Verzögerungszeit bei der Kalbin und Kuh,<br />
Totgeburtenrate und Aufzuchtverluste untersucht. Die Effekte des BH1 Haplotypen (VanRaden et<br />
al., 2011) konnten nicht bestätigt werden. Indes konnten konsistente Effekte eines Haplotyps auf<br />
Chromosom 19 auf die Merkmale Totgeburtenrate und Aufzuchtverluste identifiziert werden.<br />
Einleitung<br />
Die neuen Methoden der Molekulargenetik haben das Auffinden von Defektgenen beschleunigt<br />
und Selektionsmaßnahmen deutlich vereinfacht. Aufgrund der scharfen Selektion sind die<br />
Frequenzen der Defektallele zum Zeitpunkt des Auftretens der ersten Phänotypen jedoch oftmals<br />
bereits sehr hoch. Ein neuer, rein populationsgenetischer Ansatz zur Detektion von<br />
Erbfehlerträgern wurde von VanRaden et al. (2011) vorgestellt. Die Idee beruht zunächst auf<br />
hochdichten SNP-Chip-Daten. Nach der Phasenzuordnung wird genomweit nach Haplotypen<br />
gesucht, die trotz moderater Häufigkeiten bei keinem Tier im homozygoten Zustand auftreten.<br />
Die identifizierten Haplotypen können in der Folge über die Analyse der Effekte auf die<br />
Fruchtbarkeit, Totgeburtenrate und Kälberverluste bestätigt werden. In dieser Studie sollte der<br />
von VanRaden et al. (2011) bei Braunvieh identifizierte BH1-Haplotyp auf Chromosom 7 an<br />
einem umfangreicheren Datensatz bestätigt und nach weiteren potentiellen Defekthaplotypen<br />
gesucht werden.<br />
Material und Methoden<br />
Illumina Bovine SNP-Chip-Daten von 2959 Braunviehstieren aus dem gemeinsamen<br />
Genotypenpool aus Österreich und <strong>Deutsch</strong>land wurden in die Analysen einbezogen. Nach dem<br />
Ausschluss von Konflikttieren, Tieren mit einer “Call-Rate” < 90 %, SNP mit einer “Call-Rate” von<br />
50 Mendelschen Inkonsistenzen, einer MAF
eobachtete Anzahl von homozygoten Tieren für einen bestimmten Haplotypen wurde dabei mit<br />
der erwarteten Zahl verglichen und mit Hilfe der R Funktion “binom.test” (cran.r-project.org) auf<br />
Signifikanz getestet. Die erwartete Anzahl der homozygoten Träger wurde unter Einbeziehung<br />
der Frequenz sowie des Haplotypenstatus des Vaters und des mütterlichen Großvaters<br />
berechnet.<br />
Im zweiten Analyseschritt wurden die phänotypischen Effekte dieser Chromosomensegmente<br />
analysiert. Dabei wurden die Merkmale Non Return Rate zum 56. Tag bei der Kalbin bzw. Kuh<br />
(NRR56_Kalbin, NRR56_Kuh), Verzögerungszeit bei der Kalbin und Kuh (VERZ_Kalbin,<br />
VERZ_Kuh), Totgeburtenrate zur ersten Kalbung bzw. zu späteren Kalbungen (TOT1, TOT2+)<br />
und frühe bzw. späte Aufzuchtverluste (AZV30, AZV30+) (Fuerst-Waltl und Fuerst, 2010; Fuerst-<br />
Waltl und Sørensen, 2010) untersucht. Zur Auswertung wurden die Modelle der Routine<br />
Zuchtwertschätzung (Stand Dezember 2011, http://www.zar.at/download/ZWS.pdf) unter<br />
Verwendung der Software MiX99 (Lidauer et al., 2008) herangezogen, wobei die Modelle um<br />
einen kontinuierlichen Effekt, der Wahrscheinlichkeit für Homozygotie (P_HOM) am betreffenden<br />
Haplotyp, ergänzt wurden. Für die Berechnung der P_HOM wurde das intern entwickelte<br />
Programm „GeneCar“ (Fuerst et al., 2009) verwendet.<br />
Ergebnisse und Diskussion<br />
In Abbildung 1 sind die Ergebnisse der genomweiten Suche nach potenziellen Defekt-Haplotypen<br />
dargestellt. Das Chromosom 19 ist einzeln dargestellt, da auf diesem Chromosom das stärkste<br />
Signal detektiert werden konnte.<br />
Abbildung 1: Genomweiter Manhattanplot zum Test auf die Abweichung der beobachteten Anzahl von Tieren<br />
mit homozygoten Haplotypen relativ zur erwarteten Anzahl (links). Das Rinderchromosom 19 ist rechts<br />
nochmals gesondert dargestellt. Grün dargestellt sind Haplotypen,<br />
Die Tabelle 1 zeigt, dass drei Haplotypen auf den Chromosomen 7 und 19 eine Frequenz<br />
zwischen 5,4 und 7,2 % aufweisen und folglich statistisch zwischen 11,3 und 13,6 homozygote<br />
Träger für diese Haplotypen erwartet würden. Es konnte jedoch kein homozygotes Tier<br />
identifiziert werden. Der Haplotyp auf Chromosom 7 ist identisch mit jenem von VanRaden<br />
publizierten BH1 Haplotypen (persönliche Korrespondenz).<br />
Tabelle 1: Ausgewählte Haplotypen bei Braunvieh, die nicht homozygot beobachtet werden konnten.<br />
Haplotyp<br />
Beginn<br />
(Mb)<br />
Ende<br />
(Mb)<br />
Frequenz<br />
(%)<br />
erw. Anzahl<br />
Homozygoter<br />
beob. Anzahl<br />
Homozygoter<br />
P-Wert<br />
BTA7_1 42,440 43,385 7,2 11,9 0 1,02 x 10 -5<br />
BTA19_1 10,140 11,049 6,41 13,6 0 1,69 x 10 -6<br />
BTA19_2 53,802 54,675 5,44 11,3 0 7,23 x 10 -5<br />
60<br />
Session 2
In der Tabelle 2 sind die phänotypischen Effekte aus der linearen Regression auf die<br />
Wahrscheinlichkeit für Homozygotie am Haplotypen dargestellt. Es konnten moderate Effekte für<br />
NRR56 bei Kalbinnen für den Haplotyp BTA7_1 identifiziert werden, nicht jedoch für NRR56 bei<br />
Kühen. Der Haplotyp BTA19_1 wies deutliche und konsistente Effekte auf die TOT1 und TOT2+<br />
auf. Ebenso konnten Effekte auf AZV30 für BTA19_1 identifiziert werden.<br />
Tabelle 2: Geschätzte Effekte bei 10 %iger Wahrscheinlichkeit für Homozygotie am Haplotyp.<br />
Haplotyp<br />
NRR56<br />
Kalbin<br />
(%)<br />
NRR56<br />
Kuh<br />
(%)<br />
VERZ<br />
Kalbin<br />
(Tage)<br />
VERZ<br />
Kuh<br />
(Tage)<br />
TOT1<br />
(%)<br />
TOT2+<br />
(%)<br />
AZV30<br />
(%)<br />
AZV30+<br />
(%)<br />
BTA7_1 +2,021 -0,222 +0,424 +0,163 -0,322 +0,003 -0,402 +0,092<br />
BTA19_1 +0,083 -0,081 +0,899 +0,123 +2,374 +2,510 +1,182 +0,299<br />
BTA19_2 +0,203 +0,140 +0,380 -0,587 -0,199 -0,111 -0,618 -0,504<br />
NRR56_Kalbin, NRR5_Kuh: Non Return Rate zum 56. Tag bei der Kalbin bzw. Kuh. VERZ_Kalbin, VERZ_Kuh: Verzögerungszeit bei der Kalbin und<br />
Kuh.TOT1, TOT2+: Totgeburtenrate zur ersten Kalbung bzw. zu späteren Kalbungen. AZV30, AZV30+: frühe (0 bis 30. Tag) bzw. späte (31 bis 180.<br />
Tag) Aufzuchtverluste.<br />
Literaturverzeichnis<br />
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Fuerst-Waltl B. and Sørensen MK. 2010: Genetic analysis of calf and heifer losses in Danish Holstein. J.<br />
Dairy Sci. 93(11): 5436-5442.<br />
Lidauer, M. et al. 2008: MiX99 – General Program for Solving Large Mixed Model Equations with<br />
Preconditioned Conjugate Gradient Method. Manual, MTT Agrifood Research Finland, 31600 Jokioinen.<br />
VanRaden P. et al. 2011: Harmful recessive effects on fertility detected by absence of homozygous<br />
haplotypes. J. Dairy Sci. 94: 6153-6161.<br />
Session 2 61
62<br />
Session 2
Genomik und Wettbewerbsfähigkeit aus Sicht eines Elite-Holsteinzüchters<br />
Matt Hendel<br />
Hendel Farms, 14306 Gap Drive, Caledonia, MN 5592, USA<br />
hendelfarms@springgrove.coop<br />
Hintergrund<br />
350 eingetragene Holsteinkühe<br />
Rollender Herdendurchschnitt 2X 27„000 Pfund Milch, 3.9 % 1„060 Pfund Fett, 3.0 % 816 Pfund<br />
Eiweiß<br />
35 eingetragene Braunviehkühe<br />
Rollender Herdendurchschnitt 2X 22„000 Pfund Milch, 4.5 % 977 Pfund Fett, 3.3 % 724 Pfund<br />
Eiweiß<br />
Nach vier Jahren Arbeit mit genomischen Tests haben wir Ergebnisse über ca. 400 Tiere<br />
gesammelt. Vor der genomischen Zuchtwertschätzung verkauften wir etwa 40 Stiere zur KB pro<br />
Jahr. Heute verkaufen wir ca. 15 Stiere. Der Durchschnittspreis ist höher und es gibt mehr<br />
Chancen für Mietverträge. In der Vergangenheit verkauften wir viele Färsen mit höherem GTPI<br />
(genomischer Gesamtzuchtwert), aber jetzt nicht mehr so viele. Es sieht so aus, als ob nur die<br />
besten 200 einen hohen Wert aufweisen. In den ersten Jahren, als die Anzahl getesteter Tiere<br />
geringer war, gab es größere Unterschiede zwischen den Ergebnissen der genomischen Tests<br />
und den traditionellen Abstammungs-Zuchtwerten. Heute nähert sich der genomische Zuchtwert<br />
grundsätzlich dem Abstammungs-Zuchtwert an, weil viele Tiere und Familienmitglieder getestet<br />
werden. Bei einigen unserer Tiere wurden über fünf Generationen genomische Zuchtwerte<br />
gesammelt. Aus diesem Grund denke ich, dass genomische Ergebnisse nun näher dem<br />
Abstammungs-Zuchtwert näher gekommen sind.<br />
Interessante Erkenntnisse aus dem genomischen Vergleich unter Vollschwestern<br />
Wir haben über 20 Töchter einiger Kühe getestet. Ich denke, dass der genomische Vergleich<br />
unter Vollgeschwistern sehr sinnvoll ist, da wir den Unterschied bei der allgemeinen Leistung von<br />
einzelnen Tieren aufgrund der Produktion und der Morphologie tatsächlich messen können. Aus<br />
meiner Erfahrung mit Vollgeschwistern setze ich lieber nur auf die Tiere, die den größten<br />
genomischen Wert aufweisen. Geschwister mit höheren genomischen Zuchtwerten haben mehr<br />
Chancen, Nachzuchttiere mit höherem GTPI zu zeugen. Unser Ziel ist es, nur Tiere<br />
fortzupflanzen, deren Nachzucht einen Abstammungs-Zuchtwert von mindestens 2350 TPI<br />
aufweist. Niedrigere Werte erlauben uns kaum, unsere Investition in Embryotransfer<br />
zurückzugewinnen.<br />
Als Züchter habe ich festgestellt, dass je mehr weibliche und männliche Tiere getestet werden,<br />
desto mehr Enttäuschungen können entstehen. Obwohl einige mütterliche Blutlinien mehr<br />
Informationen erhalten, da die Söhne in die Nachkommenprüfungen der Töchter einbezogen<br />
werden, können sie an Wert verlieren. Man soll den Grund dafür verstehen und bereit sein, sich<br />
auf andere Blutlinien mit besseren Ergebnissen zu konzentrieren. Zusammenfassend denke ich,<br />
dass die genomisch getesteten weiblichen Tiere in unserer Herde aufgrund ihrer genomischen<br />
Zuchtwerte sehr gut eingestuft sind.<br />
Session 2 63
Stierenselektion und Genomik<br />
Vor der Genomik setzten wird in unserer Herde zu 75 % geprüfte Stiere und zu 25 % Jungstiere<br />
ein. Aus Vermarktungsgründen und wegen höherem Vertrauen in die Genomik sind wir auf 75 %<br />
Jungstiere (genomisch getestet) und 25 % geprüfte Stiere umgestiegen. Zuletzt habe ich<br />
beschlossen, nicht geprüfte und geprüfte Stiere im Verhältnis von ca. 50:50 einzusetzen, da die<br />
Milchleistung der Töchter unserer Jungstiere nicht wie erwartet ist (siehe Tabelle).<br />
Avg.<br />
Current<br />
Sire NM<br />
No. of<br />
head<br />
Current<br />
Milk FCM DIM ME FCM<br />
Avg. Sire<br />
PTA Milk<br />
Proven Sire Daughters 72 80 84 170 29,300 491 1073 644<br />
Young Sire Daughters 33 72.5 78 150 27,400 440 697 697<br />
Abbildung 1: Laufende Milchleistung von 2-jährigen Kühen mit Leistungspunkten<br />
Avg. Dam<br />
PTA Milk<br />
Das ist eine kleine Auswahl von Kühen aus einer Herde. Die selektierten Jungstiere gehen auf<br />
über drei Jahre zurück, als viel weniger Tiere mit genomischen Ergebnissen zum Vergleich<br />
verfügbar waren. Wir hatten auch viele Töchter von Planet und Man O Man in unserer Herde.<br />
Diese Bullen sind während dieser Zeit nicht sehr zurückgegangen. Ich bin der Meinung, dass das<br />
Verhältnis zwischen nicht geprüften und geprüften Stieren in der Stierenselektion ausgewogener<br />
sein sollte.<br />
In meiner Herde konnte ich durch die Genomik die untere Hälfte der Jungstiere ersetzen, die ich<br />
früher eingesetzt hätte. Der Einsatz der Genomik bringt einen enormen Vorteil für die allgemeine<br />
Verbesserung der Rasse. Meiner Meinung nach sollte man dabei nicht vergessen, dass sich<br />
genomische Zahlen auf die Historie stützen, wie die Bullen in der Vergangenheit ihre Merkmale<br />
übertragen haben. Sie können nicht genau vorhersagen, wie sich ein einzelner Bulle in einer<br />
zukünftigen Population verhalten wird. Wenn wir Jungstiere mit genomischen Topwerten<br />
einsetzen, versuchen wir deshalb, eine hervorragende Gruppe zu selektieren, statt nur auf einen<br />
einzelnen Stier zu setzen.<br />
64<br />
Session 2
Aktuelle Entwicklungen in der genomischen Zuchtwertschätzung<br />
Beat Bapst<br />
Qualitas AG, Chamerstrasse 56, 6300 Zug, Schweiz<br />
beat.bapst@qualitasag.ch<br />
Kurzfassung<br />
Die genomische Zuchtwertschätzung (gZWS) wurde in den meisten grossen<br />
Milchviehpopulationen eingeführt. Eine Verbesserung des Zuchtfortschrittes mittels der gZWS<br />
lässt sich vor allem über die höhere Selektionsintensität und die Verbesserung der Genauigkeit<br />
der gZWS erzielen. Letztere kann durch einen grösseren Trainingsdatensatz, optimierten<br />
Chipeinsatz mit entsprechenden Imputingstrategien bis hin zur Nutzung von Sequenzdaten in der<br />
gZWS erzielt werden. Gegeben durch die Populationsgrösse (weltweit) und durch ein<br />
Genotypenaustauschprojekt (Intergenomics), kann der Trainingsdatensatz nicht mehr vergrössert<br />
werden. Der Einbezug von Kühen in die Trainingspopulation mit entsprechenden<br />
Imputingstrategien und die Nutzung von Sequenzierungsdaten für die gZWS stellen mögliche<br />
Lösungen dar.<br />
Einführung<br />
Die genomische Zuchtwertschätzung (gZWS) (Meuwissen et al., 2001) wurde in allen grösseren<br />
Milchviehzuchtprogrammen eingeführt und befindet sich in einer Konsolidierungsphase. Mit der<br />
gZWS werden vornehmlich drei Hauptziele verfolgt: (1) Verbesserung des Zuchtfortschrittes pro<br />
Zeiteinheit (z.B. Meuwissen et al., 2001) und somit (2) ökonomische Verbesserung der<br />
Zuchtprogramme (z.B. Schaeffer, 2006 oder König et al., 2009) sowie (3) Möglichkeit der<br />
Bearbeitung von neuen Merkmalen, die bis anhin wegen der hohen Kosten in der<br />
Phänotypisierung nicht erhoben wurden (z.B. Buch et al., <strong>2012</strong>).<br />
Der Zuchtfortschritt (ΔG) lässt sich allgemein wie folgt ausdrücken: ΔG=irσA/L, bei dem i die<br />
Selektionsintensität, r die Genauigkeit der geschätzten Zuchtwerte (ZW), σA die additive<br />
genetische Standardabweichung des entsprechenden Merkmals und L das Generationenintervall<br />
darstellt (Falconer and Mackay, 1996). Die gZWS hat vor allem über die Verkürzung von L sowie<br />
über ein verbessertes i und r einen positiven Einfluss auf ΔG (König et al., 2009). Da L<br />
biologischen Grenzen unterliegt, i durch markt- und organisationspolitische Strukturen geprägt<br />
wird, sind momentan vor allem bei r Entwicklungen im Gange. r wird durch die Grösse des<br />
Trainingsdatensatzes, durch die Heritabilität des Merkmals, durch die effektive<br />
Populationsgrösse, durch die Markerdichte und durch die verwandtschaftlichen Beziehungen<br />
zwischen den Trainingstieren und der Kandidatenpopulation bestimmt (Edriss et al., <strong>2012</strong>). Im<br />
Folgenden werden die aktuellen Entwicklungen bei der Grösse des Trainingsdatensatzes und der<br />
Markerdichte, bzw. Wahl des Chips, kurz umrissen.<br />
Zusammensetzung Trainingsdatensatz<br />
Beim Braunvieh kann in den meisten Ländern der Trainingsdatensatz nicht mehr gross mit<br />
männlichen Vererbern erweitert werden, da über das Intergenomics-Projekt (Jorjani et al., <strong>2012</strong>)<br />
die meisten Stiere ausgetauscht wurden. Eine Möglichkeit der Erweiterung des<br />
Trainingsdatensatzes ist der Einbezug von Kühen. Um Verzerrungen, verursacht durch den<br />
gleichzeitigen Einbezug von Stier- und Kuhzuchtwerten, zu vermeiden, muss der Mendelian<br />
Sampling Term bei den Kühen korrigiert werden. Wiggans et al. (2011, <strong>2012</strong>) entwickelten dazu<br />
verschiedene Ansätze, die in der Routine Zuchtwertschätzung in Nordamerika bei Braunvieh,<br />
Holstein und Jersey angewendet werden. Verschiedene Arbeiten zeigen aber, dass im Vergleich<br />
zur Anzahl Trainingsstiere ein Mehrfaches an Kühen typisiert werden müsste, abhängig von der<br />
Heritabilität des Merkmals und den einzelnen Bestimmtheitsmassen der Tiere im<br />
Session 2 65
Trainingsdatensatz (de Roos, 2011, Schwarzenbacher, <strong>2012</strong>). Diese Tatsache ist auf der<br />
Kostenseite zu berücksichtigen und erfordert eine optimale Aufstellung des Zuchtprogrammes mit<br />
differenziertem Chip-Einsatz (Börner et al., <strong>2012</strong>) und Imputing-Strategien (Segelke et al., <strong>2012</strong>).<br />
Chip, Markerdichte, Genomsequenzierung<br />
Aktuell werden 3 Chiptypen mit tiefer (3000-7000 SNPs, LD), mittlerer (~54000 SNPs, 50k) und<br />
hoher (~770000 SNPs, HD) Markerdichte bei der Genotypisierung angewendet, wobei der<br />
mittlere am häufigsten eingesetzt wird (Su et al., <strong>2012</strong>). Dies ist auch in der Braunviehpopulation<br />
der Fall (Jorjani et al., <strong>2012</strong>). Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass der<br />
Sicherheitszuwachs durch HD-Typisierungen, im Vergleich zu den Mehrkosten, eher klein ist (Su<br />
et al., <strong>2012</strong>) und sich demzufolge im breiten Einsatz noch nicht durchsetzen kann. Bei<br />
gemischtrassigen, imputierten Trainingsdatensätzen könnte sich der Einsatz des HD-Chips, vor<br />
allem für die am schwächsten vertretenen Rassen lohnen, da diese den grössten<br />
Sicherheitszuwachs erlangen (z.B. Erbe et al., <strong>2012</strong>). Diesbezüglich ist es zentral, welche Tiere<br />
HD-typisiert sein müssen. Olson et al. (<strong>2012</strong>) konnten ebenfalls mit einem gemischtrassigen<br />
Trainingsdatensatz, aber mit 50k-Typisierungen, nur geringfügige Verbesserungen erzielen.<br />
Eine weitere, kosteneffiziente Strategie, die auch die Grösse des Trainingsdatensatzes betrifft,<br />
könnte die breite Anwendung des LD-Chips bei Kühen sein (siehe Kapitel 2). Ein<br />
anschliessendes Imputing auf den 50k-Chip, wie sie vor allem bei Stieren beschrieben wird (z.B.<br />
Dassonneville et al., <strong>2012</strong>, Gredler et al., 2011), würde dann die Integration in den<br />
Trainingsdatensatz zulassen. Mittels Modellrechnungen müsste die optimale Strategie, unter<br />
gegebenen Kostenrestriktionen, ermittelt werden.<br />
Durch die drastische Kostensenkung im Bereich der Hochdurchsatzsequenzierung wurden neue<br />
Perspektiven eröffnet (Fries und Pausch, 2011). Wichtige Schlüsseltiere einer Population können<br />
resequenziert werden. Über Imputingverfahren können danach die Sequenzdaten für die<br />
genotypisierten Tiere der gleichen Population vorhergesagt werden. Die Genauigkeit des<br />
Imputings hängt stark von der Anzahl und der Auswahl der sequenzierten Schlüsseltiere ab<br />
(Fries und Pausch, <strong>2012</strong>). Mittels genomweiten Assoziationsstudien lassen sich dann die<br />
kausalen Varianten, die für die Ausprägung von bestimmten Merkmalen verantwortlich sind,<br />
ableiten (Fries und Pausch, <strong>2012</strong>, Hayes et al., <strong>2012</strong>). Das bedeutet, dass die gZWS nicht länger<br />
auf die Verbindungen zwischen den Markern und den QTL (Quantitative Trait Loci) abstützen<br />
muss. Des Weiteren konnten Meuwissen und Goddard (2010) in ersten Simulationen zeigen,<br />
dass die genomischen ZW einen Sicherheitszuwachs erfahren. Damit die gleichen Tiere durch<br />
verschiedene Projektgruppen nicht mehrmals typisiert werden und um Sequenzierungsdaten<br />
austauschen zu können, wurde durch ein australisches Forscherteam das „1,000 Bull Genomes<br />
Project“ ins Leben gerufen (Hayes et al., <strong>2012</strong>). An diesem Projekt ist auch die<br />
Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Rinderzüchter (ASR) und somit Braunvieh Schweiz,<br />
beteiligt, um mögliche, neue gZWS-Verfahren mit Sequenzierungsdaten zu entwickeln.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Börner, V., Teuscher, F. and Reinsch, N. <strong>2012</strong>. Optimum multistage genomic selection in dairy cattle. J.<br />
Dairy Sci. 95: 2097-2107.<br />
Buch, L. H., Kargo M., Berg, P., Lassen, J. and Sørensen, A. C. <strong>2012</strong>. The value of cows in reference<br />
populations for genomic selection of new functional traits. animal, 6: 880-886.<br />
Dassonneville, R., Brøndum, R.F., Druet, T., Fritz, S., Guillaume, F., Guldbrandtsen, B., Lund, M.S.,<br />
Ducrocq, V. and Su, G. <strong>2012</strong>. Effect of imputing markers from a low-density chip on the reliability of<br />
genomic breeding values in Holstein populations. J. Dairy Sci. 95: 3679-3686.<br />
De Roos, A.P.W. 2011. Genomic selection in dairy cattle. Ph.D.thesis, Wageningen University, the<br />
Netherlands.<br />
Edriss, V., Guldbrandtsen, B., Lund, M.S. and Su, G. <strong>2012</strong>. Effect of marker-data editing on the accuracy of<br />
genomic prediction. J. Anim. Breed. Genet. doi: 10.1111/j.1439-0388.<strong>2012</strong>.01015.x.<br />
66<br />
Session 2
Erbe, M., Hayes, B.J., Matukumalli, L.K., Goswami, S., Bowman, P.J., Reich, C.M., Mason, B.A., Goddard,<br />
M.E. <strong>2012</strong>. Improving accuracy of genomic predictions within and between dairy cattle breeds with imputed<br />
high-density single nucleotide polymorphism panels. J. Dairy Sci. 95: 4114-4129.<br />
Falconer, D.S. and Mackay, T.F.C. 1996. Introduction to Quantitative Genetics. 4th ed., Longman Group<br />
Ltd., London, UK.<br />
Fries, R. und Pausch, H. <strong>2012</strong>. Zukünftige Entwicklungen und Anwendungen der genomischen Selektion<br />
(GS). SVT-Tagung, March 29, <strong>2012</strong>, Zurich, Switzerland. http://www.svtasp.ch/PDF/<strong>2012</strong>/Ruedi%20Fries.pdf<br />
(Accessed, August 29, <strong>2012</strong>).<br />
Fries, R. und Pausch, H. 2011. Individuelle Genomsequenzierung von Nutztieren – auf dem Weg zur<br />
genomischen Selektion 2.0. Züchtungskunde 83(4/5): 371-381.<br />
Gredler, B., Seefried, F.R., Schuler, U., Bapst, B., Schnyder, U., Hickey, J.M. 2011. Imputation in Swiss<br />
cattle breeds. Interbull Bulletin 44.<br />
(http://www-interbull.slu.se/ojs/index.php/ib/article/view/1183, Accessed August 29, <strong>2012</strong>).<br />
Hayes, B., Fries, R., Lund, M.S., Boichard, D.A., Stothard, P., Veerkamp, R.F., Van Tassel, C., Anderson,<br />
C., Hulsegge, I., Gulbrandtsen, B., Rocha, D., Hinrichs, D., Bagnato, A., Georges, M., Spelman, R., Reecy,<br />
J., Archibald, A.L., Goddard, M., Gredler, B. <strong>2012</strong>. 1000 Bull Genomes Consortium Project. The<br />
International Plant & Animal Genome XX Conference, January 14-18, <strong>2012</strong>, San Diego, USA<br />
(https://pag.confex.com/pag/xx/webprogram/Paper1660.html, Accessed August 28, <strong>2012</strong>).<br />
Jorjani, H., Jakobsen, J., Hjerpe, E., Palucci, V. and Dürr, J. <strong>2012</strong>. Status of Genomic Evaluation in the<br />
Brown Swiss Populations. Interbull Bulletin 46.<br />
(http://www-interbull.slu.se/ojs/index.php/ib/article/view/1260, Accessed August 28, <strong>2012</strong>).<br />
König, S., Simianer, H. and Willam, A. 2009. Economic evaluation of genomic breeding programs. J. Dairy<br />
Sci. 92: 382-391.<br />
Meuwissen, T.H.E. and Goddard, M. 2010. Accurate prediction of genetic values for complex traits by<br />
whole-genome resequencing. Genetics 185:623-631.<br />
Meuwissen, T.H.E., Hayes, B.J. and Goddard, M.E. 2001. Prediction of total genetic value using genome<br />
wide dense marker maps. Genetics 157: 1819-1829.<br />
Olson, K.M., VanRaden, P.M., and Tooker, M.E. <strong>2012</strong>. Multibreed genomic evaluations using purebred<br />
Holsteins, Jerseys and Brown Swiss. J. Dairy Sci. 95: 5378-5383.<br />
Schaeffer, L.R. 2006. Genome-wide selection in dairy cattle. J. Anim. Breed. Genet. 123: 218–223.<br />
Schwarzenbacher, H. <strong>2012</strong>. In Egger-Danner, Ch. und Willam, A. <strong>2012</strong>. Zuchtprogramme und genomische<br />
Selektion: Fokus Tiergesundheit. 3-Länder-Seminar, <strong>2012</strong>. Salzburg.<br />
Segelke, D., Chen, J., Liu, Z., Reinhardt, F., Thaller, G. and Reents, R. <strong>2012</strong>. Reliability of genomic<br />
prediction for German Holsteins using imputed genotypes from low-density chips. J. Dairy Sci. 95: 5403-<br />
5411.<br />
Su, G., Brøndum, R.F., Ma, P., Guldbrandtsen, B., Aamand, G.P., and Lund, M.S. <strong>2012</strong>. Comparison of<br />
genomic predictions using medium-density (∼54,000) and high-density (∼777,000) single nucleotide<br />
polymorphism marker panels in Nordic Holstein and Red Dairy Cattle populations. J. Dairy Sci. 95: 4657-<br />
4665.<br />
Wiggans, G. R., Cooper, T. A., VanRaden, P. M. and Cole, J. B. 2011. Technical note: Adjustment of<br />
traditional cow evaluations to improve accuracy of genomic predictions. J. Dairy Sci. 94: 6188– 6193.<br />
Wiggans, G. R., VanRaden ,P. M. and Cooper, T. A. <strong>2012</strong>. Technical note: Adjustment of all cow<br />
evaluations for yield traits to be comparable with bull evaluations. J. Dairy Sci. 95: 3444– 3447.<br />
Session 2 67
Session 3<br />
Funktionelle Merkmale<br />
Michael Kramer, <strong>Deutsch</strong>land:<br />
Möglichkeiten der genomischen Selektion für neue funktionale Merkmale<br />
Armelle Govignon-Gion, Frankreich:<br />
Zuchtwertschätzung für Mastitis in Frankreich<br />
Janze Jenko, Slowenien:<br />
Zucht auf Langlebigkeit beim Slowenischen Braunvieh<br />
Birgit Gredler, Schweiz:<br />
Neue Zuchtwertschätzung Fruchtbarkeit bei Braunvieh Schweiz<br />
Aurore Grave, Frankreich:<br />
Die Braunviehrasse eignet sich für automatische Melksysteme<br />
Pius Giger, Schweiz:<br />
Optimale funktionale Merkmale auf meinem Braunviehbetrieb<br />
Christa Egger-Danner, Österreich:<br />
Gesundheitsmonitoring Rind – Gesundheits-Zuchtwerte für Braunvieh in Österreich<br />
und <strong>Deutsch</strong>land<br />
Dirk Werling, England:<br />
Funktioneller Vergleich der angeborenen Immunantwort zeigt deutliche Unterschiede<br />
zwischen zwei Rinderrassen<br />
68<br />
Session 3
Möglichkeiten der genomischen Selektion für neue funktionale Merkmale<br />
Michael Kramer 1 , Anna Bieber 2 , Beat Bapst 3 , Henner Simianer 1<br />
1 Georg-August-Universität, Albrecht-Thaer-Weg 3, 37075 Göttingen, <strong>Deutsch</strong>land; 2 FiBL (Research<br />
Institute of Organic Agriculture), Ackerstrasse, 5070 Frick, Schweiz; 3 QUALITAS AG, Chamerstrasse 56,<br />
6300 Zug, Schweiz<br />
mkramer@gwdg.de<br />
Kurzfassung<br />
Ziel dieser Arbeit war es, genetische Parameter für neue funktionale Merkmale beim Schweizer<br />
Braunvieh zu schätzen. Für Melkgeschwindigkeit und Verhaltensmerkmale wurden insgesamt<br />
hohe Heritabilitäten geschätzt, obwohl diskrete, subjektive Skalen Anwendung fanden. Der Grund<br />
dafür liegt in der gewissenhaften Anwendung dieser Skalen durch die Landwirte. Eine exakte<br />
Messung der Eutertiefe in cm über dem Sprunggelenk führte ebenfalls zu einer beachtlichen<br />
Heritabilität. Daraus ergeben sich hohe Genauigkeiten der konventionellen Zuchtwerte<br />
phänotypisierter Kühe. Dies bringt große Vorteile bei der Verwendung gemischter Trainingssets<br />
aus nachkommen-geprüften Bullen und phänotypisierten Kühen in der genomischen Selektion.<br />
Einleitung<br />
In den letzten Jahren sind funktionale Merkmale in der Milchviehzucht immer wichtiger geworden.<br />
Im Rahmen eines konventionellen Zuchtprogramms war es oft schwer, für diese Merkmale<br />
Zuchtwerte mit genügender Genauigkeit zu schätzen. Die Vorteile für funktionale Merkmale aus<br />
dem Einsatz der genomischen Selektion können den Nutzen für Leistungsmerkmale sogar<br />
übertreffen (z.B. König et al., 2009). Trotzdem ist es immer noch wichtig, konventionelle<br />
Zuchtwerte mit hoher Genauigkeit zu schätzen, da sie als Quasi-Phänotypen im Rahmen der<br />
genomischen Zuchtwertschätzung verwendet werden. Ziel dieser Arbeit war es, genetische<br />
Parameter und die Genauigkeit der konventionellen Zuchtwerte für neue funktionale Merkmale zu<br />
schätzen, um das Potential der genomischen Selektion bei diesen Merkmalen zu ermitteln.<br />
Material und Methoden<br />
Zur Schätzung der genetischen Parameter wurden die phänotypischen Daten von 1„799<br />
Braunviehkühen verwendet. Die Daten wurden zwischen Oktober 2009 und Mai 2011 in 40<br />
schweizerischen Milchviehbetrieben gesammelt (45 ± 19.63 Kühe/Herde, 23 – 92 Kühe/Herde).<br />
Je nach Merkmal waren bis zu 4 Messungen pro Kuh verfügbar. Die Ahnentafel geht auf 1908<br />
zurück und enthält 26„519 direkte Vorfahren. Die genetischen Parameter wurden mit ASReml 3.0<br />
geschätzt (Gilmour et al., 2009). Im Modell wurden nur Effekte mit signifikantem Einfluss auf das<br />
untersuchte Merkmal berücksichtigt. Die untersuchten Merkmale sind: Melkgeschwindigkeit,<br />
durch Landwirte auf einer subjektiven Skala von 1 bis 6 bewertet; Eutertiefe als objektive<br />
Messung des Abstands zwischen der Euterbasis und dem Sprunggelenk in cm;<br />
Schamlippenposition als Hilfsmerkmal zur Beschreibung der Urovagina (Bühler und Maurer,<br />
2004), durch Fachleute auf einer Skala von 1 bis 4 bewertet. Die Herdenrangordnung wurde von<br />
den Landwirten auf einer Skala von 1 bis 3 und das allgemeine Temperament auf einer Skala<br />
von 1 bis 5 bewertet. Das Temperament beim Melken wurde von den Landwirten auf einer Skala<br />
von 1 bis 4 gepunktet. Die Aggressivität ist ein binomiales Merkmal (0 bzw. 1), das von den<br />
Landwirten bewertet wurde. Die Tage bis zur ersten Brunst beschreiben die von den Landwirten<br />
beobachtete Anzahl Tage zwischen dem Abkalben und der ersten Brunst.<br />
Session 3 69
Ergebnisse und Diskussion<br />
Die Tabelle 1 zeigt Varianzkomponenten, Heritabilitäten, Wiederholbarkeiten und Genauigkeiten<br />
der Zuchtwerte. Grundsätzlich entsprechen unsere Heritabilitätsschätzungen den veröffentlichten<br />
Heritabilitätswerten für ähnliche Merkmale. Im Rahmen dieser Studie wurden die Daten in relativ<br />
kleinen Herden, gesammelt und die meisten Bewertungen wurden von den Landwirten anhand<br />
einer diskreten, subjektiven Skala durchgeführt. Dies führt zu einer Reihe von Vor- und<br />
Nachteilen bei der Parameterschätzung. Einerseits beschäftigen sich die Landwirte mindestens<br />
zweimal pro Tag mit ihren Kühen (beim Melken). Daher kennen sie ihre Tiere sehr gut und sollten<br />
theoretisch in der Lage sein, eine Kuh und ihr Verhalten realistisch zu beurteilen. Andererseits<br />
könnte die Beurteilung des Kuhverhaltens verzerrt werden, da Landwirte mit aggressiven<br />
hochleistenden Kühen tendenziell mehr Geduld haben könnten als mit denen, die weniger<br />
leistungsfähig sind. Die hohen Heritabilitätsschätzungen bei niedrigem Standardfehler und die<br />
hohen Wiederholbarkeiten für Verhaltensmerkmale und Melkgeschwindigkeit zeigen, dass die<br />
Vorteile die Nachteile überwiegen.<br />
Das ist die erste Studie, in der genetische Parameter für das Merkmal Schamlippenposition<br />
geschätzt werden. Es gibt daher keine Literaturwerte zum Vergleich, während die Heritabilität von<br />
0.283 im selben Bereich wie die Heritabilitätsschätzungen für andere mit Bindegeweben<br />
verbundenen Merkmale liegt. Man geht davon aus, dass die Schamlippenposition mit Urovagina<br />
hoch korreliert ist (Schmitz-Hsu, <strong>2012</strong>, persönliche Mitteilung) – eine Krankheit mit hohem<br />
Einfluss auf die Fruchtbarkeit (Gautam und Nakao, 2009), die nur mittels rektaler Palpation durch<br />
einen Tierarzt diagnostiziert werden kann (Bühler und Maurer, 2004). Um eine Beeinträchtigung<br />
der Fruchtbarkeit infolge Urovagina zu vermeiden, ist ein einfach zu bewertendes<br />
Exterieurmerkmal notwendig, das mit Urovagina hoch korreliert ist. Ein solches Merkmal könnte<br />
die Schamlippenposition sein.<br />
Die Eutertiefe wurde auf einer durchgehenden objektiven Skala bewertet. Daraus ergibt sich eine<br />
hohe Heritabilität von 0.420. Die visuelle Brunstbeobachtung führt zu Phänotypen mit niedriger<br />
Genauigkeit und somit zu einer geringen Heritabilität (0.040) und Wiederholbarkeit (0.203) des<br />
Merkmals Tage bis zur ersten Brunst.<br />
Grundsätzlich kommen wir zum Schluss, das hohe Heritabilitäten und Wiederholbarkeiten auch<br />
mit einer diskreten, subjektiven Skala erreicht werden können, soweit sie gewissenhaft und ohne<br />
Verzerrungen für hochleistende Kühe angewendet wird. Unsere Arbeit zeigt, dass Landwirte im<br />
Prinzip in der Lage sind, diskrete Skalen auf diese Weise anzuwenden. Die Tabelle 1 zeigt auch,<br />
dass der Genauigkeitsvorteil für Bullen mit einer hohen ( 10) Anzahl phänotypisierter Töchter<br />
bei den meisten Merkmalen klein im Vergleich zur Genauigkeit der Zuchtwerte phänotypisierter<br />
Kühe ist. Das ist von Vorteil, wenn gemischte Trainingssets aus nachkommen-geprüfter Bullen<br />
und phänotypisierter Kühe bei der Erarbeitung eines Modells für die genomische Selektion<br />
verwendet werden.<br />
Danksagungen<br />
Die Autoren bedanken sich für die finanzielle Unterstützung der Europäischen Kommission, unter<br />
dem siebten Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung, beim kooperativen<br />
Forschungsvorhaben LowInputBreeds (Beihilfeabkommen Nr. 222623).<br />
Literaturverzeichnis<br />
Bühler, A., Maurer, R., 2004. Einfluss ausgewählter Exterieurmerkmale auf die Fruchtbarkeit beim<br />
Milchvieh. Diplomarbeit SHL Zollikofen<br />
Gautam, G., Nakao, T., 2009. Prevalence of urovagina and its effects on reproductive performance in<br />
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König, S., Simianer, H., Willam, A., 2009. Economic evaluation of genomic breeding programs. Journal of<br />
Dairy Science 92: 382 - 391<br />
70<br />
Session 3
Tabelle 1: Additiv genetische Varianz (Var a ± SE), Varianz der permanenten Umwelt (Var pe ± SE), Restvarianz<br />
(Var e ± SE), Heritabilität (h 2 ± SE), Wiederholbarkeit (w 2 ± SE), durchschnittliche Genauigkeit der Zuchtwerte<br />
phänotypisierter Kühe (r TI Cows) und durchschnittliche Genauigkeit der Zuchtwerte für Bullen mit min. 10<br />
phänotypisierten Töchtern (r TI Bulls) für die untersuchten funktionalen Merkmale.<br />
Merkmal (Skala)<br />
Var a ±<br />
SE<br />
Var pe ±<br />
SE<br />
Var e ±<br />
SE<br />
h 2 ± SE w 2 ± SE<br />
r TI<br />
Cows<br />
r TI<br />
Bulls<br />
Melkgeschwindigkeit (1-6)<br />
0.407 ±<br />
0.064<br />
0.226 ±<br />
0.046<br />
0.363 ±<br />
0.010<br />
0.408 ±<br />
0.055<br />
0.636 ±<br />
0.015<br />
0.72 0.86<br />
Eutertiefe (durchgehend)<br />
6.954 ±<br />
1.207<br />
4.794 ±<br />
0.931<br />
4.820 ±<br />
0.278<br />
0.420 ±<br />
0.063<br />
0.709 ±<br />
0.020<br />
0.68 0.83<br />
Schamlippenposition (0-4)<br />
0.265 ±<br />
0.063<br />
0.053 ±<br />
0.055<br />
0.617 ±<br />
0.033<br />
0.283 ±<br />
0.062<br />
0.340 ±<br />
0.036<br />
0.62 0.79<br />
Herdenrangordnung (1 - 3)<br />
0.069 ±<br />
0.024<br />
0.087 ±<br />
0.022<br />
0.213 ±<br />
0.011<br />
0.186 ±<br />
0.062<br />
0.421 ±<br />
0.032<br />
0.53 0.73<br />
Allgemeines Temperament<br />
(1-5)<br />
0.363 ±<br />
0.072<br />
0.167 ±<br />
0.056<br />
0.407 ±<br />
0.021<br />
0.387 ±<br />
0.067<br />
0.565 ±<br />
0.027<br />
0.68 0.83<br />
Aggressivität (1, 2)<br />
0.647 ±<br />
0.463<br />
1.113 ±<br />
0.455<br />
1.000 ±<br />
0.000<br />
0.107 ±<br />
0.075<br />
0.291 ±<br />
0.033<br />
0.35 0.53<br />
Temperament beim<br />
Melken (1 - 4)<br />
0.015 ±<br />
0.015<br />
0.113 ±<br />
0.020<br />
0.257 ±<br />
0.014<br />
0.038 ±<br />
0.039<br />
0.332 ±<br />
0.035<br />
0.30 0.46<br />
Tage bis zur ersten Brunst<br />
(durchgehend)<br />
19.19 ±<br />
22.26<br />
78.65 ±<br />
32.46<br />
384.37 ±<br />
27.09<br />
0.040 ±<br />
0.046<br />
0.203 ±<br />
0.052<br />
0.28 0.44<br />
Session 3 71
72<br />
Session 3
Zuchtwertschätzung für Mastitis in Frankreich<br />
Armelle Govignon-Gion, Romain Dassonneville, Guillaume. Baloche, Vincent Ducrocq<br />
Inra, Domaine de Vilvert 78352 Jouy-en-Josas cedex, Frankreich<br />
armelle.gion@jouy.inra.fr<br />
Kurzfassung<br />
Im Jahr 2011 wurde eine Zuchtwertschätzung für die klinische Mastitis bei der Braunviehrasse<br />
entwickelt. Die Daten bezogen sich auf die klinischen Mastitisfälle, die von den Züchtern<br />
anlässlich der Milchkontrollen gemeldet wurden. Das untersuchte Merkmal war die binäre<br />
Variable für das Auftreten von Mastitis während den ersten 150 Laktationstagen. Trotz der<br />
niedrigen Heritabilitätsschätzungen (ca. 2 %) weist das Merkmal eine signifikante genetische<br />
Varianz auf: Es ist also möglich auf weniger Mastitis zu züchten.<br />
Aus der Schätzung der genetischen Korrelationen ergaben sich hohe Korrelationen (0.40 bis 0.66<br />
als absoluter Wert) zwischen klinischer Mastitis und Zellzahl, Langlebigkeit und einiger<br />
Eutermerkmale. Die Korrelation mit der Milchleistung war mäßig und unerwünscht (ρ=0.20).<br />
Seit 2011 wird die klinische Mastitis in die Routinezuchtwertschätzung einbezogen. Dabei wird<br />
ein Mehrmerkmals-Tiermodell angewendet, das der Korrelation zwischen Merkmalen Rechnung<br />
trägt. Die geschätzten Zuchtwerte (ZW) für Mastitis werden mit den ZW für die Zellzahl in einem<br />
Eutergesundheitsindex zusammengefasst.<br />
Schlüsselwörter: klinische Mastitis, Zellzahl, genetische Parameter, Zuchtwertschätzung,<br />
Gesamtzuchtwert<br />
Einleitung<br />
Die Mastitis ist eine komplexe Erkrankung, die als Entzündung der Milchdrüse definiert wird. Ihre<br />
Folgen sind höhere Tierarztkosten, geringere Milchleistung und eine höhere Rate an ungewollten<br />
Abgängen.<br />
Obwohl ein gutes Management zur Verhinderung von Euterentzündungen beiträgt, sollte die<br />
Resistenz gegen Mastitis bei der Zucht auch in Betracht gezogen werden. Seit 1997 wird die<br />
Zuchtwertschätzung der Zellzahlen in Frankreich als indirektes Verfahren zur Auswertung der<br />
Resistenz gegen Mastitis angewendet (Rupp und Boichard, 1999). Selbst wenn die genetische<br />
Korrelation zwischen Zellzahl und klinischer Mastitis hoch ist, können diese Merkmale nicht als<br />
gleichwertig betrachtet werden (Heringstad et al., 2006). Aus langfristiger Sicht werden die<br />
Folgen der klinischen Mastitis hohe Schäden für die Züchter verursachen. Es ist deshalb<br />
unbedingt erforderlich, auf dieses Merkmal direkt zu selektieren.<br />
Dieser Beitrag beschreibt die verschiedenen Schritte, die in Frankreich zur Implementierung einer<br />
routinemäßigen Zuchtwertschätzung für die Mastitishäufigkeit bei der Braunviehrasse geführt<br />
haben.<br />
Material und Methoden<br />
Daten und Merkmalbestimmung<br />
Die Sammlung von Daten über die Inzidenz klinischer Mastitis fing in Frankreich 1995 in kleinem<br />
Umfang an und wurde 2008 auf das gesamte Land ausgedehnt. Grundsätzlich sollten die Züchter<br />
bei der monatlichen Milchkontrolle alle klinischen Mastitisfälle melden. In der Praxis melden<br />
einige Betriebe gar keine Fälle und andere vielleicht nur einen Teil davon. Aus diesem Grund<br />
mussten die Daten sorgfältig bearbeitet werden, um die Betriebe auszuschließen, die mutmaßlich<br />
nicht alle Fälle melden. Das untersuchte Merkmal zur Parameter- und Zuchtwertschätzung wurde<br />
als binäre (0/1) Variable definiert, wobei die Ausprägung 1 mindestens einem innerhalb der<br />
ersten 150 Laktationstage gemeldeten Fall entsprach. Nur die ersten drei Laktationen wurden<br />
Session 3 73
erücksichtigt. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Ausprägung 0 (keine<br />
Mastitisfälle) einer gesunden Kuh und keinem ungemeldeten Fall entsprach, wurden nur die<br />
Daten von Betrieben (und Regionen) ausgewählt, die vermutlich Mastitisfälle richtig meldeten. Als<br />
ein Kriterium mussten mindestens 3 % der Laktationen einen Mastitisfall pro Betrieb und pro Jahr<br />
gemeldet haben.<br />
Schätzung der genetischen Parameter<br />
Wir haben dieselben genetischen Parameter wie beim Holstein angewendet. Sie wurden<br />
aufgrund von 296„758 Laktationen (erste drei Laktationen) geschätzt. Die Varianzkomponenten<br />
wurden im Rahmen eines Modells geschätzt, das wie folgt lautet:<br />
y = Xß + Za + Zp + e (1)<br />
wobei y der Indikator für klinische Mastitis, ß der Vektor der fixen Effekte (Betrieb * Jahr,<br />
Kalbemonat * Region * Jahr und Kalbealter * Laktationsnummer * Jahr), a der Vektor der additiv<br />
genetischen Effekte, p der Vektor der zufälligen permanenten Umwelteffekte und e der Vektor<br />
der zufälligen Resteffekte darstellt. X und Z sind Inzidenzmatrizen.<br />
Nationale Zuchtwertschätzung<br />
Im Jahr 2011 wurde eine Zuchtwertschätzung der klinischen Mastitis für die Braunviehrasse<br />
entwickelt. Sie bestand aus zwei Phasen: Zuerst wurde eine univariate Analyse der klinischen<br />
Mastitis vorgenommen, wobei dieselbe ursprüngliche Datenbank, Merkmalsbestimmung und<br />
dasselbe statistische Modell (1) wie bei der Schätzung der genetischen Parameter verwendet<br />
wurden. Die einzigen Unterschiede bestanden darin, dass die Region im Effekt Kalbemonat *<br />
Region * Jahr ignoriert wurde und eine Heterogenität der Restvarianzen für die Kombination<br />
Laktationsnummer * Jahr einbezogen wurde, um dem Effekt der schwankenden<br />
durchschnittlichen Mastitishäufigkeit auf die Variabilität des binären Merkmals Rechnung zu<br />
tragen.<br />
Am Ende dieser Analyse wurde ein bereinigter Datensatz für jede eingetragene Kuh berechnet,<br />
wobei die von Ducrocq (2001) entwickelte und von Lassen et al. (2007) validierte Methodik<br />
eingesetzt wurde. Die ursprünglichen Daten wurden korrigiert, indem Lösungen für die festen<br />
Effekte, die permanenten Umwelteffekte und die Hälfte des mütterlichen genetischen Effekts aus<br />
der univariaten Analyse abgezogen wurden. Der Mittelwert dieser bereinigten Datensätze wurde<br />
pro einzelne Kuh aus den ersten drei Laktationen gebildet und entsprechend gewichtet.<br />
Zusammen mit ähnlichen Datensätzen für andere relevante Merkmale und in anderen<br />
Zuchtwertschätzungen berechneten Merkmale (für Milchleistung, Exterieur, funktionale Merkmale<br />
etc.) wurden diese bereinigten Datensätze dann miteinander kombiniert und im Rahmen eines<br />
BLUP-Mehrmerkmals-Tiermodells analysiert. Zu diesem Zweck haben wir die für die<br />
Holsteinrasse mit REML geschätzten genetischen Korrelationen verwendet, wobei wir von<br />
bekannten genetischen und Restvarianzen ausgegangen sind.<br />
Aus dieser Mehrmerkmals-Analyse ergaben sich für alle Tiere geschätzte Zuchtwerte, die direkte<br />
Leistungen mit indirekten Informationen aus korrelierten (Indikator-) Merkmalen optimal<br />
kombinierten. Diese kombinierten Zuchtwerte werden offiziell veröffentlicht und im französischen<br />
Gesamtzuchtwert (ISU genannt) berücksichtigt.<br />
Ergebnisse und Diskussion<br />
Genetische Parameter und genetische Korrelationen<br />
Die Heritabilitätsschätzung für die klinische Mastitishäufigkeit innerhalb der ersten 150<br />
Laktationstage betrug 1.8 %. Während dieser Zeit war die durchschnittliche Inzidenz (8.7 %)<br />
niedrig und vermutlich unterschätzt. Die Wiederholbarkeit wurde bei 5.5 % geschätzt und die<br />
genetische Standardabweichung belief sich auf 0.0412. Diese Ergebnisse entsprechen denen<br />
einer früherer Studie durch Bonaiti et al. (2005). In nordischen Ländern stellten Heringstad et al.<br />
(1999) mit diesem selben Modell eine 3 %-Heritabilität fest. Der einzige Unterschied bestand in<br />
der Merkmalsbestimmung (Mastitis mit tierärztlicher Behandlung).<br />
74<br />
Session 3
Genetic Standard deviation<br />
Die genetischen Korrelationen zwischen der Mastitishäufigkeit und anderen Merkmalen werden<br />
in der Tabelle 1 gezeigt.<br />
Tabelle 1: Genetische Korrelationen mit klinischer Mastitis<br />
Milchleistung 0.20 *<br />
Zellzahl 0.66<br />
Funktionale Langlebigkeit -0.38 *<br />
Empfängnisrate -0.17<br />
Voreuteraufhängung -0.12<br />
Eutertiefe -0.02<br />
klinische Mastitisinzidenz<br />
*negative Werte sind vorteilhaft (z.B. geringere Milchleistung bzw. gute Eutertiefe oder Körperkondition sind genetisch<br />
mit niedrigen Inzidenzraten verbunden).<br />
Wie erwartet wurde eine nachteilige positive Korrelation mit der Milchleistung beobachtet. Die<br />
hohe genetische Korrelation zwischen Zellzahl (SCS) und Mastitis stimmte mit den meisten<br />
veröffentlichen Studien überein (z.B. Carlén et al., 2004, Heringstad et al., 2006). Die Beziehung<br />
deutet jedoch auch darauf hin, dass die beiden Merkmale bei weitem nicht identisch sind. Die<br />
Korrelationen mit funktionaler Langlebigkeit (FL) lagen im selben Bereich wie die Korrelationen<br />
zwischen SCS und FL: Für eine Kuh bedeuten klinische und subklinische Mastitis ein viel<br />
höheres Abgangsrisiko.<br />
Zuchtwertschätzung<br />
Die Tabelle 2 zeigt die Anzahl Laktationen, die in die univariate Braunvieh-Zuchtwertschätzung<br />
vom Juni <strong>2012</strong> einbezogen wurden. Die niedrigere Anzahl an Laktationen ist auf die strikte<br />
Auswahl der Daten bei verschiedenen Kriterien zurückführen, um die Qualität der Zuchtwerte<br />
sicherzustellen. Diese Zuchtwertschätzung betrifft etwa 750 Stiere, die nach 1990 geboren<br />
wurden und 66 weisen eine Zuverlässigkeit über 0.50 auf. Die Korrelation zwischen den ZW für<br />
die Zellzahlen und den ZW für die Mastitis beträgt bei diesen 66 Bullen 0.45.<br />
Tabelle 2: Anzahl Laktationen in der (univariaten) Zuchtwertschätzung vom Juni <strong>2012</strong><br />
Anzahl Laktationen<br />
Vor der Datenbearbeitung 228 726<br />
Nach der Datenbearbeitung 84 265<br />
Mastitishäufigkeit (%) 8.74<br />
Anzahl Stiere 1 403<br />
Die aus der Mehrmerkmals-Analyse resultierenden kombinierten Zuchtwerte sind die offiziell<br />
veröffentlichten ZW. Zuchtwerte werden in genetische Standardabweichungen ausgedrückt.<br />
Abbildung 1 zeigt den genetischen Trend für SCS und Mastitis nach Geburtsjahr der Stiere.<br />
1<br />
0.6<br />
0.2<br />
-0.2<br />
-0.6<br />
-1<br />
(Resistance to) Mastitis<br />
Abbildung 1: Genetische Trends (Stiere mit Zuverlässigkeit > 0.30)<br />
Session 3 75
Aus den genetischen Trends geht hervor, dass die Implementierung einer offiziellen<br />
Zellzahlanalyse im Jahr 1997 und deren Einbezug in den Gesamtzuchtwert (ISU) 2001 sich<br />
positiv auf die Mastitisinzidenz ausgewirkt haben.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Seit Juni 2011 werden die kombinierten ZW für klinische Mastitis in Frankreich dreimal im Jahr<br />
veröffentlicht. Obwohl die Strategie zur Datensammlung nicht besonders strikt war und die<br />
Heritabilität gering war, stellen diese ZW zusammen mit den ZW für die Zellzahlen ein nützliches<br />
Instrument dar, um die geringere Resistenz gegen Mastitis wegen der Selektion auf<br />
Leistungsmerkmale auszugleichen.<br />
Der Einbezug von klinischer Mastitis in die ungefähre multivariate Tiermodellanalyse nach dem<br />
BLUP-Verfahren führt zu Zuchtwerten, die alle Informationsquellen am besten kombinieren.<br />
Diese kombinierten ZW werden nun bei der Berechnung eines zusammengesetzten<br />
Eutergesundheitsindexes verwendet, der im Februar <strong>2012</strong> in Frankreich eingeführt wurde.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Baloche G., 2010. Estimation des corrélations génétiques entre caractères fonctionnels en bovins laitiers.<br />
Mémoire de fin d‟études AgroParisTech, 83p.<br />
Bonaïti B., Moureaux S., Mattalia S., 2005. Bilan et paramètres génétiques des mammites cliniques<br />
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Ruminants, 12, 271-274.<br />
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European Master of Animal Breeding and Genetics. AgroParisTech, 39p.<br />
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Haas, Y. de, W. Ouweltjes, J. ten Napel, J. Windig and G. de Jong , 2008. Alternative Somatic Cell Count<br />
Traits as Mastitis Indicators for Genetic Selection. J. Dairy Sci. 91,2501-2511<br />
Heringstad B., Gianola D., Chang Y.M., Ødegård J., Klemetsdal G. 2006. Genetic Associations Between<br />
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Lassen J., Sorensen M.K., Madsen P., Ducrocq V., 2007. A Stochastic Simulation Study on Validation of<br />
an Approximate Multitrait Model Using Preadjusted Data for Prediction of Breeding Values. J. Dairy Sci. 90<br />
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Meyer K., 2007. Wombat, a tool for mixed model analyses in quantitative genetics by restricted maximum<br />
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Udder Type Traits, and Milking Ease in First Lactation Holsteins. J. Dairy Sci. 82, 2198-2204<br />
76<br />
Session 3
Zucht auf Langlebigkeit beim slowenischen Braunvieh<br />
Janez Jenko, Tomaž Perpa<br />
Agricultural Institute of Slovenia, Hacquetova ulica 17, 1000 Ljubljana, Slowenien<br />
janez.jenko@kis.si<br />
Kurzfassung<br />
Die phänotypischen Zuchtwerte für die Langlebigkeit beim slowenischen Braunvieh wiesen<br />
keinen positiven oder negativen Trend auf. Die starke Selektion auf Leistungsmerkmale führte zu<br />
einer Erhöhung der Milchlebensleistung von 15„757 kg in den Jahren 1990-1994 auf 22„500 kg im<br />
Jahr <strong>2012</strong>. Die Kühe aus an Größe abnehmenden Herden und die mit niedrigerer Milchleistung<br />
hatten ein höheres Abgangsrisiko als die Kühe aus an Größe zunehmenden Herden und mit<br />
höherer Milchleistung. Der Korrelationswert zwischen den Zuchtwerten für wahre und funktionale<br />
Langlebigkeit war hoch (0.94).Trotz der hohen Korrelation sollte man auf funktionale<br />
Langlebigkeit selektieren. Eine webbasierte Anwendung ermöglicht den Mitgliedern des<br />
Milchkontrollsystems, eine detaillierte Übersicht der Langlebigkeitsdaten auf Betriebsebene zu<br />
erhalten.<br />
Einleitung<br />
Die Nachhaltigkeit der Milchviehhaltung setzt wirtschaftliche, soziale und Umweltvorteile voraus.<br />
Die Zucht auf Langlebigkeit führt nicht nur zu einer höheren Effizienz, sondern auch zu einer<br />
Verminderung der Treibhausgas-Emissionen sowie zu einer Verbesserung der zukünftigen<br />
Nachhaltigkeit des Systems (Wall et al., 2009).<br />
Unter den Modellen (lineare, zufällige Regression, Überlebenszeit), die zur Berechnung der<br />
Zuchtwerte für Langlebigkeit angewendet werden, sind Überlebensmodelle am verbreitetsten<br />
(Forabosco et al., 2009). Die Anwendung für die Überlebenszeitanalyse erlaubt den Einbezug<br />
von zeitabhängigen Kovariaten und trägt zensierten Daten Rechnung. Dort werden die<br />
Zuchtwerte für Langlebigkeit anhand der Hazard-Funktion geschätzt, die die unmittelbare<br />
Ausfallwahrscheinlichkeit (Tod, Abgang) beschreibt (Kalbfleisch und Prentice, 1980). Angesichts<br />
der freiwilligen oder unfreiwilligen Merzung gibt es zwei Definitionen der Lebensdauer-ZW. Der<br />
Milchleistungseffekt fliesst in die Zuchtwerte für funktionale Langlebigkeit ein, wird jedoch bei der<br />
wahren Langlebigkeit nicht berücksichtigt (Ducrocq, 1987). Zuletzt wurde ein Modell für die<br />
Zuchtwertschätzung der funktionalen Langlebigkeit beim slowenischen Braunvieh von Jenko et<br />
al. (<strong>2012</strong>) entwickelt.<br />
Ziel dieser Studie war es, die phänotypischen Trends von Langlebigkeits- und<br />
Lebensleistungsmerkmalen beim slowenischen Braunvieh zu präsentieren und die Zuchtwerte für<br />
wahre und funktionale Langlebigkeit miteinander zu vergleichen. Zusätzlich wird eine Anwendung<br />
für die Analyse der Langlebigkeit auf Betriebsebene vorgestellt.<br />
Material und Methoden<br />
Der erste Datensatz wurde eingerichtet, um phänotypische Trends bei Abgangsalter,<br />
Nutzungsdauer, Milchlebensleistung und Anzahl Laktationen beim slowenischen Braunvieh zu<br />
ermitteln. Der zweite Datensatz wurde zur Berechnung der Zuchtwerte für wahre und funktionale<br />
Langlebigkeit aufgebaut. Der erste Datensatz bestand aus 70„982 Kühen, der zweite aus 65„532<br />
Kühen. Die Daten stammten aus der GOVEDO-Datenbank, die vom Slowenischen<br />
Landwirtschaftsinstitut gepflegt wird.<br />
Zur Zuchtwertschätzung der wahren und funktionalen Langlebigkeit wurde das von Jenko et al.<br />
(<strong>2012</strong>) entwickelte proportionale Vater-Muttersvater-Hazard-Modell nach Weibull angewendet.<br />
Bei der Berechnung der Lebensdauer-ZW wurde auch die genetische Varianz des Vaters aus<br />
Session 3 77
derselben Studie verwendet. Die Berechnungen erfolgten durch Survival Kit, Version 6 (Ducrocq<br />
et al., 2010).<br />
Ergebnisse und Diskussion<br />
Obwohl keine Zucht auf Langlebigkeit durchgeführt wurde, lebten die in den letzten Jahren der<br />
Beobachtungsperiode ausgemerzten Kühe länger und wiesen eine längere Nutzungsdauer auf.<br />
Dies kann auf die mangelhafte Eintragung der Abgangsdaten am Anfang der 90er Jahre<br />
zurückgeführt werden. Somit sind Änderungen am phänotypischen Trend unbedeutend. Die<br />
Milchlebensleistung stieg von 15„757 kg in den Jahren 1990-1995 auf 22„500 im Jahr 2011 mit<br />
einer linearen Zunahme um 364 kg pro Jahr. Der Hauptgrund für die höhere Milchlebensleistung<br />
liegt in der Zucht auf Milchleistung. Die Anzahl Laktationen hat keine großen Änderungen<br />
verzeichnet und lag zwischen 3.86 und 4.03 in den verschiedenen Abgangsjahren.<br />
Tabelle 1: Abgangsalter, Nutzungsdauer, Milchlebensleistung, Anzahl Laktationen und Anzahl ausgemerzter<br />
Kühe in den verschiedenen Abgangsjahren<br />
Abgangsjahr<br />
Abgangsalter<br />
(Monate)<br />
Nutzungsdauer<br />
(Monate)<br />
Milchleistung<br />
(kg)<br />
Anzahl<br />
Laktationen<br />
Anzahl Kühe<br />
1990-1994 81.9 52.8 15„757 3.86 13„549<br />
1995-1999 83.4 54.2 18„111 4.03 15„323<br />
2000-2004 83.3 53.6 20„183 3.96 17„425<br />
2005-2009 84.0 54.0 21„347 3.83 17„688<br />
2010 85.4 55.2 22„593 3.90 3„524<br />
2011 84.1 54.0 22„500 3.88 3„473<br />
Die Ergebnisse aus dem systematischen Teil des proportionalen Hazard-Modells nach Weibull<br />
zeigten, dass Kühe aus Herden, die jedes Jahr um mehr als 30 % an Größe abnahmen, ein 1.42<br />
Mal höheres relatives Abgangsrisiko hatten als Kühe, die aus Herden stabiler Größe stammten.<br />
Andererseits war die Abgangswahrscheinlichkeit für Kühe aus um mehr als 30 % an Größe<br />
zunehmenden Herden niedriger (0.92) als bei der Bezugsklasse. Jahreszeitbedingte Änderungen<br />
am Abgangsrisiko lassen daraus schließen, dass Abgänge öfter im Winter erfolgten. Dies könnte<br />
mit dem Futtermangel zusammenhängen, der zu dieser Jahreszeit zu einer Änderung der<br />
Ausmerzungsstrategie führte. Kühe mit geringer Milchleistung wurden früh in der Laktation<br />
geschlachtet. Eine höhere Milchleistung reduzierte das Abgangsrisiko in den ersten Laktationsstufen,<br />
allerdings wird dieser Effekt nachher schwächer. Das bedeutet, dass hochleistende Kühe<br />
meistens wegen Fruchtbarkeitsprobleme gemerzt wurden. Die berechnete Korrelation zwischen<br />
den Zuchtwerten für wahre und funktionale Langlebigkeit lag bei 0.94. Trotz der hohen<br />
Korrelation sollte die Zucht auf funktionale Langlebigkeit vorgezogen werden, da sie den Effekt<br />
der freiwilligen Ausmerzungen korrigiert.<br />
Die Mitglieder des slowenischen Milchkontrollsystems haben Zugang zur betriebsorientierten<br />
Lebensdauer-Anwendung auf der Internet-Seite www.govedo.si. Überlebenszeit, Nutzungsdauer,<br />
Anzahl Laktationen, Milch-, Fett- und Eiweißmenge sowie durchschnittliche Milchleistung pro<br />
Laktationstag sind für die letzten acht Jahre, basierend auf der ersten Abkalbung, verfügbar.<br />
78<br />
Session 3
Literaturverzeichnis<br />
Ducrocq V. 1987, An analysis of length of productive life in dairy cattle. Thesis PhD, Cornell University,<br />
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p.<br />
Wall E., Simm G. and Moran D. 2009, Developing breeding schemes to assist mitigation of greenhouse<br />
gas emissions. Animal 4, 366–376.<br />
Session 3 79
80<br />
Session 3
Neue Zuchtwertschätzung Fruchtbarkeit bei Braunvieh Schweiz<br />
Birgit Gredler, Urs Schnyder<br />
Qualitas AG, Chamerstrasse 56, 6300 Zug, Schweiz<br />
birgit.gredler@qualitasag.ch<br />
Kurzfassung<br />
Wie in vielen Ländern zählen auch beim Schweizer Braunvieh Fruchtbarkeitsprobleme zu den<br />
häufigsten Abgangsursachen. Fruchtbarkeit hat hohe wirtschaftliche Bedeutung, da sich eine<br />
schlechte Herdenfruchtbarkeit direkt in zusätzlichen Kosten für Besamungen, Behandlungen<br />
durch den Tierarzt und verlängerten Zwischenkalbezeiten auswirkt. Eine langjährige einseitige<br />
Selektion auf ein negativ korreliertes Merkmal wie z.B. die Milchleistung kann zu einer<br />
genetischen Verschlechterung der Fruchtbarkeit führen. Eine züchterische Bearbeitung der<br />
Fruchtbarkeit ist deshalb sinnvoll und notwendig. Aktuell werden in der Zuchtwertschätzung bei<br />
Braunvieh Schweiz die Merkmale Non-Return-Rate 56 und Rastzeit berücksichtigt. Ziel der<br />
neuen Zuchtwertschätzung für Fruchtbarkeit bei Braunvieh Schweiz, ist die Merkmalsdefinition<br />
der Fruchtbarkeit zu erweitern, um die Fruchtbarkeit von Rindern und Kühen umfassend zu<br />
beschreiben. Dazu werden genetische Untersuchungen zu neuen Fruchtbarkeitsmerkmalen<br />
durchgeführt. Für die neuen Merkmale wird ebenfalls eine genomische Zuchtwertschätzung<br />
entwickelt werden.<br />
Einleitung<br />
In vielen Ländern zählen Fruchtbarkeitsprobleme zu den häufigsten Abgangsursachen in<br />
Milchviehherden. Auch beim Schweizer Braunvieh stellt unzureichende Fruchtbarkeit die<br />
Hauptabgangsursache dar (Moll, 2009). Auswertungen von Alder (2011) zeigen, dass über die<br />
gesamte Schweizer Braunviehpopulation etwa 28 % aller Abgänge auf Unfruchtbarkeit<br />
zurückzuführen sind. Bei Erstlaktierenden sind es rund 25 %. Auch in Österreich stellt<br />
ungenügende Fruchtbarkeit mit rund 28 % bei Braunvieh den Haupt-Abgangsgrund dar<br />
(ZuchtData, <strong>2012</strong>). Eine schlechte Herdenfruchtbarkeit verursacht zusätzliche Kosten, z.B.<br />
zusätzliche Besamungen, Behandlungen durch den Tierarzt und hohe Remontierungskosten. Die<br />
moderne Rinderzucht ist durch hohe Milchleistungen charakterisiert. Viele Studien zeigen ein<br />
genetisch antagonistisches Verhältnis zwischen Fruchtbarkeit und Milchleistung (z.B. Berry et al.,<br />
2003). Einseitige Selektion auf Milchleistung kann deshalb zu einer Verminderung von<br />
Fruchtbarkeit und gesamtem Zuchtfortschritt führen. Eine züchterische Verbesserung der<br />
Fruchtbarkeit ist deshalb trotz geringer Heritabilitäten wünschenswert und sollte im<br />
Zuchtprogramm dementsprechende Beachtung finden. In den letzten Jahren wurde international<br />
intensiv an der Verbesserung der Zuchtwertschätzung (ZWS) für Fruchtbarkeit gearbeitet.<br />
Beschreibung der Fruchtbarkeit<br />
Fruchtbarkeit stellt ein sehr komplexes Merkmal dar und ist deshalb schwierig mit nur einem<br />
Merkmal zu beschreiben. Eine fruchtbare, laktierende Kuh zeichnet sich dadurch aus, dass sie<br />
regelmässig eine gut erkennbare Brunst zeigt und nach der ersten Besamung trächtig wird.<br />
Jorjani (2007) beschreibt die Fruchtbarkeit von Rindern und Kühen anhand der Fähigkeiten zur<br />
Brunstausbildung, trächtig zu werden, die Trächtigkeit aufrecht zu erhalten, Fruchtbarkeitsstörungen<br />
abzuwehren und einen neuen Fruchtbarkeitszyklus zu durchlaufen. Fruchtbarkeitsmerkmale<br />
lassen sich in Intervall- und Erfolgsmerkmale einteilen. Zu den wichtigsten Intervallmerkmalen<br />
zählen Rastzeit (RZ), Verzögerungszeit, Serviceperiode und die Zwischenkalbezeit.<br />
Die RZ beschreibt die Fähigkeit der Kuh, sich von der Abkalbung zu erholen und wieder eine<br />
neue Brunst zu zeigen. Sie wird als Intervall zwischen Abkalbung und erster Besamung in Tagen<br />
gemessen. Die Verzögerungszeit berechnet sich aus dem Intervall zwischen erster und letzter<br />
(erfolgreicher) Besamung und beschreibt die Fähigkeit der Kuh, trächtig zu werden. Die<br />
Session 3 81
Serviceperiode ergibt sich aus der Summe von RZ und Verzögerungszeit und stellt somit eine<br />
Kombination der beiden Merkmale dar. Die Zwischenkalbezeit berechnet sich aus dem Zeitraum<br />
zwischen zwei Abkalbungen in Tagen und setzt sich aus RZ, Verzögerungszeit und<br />
Trächtigkeitsdauer zusammen. Der Zusammenhang zwischen Intervallmerkmalen ist in<br />
Abbildung 1 dargestellt.<br />
Abkalbung 1. Bes. 2. Bes. letzte Bes. Abkalbung<br />
Intervall zwischen 2 Bes.<br />
Rastzeit<br />
Verzögerungszeit<br />
Serviceperiode<br />
Trächtigkeitsdauer<br />
Zwischenkalbezeit<br />
Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Intervallmerkmalen (Gredler, 2008)<br />
Zu den Erfolgsmerkmalen zählen die Non-Return-Rate (NRR) und die Anzahl an Besamungen.<br />
Die NRR gibt den Anteil an erfolgreichen Erstbesamungen innerhalb eines definierten Zeitraumes<br />
wieder. International findet die NRR innerhalb von 56 Tagen (NRR56) in der ZWS Verwendung.<br />
Wie die meisten Merkmale im Fitnessbereich weisen auch Fruchtbarkeitsmerkmale sehr niedrige<br />
Heritabilitäten auf. Schnyder und Stricker (2002) schätzten Heritabilitäten von 0,04 und 0,08 für<br />
die Merkmale NRR56 und RZ beim Schweizer Braunvieh. Gredler (2008) schätzte Heritabilitäten<br />
im Bereich von 0,005 bis 0,034 für verschiedene Fruchtbarkeitsmerkmale beim Braunvieh in<br />
Österreich.<br />
Sogenannte Hilfsmerkmale können über ihre genetische Korrelation zu Fruchtbarkeitsmerkmalen<br />
zusätzliche wertvolle Informationen für die ZWS Fruchtbarkeit liefern. Hier sind Merkmale wie<br />
z.B. Body Condition Score (Körperkondition), Merkmale, welche die Energiebilanz beschreiben,<br />
der Milchharnstoffgehalt oder das Fett-/Eiweiss-Verhältnis in der Milch zu nennen. Eine<br />
Untersuchung von Yin et al. (<strong>2012</strong>) identifizierte den Milchharnstoffgehalt als geeignetes<br />
Hilfsmerkmal für die ZWS Fruchtbarkeit. Die genetischen Korrelationen zwischen<br />
Konzeptionsrate und Milchharnstoffgehalt lag zwischen 0 und -0,40 zwischen dem 25. und 180.<br />
Tag nach der Abkalbung. Zusätzlich zu Fruchtbarkeitsmerkmalen und Hilfsmerkmalen können<br />
tierärztliche Diagnose-Daten wertvolle Information zur Fruchtbarkeit liefern. In Österreich wird<br />
derzeit an der Implementierung einer Zuchtwertschätzung für Gesundheitsmerkmale für<br />
Braunvieh gearbeitet (Egger-Danner et al., <strong>2012</strong>). Die Heritabilitäten für frühe Fruchtbarkeitsstörungen<br />
und Eierstockzysten liegen bei 0,022 bzw. 0,011.<br />
82<br />
Session 3
Zuchtwertschätzung Fruchtbarkeit bei Braunvieh Schweiz<br />
In der Schweiz existiert die ZWS Fruchtbarkeit seit 2003. Aktuell werden in der ZWS weibliche<br />
Fruchtbarkeit bei Braunvieh die Merkmale NRR56 und RZ berücksichtigt. Die ZWS wird mit<br />
einem Zweimerkmals-Wiederholbarkeitsmodell-Tiermodell durchgeführt. Es fliessen alle<br />
Erstbesamungen und -belegungen seit 1.1.1994 in die ZWS ein. Das Modell inkludiert neben<br />
dem genetischen Effekt des Tieres (Zuchtwert) die Umwelteffekte Betrieb*Jahr, permanente<br />
Umwelt der besamten Kuh, Besamungsmonat innerhalb Jahr (NRR56), Kalbemonat innerhalb<br />
Jahr (RZ) und Laktationsnummer*Kalbealtersklasse. Im Modell für die NRR56 werden zusätzlich<br />
noch die Effekte Besamungsstier, Besamer und Besamungscode berücksichtigt. Für NRR56 und<br />
RZ wird auch eine genomische ZWS durchgeführt.<br />
In der aktuellen ZWS für weibliche Fruchtbarkeit wird mit der NRR56 und RZ bei Kühen nur ein<br />
Teilaspekt der Fruchtbarkeit beschrieben. Um die Fruchtbarkeit möglichst vollständig und<br />
umfassend zu betrachten, wird die ZWS Fruchtbarkeit aktuell bei Qualitas AG überarbeitet. Dabei<br />
soll die Merkmalsdefinition nach dem Code of Practice bei Interbull erweitert werden. In der<br />
internationalen ZWS bei Interbull können Fruchtbarkeitsmerkmale folgender Merkmalsgruppen<br />
für die weibliche Fruchtbarkeit berücksichtigt werden: (1) die Fähigkeit von Rindern, trächtig zu<br />
werden; (2) die Fähigkeit von Kühen, nach der Abkalbung wieder brünstig zu werden; (3) die<br />
Fähigkeit von Kühen, trächtig zu werden, gemessen als binäres Merkmal; (4) die Fähigkeit von<br />
Kühen, trächtig zu werden, gemessen als Intervallmerkmal; (5) Mass für das Intervall zwischen<br />
Abkalbung und Konzeption. Die ZWS für weibliche Fruchtbarkeit bei Braunvieh Schweiz wird in<br />
Zukunft zusätzlich zur NRR56 und RZ das Merkmal Verzögerungszeit beinhalten.<br />
Untersuchungen von Gredler (2008) beim österreichischen Braunvieh zeigten, dass die<br />
genetischen Korrelationen zwischen Fruchtbarkeitsmerkmalen bei Rindern und Kühen deutlich<br />
niedriger als 1 ist (zwischen 0,51 und 0,68). Dies deutet darauf hin, dass die Fruchtbarkeit bei<br />
Rindern und Kühen von unterschiedlichen Genen bestimmt wird. Dies wird auch beim Schweizer<br />
Braunvieh untersucht werden. Ebenfalls wird für die neuen Merkmale eine genomische ZWS<br />
entwickelt.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Alder, S., 2011. Analyse der Abgangsgründe von Braunviehkühen in Zusammenhang mit den LBE-<br />
Ergebnissen. Semesterarbeit, Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft, Zollikofen, Schweiz.<br />
Berry, D.P., Buckley, F., Dillon, P., Evans, R.D., Rath, M. and Veerkamp, R., 2003. Genetic parameters for<br />
body condition score, body weight, milk yield, and fertility estimated using random regression models. J.<br />
Dairy Sci. 86, 3704-3717.<br />
Egger-Danner, C., Fuerst-Waltl, B., Fuerst, C., <strong>2012</strong>. Gesundheitsmonitoring Rind – Gesundheits-<br />
Zuchtwerte für Braunvieh in Österreich und <strong>Deutsch</strong>land. <strong>BRUNA</strong> <strong>2012</strong>, World Congress, 6.-8. Dezember<br />
<strong>2012</strong>, St. Gallen (diese Ausgabe).<br />
Gredler, B., 2008. Entwicklung einer Zuchtwertschätzung für Fruchtbarkeit beim Rind. Dissertation,<br />
Universität für Bodenkultur Wien. Wien.<br />
Jorjani, H., 2007. International genetic evaluation of female fertility in five major breeds. Interbull Bulletin<br />
37, 144-147.<br />
Moll, J., 2009. Abgangsursachen beim Braunvieh. CHbraunvieh Nr. 5, Mai 2009.<br />
Schnyder, U. and Stricker, C., 2002. Genetic evaluation for female fertility in Switzerland. Interbull Bulletin<br />
29, 138-141.<br />
Yin, T., Bapst, B., Borstel, U.U.v., Simianer, H., König, S., <strong>2012</strong>. Genetic parameters for gaussian and<br />
categorical traits in organic and low input dairy cattle herds based on random regression methodology.<br />
Livestock Science 147:159-169.<br />
ZuchtData, <strong>2012</strong>. Jahresbericht ZuchtData, ZuchtData EDV-Dienstleistungen GmbH, Wien.<br />
Session 3 83
84<br />
Session 3
Die Braunviehrasse eignet sich für automatische Melksysteme<br />
Aurore Grave, Olivier Bulot<br />
Brune Génétique Services, 149, rue de Bercy, 75595 PARIS Cedex 12, Frankreich<br />
aurore.grave@acta.asso.fr<br />
Kurzfassung<br />
In den letzten Jahren haben sich Melkroboter in Milchviehbetrieb stark verbreitet, so dass es<br />
heute in Frankreich ca. 2„800 solche Betriebe gibt. Obwohl Melkroboter hauptsächlich bei<br />
Holstein-Herden verwendet werden, können sie – mit Vor- und Nachteilen – bei allen Rassen<br />
eingesetzt werden. Anhand der Ergebnisse von etwa fünfzehn Züchtern mit gemischtrassigen<br />
Braunvieh-/Holsteinherden bzw. nur Braunviehherden hebt diese Untersuchung die sehr gute<br />
Anpassungsfähigkeit von Braunvieh an das automatische Melksystem hervor.<br />
Einleitung<br />
Durch eine Umfrage bei etwa zwanzig Züchtern, die einen Melkroboter besitzen, und dank der<br />
Teilnahme von 14 unter ihnen konnten wir die Stärken und Schwächen von Braunvieh im<br />
Rahmen eines automatischen Melksystems analysieren. Von den 14 Betrieben, die zwischen 55<br />
und 150 Tiere besitzen, haben 7 nur Braunvieh und 7 hauptsächlich Braunvieh sowie Prim„<br />
Holstein (>5 Tiere einer selben Rasse). Diese Betriebe sind über ganz Frankreich verteilt und<br />
haben unterschiedliche Haltungs- (intensiv ohne Weidegang vs. semi-intensiv) und Stallsysteme<br />
(Boxen vs. Liegeflächen mit Stroheinstreu). Alle Betriebe setzen einen Melkroboter seit mindestens<br />
zwei Jahren und ein Braunviehbetrieb sogar seit über 10 Jahre ein.<br />
Anpassungsfähigkeit von Braunvieh an das automatische Melksystem<br />
Durch die Umfrage konnten die Meinungen der Züchter über die Fähigkeiten von Braunvieh unter<br />
verschiedenen Aspekten gesammelt werden, die bei einem automatischen Melksystem eine<br />
wichtige Rolle spielen. Auf einer Skala von 1 bis 5 (1 schlecht, 5 sehr gut) wurde die Leistung der<br />
Braunviehtiere gemessen und bei gemischtrassigen Herden mit Holstein verglichen.<br />
Sowohl in der Anfangs- als auch in der Routinephase scheint die Anpassungsfähigkeit von<br />
Braunvieh an den Melkroboter sehr gut. Braunviehtiere erreichen einen durchschnittlichen Wert<br />
von 3.6 am Anfang und 3.9 routinemäßig. Beide Werte sind leicht höher als der Holstein-<br />
Durchschnitt in gemischtrassigen Herden, der in beiden Fällen bei 3.6 liegt. Bezüglich des<br />
Temperaments und der Zahmheit der Tiere scheidet das Braunvieh noch besser ab. Mit einer<br />
Punktzahl von 4.6 / 5 ist die bewährte Ruhe der BV-Tiere am Melkroboter getestet und<br />
insbesondere von gemischtrassigen Züchtern geschätzt, die Holstein bei diesem Aspekt einen<br />
durchschnittlichen Wert von 3.4 vergeben. Anschlussprobleme wegen der Euterform sind beim<br />
Braunvieh eher selten und verhindern den Einsatz des Melkroboters nicht. Die Qualität des<br />
Fundaments und die Mobilität von Braunvieh werden geschätzt, so dass gemischtrassige Züchter<br />
dem Braunvieh tendenziell einen Punkt mehr vergeben (3.5 vs. 3.4). Betreffend der Häufigkeit<br />
von Mastitis erreicht das Braunvieh wiederum gute Werte (3.8/5) bei niedriger Häufigkeit. Im<br />
Herdenvergleich erhält Holstein eine kleinere Punktzahl, die im Durchschnitt bei 3.4 / 5 liegt.<br />
Sechs der untersuchten Betriebe setzen Weidegang und Melkroboter ein und 5 haben<br />
gemischtrassige Herden. Nach Ansicht dieser Züchter eignet sich das Braunvieh für dieses<br />
System sehr gut – genauso wie Holstein – obwohl die Tiere beider Rassen durch den Weidegang<br />
weniger öfter am Melkroboter vorbeilaufen.<br />
Im Gegensatz zu den vorher genannten Aspekten, bei denen das Braunvieh gute oder sogar<br />
sehr gute Werte erreicht, stellt die Melkgeschwindigkeit die größte Schwäche beim<br />
automatischen Melksystem dar. Wegen des langsamen Milchflusses bleiben Braunviehkühe<br />
Session 3 85
länger im Melkrobotter und beschränken dadurch die maximale Anzahl Milchkühe pro Stall (60<br />
Braunvieh- vs. 70 Holsteinkühe).<br />
Zum Schluss stellen wir wegen der Einführung des Melkroboters eine geringe Entwicklung<br />
der BV-Zuchtmerkmale fest. 6 Züchter sagen jedoch, sie seien auf die Melkgeschwindigkeit<br />
und die Qualität des Fundaments aufmerksamer geworden. In gemischtrassigen Herden<br />
scheinen Eutergesundheit, Zitzenstellung und Qualität des Fundaments wichtiger bei<br />
Holstein zu sein.<br />
Braunvieh (14 Herden)<br />
Holstein (7 Herden)<br />
Anpassungsfähigkeit am Anfang 3.6 3.6<br />
Anpassungsfähigkeit in der<br />
Routine<br />
3.9 3.6<br />
Tier-Temperament 4.6 3.4<br />
Anschlussprobleme 4.0 3.7<br />
Probleme mit dem Fundament 3.5 3.4<br />
Eutergesundheit / Mastitis 3.8 3.4<br />
Melkgeschwindigkeit 2.9 3.7<br />
Tabelle 1: Werte pro Rasse auf einer Skala von 1 bis 5.<br />
Technische Ergebnisse mit dem Melkroboter<br />
Die technischen Daten wurden in 10 Betrieben gesammelt. Das Braunvieh hat folgende<br />
Durchschnittswerte erhalten: Durchschnittliche Milchproduktion 7„973 kg mit 4.13 % Fett und<br />
3.6 % Eiweiß bei durchschnittlich 2.6 Melkvorgängen/Tag. Die Melkgeschwindigkeit beträgt im<br />
Durchschnitt 2.2 l/min. Dieser Wert ist sehr akzeptabel und die Milchquote ist übrigens um 700 kg<br />
höher als die durchschnittliche nationale Produktion 2011.<br />
Zusammenfassung<br />
Diese Umfrage zeigt uns, dass die Züchter mit dem Braunvieh-Verhalten am automatischen<br />
Melksystem vollauf zufrieden sind. Das Braunvieh zeigt eine gute Anpassungsfähigkeit und sogar<br />
einen Vorteil unter vielen Aspekten, vor allem im Zusammenhang mit seiner Euterqualität,<br />
Beinstärke, die die Beweglichkeit fördert, und Zahmheit. Der einzige Nachteil ist die geringere<br />
Melkgeschwindigkeit – vor allem wegen des längeren Aufhaltens im Stall, das bei einer hohen<br />
Anzahl von Tieren pro Stall ein Problem darstellt. Trotz dieser Schwäche eignet sich das<br />
Braunvieh danke seiner zahlreichen Qualitäten zum automatischen Melksystem – genauso wie<br />
das vorherrschende Holstein.<br />
86<br />
Session 3
Optimale funktionale Merkmale auf meinem Braunviehbetrieb<br />
Pius Giger<br />
Grenzhof, 8718 Schänis SG, Schweiz<br />
grenzhof@bluewin.ch<br />
Einleitung<br />
Ich wurde angefragt, ob ich ein Kurzreferat an der Braunviehkonferenz über die funktionellen<br />
Merkmale auf unserem Familienbetrieb in Schänis/SG abhalten würde. Erst beim<br />
Zusammenstellen der Unterlagen wurde mir bewusst: Was einfach klingt, muss oder kann nicht<br />
immer leicht zu erklären sein.<br />
Jedes Jahr wertet Braunvieh Schweiz die funktionellen Leistungsdaten von allen Betrieben aus.<br />
Wer dabei in den Merkmalen Fruchtbarkeit, Zellzahl, Lebensleistung, Laktationsleistung und dem<br />
Eiweissgehalt in Kombination sicher über dem Rassendurchschnitt liegt, wird mit dem Gütesiegel<br />
„Betriebsmanagement“ ausgezeichnet (Anforderungen siehe Kasten).<br />
Anforderungen Betriebsmanagementliste:<br />
Laktationsabschlüsse: mind. 10 Abschlüsse mit mind. 250 Laktationstagen<br />
Milchleistung: mind. 7'000 kg im Talgebiet bzw. 6'500 kg im Berggebiet<br />
Eiweissgehalt: mind. 3.40 % im Talgebiet bzw. 3.30 % im Berggebiet<br />
Lebensleistung: mind. 25'000 kg Milch<br />
Serviceperiode: max. 110 Tage<br />
Zellzahl: max. 110‟000/ml<br />
All diese Merkmale sind auf unserem Betrieb von grosser Bedeutung und gehören seit Jahren zu<br />
unseren Betriebszielen. Diese Zielübereinstimmung ermöglichte uns, dass wir bereits acht Jahre<br />
nacheinander mit einer Plakette ausgezeichnet wurden.<br />
Oft werde ich von Berufskollegen nach dem Rezept dieses Erfolges gefragt. Es ist nicht einfach,<br />
eine Antwort darauf zu geben, aber vielleicht sind einige Überlegungen aus meiner Sicht wichtig,<br />
damit ich einer Antwort näher kommen kann.<br />
Weg zum heutigen Zuchtziel<br />
Als junger Landwirt habe ich leidenschaftlich und mit grossem Interesse die Braunviehzucht<br />
verfolgt und natürlich auch versucht, die schönste und beste Kuh zu züchten. Bereits vor 30<br />
Jahren hatten wir neben der künstlichen Besamung auch noch den Embryotransfer zur<br />
Verfügung. Dabei haben wir einige Versuche gewagt und feststellen müssen: Bis wir an der<br />
Spitze mit der Schönheit und der Milchleistung sind, bin ich längst pensioniert oder erlebe dies<br />
gar nicht mehr. Folglich habe ich mir ein persönlich realistisches Zuchtziel gesetzt. Eine Kuh,<br />
welche ohne Sonderbehandlungen auf dem Betrieb funktioniert. Das ist eine fruchtbare,<br />
unkomplizierte, gesunde Kuh, von welcher ich jährlich ein gesundes Kalb erhalte und die Milch<br />
täglich an die Käserei abliefern kann. Bei uns darf eine Kuh auch nur an drei Zitzen Milch geben,.<br />
Diese sollten aber gesund sein. Eine solche Kuh nützt uns mehr, als eine, welche an vier Zitzen<br />
gemolken wird, aber immer hohe Zellzahlen aufweist. Auch wir haben einzelne Kühe, welche mit<br />
der Eutergesundheit kämpfen oder nicht sofort trächtig werden. Bei diesen Leistungsmerkmalen<br />
muss man den Fehler meistens bei sich selber suchen. Eine nicht ganz einfache Aufgabe, wenn<br />
doch jeder versucht, möglichst alles richtig zu machen.<br />
Session 3 87
Berücksichtigung der Futtergrundlage bei der Auswahl von Stieren<br />
Wir haben auf unserem 22 ha grossen Betrieb mit rund 30 Milchkühen und etwa 8 bis 14 Stück<br />
Jungvieh und gut 100 Mastschweinen einen Lehrling angestellt. Diesem erkläre ich meine<br />
Fütterung folgendermassen: Unser Ziel ist es, so viel Kraftfutter zu verabreichen, damit unsere<br />
Kühe gesund bleiben. Die Art und Menge richtet sich nach der Leistungsbereitschaft der<br />
einzelnen Kuh.<br />
Wir haben einen kalten Boxenlaufstall und liefern silofreie Milch ab. Daher sind wir bei der<br />
Auswahl der Futterkomponenten eingeschränkt. Bei einem Stalldurchschnitt von knapp 8„000 kg<br />
Milch schätzen wir uns im guten Mittelfeld ein und setzen auch nie Stiere mit Zuchtwerten von<br />
über 1„000 kg Milch ein. Uns scheint es wichtig, dass die Kuh fressen mag, was sie leisten kann.<br />
In vielen Fällen wäre die Leistungsbereitschaft um einiges höher, wenn die Fütterung angepasst<br />
wäre. Ich war oder bin heute noch fasziniert, zu was für Leistungen unsere braune Kuh bereit ist.<br />
Es hat immer Betriebe gegeben, welche super Leistungen mit guten Milchinhaltsstoffen mit ihren<br />
Tieren erbrachten, welche über Jahre gesund blieben und regelmässig ein Kalb geboren haben.<br />
Für mich haben fast alle Betriebe die gleiche Genetik. Wir verstehen es nur unterschiedlich gut,<br />
damit umzugehen. Das heisst, die funktionellen Merkmale sind stark vom Betriebsleiter abhängig.<br />
Ich möchte Ihnen ein Beispiel zur Fütterung machen: Diese sollte so zusammengestellt sein,<br />
dass die Kuh richtig wiederkäuen muss. Durch nicht-wiederkäuergerechte Fütterung stimmt in<br />
vielen Fällen auch schon die Kotbeschaffenheit nicht, auf welche ich sehr grosses Augenmerk<br />
lege. Wir füttern jeden Tag Heu, denn Grünfutter erhalten unsere Kühe von Ende März bis<br />
Anfang November nur auf der Weide. Mindestens 25 % der Futterration ist immer Dürrfutter,<br />
welches aus Mähwiesen mit viel italienischem Raigras stammt. Die 9 ha grosse Weidefläche wird<br />
in drei Koppeln eingeteilt und als Mähweide genutzt. Hauptgras der Weiden ist das englische<br />
Raigras. Daneben verabreichen wir täglich 1 bis 2 kg Luzernewürfel und ebenso viel<br />
Zuckerrübentrockenschnitzel, welche wir aufgeweicht verfüttern. Im Nachsommer versuchen wir<br />
die Harnstoffwerte unserer Kühe in der Start- und Produktionsphase mit Maiskolbenschrot etwas<br />
zu korrigieren. Im Winter setzen wir neben der Ausgleichsfütterung, welche wir mit Luzerne oder<br />
den Rüben alleine nicht korrigieren können, Getreidemischung oder Eiweisskonzentrat ein. Diese<br />
verabreichen wir am Fressgitter oder beim Melken. Unsere Kühe geben zwar etwas weniger<br />
Milch als Kühe, die im Sommer nur mit Gras gefüttert werden. Dafür können wir unsere Tiere<br />
aber ein bis drei Jahre länger nutzen.<br />
Lahmheit, Durchfall und Eutergesundheit: Beobachtung und unmittelbare Behandlung sind<br />
wichtig. Das gleiche gilt bei der Klauengesundheit. Auch bei uns gibt es ab und zu eine Kuh,<br />
welche lahm geht. Habe ich am ersten Tag nach dem Feststellen von anormalem Gang keine<br />
Zeit zur Behandlung, werde ich sie sicher am nächsten Tag in den Klauenstand nehmen. Wird für<br />
diese Arbeit erst eine Woche später Zeit genommen, kann man sie nicht selten auch direkt in den<br />
Schlachthof anmelden. Denn die Nachkontrollen, welche durchgeführt werden müssen, können<br />
wieder nicht termingerecht ausgeführt werden und verhindern somit einen erfolgreichen<br />
Heilungsverlauf. Identisches Verhalten ist in der Fütterung zu beobachten. Hat eine Kuh zum<br />
Beispiel Durchfall, muss sofort gehandelt werden.<br />
Das gleiche Schema ist auch bezüglich Eutergesundheit zu beobachten. Sind die Grundvoraussetzungen<br />
für gesunde Euter erfüllt, müssen nur wenige bis keine „Feuerwehrübungen“ in Bezug<br />
auf Behandlungen unternommen werden. Für diese Grundvoraussetzungen ist aber alleinig der<br />
Betriebsleiter zuständig. Folglich wissen wir genau, bei wem wir ansetzen müssen.<br />
Die grösste Aufmerksamkeit für die schwächste Kuh<br />
Ich habe im letzten Winter einen eintägigen Fütterungs- und Tierhaltungskurs absolviert. Dabei<br />
wurde uns mitgeteilt, dass immer die schwächste Kuh die grösste Aufmerksamkeit braucht. Das<br />
heisst, je schneller man dieses Tier findet und etwas unternimmt, desto schneller ist es wieder<br />
gesund. Wir alle wissen nur allzu gut, wie wenig Arbeit eine gesunde Herde gibt, im Gegensatz<br />
zu einem oder gar mehreren kranken Tieren.<br />
88<br />
Session 3
Mit der Fruchtbarkeit haben wir in den vergangenen 10 Jahren sicherlich auch ein wenig Glück<br />
gehabt. Ziel auf unserem Betrieb ist es, jede Kuh innert 60 Tagen das erste Mal zu besamen.<br />
Gelingt dies nicht, haben wir auch Geduld und warten bis 150 Tage, solange die Kuh uns nicht<br />
negativ auffällt. In den meisten Fällen haben sich diese Kühe schon durch kurze Serviceperioden<br />
ausgezeichnet. So dürfen sie bei uns auch einmal eine Pause machen. Stimmt die<br />
Eutergesundheit, produziert eine solche Kuh im Normalfall auch viel Milch.<br />
Eine Grundsatzfrage muss sich aber jeder Betriebsleiter selber stellen: Bin ich bereit, auf die<br />
Bedürfnisse meiner Herde einzugehen oder züchte ich eine Kuh, welche sich mit den von uns<br />
gegebenen Verhältnissen zurechtfindet? Auf unserem Betrieb haben wir uns für einen Mittelweg<br />
entschieden. Unsere Devise lautet daher wie folgt: Damit unsere Bedürfnisse gedeckt sind,<br />
machen wir aus dem Vorhandenen das Optimum und ergänzen nur gezielt das Notwendige.<br />
Dabei werden aber auch wir immer wieder von der Realität eingeholt und verlieren auch mal eine<br />
wertvolle Kuh. Wenn man aber dabei etwas lernt, kann dies ein kleiner Trost sein, der glauben<br />
lässt, dass man dadurch seine Tiere besser kennen und verstehen lernt.<br />
Zum Schluss wünsche ich allen Züchtern und Haltern von Nutztieren, aber speziell allen<br />
Braunviehhaltern viel Glück in Haus und Stall bei möglichst nur gesunden und leistungsfähigen<br />
Tieren, welche auf die einzelnen Betriebe passen. Egal, in welchem Land oder in welcher<br />
Produktionsstufe die Tiere gehalten werden, sie müssen um erfolgreich zu sein, zum<br />
Betriebsleiter und zum Standort passen. Dabei darf man nicht vergessen. Der Standort ist in den<br />
meisten Fällen gegeben. Hingegen wir als Betriebsleiter, wir können dazu lernen und dabei erst<br />
noch Freude am Erfolg haben.<br />
Session 3 89
90<br />
Session 3
Gesundheitsmonitoring Rind – Gesundheits-Zuchtwerte für Braunvieh in<br />
Österreich und <strong>Deutsch</strong>land<br />
Christa Egger-Danner 1 , Birgit Fuerst-Waltl 2 , Christian Fuerst 1<br />
1 ZuchtData EDV-Dienstleistungen GmbH, Dresdner Str. 89/19, 1200 Wien, Österreich; 2 Institut für<br />
Nutztierwissenschaften, Department für Nachhaltige Agrarsysteme, Universität für Bodenkultur Wien,<br />
Gregor-Mendel-Str. 33, 1180 Wien, Österreich<br />
egger-danner@zuchtdata.at<br />
Kurzfassung<br />
Für die Erfassung und Nutzung von tierärztlichen Diagnosen wurde in Österreich von 2006 bis<br />
2010 das Gesundheitsmonitoring Rind etabliert. Die deutschen Bundesländer Bayern und Baden-<br />
Württemberg starteten ähnliche Projekte im Jahr 2010. In Österreich wurde das<br />
Gesundheitsmonitoring 2011 für alle Rassen in die Routineleistungsprüfung integriert. Bis <strong>2012</strong><br />
wurde eine Gesundheits-Zuchtwertschätzung für Mastitis, frühe Fruchtbarkeitsstörungen, Zysten<br />
und Milchfieber nur für die Rasse Fleckvieh im Rahmen der gemeinsamen Zuchtwertschätzung<br />
Österreich-<strong>Deutsch</strong>land etabliert. Eine Zuchtwertschätzung für Gesundheits-Zuchtwerte beim<br />
Braunvieh wurde kürzlich entwickelt. Die Erblichkeiten und genetischen Korrelationen sind<br />
vergleichbar mit der Rasse Fleckvieh. Basierend auf einem linearen Modell variieren die<br />
Erblichkeiten zwischen 1 und 3 %. Die fixen Effekte Laktation*Alter, Jahr*Monat und Art der<br />
Datenerfassung*Jahr als auch der zufällige Herden-Jahreseffekt, der permanente Umwelteffekt<br />
und der genetische Effekt des Tieres werden im Modell berücksichtigt. Die Zuchtwerte werden<br />
als Relativzuchtwerte mit einem Mittelwert von 100 und einer Standardabweichung von 12<br />
Punkten definiert, wobei Abweichungen über 100 erwünscht sind. Die Korrelationen zu den<br />
anderen Zuchtwerten liegen im Bereich der Erwartungen. Obwohl die Erblichkeiten niedrig sind,<br />
gibt es große phänotypische Unterschiede bei den Krankheitshäufigkeiten zwischen den<br />
Töchtern von Stieren mit hohen und niedrigen Gesundheits-Zuchtwerten.<br />
Einleitung<br />
Die Verbesserung der Tiergesundheit wird auf der ganzen Welt immer wichtiger, und zwar nicht<br />
nur weil sie die Betriebswirtschaft und das Wohlbefinden der Tiere beeinflusst, sondern auch weil<br />
die Lebensmittelsicherheit unter den Verbrauchern immer höhere Priorität genießt.<br />
Gesundheitsprobleme können sowohl direkt als auch indirekt angegangen werden. Indirekte<br />
Gesundheits- bzw. Krankheitsparameter wurden in verschiedenen Ländern in routinemäßige<br />
Datenerfassungssysteme integriert. Weltweit gewinnen funktionale Merkmale im Rahmen der<br />
Gesamtzuchtwerte an Bedeutung. Um die Wirksamkeit der züchterischen Gesundheitsverbesserungsmaßnahmen<br />
zu erhöhen, müssen direkt beobachtete Gesundheits- bzw.<br />
Krankheitsindikatoren jedoch in Erfassungs-, Bewertungs- und Zuchtsysteme einbezogen werden<br />
(Heringstad et al., 2007, Egger-Danner et al., <strong>2012</strong>a,b). Voraussetzung ist dabei die<br />
Verfügbarkeit zuverlässiger und genügender Phänotypen.<br />
Für die Erfassung und Nutzung von tierärztlichen Diagnosen wurde in Österreich von 2006 bis<br />
2010 das Gesundheitsmonitoring Rind etabliert. Die deutschen Bundesländer Bayern und Baden-<br />
Württemberg starteten ähnliche Projekte im Jahr 2010. In Österreich wurde das Gesundheitsmonitoring<br />
2011 für alle Rassen in die Routineleistungsprüfung integriert. Die Erfassung direkter<br />
Gesundheitsmerkmale ist auch wichtig, um Herdenmanagement und Vorbeugungsmaßnahmen<br />
optimal zu gestalten. Aus einem wirtschaftlichen Gesichtspunkt spielt die Vermeidung bzw. die<br />
Früherkennung von Gesundheitsproblemen eine entscheidende Rolle. Einen weiteren Schritt zu<br />
einer stärkeren Prävention stellt das Programm Gesundheitsmonitoring Rind im Rahmen der<br />
Session 3 91
Tiergesundheitsorganisationen dar, das 2010 vom österreichischen Bundesministerium für<br />
Gesundheit angekündigt wurde.<br />
Bis <strong>2012</strong> wurde eine Gesundheits-Zuchtwertschätzung für Mastitis, frühe Fruchtbarkeitsstörungen,<br />
Zysten und Milchfieber nur für die Rasse Fleckvieh (Zweinutzungs-Simmentaler) im<br />
Rahmen der gemeinsamen Zuchtwertschätzung Österreich-<strong>Deutsch</strong>land etabliert. Für kleinere<br />
Rassen wie Braunvieh waren die verfügbaren Diagnosedaten relativ gering. Eine<br />
Zuchtwertschätzung für Gesundheits-Zuchtwerte beim Braunvieh wurde kürzlich entwickelt und<br />
wird hier beschrieben.<br />
Material und Methoden<br />
Datengrundlage für die ZWS sind tierärztliche Diagnosen, die im Rahmen des Gesundheitsmonitorings<br />
in Österreich erhoben wurden. Zur Zeit sind Diagnosen aus 1„970 Braunvieh-<br />
Betrieben verfügbar. Validierte Datensätze sind die Voraussetzung, um Gesundheits-daten<br />
effizient zu nutzen. Die Herausforderung ist dabei, Betriebe mit niedriger Krankheits-häufigkeit<br />
von Betrieben mit unvollständiger Dokumentation und Erfassung zu unterscheiden. Nach der<br />
Plausibilitätsprüfung und Datenvalidierung sind die Daten von 1„390 Herden und 29„333 Kühen in<br />
die Testlauf-ZWS für direkte Gesundheitsmerkmale vom August <strong>2012</strong> eingegangen. Zur Zeit<br />
werden nur österreichische Daten berücksichtigt.<br />
Die in die ZWS eingegangenen Merkmale sind klinische Mastitis (CM) mit einem<br />
Beobachtungszeitraum von -10 bis 150 Tage nach der Abkalbung, frühe Fruchtbarkeitsstörungen<br />
(EREPRO) 30 bis 150 Tage nach der Abkalbung, Zysten (CYST) zwischen 30 und 150 Tagen<br />
nach der Abkalbung und Milchfieber (MF) 10 Tage vor bis 10 Tage nach der Abkalbung.<br />
Die Gesundheits-Zuchtwertschätzung wird mit einem linearen univariaten BLUP-Tiermodell<br />
durchgeführt. Die fixen Effekte Laktation*Kalbealter, Kalbejahr*Kalbemonat und<br />
Erfassungsart*Kalbejahr (elektronisch oder vom Kontrollorgan) sowie auch der zufällige Effekt<br />
Betrieb*Kalbejahr, der zufällige permanente Umwelteffekt, der zufällige genetische Effekt des<br />
Tieres und der zufällige Resteffekt werden im Modell berücksichtigt. Die Zuchtwerte werden als<br />
Relativzuchtwerte mit einem Mittelwert von 100 und einer Standardabweichung von 12 Punkten<br />
definiert, wobei Abweichungen über 100 erwünscht sind (Fuerst et al., 2011).<br />
Ergebnisse und Diskussion<br />
Die Heritabilitäten sind mit anderen funktionalen Merkmalen vergleichbar und liegen zwischen<br />
0.01 und 0.03 auf der linearen Skala (CM (0.03), EREPRO (0.022), CYST (0.011), MF (0.017)).<br />
Wenn man nur die direkt von Tierärzten elektronisch übermittelten Daten berücksichtigt, kommt<br />
man auf höhere Erblichkeitsraten, was auf eine höhere Datenqualität hindeutet.<br />
In Tabelle 1 sind die Anzahl Beobachtungen im Rahmen der Zuchtwertschätzung, die<br />
durchschnittliche Diagnosefrequenz unter den Töchtern eines Stieres sowie die Anzahl Stiere mit<br />
einer Sicherheit von mindestens 30, 50 und 70 % dargestellt.<br />
Die Häufigkeiten der verschiedenen direkten Gesundheitsmerkmale liegen im ZWS-Zeitraum<br />
zwischen 2.4 und 8.6 % (Tabelle 1). Mastitis wird mindestens einmal 10 Tage vor bis 150 Tage<br />
nach der Abkalbung bei durchschnittlich 8.6 % der Töchter eines Stieres diagnostiziert.<br />
Bisher konnten bis 400 Stiere mit einem Gesundheits-Zuchtwert bei einer Sicherheit von<br />
mindestens 30% veröffentlicht werden.<br />
Aus Tabelle 2 ist ersichtlich, dass große phänotypische Unterschiede bei den Krankheitshäufigkeiten<br />
zwischen den Töchtern von Stieren mit hohen und niedrigen Gesundheits-<br />
Zuchtwerten bestehen. Die durchschnittliche Mastitisfrequenz der TOP-Stiere beträgt 5.9 %, die<br />
der FLOP-Stiere liegt deutlich höher bei 13.8 %. Ähnliche Unterschiede werden bei den anderen<br />
92<br />
Session 3
Merkmalen festgestellt. Dies deutet darauf hin, dass das Krankheitsrisiko reduziert werden kann,<br />
wenn Stiere mit vorteilhaften Gesundheits-Zuchtwerten selektiert werden.<br />
Die Korrelationen zu den anderen Zuchtwerten sind meistens leicht negativ bei der Milchleistung<br />
aber positiv beim Gesamtzuchtwert und den anderen funktionalen Merkmalen.<br />
Tabelle 1: Anzahl Beobachtungen (n), durchschnittliche Frequenz (Avg. freq (%)) und Anzahl Stiere (n bulls)<br />
mit Zuchtwerten je nach Sicherheitsgrenze bei Braunvieh (August <strong>2012</strong>)<br />
n Avg. freq. (%) n bulls<br />
(R²>30%)<br />
n bulls<br />
(R²>50%)<br />
n bulls<br />
(R²>70%)<br />
CM (-10-150 dpp) 1 41„563 8.6 418 146 53<br />
EREPRO (-30 dpp) 2 46„588 6.5 373 118 47<br />
CYST (30-150 dpp) 3 41„286 3.1 184 60 12<br />
MF (-10-10 dpp) 4 47„404 2.4 303 95 30<br />
1<br />
CM (-10-150 dpp): klinische Mastitis 10 Tage vor bis 150 Tage nach der Abkalbung<br />
2<br />
EREPRO (-30 dpp): frühe Fruchtbarkeitsstörungen bis 30 Tage nach der Abkalbung<br />
3<br />
CYST (30-150 dpp): Zysten zwischen 30 und 150 Tagen nach der Abkalbung<br />
4<br />
MF (-10-10 dpp): Milchfieber 10 Tage vor bis 10 Tage nach der Abkalbung<br />
Tabelle 2: Anteil an Kühen mit mindestens einer Diagnose im jeweiligen Beobachtungszeitraum für klinische<br />
Mastitis (CM), frühe Fruchtbarkeitsstörungen (EREPRO), Zysten (CYST) und Milchfieber (MF) aufgrund der 20<br />
besten und 20 schlechtesten Stiere nach geschätztem Zuchtwert.<br />
Anteil Kühe mit Diagnose<br />
CM EREPRO CYST MF<br />
20 beste Stiere 5.9 3.8 2.3 2.1<br />
20 schlechteste Stiere 13.8 10.0 4.8 4.8<br />
Weitere Maßnahmen sind erforderlich, um die Erfassung von Diagnosedaten zu fördern. Derzeit<br />
erreichen meistens Stiere mit Wiedereinsatz-Töchtern bei den direkten Gesundheitsmerkmalen<br />
eine Sicherheit von mindestens 50 %. Die für die heutigen Stiere vorhandenen Gesundheits-<br />
Zuchtwerte sind deshalb noch relativ beschränkt. Das langfristige Ziel ist es, genomische<br />
Zuchtwerte für direkte Gesundheitsmerkmale zu entwickeln. Zusätzlich zu einer gebietsweiten<br />
und umfassenden Diagnoseerfassung bei Braunvieh im Rahmen der gemeinsamen Zuchtwertschätzung<br />
Österreich-<strong>Deutsch</strong>land könnte die Genotypisierung der Kühe aus Betrieben mit<br />
zuverlässiger Datenerfassung eine Möglichkeit darstellen. Die Überwachung von direkten<br />
Gesundheitsdaten ist eine weitere wichtige Maßnahme, um das Konsumentenvertrauen in Bezug<br />
auf Lebensmittelsicherheit und Wohlbefinden der Tiere zu erhöhen.<br />
Session 3 93
Danksagung<br />
Die Autoren bedanken sich bei den Projektpartnern in Österreich (Zentrale Arbeitsgemeinschaft<br />
österreichischer Rinderzüchter, Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Braunviehzüchter,<br />
ZuchtData EDV-Dienstleistungen GmbH, Universität für Bodenkultur Wien, Veterinärmedizinische<br />
Universität, Landwirtschaftskammer, Tierärztekammer, Tiergesundheitsorganisationen,<br />
Landeskontroll- und Zuchtverbände) für ihre Zusammenarbeit im Rahmen der Einrichtung eines<br />
„Gesundheitsmonitoring-Programms Rind“ sowie bei allen Milchviehzüchtern und Tierärzten für<br />
ihre Mitwirkung. Das Projekt wurde vom österreichischen Bundesministerium für Land- und<br />
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW), vom Bundesministerium für<br />
Gesundheit und von der Zentralen Arbeitsgemeinschaft österreichischer Rinderzüchter (ZAR)<br />
finanziert. Birgit Fuerst-Waltl wurde vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF finanziell<br />
unterstützt (Elise-Richter-Programm V43-B12).<br />
Literaturverzeichnis<br />
Egger-Danner C., Willam A., Fuerst C., Schwarzenbacher H., Fuerst-Waltl B. <strong>2012</strong>a. Impact of breeding<br />
strategies using genomic information on fitness and health. J. Dairy Sci. 95 :4600–4609.<br />
Egger-Danner C., Fuerst-Waltl B., Obritzhauser W.,Fuerst C., Schwarzenbacher H., Grassauer B.,<br />
Mayerhofer M., Koeck A. <strong>2012</strong>b. Recording of direct health traits in Austria - Experience report with<br />
emphasis on aspects of availability for breeding purposes. J. of Dairy Sci. 95, 5: 2765-2777<br />
Fuerst, C., A. Koeck, C. Egger-Danner, and B. Fuerst-Waltl. 2011. Routine genetic evaluation for direct<br />
health traits in Austria and Germany. Interbull Bulletin 44: 210-215.<br />
Heringstad, B., Klemetsdal, G., Steine, T., 2007. Selection responses for disease resistance in two<br />
selection experiments with Norwegian red cows. J. Dairy Sci. 90: 2419-2426.<br />
94<br />
Session 3
Funktioneller Vergleich der angeborenen Immunantwort zeigt deutliche<br />
Unterschiede zwischen zwei Rinderrassen<br />
Dirk Werling 1 , Katarzyna Donskow-Lysoniewska 2 , Emma Stuart 1 , Michelle Phillips 1 , Naomi Hosker 1 ,<br />
Victoria Offord 1 , Tracey J. Coffey 3 , Robert Patterson 1 , Thomas Jungi 4 , Michael Hussein 5 , Michael Stear 6<br />
1 Royal Veterinary College, Department of Pathology and Infectious Diseases, Hawkshead Lane, Hatfield,<br />
UK; 2 Institut für Parasitologie, Universität Warschau, Warschau, Polen; 3 School of Veterinary Medicine and<br />
Science, University of Nottingham, Sutton Bonnington, UK; 4 Institut für Veterinär-Virologie, Universität<br />
Bern, Bern, Schweiz; 5 Cancourt Farm, Swindon, UK; 6 School of Veterinary Medicine, University of<br />
Glasgow, Glasgow, UK<br />
dwerling@rvc.ac.uk<br />
Kurzfassung<br />
Rinder der Rasse Brown Swiss (BS) wird nachgesagt, einen niedrigeren SCC sowie eine<br />
niedrigere Mastitishäufigkeit verglichen mit Holstein-Friesian (HF) Rindern zu haben.<br />
Phagozytose-aktive Zellen des angeborenen Immunsystems, wie zum Beispiel Makrophagen und<br />
Granulozyten, sind Bestandteil der “normalen” Milch. Ihrer Anzahl steigt deutlich während<br />
klinischen als auch sub-klinischen Mastitiden. Diese Zellen besitzen die Fähigkeit, Pathogene<br />
direkt mit Hilfe von sauerstoff-abhängigen und sauerstoff-unabhängigen Mechanismen zu töten.<br />
Die sauerstoff-abhängigen Mechanismen schließen die Produktion von reaktiven Sauerstoff- und<br />
reaktiven Stickstoff-Verbindungen (ROS und RNS) ein. In der vorliegenden Studie wurde die<br />
rasseabhängige Produktion von ROS/RNS von Makrophagen und Granulozyten aus Blut und<br />
Milch von BS- und HF-Kühen auf Stimulation mit Bakterien und Pilzkeimen verglichen. Zudem<br />
wurde die genetische Sequenz der in der Erkennung dieser Pathogene involvierten Rezeptoren<br />
verglichen, um mögliche Zusammenhänge zwischen Funktion und Genotyp zu ermitteln. Alle<br />
Zelltypen, die von BS-Kühen isoliert wurden, produzierten in der Regel mehr ROS verglichen mit<br />
den gleichen Zellen von HF-Kühen. Zudem wurden signifikante Unterschiede hinsichtlich der<br />
RNS-Produktion, sowie der Produktion der Zytokine IL-1, IL-6 und TNF (sogenannte proinflammatorische<br />
Zytokine) ermittelt. Sequenzvergleiche für die Rezeptoren Dectin-1 und TLR2<br />
zeigten deutliche Unterschiede zwischen den Sequenzen beider Rassen in der Region, die für<br />
die Liganden-Bindung zuständig ist. Unsere Daten zeigen zum ersten Mal rassenabhängige<br />
Immunzellantworten, die möglicherweise auf genetischen Unterschieden beruhen. Diese könnten<br />
die bessere Resistenz von BS-Kühen gegenüber Krankheitskeimen erklären.<br />
Inhalt<br />
Viele verschiedene Bakterienarten können bei Rindern Milchdrüsenentzündungen verursachen.<br />
Die Immunantwort des Euters wird als Mastitis bezeichnet. Intramammäre Infektionen bei<br />
Milchkühen können schwerwiegende Folgen für die Milchindustrie haben. Diese Entzündungen<br />
führen zu geringeren Milchleistungen, können tödlich sein und sind für Milchbetriebe mit hohen<br />
Kosten verbunden. Da die aktuellen Antibiotika immer wirkungsloser werden und die Anzahl<br />
Antibiotika-resistenter Bakterien wächst, müssen neue Methoden zur Kontrolle der Mastitis bei<br />
Rindern entwickelt werden. Eine Möglichkeit ist es, auf erhöhte genetische Resistenz zu züchten.<br />
In dieser Hinsicht wurde ein Forschungsprojekt auf die Beine gestellt, um die Pathogenese der<br />
Mastitis, die Entzündungsantwort auf intramammäre Infektionen und die zugrundeliegenden<br />
genetischen Komponenten zu untersuchen. Im letzten Jahrzehnt haben wir unsere Kenntnisse<br />
über die Entzündungsantwort auf Infektionen verbessert, wobei wir sowohl die Immunantwort der<br />
Säugetiere als auch die Immunantwort der Milchdrüse bei Rindern besser verstanden haben.<br />
Ebenso haben Euterbiopsien viel über die Regulation der Gene aufgezeigt, die bei einer<br />
Milchdrüsenentzündung in der Immunantwort des Wirts involviert sind. Diese Untersuchungen<br />
haben uns ermöglicht, die Bedeutung der angeborenen Immunabwehr völlig anzuerkennen,<br />
Session 3 95
Average Lifetime Yield<br />
(kg/Day)<br />
wobei wir die Interaktion zwischen konservierten Pathogen-assoziierten molekularen Strukturen<br />
(PAMP) und PAMP-Rezeptoren auf Wirtszellen besser verstanden haben. C-Typ-Lektine (CTL)<br />
und Toll-like-Rezeptoren (TLR) sind zelluläre Sensoren, die konservierte PAMP erkennen, und<br />
ihre Aktivierung führt zu einer Reihe antibakterieller und proinflammatorischer Antworten.<br />
Im Rahmen der direkten antibakteriellen Abwehrmechanismen besitzen Zellen wie Granulozyten<br />
und Monozyten/Makrophagen aus Blut und Milch die einmalige Fähigkeit, phagozytierte<br />
Bakterien durch die Freisetzung von Sauerstoff- und Stickstoffradikalen abzutöten.<br />
Interessanterweise scheinen einige Komponenten des angeborenen Immunsystems, genetisch<br />
verbunden zu sein. In dieser Hinsicht spielt die vermutete höhere Resistenz von Braunviehkühen<br />
auf bakterielle Infektionserkrankungen eine interessante Rolle. Im Rahmen dieser Studie haben<br />
wir die Produktion von Sauerstoff- und Stickstoffradikalen durch angeborene Immunzellen aus<br />
Milch und Blut bei reinrassigen Braunvieh- und Holstein Friesian-Rindern verglichen.<br />
Material und Methoden<br />
Reinrassige Brown Swiss (BS) und Holstein Friesian (HF) Rinder mit gleichem Alter und gleicher<br />
Laktationsstufe wurden unter den selben Umgebungsbedingungen gehalten. Milchleistung und<br />
Mastitishäufigkeit wurden aufgrund der Produktionsangaben aus normalen Milchkontrollen<br />
verglichen.<br />
Die Zellen wurden wie beschrieben isoliert (Werling et al., 2004; Conejeros et al., 2011) und mit<br />
durch Wärme inaktivierten Hefepartikeln (Zymosan) stimuliert, um CTL zu stimulieren, bzw. mit<br />
durch Wärme inaktivierten grampositiven Bakterien, um TLR2 zu stimulieren (Werling et al.,<br />
2004).<br />
Die Produktion von ROS und RNS wurde wie beschrieben mit fluorimetrischen Assays analysiert.<br />
Ergebnisse und Diskussion<br />
Aus der Analyse der durchschnittlichen lebenslangen Milchleistung und der Zellzahlen gingen<br />
hinsichtlich der Milchleistung keine signifikanten Unterschiede zwischen BS (n=60) und HF<br />
(n=65) Kühen (Abb. 1A) hervor. Die Zellzahlen waren hingegen beim BS signifikant niedriger<br />
(Abb. 1B).<br />
18<br />
17<br />
16<br />
15<br />
14<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Holstein Friesian<br />
Brown Swiss<br />
Abbildung 1A: Durchschnittliche lebenslange<br />
Milchleistung beider Rassen (April <strong>2012</strong>)<br />
Abbildung 1B: Unterschiede in der Anzahl Tiere mit<br />
SCC über 200„000 Zellen/ml Milch bei beiden Rassen<br />
Aus diesen Angaben ist ersichtlich, dass die Milchleistung von BS-Kühen unter den oben<br />
genannten Bedingungen nicht signifikant niedriger als bei HF-Kühen war, die SCC war hingegen<br />
deutlich niedriger.<br />
96<br />
Session 3
Um zu ermitteln, ob diese niedrigere Zellzahl mit einer effizienteren Bakterien-Clearance durch<br />
die angeborenen Immunzellen der BS-Kühe zusammenhing, haben wir die Fähigkeit der von<br />
Monozyten stammenden Makrophagen des peripheren Blutes, ROS (Abb. 2A) und RNS (Abb.<br />
2B) zu produzieren, analysiert.<br />
Abbildung 2A: Die Stimulation mit Listeria<br />
monocytogenes führt zu ROS-Produktion in M aus dem<br />
Blut von BS-, aber nicht von HF-Rindern<br />
Der oxidative Burst wurde in HF- und BS-Tieren<br />
infolge Stimulation mit 20µg ml− L.<br />
monocytogenes untersucht. Die ROS-<br />
Produktionsdaten wurden durch die<br />
Hintergrundfluoreszenz und die ROS-<br />
Produktionsleistung unter Abziehen der für die<br />
negative Kontrolle erhaltenen Ergebnisse<br />
korrigiert. Jede Grafik stellt die Mittelwerte der<br />
Dreifachbestimmungen für jedes Tier dar.<br />
Zweifaktorielle Varianzanalysen (ANOVA) wurden<br />
eingesetzt, um die Ergebnisse zwischen den<br />
Tieren zu vergleichen. Die Unterschiede waren<br />
statistisch signifikant (P
Abbildung 3A: Die Stimulation mit Staphylococcus<br />
aureus führt zu ROS-Produktion in M aus der Milch<br />
von BS-, aber nicht von HF-Kühen<br />
Abbildung 3B: RNS-Produktion durch M aus der<br />
Milch von HF- und BS-Rindern auf Stimulation mit<br />
Bakterien und Pilzkeimen<br />
Die Zellen wurden wie beschrieben generiert und<br />
im angegebenen Zeitraum mit durch Wärme<br />
inaktivierten L.monocytogenes inkubiert. Die<br />
ROS-Produktion wurde durch die Analyse der<br />
Fluoreszenz-Farbstoffentwicklung überwacht.<br />
Die Sternchen bedeuten Signifikanz (***<br />
P
Notizen<br />
Notizen 99
100<br />
Notizen
101