das Biber - November 2013
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20 MIT SCHARF<br />
MEINUNGSMACHE<br />
MELISA<br />
STOPPT DAS<br />
LEHRERBASHING<br />
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nichts über uns<br />
LehrerInnen in der Zeitung steht – immer wird mit<br />
einem abwertenden Unterton über die „faulen“<br />
Lehrer und Lehrerinnen berichtet, die immer nur<br />
meckern. Als wäre <strong>das</strong> nicht genug, möchte mir<br />
auch noch die ganze Welt erklären, wie mein Job<br />
funktioniert. JournalistInnen, PolitikerInnen, mein<br />
Vater, meine Freundin Claudia und kürzlich sogar<br />
Nachbarin Maier: Sie meinen zu wissen, wie wenig<br />
sich Lehrer und Lehrerinnen vorbereiten, sie<br />
entscheiden darüber, wie viel ihre Arbeit wert ist<br />
und <strong>das</strong>s man ihnen die vielen Ferien streichen<br />
sollte. Allesamt sind sich sicher, den LehrerInnen<br />
würde es zu gut gehen. „Was ist bitte so schwer<br />
daran, Jugendlichen etwas beizubringen?“<br />
GEDICHTE FÜR PUBERTIERENDE<br />
Diese Leute sind noch nie vor einer Schulklasse<br />
gestanden. Sie haben noch nie eine 12-Jährige<br />
benotet, mit dem Wissen, damit eine kleine Welt<br />
zerstören zu können. Sie haben noch nie versucht,<br />
dreißig Pubertierende für Gedichte zu begeistern.<br />
Sie sind noch nie abends im Bett gelegen und<br />
haben überlegt, wieso Tina aus der 4C immer<br />
dünner und dünner wird und wie man <strong>das</strong> am<br />
sensibelsten ansprechen soll. Diese Menschen<br />
haben keine Ahnung davon wie es ist, Tag für<br />
Tag Entertainer, Mentor, Lehrer für <strong>das</strong> härteste<br />
Publikum zu sein: die Kinder und Teenager dieses<br />
Landes. Die, die bereits alles wissen, mit der<br />
ganzen Welt vernetzt sind, sich hunderte Videos<br />
und Apps herunterladen und dabei trotzdem<br />
chronisch gelangweilt sind<br />
HUT AB<br />
Ich ziehe meinen Hut vor allen, die diesen Job<br />
schon jahrelang ausüben, alles geben, mit dem<br />
Wissen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> von den wenigsten honoriert<br />
wird. Lehrer-Sein hört nicht mit dem Verlassen<br />
des Klassenzimmers auf, es ist viel mehr als nur<br />
ein bisschen unterrichten und dann viel Ferien<br />
haben. Was müssen wir Lehrer und Lehrerinnen<br />
noch alles leisten, damit dieses Lehrerbashing ein<br />
Ende nimmt?<br />
Melisa Aljović ist angehende Lehrerin und leitet<br />
den Schüler-biber.<br />
aljovic@<strong>das</strong>biber.at<br />
Der 10. Bezirk ist unsicher. Verkommen.<br />
Verfehlte Ausländerintegration. Martina<br />
Salomon aus der KURIER-Chefredaktion<br />
hat so richtig auf den Putz gehauen. Wer<br />
sich Salomons Ergüsse über den zehnten<br />
Bezirk durchliest, könnte meinen, Favoriten<br />
ist die Bronx ft. Harlem. Es stört<br />
mich, <strong>das</strong>s sich eine Top-Journalistin<br />
<strong>das</strong> Recht herausnimmt, über Zustände<br />
in einem Bezirk zu schreiben, den sie<br />
offenkundig nicht gut genug kennt. Oder<br />
anders gesagt: Ich glaub, ich kenn` mich<br />
besser aus.<br />
Ich habe praktisch meine Kindheit in<br />
Favoriten verbracht und wurde nie angeschossen,<br />
ausgeraubt, gekidnappt oder<br />
zusammengeschlagen. Shoppen, spazieren<br />
und mit Freunden ausgehen verlaufen<br />
problemlos, auch Freunde OHNE Migrationshintergrund<br />
leben hier und meckern<br />
nicht rum. Selbst nachts kann man sich<br />
ruhig auf die Straße trauen.<br />
Am falschen Ort zur falschen Zeit zu sein<br />
kann jedem passieren - überall in Wien.<br />
Wenn ich im Kurpark Oberlaa die Natur<br />
und Ruhe genießen möchte, dann sind<br />
Kindergelächter und Hundegebell die<br />
einzigen Lärmquellen. Nix da von Ghettoähnlichen<br />
Zuständen. Mafia haben wir<br />
auch keine, aber falls Interesse besteht,<br />
kann ja Frau Salomon eine gründen.<br />
Serbien ist mit über 19 Milliarden Euro verschuldet<br />
und steht vor dem Staatsbankrott.<br />
Abhilfe soll der neue Finanzminister Lazar<br />
Krstić schaffen. Gar nicht so abwegig, denn<br />
Krstić ist ein Wunderkind, Yale-Absolvent,<br />
Ex-Mitarbeiter von McKinsey, aber – festhalten<br />
– erst 29.<br />
In typischer Jugo-Manier zweifeln viele daran,<br />
ob er es packt, Serbien vor dem Bankrott<br />
zu bewahren.<br />
Grund der Zweifel: Er ist zu jung und bekanntlich<br />
sind ja nur ältere Menschen, am<br />
NOUR<br />
„WIR AUS DEM<br />
FAVORITNER GETTO“<br />
Dass Favoriten nicht die Innere Stadt<br />
ist, darüber sind wir uns alle einig. Der<br />
zehnte Bezirk ist kein heiler Graben. Aber<br />
ist eine Fußgängerzone verkommen, weil<br />
man dort Chanel und Armani vergeblich<br />
sucht? Und ist ein Bezirk ein Problem,<br />
nur weil dort überwiegend Arbeiter und<br />
Migranten und deren Familien leben?<br />
Ja, in Favoriten werden laut Statistik die<br />
meisten Anzeigen getätigt. Dabei handelt<br />
es sich in der Regel aber nicht um Mord<br />
und Totschlag, sondern öfter um Lärmbelästigung<br />
und Sachschäden. Hierfür leisten<br />
übrigens „euphorische“ Fußballfans<br />
auch ihren Beitrag, die aus ganz Wien zu<br />
den Austria-Spielen ins Franz-Horr-Stadion<br />
strömen.<br />
Natürlich: Auch Ärgeres passiert leider.<br />
Erst kürzlich stürmten rechtsradikale<br />
Fußball-Hooligans ein Migrantenlokal.<br />
Vielleicht war dieser misslungene Kommentar<br />
nur ein verzweifelter Hilfeschrei<br />
nach Integration. Ich zeige Ihnen gerne<br />
<strong>das</strong> wahre Gesicht von Favoriten, Frau<br />
Salomon!<br />
Nour Khelifi ist Stipendiatin der biber-<br />
Akademie<br />
khelifi@<strong>das</strong>biber.at<br />
JELENA<br />
SERBIEN: KRSTIĆ KANN<br />
NICHTS VERSEMMELN<br />
besten Männer, weise und kompetent. Meine<br />
Unterstützung hat er trotzdem. Hohes<br />
Alter ist keineswegs eine Garantie für Kompetenz<br />
und außerdem ist er 29 und nicht<br />
12. Seine Vorgänger waren alle um einiges<br />
älter, dafür um nichts klüger und haben es<br />
verbockt. Und mal ganz ehrlich, was könnte<br />
er in Serbien noch großartig versemmeln?<br />
Jelena Pantić ist biber-Mitarbeiterin<br />
pantic@<strong>das</strong>biber.at<br />
Marko Mestrovic, Tina Herzl, Philipp Tomsich