05.11.2013 Aufrufe

1/13 PDF - Fromyprint

1/13 PDF - Fromyprint

1/13 PDF - Fromyprint

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Gewerbe<br />

josef fries, kapitän<br />

Josef Fries, ehemaliges Gewerbevereinsmitglied,<br />

kann ein seltenes Jubiläum<br />

feiern: Seit 50 Jahren steuert er<br />

als Kapitän das Kursschiff auf dem Ägerisee.<br />

Wie ein Hurlibus!<br />

Das Panorama, das sich am Ägerisee bei<br />

schönem Wetter präsentiert, ist herrlich<br />

– früher, als noch Feriengrüsse verschickt<br />

wurden, hätte man wohl von einer Postkartenidylle<br />

gesprochen. Am heutigen Tag gibt<br />

die Aussicht allerdings nicht viel her. Der<br />

Himmel ist verhangen, die Hügellandschaft<br />

schimmert grau, immer wieder giesst es wie<br />

aus Kübeln. Kein Mensch unternimmt jetzt<br />

auf der stolzen, <strong>13</strong>0 Plätze bietenden MS<br />

Ägerisee eine Vergnügungsfahrt.<br />

Kapitän Josef Fries legt dennoch pünktlich<br />

um <strong>13</strong>.15 Uhr mit Matrose und Gastroverantwortlicher<br />

von der Anlegestelle in<br />

Unterägeri ab. Ein leeres Schiff kann doch<br />

einen echten Seemann nicht erschüttern!<br />

Vor allem einen, der schon so viel erlebt<br />

hat. Seit genau 50 Jahren ist Josef Fries<br />

Kapitän auf dem Ägerisee. Es gibt im Binnenland<br />

Schweiz wohl nicht viele, die auf<br />

eine ähnlich lange Laufbahn am Steuerrad<br />

– beziehungsweise heute am Steuer-<br />

Joystick – zurückblicken können. Doch<br />

der Jubilar stapelt tief: «Ich bin nur ein<br />

Hobby-Kapitän!» Denn für Vollprofis ist auf<br />

dem Ägerisee kein Auskommen; die drei<br />

Schiffe der Flotte, die heute von der Zugersee<br />

Schiffahrt betrieben wird, fahren zwar<br />

täglich mehrere Kurse und werden ständig<br />

für Hochzeiten und ähnliche Anlässe<br />

gebucht, doch die Steuerarbeit teilen sich<br />

mehrere «Freizeitkapitäne» untereinander<br />

auf. Hauptberuflich war Josef Fries Glasmaler<br />

– und noch heute, mit 70 Jahren, geht<br />

er gelegentlich der Glasmalerei nach. «Eine<br />

Karriere als Berufskapitän kam für mich nie<br />

in Frage», sagt er, «die Glasmalerei wollte<br />

ich nie aufgeben.»<br />

Und doch gehört seine ganz grosse Leidenschaft<br />

dem Wasser. Das kann eigentlich<br />

nicht erstaunen, denn er ist am Ufer<br />

des Ägerisees aufgewachsen. «Dort drüben<br />

stand unser Haus», erzählt er, während er<br />

die MS Ägerisee mit der gelassenen Konzentration<br />

eines Könners auf den See hinaus<br />

steuert. «Von meinem Bett aus sah ich<br />

als Bube den See – und konnte zum Beispiel<br />

immer beobachten, wie im Frühling<br />

die Fische kamen. Es zog mich stets hinunter<br />

zum Wasser.» Ein Nachbargebäude<br />

wurde von Leuten aus Baden als Ferienhaus<br />

genutzt. Reisten sie am Wochenende<br />

nach Unterägeri, riefen sie vorher an und<br />

baten Josef Fries, bei der Bootsvermietung<br />

ein Schiffchen für sie zu holen. «Nach der<br />

Schule ging ich dann zur Vermietung und<br />

ruderte mit dem Boot nach Hause.»<br />

Spätestens da erwischte Josef Fries das<br />

Kapitäns-Virus. «Auf dem Wasser fühle<br />

ich mich daheim. Als Bube bin ich viel<br />

geschwommen, aber weil das Wasser bei<br />

uns oben eher kalt ist, bekam ich im Wasser<br />

oft den Krampf. Deshalb stieg ich auf die<br />

Schifffahrt um.» Er nutzte zum Beispiel ein<br />

Paddelboot, das jemand bei der Familie eingestellt<br />

hatte, und ging damit Fischen. Und<br />

mit elf Jahren baute er ein Ölfass zu einem<br />

Boot um. Die Zeiten waren andere, ein Bube<br />

wurde bei solch waghalsigen Unternehmen<br />

noch kaum von Eltern oder Gesetz eingeschränkt.<br />

«Ich baute einen Holzrahmen mit<br />

vier Schwimmern – das waren Kanister, die<br />

ich im Abfall gefunden hatte», erinnert er<br />

sich. Und ergänzt sofort: «Schnell vorwärts<br />

kam ich damit allerdings nicht.»<br />

Als Gegenleistung für seine Hilfe beim Holzen<br />

bekam Josef Fries etwas später ein altes<br />

Fischerboot geschenkt, das er selber überholte.<br />

Dann konnte er etwas Geld sparen<br />

– und mit 20 Jahren kaufte er sich endlich<br />

ein grosses Boot. Das war dann auch der<br />

Startschuss zur regulären Kapitänskarriere.<br />

Gekauft hatte Josef Fries sein Schiff nämlich<br />

beim damaligen Betreiber der Ägerisee-<br />

Kursschiffe. Dieser fürchtete nun, der junge<br />

Mann werde ihm Konkurrenz machen, und<br />

stellte ihn deshalb kurzerhand selber als<br />

Kapitän an. Am 24. Juli 1962 bestand Josef<br />

Fries die Prüfung für Motorboote – und war<br />

damit Kapitän.<br />

Nach ein paar Jahren legte er zwar eine<br />

Schifffahrts-Pause ein, weil er eine Familie<br />

gegründet hatte, mittlerweile ist er aber seit<br />

fünf Jahrzehnten auf dem Ägerisee aktiv –<br />

dabei verzeichnete er keinen einzigen Unfall<br />

oder Schaden. Die Schiffe wurden grösser,<br />

die Technik moderner, der See blieb aber<br />

immer derselbe. Ist es ihm nie langweilig<br />

geworden, hier seine Runden zu drehen?<br />

Mit der Zeit sei ihm der Äegerisee mit seinen<br />

7,3 Quadratkilometern schon ein bisschen<br />

klein geworden. «Es wird einem ja<br />

schlecht, wenn man immer so rundherum<br />

fahren muss wie ein Hurrlibus», witzelt er.<br />

Deshalb begab sich Josef Fries auch noch<br />

auf andere Seen. Mit 59 Jahren absolvierte<br />

er die Kapitäns-Prüfung auf dem Sihlsee,<br />

mit 60 jene auf dem Zürichsee, auf dem er<br />

dann auch eine Saison lang Extrakurse steuerte.<br />

«Ich war einfach so angefressen von<br />

den Schiffen», erklärt er, «und ich kam auf<br />

dem Ägerisee nach meinem Geschmack zu<br />

wenig zum Fahren. Ich hatte einfach einen<br />

Vogel mit dieser Sache!» Bis heute geht er<br />

auch gern und regelmässig als Passagier an<br />

Bord: «Ich war im letzten Jahr schon auf 14<br />

Seen und auf drei Kreuzfahrten.»<br />

Hat Josef Fries nach so vielen Jahren noch<br />

einen Traum im Zusammenhang mit seiner<br />

Kapitänswürde? «Gern würde ich jetzt auch<br />

einmal auf einem grossen Kreuzfahrtschiff<br />

die Brücke besuchen und mich mit dem<br />

Kapitän austauschen», sagt er sofort. «Selber<br />

steuern will ich einen solchen Koloss<br />

nicht – das könnte ich unmöglich. Aber ich<br />

schaue gern anderen beim Manövrieren<br />

zu.» Kapitäne haben ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl,<br />

und sie empfangen<br />

einander oft auf der Brücke. Die Chance,<br />

dass sich Josef Fries' Wunsch erfüllt, ist also<br />

durchaus intakt – denn welcher Kollege will<br />

nicht einen so erfahrenen Kapitän kennen<br />

lernen!<br />

Bericht: Marius Leutenegger<br />

4 Ägeritaler I / 20<strong>13</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!