Erfolgshonorare für Rechtsanwälte - Lehrstuhl für Human Resource ...
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<strong>Erfolgshonorare</strong> <strong>für</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong>, Konsumentenschutz und<br />
Vertragsfreiheit<br />
Stellungnahme<br />
• zum Verbot der Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n gemäß § 49 b Abs. 2 Satz 1 BRAO,<br />
sowie<br />
• zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 2006 - 1 BvR 2576/04,<br />
sowie<br />
• zur Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV) zum Gesetzesvorhaben des<br />
Bundesministeriums der Justiz <strong>für</strong> eine Änderung des strikten Verbots der Vereinbarung<br />
eines Erfolgshonorars vom August 2007 (abrufbar unter<br />
http://www.anwaltverein.de/03/05/index.html)<br />
Von<br />
Prof. Dr. Stefan Winter<br />
Tel. 0234-32 28337<br />
E-Mail: Stefan.winter@rub.de<br />
Dipl.-Ök. Hin-Yue Benny Tang<br />
Tel. 0234- 32 27638<br />
E-Mail: Hin-Yue.Tang@rub.de<br />
Dipl.-Kfm. Christian Schwab<br />
Tel. 0234-32 25338<br />
E-Mail: Christian.Schwab@rub.de<br />
<strong>Lehrstuhl</strong> <strong>für</strong> <strong>Human</strong> <strong>Resource</strong> Management<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
Universitätsstraße 150<br />
44780 Bochum<br />
Diese Stellungnahme ist auch abrufbar unter der URL: www.rub.de/hrm/erfolgshonorare.html<br />
Bochum, 28. August 2007
Grundthesen<br />
Das Verbot von <strong>Erfolgshonorare</strong>n führte in der Vergangenheit zu einer massiven<br />
Schädigung von <strong>Rechtsanwälte</strong>n und Mandanten.<br />
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts weist den Gesetzgeber an, zumindest<br />
Ausnahmetatbestände vom Verbot zu definieren oder aber das Verbot von<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong>n komplett aufzuheben. Lediglich die vollständige Aufhebung<br />
des Verbots führt zu ökonomisch und gesellschaftlich akzeptablen Ergebnissen<br />
<strong>für</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> und Mandanten.<br />
Der Regelungsvorschlag des DAV ist nicht zielführend. Die im<br />
Regelungsvorschlag zu findenden betriebswirtschaftlichen Analysen sind<br />
teilweise unvollständig, teilweise sogar objektiv falsch.<br />
Das Verbot berührt nicht nur berufsständische Interessen, sondern es verletzt in<br />
eklatanter Weise Verbraucherinteressen von Rechtsuchenden in Deutschland.<br />
Die möglichen Probleme, die aus der Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n<br />
resultieren könnten, sind mit einfachen, rechtssicheren regulatorischen<br />
Maßnahmen leicht beherrschbar.<br />
2
Gliederung<br />
I Einleitung ................................................................................................................................ 4<br />
II Funktionen von <strong>Erfolgshonorare</strong>n und Verbraucherinteressen ..................................... 5<br />
1 Die Anreizfunktion .......................................................................................................... 5<br />
2 Die Versicherungsfunktion ............................................................................................. 8<br />
3 Die Garantiefunktion .................................................................................................... 12<br />
III Gegenstandswertbezogene Honorierung nach RVG ..................................................... 16<br />
IV Regelungsvorschlag des DAV .......................................................................................... 18<br />
V Eigener Regelungsvorschlag .............................................................................................. 26<br />
VI Fazit .................................................................................................................................... 27<br />
Anhang I ......................................................................................................................................<br />
Anhang II ....................................................................................................................................<br />
Anhang III ...................................................................................................................................<br />
3
I Einleitung<br />
In der Betriebswirtschaftslehre wird die Wirkungsweise von <strong>Erfolgshonorare</strong>n seit etwa 40<br />
Jahren intensiv untersucht. Während zunächst Fragen der erfolgsorientierten Honorierung von<br />
angestellten Geschäftsführern und Vorständen im Vordergrund des Interesses standen, sind<br />
anschließend auch viele alternative Anwendungen theoretisch und empirisch untersucht<br />
worden. Seit etwa 30 Jahren wird auch die erfolgsorientierte Vergütung speziell <strong>für</strong><br />
<strong>Rechtsanwälte</strong> intensiv diskutiert. Die Anzahl der betriebswirtschaftlichen Fachaufsätze zu<br />
diesem Thema, insbesondere im angelsächsischen Sprachraum, geht inzwischen in die<br />
Hunderte. Sowohl der theoretische als auch der empirische Kanon dieser Untersuchungen ist<br />
eindeutig: Das Erfolgshonorar ist die beste denkbare Honorarform <strong>für</strong> einen Großteil der<br />
Mandate von <strong>Rechtsanwälte</strong>n. Die gelegentlich aufgetretenen Probleme sind mit relativ<br />
einfachen regulatorischen Maßnahmen zu beheben. Die Furcht vor „Amerikanischen<br />
Verhältnissen“ beruht im Wesentlichen auf Unkenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten auf<br />
dem US-amerikanischen Rechtsmarkt und auf Unkenntnis der aus Sicht von Anwalt und<br />
Mandant wünschenswerten Funktionen von <strong>Erfolgshonorare</strong>n.<br />
Aus diesem Grund sollen diese Funktionen im folgenden Abschnitt II erläutert werden. Um<br />
den Rahmen dieser Stellungnahme nicht zu sprengen, erfolgt eine Beschränkung auf die drei<br />
wichtigsten Funktionen von <strong>Erfolgshonorare</strong>n. Im Anschluss wird in Abschnitt III erläutert,<br />
dass eine gegenstandswertbezogene Honorierung nach RVG keine der genannten Funktionen<br />
befriedigend erfüllen kann. Im Abschnitt IV wird dann der Regelungsvorschlag des DAV<br />
mittels der vorangehend entwickelten Argumente einer genaueren Analyse unterzogen.<br />
Abschnitt V enthält einen eigenen Regelungsvorschlag. Abschnitt VI schließt mit einem Fazit.<br />
Der Stellungnahme sind drei Anhänge beigefügt. Anhang I stellt die Anreizfunktion von<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong>n detaillierter dar. Anhang II enthält einen noch unveröffentlichten<br />
Fachaufsatz zur Versicherungsfunktion von <strong>Erfolgshonorare</strong>n. Anhang III enthält schließlich<br />
einen ebenfalls noch unveröffentlichten Fachaufsatz, der sich mit der vom Verfassungsgericht<br />
aufgeworfenen Frage befasst, ob ein Verbot von <strong>Erfolgshonorare</strong>n der Aufrechterhaltung der<br />
prozessualen Waffengleichheit diene.<br />
4
II Funktionen von <strong>Erfolgshonorare</strong>n und Verbraucherinteressen<br />
1 Die Anreizfunktion<br />
Die betriebswirtschaftliche Forschung hat im Laufe der Zeit eine Reihe von Kriterien<br />
entwickelt, mit denen man prüfen kann, welche Honorar- bzw. Vergütungsform in einer<br />
gegebenen Beauftragungssituation optimal ist.<br />
Das erste Kriterium bezieht sich auf den Grad der relativen Informiertheit des Auftraggebers.<br />
Wenn der Auftraggeber die notwendigen Arbeitsschritte kennt und selbst beurteilen kann, ob<br />
diese Arbeitsschritte adäquat ausgeführt wurden, dann kann man auf erfolgsabhängige<br />
Vergütungen verzichten. Stattdessen kann man die Vergütung an die pflichtgemäße Erfüllung<br />
der Aufgaben selbst, d.h. an die Leistung koppeln. Zwar muss ein Erfolgshonorar in diesem<br />
Fall nicht schlecht oder schädlich sein, man könnte den gewünschten Anreizeffekt aber eben<br />
auch erreichen, indem man auf die Leistungsseite und nicht auf die Ergebnisseite abstellt.<br />
Ganz anders stellt sich der Sachverhalt hingegen dar, wenn der Auftraggeber entweder die<br />
Angemessenheit der Arbeitsschritte nicht beurteilen kann und/oder er die Angemessenheit<br />
zwar prinzipiell beurteilen könnte, er die tatsächlich erbrachten Leistungen aber faktisch nicht<br />
überwachen bzw. nachvollziehen kann. In diesem Fall scheidet eine Vergütung der tatsächlich<br />
erbrachten Leistungen deshalb aus, eben weil diese nicht nachprüfbar und damit vertraglich<br />
vereinbar sind. Hieraus folgt <strong>für</strong> den gesamten Bereich professionalisierter Dienstleistungen,<br />
dass <strong>Erfolgshonorare</strong> zweckmäßig erscheinen. Dies gilt ohne Berücksichtigung weiterer<br />
Kriterien <strong>für</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> genauso wie z.B. <strong>für</strong> Ärzte. In beiden Fällen sind die Mandanten<br />
bzw. Patienten in aller Regel nicht in der Lage zu beurteilen, ob die Dienstleistungen, die sie<br />
erhalten, adäquat sind, aus ihrer Sicht also wirklich eine „Leistung“ darstellen. Es bleibt also<br />
festzuhalten, dass das Kriterium der Informiertheit der Mandanten eines Anwalts <strong>für</strong> einen<br />
Anreiz mittels Erfolgshonorar spricht.<br />
Das nächste Kriterium betrifft die Frage der Messbarkeit und Eindeutigkeit des Erfolges. Um<br />
ein Erfolgshonorar vereinbaren zu können, muss vertraglich ein Erfolgsmaß vereinbart<br />
werden können, welches eindeutig und objektiv beurteilbar ist. Ferner muss auch feststehen,<br />
zu welchem Zeitpunkt die Erfolgsbeurteilung vorzunehmen ist. Wenn diese Bedingungen<br />
erfüllt sind, so spricht das allerdings noch nicht per se <strong>für</strong> ein Erfolgshonorar. Sind die<br />
Bedingungen allerdings verletzt, so muss von einem Erfolgshonorar ohnehin Abstand<br />
5
genommen werden. Für denjenigen Bereich der anwaltlichen Tätigkeit, bei dem es um den<br />
Streit um wirtschaftlich einfach bewertbare Vermögenswerte geht, dürften die Bedingungen<br />
der Messbarkeit und Eindeutigkeit gegeben sein. Dieser Bereich ist einer Erfolgshonorierung<br />
also unmittelbar zugänglich. Auch der Zeitpunkt der Erfolgsmessung kann üblicherweise<br />
sinnvoll bestimmt werden, indem der Erfolg bei Vergleich oder gerichtlicher Entscheidung<br />
zugrunde gelegt wird. Prinzipiell käme das Erfolgshonorar sogar dann in Frage, wenn der<br />
Erfolg nicht ohne weiteres finanziell bemessen werden könnte. So könnte man selbst in<br />
Strafverfahren z.B. die Anzahl vermiedener Jahre im Gefängnis als Erfolgsmaß definieren.<br />
Ein internationaler Vergleich zeigt jedoch, dass in Rechtsstreitigkeiten, die nicht auf einen<br />
finanziellen Ausgleich gerichtet sind, Erfolgsklauseln nicht oder nur sehr sporadisch zu finden<br />
sind.<br />
Anders zu beurteilen ist dagegen der Bereich der gestaltenden Beratung oder Begutachtung.<br />
Hier wird man in der Regel kaum einen adäquaten Erfolgsmaßstab finden, weshalb es hier<br />
aller Voraussicht nach bei Stundensätzen oder Pauschalhonoraren bleiben wird.<br />
Das Kriterium der Messbarkeit ist denn auch das zentrale Argument zur Unterscheidung von<br />
anwaltlichen und z.B. ärztlichen Dienstleistungen. Zwar wäre prinzipiell auch denkbar, die<br />
Vergütung von Ärzten an den Behandlungserfolg zu koppeln. Hierbei besteht allerdings die<br />
Gefahr, dass Patienten geneigt sein könnten, ihren Gesundheitszustand nach Behandlung<br />
schlechter darzustellen als er ist, um dadurch die ansonsten fälligen Honorare zu sparen.<br />
Es bleibt damit festzuhalten, dass das Kriterium der Messbarkeit in Angelegenheiten des<br />
finanziellen Ausgleichs in der Regel erfüllt sein wird. Dies spricht ebenfalls da<strong>für</strong>,<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong> als zweckmäßiges Anreizinstrument zu beurteilen.<br />
Ein weiteres Kriterium ist das der Dauerhaftigkeit von Vertragsbeziehungen. Sind Verträge<br />
auf Dauer angelegt, so dass die Vertragsparteien wissen oder annehmen dürfen, dass sie<br />
wiederholt miteinander zu tun haben werden, so ist die Notwendigkeit direkter finanzieller<br />
Anreize vergleichsweise gering. Dies folgt daraus, dass bei wiederholter Interaktion in der<br />
Regel beide Seiten ein starkes Interesse daran haben, die fortgesetzte Zusammenarbeit nicht<br />
durch schlechte Leistungen zu gefährden. Das Interesse, die eigene Reputation zu erhalten,<br />
wird hier in der Regel ein hohes Leistungsniveau sichern. Anders stellt sich der Sachverhalt<br />
wiederum bei einmaliger Interaktion dar. In diesem Fall spielt die direkte Reputation<br />
gegenüber dem Vertragspartner keine Rolle. Zwar existiert ein indirekter Effekt, indem z.B.<br />
Mandanten im Bekanntenkreis über ihre Erfahrungen mit einem Anwalt berichten. Es ist aber<br />
nicht anzunehmen, dass in diesem Fall der Effekt einer als mangelhaft bewerteten Leistung<br />
6
ebenso groß wäre wie bei direkter, wiederholter Interaktion. Reputationsverluste aus<br />
mangelhafter Leistung sind im indirekten Fall geringer, ebenso wie Reputationsgewinne bei<br />
ausgezeichneten Leistungen. Dies spricht da<strong>für</strong>, bei einmaligen Interaktionen eher direkte<br />
finanzielle Anreize zu nutzen als bei wiederholter Interaktion. Für den Bereich der<br />
anwaltlichen Vertretung lässt sich somit folgern, dass im Bereich der privaten Mandanten<br />
häufig von einmaliger Interaktion ausgegangen werden kann und daher <strong>Erfolgshonorare</strong><br />
zweckmäßig erscheinen. Bei der Beratung und Vertretung von Unternehmen kommt es<br />
hingegen häufiger zu einer wiederholten Zusammenarbeit. In diesem Fall sind direkte<br />
finanzielle Anreize in Form eines Erfolgshonorars weniger notwendig. Dieses Ergebnis<br />
spiegelt sich auch in empirischen Untersuchungen zur Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n in<br />
den USA wider: Verträge zwischen Unternehmen und Kanzleien sind in der Regel nicht<br />
erfolgsabhängig, Verträge zwischen Privatpersonen und Kanzleien hingegen sind es.<br />
Als letztes Kriterium soll an dieser Stelle noch auf die Verteilung von wirtschaftlichen<br />
Risiken zwischen Anwalt und Mandant verwiesen werden. Eine Vertiefung erfolgt im<br />
nächsten Abschnitt und in Anhang II. Es sei nur vorweggenommen, dass Überlegungen zur<br />
Risikoverteilung in Vertragsbeziehungen ebenfalls im Normalfall <strong>für</strong> die Vereinbarung eines<br />
Erfolgshonorars sprechen.<br />
Als Zwischenfazit bleibt festzuhalten, dass die ökonomischen Kriterien zum Einsatz direkter<br />
finanzieller Anreize eindeutig <strong>für</strong> die Nutzung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n durch <strong>Rechtsanwälte</strong><br />
sprechen. Zeit und Pauschalhonorare sind dem Erfolgshonorar aus Sicht des Mandanten<br />
deutlich unterlegen. Beim Zeithonorar bestehen aus Mandantensicht die oben angesprochenen<br />
Probleme. So kann der Mandant häufig nicht nachprüfen, ob die Dinge, die der Anwalt<br />
unternimmt, wirklich alle notwendig und zielführend sind. Damit besteht aus Mandantensicht<br />
die Gefahr, Leistungen bezahlen zu müssen, die nicht in seinem Interesse gelegen haben.<br />
Ferner besteht beim Zeithonorar <strong>für</strong> den Mandanten die Gefahr, dass Zeiten abgerechnet<br />
werden, die der Anwalt faktisch gar nicht an dem Fall gearbeitet hat. Bei Vereinbarung eines<br />
Erfolgshonorars bestehen beide Gefahren nicht. Da der Anwalt sein Honorar nur im<br />
Erfolgsfall bekommt, hat er keinerlei Anreize, Dinge zu tun, die nicht zielführend sind. Aus<br />
Mandantensicht schafft das Erfolgshonorar damit bessere Anreize als das Zeithonorar.<br />
Gleichzeitig entfällt <strong>für</strong> den Anwalt auch die Möglichkeit -und damit die Versuchung- Zeiten<br />
abzurechnen, in denen nicht an dem Fall gearbeitet wurde. Das bietet dem Mandanten die<br />
7
Gewähr da<strong>für</strong>, dass er nur tatsächlich erbrachte Leistungen bezahlen muss. Es kann daher<br />
gefolgert werden, dass das Erfolgshonorar die besseren Anreize bietet.<br />
Zu beachten ist allerdings, dass es natürlich verschiedene denkbare Formen von<br />
Erfolgshonorarvereinbarungen gibt. Die einfache quota litis gehört dabei zu den schlechteren<br />
Varianten (Siehe Anhang I). Noch fataler aus Mandantensicht wären natürlich<br />
„<strong>Erfolgshonorare</strong>“, die im Fall der Niederlage die derzeitigen Honorarsätze nach RVG<br />
einfach fortschreiben und im Gewinnfall einfach noch einen Aufschlag „draufsatteln“.<br />
2 Die Versicherungsfunktion<br />
Durch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars wird jedoch nicht nur die Anreizgestaltung<br />
(positiv) beeinflusst, sondern auch die Risikoaufteilung zwischen Anwalt und Mandant<br />
verändert. Geht man von einer Honorierung auf Basis des derzeitigen RVG auf ein<br />
Erfolgshonorar über, so wird ein Teil des Erfolgsrisikos vom Mandanten auf den Anwalt<br />
übertragen. Diese Risikoübertragung hat zur Folge, dass der Anwalt eine<br />
Versicherungsfunktion <strong>für</strong> seinen Mandanten wahrnimmt – erfolgsbasierte<br />
Honorarvereinbarungen daher von ihrem ökonomischen Charakter her teilweise als<br />
Versicherungsverträge zwischen Anwalt und Mandant interpretiert werden können.<br />
Unbeschadet der Frage, ob tatsächlich eine explizit als „Versicherungsvertrag“ bezeichnete<br />
Vereinbarung schriftlich fixiert wurde, kann grundsätzlich immer dann von einer<br />
Versicherung gesprochen werden, wenn eine Vertragspartei ein finanzielles Risiko einer<br />
anderen Vertragspartei übernimmt. Mit anderen Worten besteht die ökonomische Funktion<br />
von Versicherungen darin, zufallsabhängige zukünftige Vermögensschwankungen des<br />
Versicherungsnehmers zu reduzieren. Wird nun ein verlorener Rechtsstreit aus Sicht eines<br />
Mandanten als reiner Vermögensschaden betrachtet, kann dieser bei einer rein<br />
erfolgsbasierten Vergütung des Anwalts auf die Höhe der Gerichtskosten, der zu erstattenden<br />
Anwaltskosten der Gegenseite und der sonstigen Kosten, mit denen der Prozessverlierer ggf.<br />
noch konfrontiert wird, reduziert werden. Das Vermögen des Mandanten ist im Falle eines<br />
verlorenen Prozesses folglich höher, wenn er seinen Anwalt auf Erfolgsbasis statt auf Basis<br />
der fixen, in jedem Falle zu zahlenden RVG-Gebühr vergütet. Schließt man die Möglichkeit<br />
eines massiv irrationalen Verhaltens bei der anwaltlichen Honorarkalkulation aus, wird<br />
umgekehrt im Falle eines erfolgreichen Prozessausgangs die an den eigenen Anwalt zu<br />
8
zahlende Vergütung höher ausfallen als bei der gegenwärtigen Honorierung gemäß RVG.<br />
Folgerichtig wird das Vermögen des Mandanten im Erfolgsfall bei erfolgsbasierten<br />
Vergütungsformen niedriger ausfallen als bei der derzeit gängigen erfolgsunabhängigen<br />
Anwaltsvergütung. Im Vergleich zur Honorierung auf Basis des RVG verringert sich durch<br />
die erfolgsbasierte Honorarabrede also insgesamt die Vermögensschwankung des Mandanten,<br />
da ihm einerseits im Erfolgsfall nach Zahlung des gegenüber dem RVG erhöhten<br />
Erfolgshonorars ein geringeres Vermögen verbleibt, er aber andererseits im Verlustfall durch<br />
den Wegfall der Honorarforderung des eigenen Anwalts eine geringere Vermögenseinbuße in<br />
Kauf nehmen muss.<br />
Die ökonomischen Konsequenzen der Risikoverlagerung bei <strong>Erfolgshonorare</strong>n<br />
korrespondieren nun exakt mit denjenigen aus allgemeinen Versicherungsgeschäften. Wird<br />
eine Versicherung abgeschlossen, so ist das Vermögen des Versicherten im Falle des<br />
Nichtschadenseintritts in Höhe der Versicherungsprämie geringer als ohne Abschluss der<br />
Versicherung. Im Schadensfall hingegen liegt das Vermögen nach Abschluss der<br />
Versicherung um die Versicherungsleistung abzüglich der Prämienzahlung über dem<br />
Vermögenswert, der sich ohne Versicherung ergibt. Die Vermögensschwankung, d.h. die<br />
Differenz zwischen dem Vermögen im besten Fall (kein Schaden) und dem Vermögen im<br />
ungünstigsten Fall (Schadensfall), wird also analog zur Vereinbarung eines Erfolgshonorars<br />
durch den (hier expliziten) Abschluss einer Versicherung verringert. Mit dem Abschluss eines<br />
Versicherungsvertrages verzichtet ein Versicherter folglich freiwillig – sieht man von den<br />
gesetzlichen Pflichtversicherungen wie etwa der KFZ-Haftpflichtversicherung ab – auf einen<br />
Teil seines Vermögens, um bei Eintritt eines <strong>für</strong> ihn finanziell ungünstigen (und durch ihn<br />
selbst nicht beeinflussbaren) Umweltzustandes den resultierenden Vermögensschaden zu<br />
begrenzen. Die Begrenzung eines möglichen Vermögensschadens stellt damit offensichtlich<br />
aus Sicht eines Versicherungsnehmers eine nutzenbringende Dienstleistung dar, <strong>für</strong> deren<br />
Erwerb er im Gegenzug eine gewisse Zahlungsbereitschaft aufweist.<br />
Da die Vereinbarung eines Erfolgshonorars aus Sicht des Mandanten ebenfalls eine<br />
Versicherungskomponente enthält, ergibt sich daraus, dass der Anwalt nunmehr eine<br />
Versicherungsfunktion übernimmt, er also neben seiner Rechtsberatungstätigkeit auch als<br />
Versicherer auftritt. Die erfolgsbasierte Anwaltsvergütung erhöht dementsprechend den Wert<br />
der anwaltlichen Dienstleistung <strong>für</strong> den Mandanten über die „bloße“ Rechtsberatungsleistung<br />
hinaus. Der Mehrwert der angebotenen Dienstleistung wird sich zwangsläufig in im Vergleich<br />
zum status quo gestiegenen Honorarforderungen widerspiegeln. Auch Versicherungen können<br />
ihre Leistungen schließlich nicht zum Nulltarif anbieten.<br />
9
Die in der Stellungnahme des DAV geäußerte Prognose, dass <strong>Erfolgshonorare</strong> den Preis <strong>für</strong><br />
anwaltliche Dienstleistungen gegenüber den bisherigen Maßstäben erhöhen werden, ist daher<br />
prinzipiell durchaus zutreffend. 1 Die Qualifizierung der zu erwartenden Preiserhöhung als<br />
reine Verteuerung ist ökonomisch aber schlicht falsch. So übersieht die Argumentation, dass<br />
die im Zuge der derzeitigen Gebührenordnung angebotene anwaltliche Dienstleistung eine<br />
andere, nämlich geringwertigere, Dienstleistung als im Falle einer erfolgsbasierten Vergütung<br />
ist. Das Erfolgshonorar bringt eben nicht nur den Effekt einer höheren Gehaltsforderung mit<br />
sich, sondern auch das zusätzliche Angebot einer Versicherungsdienstleistung. Wenn also<br />
über den Preis der anwaltlichen Dienstleistung gesprochen wird, darf nicht außer Acht<br />
gelassen werden, durch welche Komponenten sich diese in Abhängigkeit von der gewählten<br />
Honorierungsform definiert.<br />
Werden den Mandanten die Determinanten des Preis-Leistungs-Verhältnisses der<br />
angebotenen anwaltlichen Dienstleistung in der erforderlichen Transparenz kommuniziert,<br />
dürfte sich denn auch die Be<strong>für</strong>chtung einer „erheblichen Verunsicherung bei Verbrauchern<br />
und Unternehmern“ 2 als unbegründet erweisen. Vielmehr ist zu vermuten, dass der ganz<br />
überwiegende Teil der Mandanten der den erfolgsbasierten Vergütungsmodellen inhärenten<br />
Risikoverlagerungsmöglichkeit wohlwollend gegenüberstehen würde und auch bereit wäre,<br />
diesen Mehrwert entsprechend höher zu vergüten. Denn wäre dem nicht so, dann wäre<br />
jedenfalls der Umstand, dass Menschen überhaupt freiwillig Versicherungen abschließen (und<br />
auf der anderen Seite Versicherungen im Durchschnitt erhebliche Gewinne erwirtschaften)<br />
ein hochgradig erklärungsbedürftiges Phänomen.<br />
Um aber die Folgen einer unbegrenzten Freigabe von <strong>Erfolgshonorare</strong>n besser einschätzen zu<br />
können, dürfte sich ein Blick auf den Versicherungsmarkt als durchaus hilfreich erweisen.<br />
Konkret bedeutet dies, dass danach gefragt werden sollte, worauf überhaupt der Erfolg des<br />
„Geschäftsmodells Versicherung“ beruht. In einer abstrakten Formulierungsweise lässt sich<br />
ein Erfolg aus einem Versicherungsgeschäft sowohl <strong>für</strong> Versicherer als auch <strong>für</strong><br />
Versicherungsnehmer immer dann konstatieren, wenn die Prämie, die der „Verkäufer“ des<br />
Risikos zu zahlen bereit ist, größer ist als die Prämie, die der „Käufer“ des Risikos mindestens<br />
verlangt. 3 Mit anderen Worten heißt dies, dass beide Vertragsparteien von einer Versicherung<br />
profitieren können. Die entscheidende Voraussetzung hier<strong>für</strong> ist, dass die Risikoübernahme<br />
<strong>für</strong> den Versicherungsgeber mit geringeren Kosten verbunden ist als das Verbleiben des<br />
1 Vgl. Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (2007), S. 5.<br />
2 Vgl. Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (2007), S. 5.<br />
3 Vgl. Neus, W. (2005): Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 4. Auflage, S. 68.<br />
10
Risikos beim Versicherungsnehmer, ersterer also Risiken besser tragen kann als letzterer.<br />
Überträgt man diese Überlegungen auf das Anwalt-Mandanten-Verhältnis, dann spricht vieles<br />
da<strong>für</strong>, dass diese Voraussetzung in einer Vielzahl von Fällen gegeben ist. Gerade <strong>für</strong> private<br />
Mandanten stellen Rechtsstreitigkeiten in der Regel sehr seltene Lebenssituationen dar, so<br />
dass sie faktisch keine oder nur minimale Möglichkeiten der Risikostreuung haben. Im<br />
Gegensatz dazu ist der Rechtsstreit das tägliche Geschäft des Anwalts. Er kann sowohl die<br />
Erfolgschancen des Einzelfalls präziser einschätzen als auch seine finanzielle Risiken über<br />
eine Vielzahl von Fällen streuen. Das Erfolgshonorar ist daher in derartigen Anwalt-<br />
Mandanten-Beziehungen als ideale Honorarform einzuschätzen. Auf Mandantenseite ergibt<br />
sich der Vorteil, im Falle eines verlorenen Prozesses von der Honorarforderung des eigenen<br />
Anwalts entlastet zu werden, wodurch sich die potentielle Vermögenseinbuße verringert.<br />
Diese Verlagerungsmöglichkeit von Prozesskostenrisiken wird zudem eine Marktausweitung<br />
zur Folge haben, da ein Teil der stark risikoscheuen Mandanten, welcher vormals das zu hohe<br />
Risiko eines Rechtsstreits gescheut hat, sich nun doch dazu entschließen wird, seinen<br />
Anspruch rechtlich durchzusetzen. Damit geht gleichzeitig eine Verbesserung des Zugangs<br />
zum Rechtssystem einher, da nunmehr die Verfolgung berechtigter Ansprüche häufiger<br />
erfolgt und nicht aufgrund von gescheuten Risiken unterbleibt. Für die Anwaltschaft hat dies<br />
zunächst den Vorteil eines erweiterten Mandantenkreises. Daneben muss die mit der<br />
erfolgsabhängigen Vergütung verbundene Risikoübernahme bzw. die zusätzliche<br />
Versicherungsdienstleistung des Anwalts nunmehr zusätzlich entgolten werden, was sich<br />
langfristig in höheren durchschnittlichen Stundenverdiensten äußern wird. Wichtig ist dabei,<br />
dass der Mandant die höhere Honorarforderung in aller Regel eben gerne akzeptieren wird, da<br />
er <strong>für</strong> die höheren Honorare eine <strong>für</strong> ihn wertvolle Versicherung erwirbt und ihm so ein<br />
merkliches Vermögensrisiko genommen wird.<br />
Die Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n ist somit sowohl aus Sicht der Anwaltschaft als auch aus<br />
Mandantensicht eindeutig zu begrüßen. Eine lediglich eng begrenzte Freigabe der<br />
Zulässigkeit von Erfolgshonorarvereinbarungen würde aber die möglichen Vorteile<br />
weitestgehend konterkarieren und ist daher als kontraproduktiv abzulehnen.<br />
Für die Vergangenheit lässt sich daher auch annehmen, dass das deutsche Verbot von<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong>n in erheblichem Maße Mandanten geschädigt hat, da diese eine von ihnen<br />
dringend erwünschte Versicherungsleistung nicht erwerben können. Aus Risikoscheu sind<br />
daher vermutlich auch viele an sich berechtigte Ansprüche nicht verfolgt worden. Das Verbot<br />
11
des Erfolgshonorars ist aus der wirtschaftlichen Perspektive von Mandanten vergleichbar mit<br />
einem Verbot von Feuerversicherungen <strong>für</strong> Häuser. Es kann wohl mit einiger Sicherheit<br />
angenommen werden, dass bei einem solchen Verbot weniger gebaut würde. Das Verbot hat<br />
daneben Anwälte massiv geschädigt, weil es ihnen die Erbringung von<br />
Versicherungsleistungen untersagt hat, die sie profitabel hätten anbieten können.<br />
Tatsächlich leitet sich aus dem Verbot des Erfolgshonorars auch das Verbot der<br />
Prozessfinanzierung durch <strong>Rechtsanwälte</strong> ab. Da bei der Prozessfinanzierung sämtliche<br />
Kosten des Mandanten vom Prozessfinanzierer übernommen werden, ist der<br />
Versicherungseffekt der Prozessfinanzierung sogar höher als der Versicherungseffekt des<br />
Erfolgshonorars allein. Daher ist auch die Zahlungsbereitschaft von Mandanten im Fall der<br />
Prozessfinanzierung höher. Die Prozessfinanzierung wäre damit eine von Mandanten<br />
gewünschte und <strong>für</strong> Anwälte lukrative Geschäftsmöglichkeit. Auch in dieser Hinsicht verletzt<br />
das Verbot die Privatautonomie zum Schaden von Anwälten und Mandanten.<br />
3 Die Garantiefunktion<br />
Als letztes soll in diesem Abschnitt noch die Garantiefunktion von <strong>Erfolgshonorare</strong>n<br />
angesprochen werden. Dabei sei erneut auf ein typisches Merkmal des<br />
Rechtsberatungsmarktes verwiesen, nämlich auf die Informationsasymmetrie zwischen<br />
Anwalt und Mandant. Der Mandant kann in der Regel weder einschätzen ob sein Fall etwas<br />
taugt noch ob sein Anwalt wirklich glaubt, den Fall gewinnen zu können. Vermutet der<br />
Mandant nun, dass der Rechtsanwalt sich auch von seinen eigenen finanziellen Erwägungen<br />
leiten lässt, so muss der Mandant be<strong>für</strong>chten, bei Honorierung seines Anwalts nach dem<br />
Gegenstandswert des RVG falsch beraten zu werden. Hierzu betrachte man das in der<br />
folgenden Abbildung dargestellte hypothetische Beispiel. In diesem Beispiel sei<br />
angenommen, dass der Anwalt 160 € pro Stunde aus alternativen Mandanten verdienen kann.<br />
Der Fall des Mandanten verspricht hingegen ein Honorar von 200 € pro Stunde. In<br />
Abhängigkeit von der Gewinnwahrscheinlichkeit des Falles des Mandanten ergibt sich dann<br />
der folgende Honorarvergleich:<br />
12
Stundenhonorar<br />
250<br />
200<br />
Gegenstandswertbezogenes<br />
Honorar aus angenommenem Fall<br />
150<br />
Alternativverdienst<br />
100<br />
50<br />
0<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Gewinnwahrscheinlichkeit<br />
Da das Stundenhonorar aus der Annahme des Falles des Mandanten höher ist als das aus<br />
alternativen Mandaten zu erzielende Honorar, würde sich der Anwalt durch Ablehnung des<br />
Falles wirtschaftlich selbst schädigen. Bei hohen Gewinnwahrscheinlichkeiten stellt das kein<br />
Problem dar, da der Fall dann ja auch weiterverfolgt werden sollte. Problematisch ist die<br />
Situation aber bei geringen Gewinnwahrscheinlichkeiten. Hier würde sich der Mandant eine<br />
Ablehnung seines Falles durch den Anwalt wünschen. Durch die Ablehnung würde sich der<br />
Anwalt aber selbst schädigen, wodurch er in eine Dilemmasituation gerät. Nimmt er denn Fall<br />
an, steigt zwar sein Einkommen, er handelt aber nicht im Interesse des Mandanten. Lehnt er<br />
den Fall ab, handelt er zwar im Sinne des Mandanten, schädigt sich aber selbst.<br />
Diese Dilemmasituation kann durch adäquate Gestaltung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n vermieden<br />
werden. Wird ein Erfolgshonorar z.B. in Form einer quota litis vereinbart, so beträgt der<br />
erwartete Stundensatz des Anwalts bei völlig aussichtslosen Fällen natürlich Null. Er wird<br />
solche Fälle daher schon aus Eigeninteresse ablehnen. Je höher nun die<br />
Gewinnwahrscheinlichkeit eines Falles wird, desto größer wird dann bei gegebener quota litis<br />
auch der erwartete Stundensatz. In der folgenden Abbildung ergibt sich bei Vereinbarung<br />
eines Erfolgshonorars, dass der Anwalt den Fall erst bei Gewinnwahrscheinlichkeiten über ca.<br />
65% annehmen würde.<br />
13
Stundenhonorar<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
Alternativverdienst<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Erwartetes Erfolgshonorar<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Gewinnwahrscheinlichkeit<br />
Das Erfolgshonorar leistet daher einen Beitrag zur Verhinderung von Dilemmasituationen, es<br />
vermeidet bei adäquater Gestaltung Anreize zur Annahme aussichtsloser Fälle. Das<br />
Erfolgshonorar setzt damit Anreize, Fälle sorgfältiger vorab auf ihre Erfolgsaussichten zu<br />
prüfen. Eine solche Prüfung wird nun niemals fehlerfrei verlaufen. Und hier tritt dann die<br />
Garantiefunktion zu Tage. Ein Erfolgshonorar kann ökonomisch nämlich als Festhonorar<br />
inklusive einer versprochenen Garantieleistung interpretiert werden. Tritt der Erfolg nicht im<br />
erwarteten Ausmaß ein, so erhält der Mandant das Honorar ganz oder teilweise zurück. Die<br />
Zahlung eines Festhonorars mit anschließender Rückzahlung im Misserfolgs-, also<br />
Garantiefall, wird beim Erfolgshonorar also lediglich zu einem einzigen<br />
Nettozahlungsvorgang zusammengefasst. Der Anwalt gibt mittels Erfolgshonorar also eine<br />
Garantieerklärung bezüglich seiner eigenen Erfolgseinschätzung ab. Diese<br />
Garantieeinschätzung hat nun mehrere Effekte: Der Haupteffekt ist darin zu vermuten, dass<br />
Mandanten ihren Anwälten bei Ratschlägen bezüglich des Weiterverfolgens oder der Aufgabe<br />
von Ansprüchen eher vertrauen können. Dies wird zu einer Marktausweitung führen, weil all<br />
die Mandanten, die sich aufgrund ihres Misstrauens nicht trauten, dem Zuraten ihrer Anwälte<br />
zu folgen, nun keinen ernsthaften Grund zum Misstrauen mehr haben. Gleichzeitig kann es<br />
aber auch zu einer Marktschrumpfung kommen. Dies würde dann passieren, wenn Anwälte<br />
ihren Mandanten in der Vergangenheit regelmäßig und wissentlich falsche Empfehlungen<br />
gegeben hätten, ihnen also auch bei relativ aussichtslosen Fällen zugeraten hätten. Bei<br />
14
Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n würde sich diese Strategie der Anwälte nicht mehr<br />
lohnen und somit die Anzahl der weiterverfolgten Fälle sinken. Beide Marktgrößeneffekte<br />
sind aber gesellschaftlich wünschenswert: Die Ausweitung durch zunehmendes Vertrauen ist<br />
wünschenswert, da nur berechtigte Ansprüche mit guten Erfolgsaussichten zusätzlich in das<br />
Rechtssystem gelangen. Die Schrumpfung am anderen Ende des Marktes ist ebenso<br />
wünschenswert, weil unsinnige Fälle nicht mehr in das Rechtssystem gelangen. Mit dieser<br />
Garantiefunktion wird das Erfolgshonorar zum aktiven Instrument des Verbraucherschutzes.<br />
Für den Anwalt hat die Möglichkeit, faktische Garantien abgeben zu können, ebenfalls<br />
erhebliche Vorteile. Da aus Käufersicht Garantien werterhöhend wirken, steigen auch die<br />
Zahlungsbereitschaften. Teilweise werden unterschiedlich umfangreiche Garantiepakete auf<br />
Märkten <strong>für</strong> technische Produkte sogar explizit als zusätzlich erwerbbare Komponenten<br />
angeboten, müssen dann aber auch gesondert bezahlt werden. Das wäre auch auf dem<br />
deutschen Rechtsmarkt nicht anders. Das Erfolgshonorar wäre dann nur eine Möglichkeit der<br />
Garantiestellung. Anwälte, die glauben, umfangreichere Garantien abgeben zu können,<br />
werden hingegen die komplette Prozessfinanzierung übernehmen. Damit bieten sie ein<br />
deutlich umfangreicheres Garantiepaket, welches höheren Kundennutzen schafft und deutlich<br />
höhere Erträge generiert. Auch hier sei nochmals betont, dass die Ermöglichung von<br />
Garantieleistungen <strong>für</strong> Anwälte und Mandanten Vorteile schafft.<br />
15
III Gegenstandswertbezogene Honorierung nach RVG<br />
Bei der Diskussion von <strong>Erfolgshonorare</strong>n erfolgt in der Literatur häufig eine Beschränkung<br />
auf die Betrachtung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n selbst. Diese Beschränkung verstellt den Blick auf<br />
die massiven Probleme, die mit einer gegenstandswertbezogenen Honorierung einhergehen.<br />
Hier sind vor allem zwei Punkte zu nennen: Die Honorierung nach RVG setzt nicht nur keine<br />
adäquaten Leistungsanreize, sondern sie schafft explizite ökonomische Anreize zur<br />
Falschberatung. Dieser Effekt wurde oben bereits erläutert: Ein Anwalt, der das Honorar aus<br />
einem ihm angetragenen Fall zum Lebensunterhalt benötigt, hat einen massiven Anreiz, den<br />
Fall anzunehmen und weiterzuverfolgen, selbst wenn er von dessen Ausweglosigkeit<br />
überzeugt ist. Da dem Mandanten auch im Nachhinein meist völlig unklar bleibt, weshalb er<br />
verloren hat, wird er seinen Anwalt auch nicht zur Rechenschaft ziehen (können). Das aber<br />
führt dazu, dass ein Anwalt, der wie oben beschrieben handelt, mit einer sehr geringen<br />
Sanktionswahrscheinlichkeit konfrontiert ist. Ökonomisch betrachtet hat die Falschberatung<br />
<strong>für</strong> den Anwalt damit ein gutes Kosten-/Nutzenverhältnis.<br />
Das zweite Problem besteht in der gegenstandswertabhängigen Höhe des Honorars. Wenn die<br />
Forderungshöhe des Mandanten feststeht, ist das Problem kaum relevant. Wenn die Höhe aber<br />
nicht feststeht und der Anwalt den Mandanten bezüglich der Höhe beraten muss, hat der<br />
Anwalt einen ökonomischen Anreiz, den Gegenstandswert nach oben zu treiben. Selbst wenn<br />
der Anwalt mit Sicherheit weiß, dass er <strong>für</strong> den Mandanten genau 5.000 Euro erstreiten wird,<br />
ist es <strong>für</strong> den Anwalt lohnend, auf 10.000 Euro zu klagen. Dadurch steigt sein eigenes<br />
Einkommen. Für den Mandanten führt eine Klage auf 10.000 statt 5.000 Euro aber zu einer<br />
höheren Kostenbelastung, da er aufgrund der deutschen Kostenteilungsregeln bei teilweise<br />
abgewiesener Klage einen Teil der gesamten Anwaltshonorare und Gerichtskosten selbst<br />
tragen muss.<br />
Die Honorierung auf Basis des derzeitigen RVG ist also ihrerseits mit so deutlichen<br />
Problemen behaftet, dass schon aus dieser Perspektive ein milderes Licht auf <strong>Erfolgshonorare</strong><br />
fallen muss. Verschärft werden die Probleme der Honorierung nach RVG aber auch noch vor<br />
dem Hintergrund des Waffengleichheitsarguments, welches das Bundesverfassungsgericht in<br />
seinem Urteil angeführt hat. Das BVerfG führt hierzu aus, dass das Verbot ggfs. aus<br />
Gemeinwohlgründen gerechtfertigt werden könne, weil dem Beklagten nicht in gleichem<br />
Maße eine Verlagerung von Risiken auf seinen Anwalt möglich sei. Von daher sei der Kläger<br />
im Vorteil, was dazu führe, dass die prozessuale Waffengleichheit vor Gericht verletzt sei.<br />
Diese Argumentation hält jedoch ebenfalls einer ökonomischen Analyse nicht stand.<br />
16
Tatsächlich sind Beklagte häufig Unternehmen wie z.B. Versicherungen, die erstens keinerlei<br />
Interesse an einer Risikoverlagerung auf ihre Anwälte haben, die zweitens bei angestellten<br />
Anwälten beliebig intensive Anreize einsetzen können und drittens selbst bei extern<br />
beauftragten Anwälten durch das Inaussichtstellen von Folgeaufträgen sehr intensive Anreize<br />
setzen können, ohne auf den Einsatz direkter <strong>Erfolgshonorare</strong> zurückgreifen zu müssen. Dem<br />
privaten Kläger stehen diese Mittel hingegen nicht zur Verfügung, was ihn in eine deutlich<br />
unterlegene Position bringt. Das Erfolgshonorar ist dann gerade das geeignete Instrument, um<br />
die Waffengleichheit überhaupt zu erreichen oder dieser doch zumindest etwas näher zu<br />
kommen. Auch vor diesem Hintergrund ist das Erfolgshonorar als Instrument des<br />
Verbraucherschutzes dringend zu fordern. (Zur ausführlichen Diskussion des<br />
Waffengleichheitsarguments siehe Anhang III)<br />
17
IV Regelungsvorschlag des DAV<br />
Der Deutsche Anwaltverein schlägt folgende Neuregelung vor:<br />
(1) (2)<br />
Die Vereinbarung des Erfolgshonorars ist grundsätzlich unzulässig. Im<br />
Einzelfall darf der Rechtsanwalt besonderen Umständen der ihm übertragenen<br />
Angelegenheit dadurch Rechnung tragen, dass er die Vergütung oder deren<br />
Höhe vom Ausgehen der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig<br />
macht (Erfolgshonorar). (3) Die Vergütung kann auch in einem Teil des<br />
erstrittenen Betrags bestehen (quota litis). (4) Das gilt insbesondere, wenn auf<br />
andere Weise kein Rechtsschutz erlangt werden kann. (5) Die Vereinbarung ist<br />
schriftlich zu treffen. (6) Der Auftraggeber ist darüber zu belehren, dass im Falle<br />
des Nichteintritts der vereinbarten Bedingungen die Verpflichtung zur Tragung<br />
der Auslagen, Gerichtskosten und gegnerischen Kosten unberührt bleibt. (7) Ein<br />
Erfolgshonorar im Sinne des Satzes 1 liegt nicht vor, wenn nur die Erhöhung<br />
von gesetzlichen Gebühren vereinbart wird.<br />
(DAV 2007, S. 5)<br />
In der Begründung zum Gesetzesvorschlag führt der DAV dann zunächst allgemeine<br />
Gesichtspunkte an. So schreibt er:<br />
„Eine unbegrenzte Freigabe von Erfolgshonorarvereinbarungen hätte unübersehbare<br />
Folgen <strong>für</strong> das anwaltliche Vergütungssystem und das gesamte System der<br />
Kostenerstattung. Eine völlige Freigabe des Erfolgshonorars würde das Verbot der<br />
Unterschreitung der gesetzlichen Mindestgebühren im Prozessmandat zumindest<br />
unterhöhlen, wenn nicht sogar ad absurdum führen.“<br />
(DAV 2007, S. 5)<br />
Dem ist zunächst zu widersprechen. Die Folgen der Freigabe wären aufgrund der massiven<br />
ökonomischen Vorteile <strong>für</strong> Anwälte und Mandanten keineswegs unübersehbar: Das<br />
Erfolgshonorar würde sich in kürzester Zeit als Standard etablieren, ebenso wie dies in<br />
anderen Ländern nach Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n passiert ist. Sodann könnte das<br />
System der Kostenerstattung völlig unverändert weitergeführt werden. Im Fall eines Sieges<br />
würde der Gewinner eben nur nicht mehr das gesamte Honorar seines Anwalts erstattet<br />
bekommen. Dies ist inhaltlich aber nichts Neues, weil bereits heute nur die Sätze nach RVG<br />
erstattet werden. Vereinbaren Anwalt und Mandant aber höhere Honorare, muss der<br />
unterliegende Gegner die höheren Honorare aber nicht bezahlen. Das führt im Endeffekt auch<br />
18
dazu, dass der Sieger einen Teil des Honorars seines Anwalts nicht erstattet bekommt. Darin<br />
besteht also kein Unterschied zum Erfolgshonorar.<br />
Daneben ist der Verweis auf die Folgen <strong>für</strong> das System der Kostenerstattung ohnehin kein<br />
Grund, solange nicht dargelegt wird, dass dieses System erhaltenswert ist. Das aber ist<br />
keineswegs klar. Zwar hat sich in Deutschland das Prinzip „der Verlierer zahlt“ etabliert,<br />
jedoch gibt es auch andere Rechtssysteme wie das US-amerikanische, in welchem jeder <strong>für</strong><br />
seine eigenen Kosten aufkommen muss. Setzt man voraus, dass der Ausgang eines<br />
Rechtsstreits aus Sicht von Kläger und Beklagtem hinreichend unsicher ist, dann ist das „der<br />
Verlierer zahlt“ - Prinzip aus Risikoteilungsgesichtspunkten aus deren beider Sicht ohnehin<br />
nicht optimal. Könnten die beiden unabhängig vom Inhalt des Rechtsstreits andere<br />
Kostenteilungsregeln vereinbaren, würden sie sich vermutlich eher auf das „der Sieger zahlt“<br />
- Prinzip verständigen, weil das Bezahlen dem Sieger im Durchschnitt deutlich leichter fallen<br />
wird als dem Verlierer. Schließlich ist der Sieger derjenige, der gerade viel Geld erstritten hat<br />
(oder viel Geld behalten durfte). Würden nun <strong>Erfolgshonorare</strong> in Deutschland angeboten und<br />
würde, was zu erwarten und zu wünschen wäre, die komplette Prozessfinanzierung von den<br />
Anwälten übernommen, hätten die Mandanten faktisch ein Wahlrecht bezüglich der<br />
Kostenerstattungsregeln, denen sie sich unterwerfen würden. Stimmt ein Mandant der<br />
Prozessfinanzierung gegen Erfolgsbeteiligung zu, so muss er im Verlustfall nichts bezahlen,<br />
dies wird von seinem Anwalt übernommen. Logischerweise muss der Anwalt das<br />
kalkulatorisch auf die gewonnenen Mandate umlegen, die sich entsprechend verteuern. Also<br />
bezahlen im Endeffekt nur die Sieger. Dies ist in den USA bereits seit langem der Fall. Die<br />
Regel, nach der jeder <strong>für</strong> sich selbst zahlt, steht auch dort nur auf dem Papier, ist in der<br />
ökonomischen Realität aber durch die Prozessfinanzierung der Anwälte in eine Regel, nach<br />
der nur die Sieger zahlen, verwandelt worden. Diese Ausführungen gelten natürlich nur <strong>für</strong><br />
die Rechtsbereiche, in denen auf Erfolgsbasis gearbeitet wird. Deutlich wird aber, dass das<br />
deutsche System der Kostenerstattung durchaus auch überdenkenswert sein könnte.<br />
Schließlich führt der DAV aus, dass die völlige Freigabe des Erfolgshonorars das Verbot des<br />
Unterschreitens von gesetzlichen Mindestgebühren aushöhlen würde. Das darf mit absoluter<br />
Sicherheit angenommen werden. Denn logischerweise folgt z.B. aus der Vereinbarung einer<br />
quota litis, dass im Misserfolgsfall gar nichts vom Mandanten zu bezahlen ist. Das ist der Sinn<br />
eines Erfolgshonorars.<br />
Wie in Kapitel II zu den Funktionen aber bereits mehrfach ausgeführt wurde, eröffnen<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong> erhebliche zusätzliche Verdienstmöglichkeiten <strong>für</strong> Anwälte bei gleichzeitig<br />
19
verbesserten Nutzenpositionen ihrer Mandanten. Von daher wäre die Einführung von<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong>n wahrscheinlich ohnehin der richtige Zeitpunkt, die äußerst kritikwürdigen<br />
Mindesthonorare abzuschaffen. Diese Maßnahme ist aus Gründen des Verbraucherschutzes<br />
längst überfällig.<br />
Weiterhin führt der DAV zur Begründung aus:<br />
„Außerdem wären erhebliche Verunsicherungen insbesondere bei Verbrauchern und<br />
Unternehmern zu be<strong>für</strong>chten.“<br />
(DAV 2007, S. 5)<br />
Es darf mit Sicherheit angenommen werden, dass gerade das nicht passieren wird. Das liegt<br />
zum einen daran, dass z.B. die quota litis definitiv deutlich einfacher zu verstehen ist als die<br />
derzeitigen Regelungen des RVG. Zum anderen kann man sich auch im Ausland umsehen<br />
und wird dann z.B. feststellen, dass die Einführung der „conditional fee“, einer Spielart des<br />
Erfolgshonorars, in England in den letzen Jahren völlig unproblematisch verlaufen ist und von<br />
den Mandanten sofort sehr gut angenommen wurde.<br />
Der DAV setzt seine Begründung fort mit folgenden betriebswirtschaftlichen Überlegungen:<br />
„Eine vollständige Freigabe der Erfolgshonorarvereinbarung könnte dazu führen, dass<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong> künftig Leitbildfunktion <strong>für</strong> die Vergütung anwaltlicher Dienstleistungen<br />
einnähmen. Wäre das Erfolgshonorar die Standardvergütung, würde sich zwangsläufig<br />
der Preis <strong>für</strong> anwaltliche Dienstleistungen gegenüber den bisherigen Maßstäben deutlich<br />
verteuern; das wäre zumindest in den Fällen zu erwarten, in denen ein vollständiger oder<br />
ein teilweiser Erfolg im Sinne der Interessenvertretung herbeigeführt würde.<br />
Denn betriebswirtschaftlich wäre es unausweichlich, dass die erfolgreich zu Ende<br />
geführten Mandate die Honorarausfälle bei den erfolglosen oder erfolgsarmen Aufträgen<br />
mitfinanzieren müssten.“<br />
(DAV 2007, S. 5-6)<br />
Hierzu ist anzumerken, dass die Freigabe des Erfolgshonorars nicht nur dazu führen könnte,<br />
sondern dazu führen würde, dass sich <strong>Erfolgshonorare</strong> als Standard etablieren würden. Dies<br />
wäre keine unschöne Entwicklung sondern ökonomisch wünschenswert. Wenn die<br />
20
Honorierung nach derzeitigem RVG die Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n nicht überleben<br />
würde, dann gäbe es keinen Grund, diese Entwicklung nicht zu begrüßen.<br />
Natürlich würden sich die Kosten <strong>für</strong> die gewonnenen Mandate <strong>für</strong> die Mandanten erhöhen.<br />
Das ist betriebswirtschaftlich aber u.a. als die Bezahlung einer Versicherungsprämie zu<br />
interpretieren und daher auch aus Mandantensicht nicht zu bemängeln. Der Blick auf reine<br />
Zahlungsgrößen führt hier zu einem offensichtlichen Fehlurteil in der Bewertung des<br />
Sachverhalts.<br />
Zu den einzelnen Sätzen des Neuregelungsvorschlags gibt der DAV folgende Begründungen:<br />
„Satz 1 stellt klar: <strong>Erfolgshonorare</strong> sind grundsätzlich weiterhin berufsrechtlich<br />
unzulässig. Damit unterliegen die Regelungen der folgenden Ausnahmeregelung den<br />
engeren Auslegungskriterien <strong>für</strong> Ausnahmetatbestände.“<br />
(DAV 2007, S. 6)<br />
Wie oben ausführlich begründet wurde, kann dem nicht gefolgt werden. <strong>Erfolgshonorare</strong><br />
sollten vollständig freigegeben werden, allerdings ergänzt um Vorschriften des<br />
Mandantenschutzes.<br />
„Satz 2 gewährt als Ausnahmeregelung die berufsrechtliche Zulässigkeit einer<br />
Erfolgshonorarvereinbarung, aber nur „im Einzelfall“ und auch nur „unter<br />
Berücksichtigung der besonderen Umstände der dem Anwalt übertragenen<br />
Angelegenheit“ und definiert – wie schon die bisherige Gesetzesfassung – das<br />
Erfolgshonorar.“<br />
(DAV 2007, S. 6)<br />
Dieser Vorschlag ist angesichts des beidseitigen Interesses von Anwalt und Mandant am<br />
Erfolgshonorar schlicht weltfremd und zeitigt daneben <strong>für</strong> den Anwalt erhebliche<br />
Anfechtungsrisiken durch seinen eigenen Mandanten. Zunächst sei Stefan Winter, einem der<br />
Autoren der vorliegenden Stellungnahme, eine persönliche Anekdote erlaubt: Bei einer<br />
Berufungsverhandlung in einem deutschen Ministerium fragte ich den Ministerialbeamten, ob<br />
man mir eine Umzugskostenvergütung gewähren würde. Darauf antwortete der Beamte, dass<br />
er eine solche Vergütung nur zusagen könne, wenn ich ansonsten den Ruf nicht annehmen<br />
würde. Dann fragte er mich, ob ich den Ruf auch ohne Umzugskostenvergütung annehmen<br />
21
würde. Dies verneinte ich. Daraufhin wurde mir die Umzugskostenvergütung zugesagt. Im<br />
hier interessierenden Fall wird dann in deutschen Anwaltskanzleien in tausendfachen<br />
Variationen das folgende Gespräch geführt:<br />
Mandant: Ich würde gern ein Erfolgshonorar vereinbaren!<br />
Anwalt: Das darf ich nur mit Ihnen vereinbaren, wenn Sie mir sagen, dass Sie ansonsten das<br />
Risiko des Rechtsstreits scheuen und auch keine anderen Finanzierungsmöglichkeiten haben.<br />
Mandant: Ohne Erfolgshonorar scheue ich das Risiko des Rechtsstreits. Ich versichere Ihnen,<br />
keine anderen Finanzierungsquellen zu haben.<br />
Anwalt: Gut, dann sollten wir ein Erfolgshonorar vereinbaren.<br />
Eine Debatte um individuelle Ausnahmetatbestände ist völlig kontraproduktiv. So kann man<br />
absurde Gespräche wie das eben beschriebene natürlich verhindern, indem man an objektiv<br />
nachprüfbare Kriterien anknüpft. Dann müsste man wohl verlangen, dass der Mandant eine<br />
notariell beglaubigte Vermögensaufstellung oder wenigstens seinen<br />
Einkommensteuerbescheid zum Anwalt mitbringt. Das kann wohl niemand wirklich wollen.<br />
Da <strong>Erfolgshonorare</strong>, wie mehrfach ausgeführt, eine Versicherungskomponente enthalten,<br />
wäre die Überprüfung objektiver Sachverhalte in etwa vergleichbar mit der<br />
Versicherungsgesellschaft, die vom potenziellen Versicherungsnehmer einen<br />
Vermögensnachweis verlangt. Sollte der potenzielle Versicherungsnehmer über genügend<br />
Mittel verfügen, sein Haus nach dem Brand allein wieder aufzubauen, müsste der<br />
Vertragsabschluss verweigert werden. Es ist hier auch schlicht gleichgültig, an welche<br />
objektiven Kriterien beim Mandanten man hier anknüpfen würde. Das Resultat wäre in jedem<br />
Fall eine paternalistische Bevormundung und eine Einschränkung der<br />
Konsumentensouveränität und Vertragsfreiheit.<br />
„Satz 3 greift eine Vorgabe der Entscheidung des BVerfG auf und stellt die quota litis den<br />
sonstigen Formen des Erfolgshonorars gleich. Es sind keine überzeugenden Gründe<br />
erkennbar, warum die quota litis als besondere Form des Erfolgshonorars einer<br />
besonderen Sanktion unterliegen sollte.“<br />
(DAV 2007, S. 6-7)<br />
Auch diese Argumentation überzeugt im Grundtenor nicht, weil von der Tendenz der<br />
Argumentation her offensichtlich alle Ausprägungen von <strong>Erfolgshonorare</strong>n als gleichwertig<br />
angesehen werden. Eine solche Deutung ist aber abzulehnen. Tatsächlich ist die quota litis<br />
22
trotz ihrer Mängel vielen anderen Formen des Erfolgshonorars sogar überlegen. Die quota litis<br />
spielt also durchaus eine besondere Rolle, sollte aber nicht mehr, sondern allenfalls weniger<br />
reguliert werden als <strong>Erfolgshonorare</strong> im Allgemeinen. Bei der quota litis verzichtet der<br />
Anwalt nämlich im Misserfolgsfall auf jegliche Form der Honorierung. Dies schafft <strong>für</strong> den<br />
Mandanten die Sicherheit, von seinem Anwalt nicht in aussichtslose Fälle geführt zu werden.<br />
Alternativ wäre eine Erfolgshonorarkonstruktion denkbar, bei der der Mandant im<br />
Misserfolgsfall noch immer die Gebühren nach RVG zu bezahlen hätte und im Erfolgsfall<br />
einen Aufschlag. Eine solche Honorarvereinbarung stellt den Mandanten aber sichtlich<br />
schlechter als die quota litis, was die Aussagefähigkeit in Bezug auf die Erfolgsaussichten<br />
angeht. Dieser Aspekt sollte in der gesetzlichen Neuregelung durchaus bedacht werden.<br />
„Satz 4 greift ebenfalls eine spezielle Vorgabe des BVerfG auf, in dem als Beispielsfall <strong>für</strong><br />
die Zulässigkeit einer Erfolgshonorarvereinbarung die Situation genannt wird, bei der der<br />
Mandant ohne Erfolgsvereinbarung keinen Rechtsschutz mittels Unterstützung durch<br />
einen Anwalt erlangen könnte. Die Formulierung deckt sich inhaltlich mit der Vorgabe<br />
des Verfassungsgerichts („Unangemessen ist das Verbot nach § 49b Abs. 2 BRAO jedoch<br />
insoweit, als es keine Ausnahmen zulässt und damit selbst dann zu beachten ist, wenn der<br />
Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung besonderen<br />
Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon<br />
abhielten, seine Rechte zu verfolgen.“)“<br />
(DAV 2007, S. 7)<br />
Hierzu wurde bereits bei der Kommentierung von Satz 2 Stellung genommen.<br />
Satz 5 greift ebenfalls eine Vorgabe des BVerfG auf. Er hat Schutzfunktion sowohl <strong>für</strong> den<br />
Mandanten als auch den Rechtsanwalt. Da Erfolgshonorarvereinbarungen auch bei<br />
Beratungsmandaten denkbar sind und in solchen Mandaten es mangels gesetzlicher<br />
Gebühr grundsätzlich keine Formvorschriften nach § 4 Abs. 1 RVG gibt, ist die<br />
Formulierung einer Formvorschrift an dieser Stelle auch erforderlich.<br />
(DAV 2007, S. 7)<br />
Gegen das Schriftformerfordernis ist nichts einzuwenden.<br />
23
Satz 6 statuiert die sinnvolle und zweckmäßige Verpflichtung des Rechtsanwalts zur<br />
Belehrung seines Auftraggebers. Die Formulierung deckt sich im Wesentlichen mit<br />
anderen derzeit vorliegenden Vorschlägen zur Neuformulierung beim Erfolgshonorar.<br />
Die Belehrungspflicht dient zum einen dem Schutz des Auftraggebers und ist zum anderen<br />
auch ein Element, die Vertrauensbasis zwischen Auftraggeber und Rechtsanwalt zu<br />
vertiefen bzw. zu erhalten.<br />
(DAV 2007, S. 7)<br />
Gemäß Satz 6 des DAV-Vorschlags ist der Mandant darüber zu belehren, dass er im Fall des<br />
Unterliegens die Gerichtskosten, das Honorar des gegnerischen Anwalts und die Auslagen zu<br />
tragen hat. Da das offensichtlich eine Muss-Vorschrift sein soll, schließt das im<br />
Umkehrschluss wohl aus, dass der Anwalt diese Kosten übernehmen könnte.<br />
Hierin kommt eine der massivsten betriebswirtschaftlichen Fehleinschätzungen des DAV-<br />
Vorschlags zum Vorschein. Mit dieser Vorschrift würde faktisch das derzeit nur über das<br />
Verbot des Erfolgshonorars abgeleitete Verbot der Prozessfinanzierung durch Anwälte<br />
zementiert. Damit schnitte der DAV-Vorschlag <strong>Rechtsanwälte</strong> von einem Markt im Volumen<br />
vermutlich mehrerer Milliarden Euro ab. Die Prozessfinanzierung ist ökonomisch eine<br />
geradezu angeborene Dienstleistung des Rechtsanwalts. Durch die Prozessfinanzierung kann<br />
der Anwalt die Versicherungsleistung <strong>für</strong> seinen Mandanten deutlich steigern. Dieser wird<br />
diese zusätzliche Leistung so hoch entgelten, dass der Anwalt das <strong>für</strong> ihn steigende finanzielle<br />
Risiko nicht nur auffangen kann, sondern zusätzliche Gewinnaufschläge realisieren kann.<br />
Ökonomisch betrachtet ist die derzeit in Deutschland tätige Branche der Prozessfinanzierer<br />
mit ihrem jetzigen Geschäftsmodell völlig überflüssig. Diese Funktion könnte von den<br />
Anwälten deutlich besser übernommen werden. Das Verbot des Erfolgshonorars kommt,<br />
wenn nicht einer finanziellen, so doch einer juristischen Subvention der<br />
Prozessfinanzierungsbranche gleich. Das Ganze passiert auch noch auf dem Rücken der<br />
Mandanten. Wenn diese derzeit nämlich einen Prozessfinanzierer einschalten wollen, dann<br />
muss zunächst ihr eigener Anwalt den Fall prüfen und danach der Prozessfinanzierer. Damit<br />
sind die Mandanten als Gruppe grundsätzlich gezwungen, zwei Prüfvorgänge <strong>für</strong> einen Fall<br />
zu bezahlen, da diese Vorgänge natürlich kalkulatorisch auf die Mandanten abgewälzt werden<br />
müssen. Einige Zahlen aus der Presse und den Geschäftsberichten zeigen ferner, dass die<br />
Prozessfinanzierer sehr selektiv vorgehen und weniger als 10% der ihnen angetragenen Fälle<br />
annehmen. Das bedeutet aber, dass sie auf jede Finanzierungszusage kalkulatorisch<br />
mindestens 10 Prüfvorgänge umlegen müssen. Die direkte Prozessfinanzierung durch<br />
24
Anwälte würde die Anzahl der überflüssigen Prüfvorgänge deutlich reduzieren und die<br />
Anwälte könnten einen Teil der entstehenden Einsparungen behalten und den anderen Teil an<br />
ihre Mandanten weitergeben. Auch vor diesem Hintergrund ist die Freigabe von<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong>n zu fordern. Da es <strong>für</strong> die Prozessfinanzierungsbranche ohnehin bessere<br />
Geschäftsmodelle gibt, wäre vermutlich nicht einmal das Überleben der reinen<br />
Prozessfinanzierer gefährdet.<br />
Ferner ist auf eine weitere Unstimmigkeit in dem Formulierungsvorschlag des DAV<br />
hinzuweisen. Wenn nämlich in Satz 4 explizit ausgeführt wird, dass das Erfolgshonorar<br />
gerade dann zulässig sein soll, wenn der Mandant ansonsten keinen Rechtsschutz erlangen<br />
könne, dann trägt dieses Argument unter den deutschen Kostentragungsregeln nur dann<br />
wirklich, wenn dem Anwalt in diesem Fall die komplette Prozessfinanzierung erlaubt wird.<br />
25
V Eigener Regelungsvorschlag<br />
Der folgende Regelungsvorschlag ist als ökonomisch begründete Anregung zu verstehen,<br />
ohne bereits ausformuliert zu sein.<br />
Die Regelung sollte:<br />
• die Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n grundsätzlich freigeben,<br />
• die Schriftform verlangen,<br />
• das aus einem Mandat zu erzielenden Honorar der Höhe nach beschränken. Hier käme<br />
entweder in Frage, das Honorar im Erfolgsfall auf ein bestimmtes Vielfaches desjenigen<br />
Honorars zu beschränken, welches sich bei Honorierung nach RVG ergeben hätte.<br />
Alternativ könnte man den englischen Weg beschreiten und das Honorar auf einen<br />
bestimmten Prozentsatz des tatsächlich erstrittenen Betrages beschränken. Diese<br />
Vielfachen bzw. Prozentsätze müssten nach der Verfahrenstiefe (Vergleich, erste Instanz,<br />
zweite Instanz gestaffelt werden),<br />
• nur Erfolgshonorarregelungen zulassen, die im Misserfolgsfall zu einer Honorierung<br />
führen, die geringer wäre als die Honorierung nach RVG. Ansonsten wäre zu be<strong>für</strong>chten,<br />
dass die Neuregelung einfach nur zur Erhöhung der Honorare im Erfolgsfall führen, im<br />
Misserfolgsfall aber alles beim Alten bleibt.<br />
Auf die beiden letzten Regelungen könnte ggfs. bei Mandanten mit<br />
Vollkaufmannseigenschaft verzichtet werden.<br />
Abzusehen ist hingegen z.B. von Auflagen, die jeden Anwalt verpflichten, alternativ zu<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong>n immer auch eine Honorierung auf derzeitiger RVG-Basis anbieten zu<br />
müssen.<br />
26
VI Fazit<br />
Die Diskussion um das Verbot von <strong>Erfolgshonorare</strong>n ist weltweit relativ stark geprägt von<br />
Überlegungen zu berufsständischen Interessen und ethischen Abwägungen. Die Diskussion<br />
der berufsständischen Interessen gibt sich häufig einen ökonomischen Anstrich, welcher einer<br />
ernsthaften ökonomischen Analyse jedoch nicht Stand hält. Zutage treten vielmals schlichte<br />
Einkommenssicherungsinteressen, die dann mittels falscher Argumente untermauert werden,<br />
um daraus dann Gesetzesvorschläge abzuleiten, die in Wahrheit die Einkommensinteressen<br />
der Betroffenen sogar noch schädigen.<br />
Darüber hinaus sind die Debatten häufig geprägt von einer Ignoranz gegenüber berechtigten<br />
Konsumenteninteressen. Das Verbot der <strong>Erfolgshonorare</strong> ist eben beileibe kein originäres<br />
Standesproblem, sondern es ist vor allem ein Problem des Verbraucherschutzes. Das Verbot<br />
verletzt in eklatanter Weise die wirtschaftlichen Interessen von Mandanten, die sich in einer<br />
deutlich unterlegenen Verhandlungsposition befinden.<br />
Das Verbot von <strong>Erfolgshonorare</strong>n ist nicht nur überflüssig, es schädigt Mandanten und<br />
Anwaltschaft in enormem Umfang. Es sollte dringend abgeschafft werden. Dabei sollte das<br />
Verbot nicht nur in Rechtsangelegenheiten aufgehoben werden, in denen es um finanzielle<br />
Ausgleichszahlungen geht. Tatsächlich hat das Erfolgshonorar überall dort seine<br />
Berechtigung, wo ein unwissender Mandant einem gut ausgebildeten Anwalt gegenübertritt.<br />
Die häufig in der Literatur zu findenden ethischen Einwände gegen den Einsatz von<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong>n im Familien- oder Strafrecht vermögen nicht zu überzeugen. Abgesehen<br />
davon, dass sich z.B. aus einer Formalethik wie dem kategorischen Imperativ von Kant eine<br />
sinnvolle Kritik am Erfolgshonorar in einer Sorgerechtssache nicht plausibel konstruieren<br />
lässt, wird bei den Überlegungen in der Literatur nicht auf die Nutzenaspekte des<br />
Erfolgshonorars <strong>für</strong> die Betroffenen eingegangen. Das Übergehen von Betroffenen bei<br />
ethischen Abwägungen gilt in vielen Ethikkonzepten indessen selbst als unethisch. Warum<br />
sollte man einem Elternteil in einem Sorgerechtsfall die Vereinbarung eines Erfolgshonorars<br />
versagen, wenn die betreffende Person sich eine derartige, auch psychische, Belastung nur<br />
dann zumuten will, wenn sie von den Erfolgsaussichten wirklich überzeugt ist und mittels<br />
Erfolgshonorar diese Aussicht von ihrem Anwalt bestätigt bekommt?<br />
27
Anhang I<br />
Hinweis:<br />
Dieser Anhang I enthält einen gekürzten Vorabdruck der Rohfassung von Kapitel 5.1 aus der<br />
Monographie:<br />
Winter, Stefan: <strong>Erfolgshonorare</strong> <strong>für</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – Probleme, Funktionen, Strategien,<br />
Steinbeis-Verlag, Stuttgart (erscheint Herbst/Winter 2007)<br />
28
Die Anreizfunktion<br />
Um die Anreizfunktion von <strong>Erfolgshonorare</strong>n beleuchten zu können, ist zunächst zu klären,<br />
worin die Anreize <strong>für</strong> einen Anwalt generell bestehen könnten. Hierbei kann nach materiellen<br />
und immateriellen Anreizen unterschieden werden. Bei den immateriellen Anreizen ist an<br />
Dinge wie die Freude an guter Arbeit, Ehrgeiz, aber auch an die Einhaltung berufsständischer<br />
ethischer Verhaltensnormen zu denken. Auch der Aufbau und die Pflege eines guten Rufs<br />
können wichtige Triebfedern des Verhaltens sein. Unabhängig davon muss natürlich auch der<br />
Anwalt seinen Lebensunterhalt bestreiten und eine angemessene Kompensation <strong>für</strong> seine<br />
Arbeit und eine langjährige Ausbildung erzielen. Es kann daher davon ausgegangen werden,<br />
dass auch materielle Anreize eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen. Dabei kann<br />
unterstellt werden, dass die immateriellen Anreize unabhängig von der gewählten<br />
Honorarform sein dürften. Dass ein Anwalt ein Interesse an einer guten Reputation hat, dürfte<br />
nicht davon abhängen, ob er mit einem bestimmten Mandanten ein Zeit- oder Erfolgshonorar<br />
vereinbart. Somit kann man sich bei der Analyse der Anreizwirkungen auf die rein<br />
materiellen Anreize konzentrieren.<br />
Die betriebswirtschaftliche Forschung hat im Laufe der Zeit eine Reihe von Kriterien<br />
entwickelt, mit denen man prüfen kann, welche Honorar- bzw. Vergütungsform in einer<br />
gegebenen Beauftragungssituation optimal ist. Diese Kriterien sollen im Folgenden diskutiert<br />
werden. Hierbei hat sich die folgende Definition als zweckmäßig erwiesen, nach der der<br />
Erfolg gleich der erbrachten Leistung plus eines (evtl. negativen) Zufallseinflusses ist:<br />
Erfolg = Leistung + Zufall<br />
Mit „Zufall“ sind solche Faktoren gemeint, die der Leistende nicht unter seiner Kontrolle hat.<br />
So kann man z.B. davon ausgehen, dass der Erfolg eines Maschinenbauunternehmens sowohl<br />
von der Leistung seines Managements und seiner Arbeitnehmer abhängt, aber eben auch von<br />
der Branchenkonjunktur. Letztere lässt sich durch ein Unternehmen und seine Belegschaft<br />
nicht kontrollieren, häufig auch nicht prognostizieren. Daher wäre hier die Konjunktur als<br />
Zufallsfaktor anzusehen. Bei einem Rechtsstreit können diese Zufallsfaktoren z.B. im<br />
Auftauchen neuer Beweise bis hin zur Laune des Richters bei der Urteilsfindung reichen.<br />
1
Gestützt auf diese Definition kann nun auf die Zweckmäßigkeitskriterien von<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong>n als Anreizinstrument eingegangen werden. Das erste Kriterium bezieht sich<br />
auf den Grad der relativen Informiertheit des Auftraggebers. Wenn der Auftraggeber die<br />
notwendigen Arbeitsschritte kennt und selbst beurteilen kann, ob diese Arbeitsschritte adäquat<br />
ausgeführt wurden, dann kann man auf erfolgsabhängige Vergütungen verzichten. Stattdessen<br />
kann man die Vergütung an die pflichtgemäße Erfüllung der Aufgaben selbst, d.h. an die<br />
Leistung koppeln. Zwar muss ein Erfolgshonorar in diesem Fall nicht schlecht oder schädlich<br />
sein, man könnte den gewünschten Anreizeffekt aber eben auch erreichen, indem man auf die<br />
Leistungsseite und nicht auf die Ergebnisseite abstellt. Das Problem des Erfolgshonorars liegt<br />
grundsätzlich darin, dass es „Glück“ (= positiver „Zufall“) bei der Leistungserbringung<br />
belohnt und „Pech“ (= negativer „Zufall“) bestraft, obwohl weder Glück noch Pech vom<br />
Leistenden beeinflusst werden können. Das Erfolgshonorar hat auch generell gegenüber dem<br />
Leistungshonorar keine motivationalen Vorteile. Es ist nämlich kaum zu sehen, dass die<br />
Aussicht, am Ende <strong>für</strong> Glück zusätzlich belohnt oder <strong>für</strong> Pech zusätzlich bestraft zu werden,<br />
eine besondere Motivation verursacht. Ganz anders stellt sich der Sachverhalt hingegen dar,<br />
wenn der Auftraggeber entweder die Angemessenheit der Arbeitsschritte nicht beurteilen<br />
kann und/oder er die Angemessenheit zwar prinzipiell beurteilen könnte, er die tatsächlich<br />
erbrachten Leistungen aber faktisch nicht überwachen bzw. nachvollziehen kann. In diesem<br />
Fall scheidet eine Vergütung der tatsächlich erbrachten Leistungen deshalb aus, eben weil<br />
diese nicht nachprüfbar und damit vertraglich vereinbar sind. Hieraus folgt <strong>für</strong> den gesamten<br />
Bereich professionalisierter Dienstleistungen, dass <strong>Erfolgshonorare</strong> zweckmäßig erscheinen.<br />
Dies gilt ohne Berücksichtigung weiterer Kriterien <strong>für</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> genauso wie z.B. <strong>für</strong><br />
Ärzte. In beiden Fällen sind die Mandanten bzw. Patienten in aller Regel nicht in der Lage zu<br />
beurteilen, ob die Dienstleistungen, die sie erhalten, adäquat sind, aus ihrer Sicht also wirklich<br />
eine „Leistung“ darstellen. Es bleibt also festzuhalten, dass das Kriterium der Informiertheit<br />
der Mandanten eines Anwalts <strong>für</strong> einen Anreiz mittels Erfolgshonorar spricht.<br />
Das nächste Kriterium betrifft die Frage der Messbarkeit und Eindeutigkeit des Erfolges. Um<br />
ein Erfolgshonorar vereinbaren zu können, muss vertraglich ein Erfolgsmaß vereinbart<br />
werden können, welches eindeutig und objektiv beurteilbar ist. Ferner muss auch feststehen,<br />
zu welchem Zeitpunkt die Erfolgsbeurteilung vorzunehmen ist. Wenn diese Bedingungen<br />
erfüllt sind, so spricht das allerdings noch nicht per se <strong>für</strong> ein Erfolgshonorar. Sind die<br />
Bedingungen allerdings verletzt, so muss von einem Erfolgshonorar ohnehin Abstand<br />
genommen werden. Für denjenigen Bereich der anwaltlichen Tätigkeit, bei dem es um den<br />
2
Streit um wirtschaftlich einfach bewertbare Vermögenswerte geht, dürften die Bedingungen<br />
der Messbarkeit und Eindeutigkeit gegeben sein. Dieser Bereich ist einer Erfolgshonorierung<br />
also unmittelbar zugänglich. Auch der Zeitpunkt der Erfolgsmessung kann üblicherweise<br />
sinnvoll bestimmt werden, indem der Erfolg bei Vergleich oder gerichtlicher Entscheidung<br />
zugrunde gelegt wird. Prinzipiell käme das Erfolgshonorar sogar dann in Frage, wenn der<br />
Erfolg nicht ohne weiteres finanziell bemessen werden könnte. So könnte man selbst in<br />
Strafverfahren z.B. die Anzahl vermiedener Jahre im Gefängnis als Erfolgsmaß definieren.<br />
Ein internationaler Vergleich zeigt jedoch, dass in Rechtsstreitigkeiten, die nicht auf einen<br />
finanziellen Ausgleich gerichtet sind, Erfolgsklauseln nicht oder nur sehr sporadisch zu finden<br />
sind.<br />
Anders zu beurteilen ist dagegen der Bereich der gestaltenden Beratung oder Begutachtung.<br />
Hier wird man in der Regel kaum einen adäquaten Erfolgsmaßstab finden, weshalb es hier<br />
aller Voraussicht nach bei Stundensätzen oder Pauschalhonoraren bleiben wird.<br />
Das Kriterium der Messbarkeit ist denn auch das zentrale Argument zur Unterscheidung von<br />
anwaltlichen und z.B. ärztlichen Dienstleistungen. Zwar wäre prinzipiell auch denkbar, die<br />
Vergütung von Ärzten an den Behandlungserfolg zu koppeln. Hierbei besteht allerdings die<br />
Gefahr, dass Patienten geneigt sein könnten, ihren Gesundheitszustand nach Behandlung<br />
schlechter darzustellen als er ist, um dadurch die ansonsten fälligen Honorare zu sparen.<br />
Es bleibt damit festzuhalten, dass das Kriterium der Messbarkeit in Angelegenheiten des<br />
finanziellen Ausgleichs in der Regel erfüllt sein wird. Dies spricht ebenfalls da<strong>für</strong>,<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong> als zweckmäßiges Anreizinstrument zu beurteilen.<br />
Ein weiteres Kriterium ist das der Dauerhaftigkeit von Vertragsbeziehungen. Sind Verträge<br />
auf Dauer angelegt, so dass die Vertragsparteien wissen oder annehmen dürfen, dass sie<br />
wiederholt miteinander zu tun haben werden, so ist die Notwendigkeit direkter finanzieller<br />
Anreize vergleichsweise gering. Dies folgt daraus, dass bei wiederholter Interaktion in der<br />
Regel beide Seiten ein starkes Interesse daran haben, die Zusammenarbeit nicht durch<br />
schlechte Leistungen zu gefährden. Das Interesse, die eigene Reputation zu erhalten, wird hier<br />
in der Regel ein hohes Leistungsniveau sichern. Anders stellt sich der Sachverhalt wiederum<br />
bei einmaliger Interaktion dar. In diesem Fall spielt die direkte Reputation gegenüber dem<br />
Vertragspartner keine Rolle. Zwar existiert ein indirekter Effekt, indem z.B. Mandanten im<br />
Bekanntenkreis über ihre Erfahrungen mit einem Anwalt berichten. Es ist aber nicht<br />
anzunehmen, dass in diesem Fall der Effekt einer als mangelhaft bewerteten Leistung ebenso<br />
groß wäre wie bei direkter, wiederholter Interaktion. Reputationsverluste aus mangelhafter<br />
3
Leistung sind im indirekten Fall geringer, ebenso wie Reputationsgewinne bei<br />
ausgezeichneten Leistungen. Dies spricht da<strong>für</strong>, bei einmaligen Interaktionen eher direkte<br />
finanzielle Anreize zu nutzen als bei wiederholter Interaktion. Für den Bereich der<br />
anwaltlichen Vertretung lässt sich somit folgern, dass im Bereich der privaten Mandanten<br />
häufig von einmaliger Interaktion ausgegangen werden kann und daher <strong>Erfolgshonorare</strong><br />
zweckmäßig erscheinen. Bei der Beratung und Vertretung von Unternehmen kommt es<br />
hingegen häufiger zu einer wiederholten Zusammenarbeit. In diesem Fall sind direkte<br />
finanzielle Anreize in Form eines Erfolgshonorars weniger notwendig. Dieses Ergebnis<br />
spiegelt sich auch in empirischen Untersuchungen zur Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n in<br />
den USA wider: Verträge zwischen Unternehmen und Kanzleien sind in der Regel nicht<br />
erfolgsabhängig, Verträge zwischen Privatpersonen und Kanzleien hingegen sind es.<br />
Als letztes Kriterium soll an dieser Stelle noch auf die Verteilung von wirtschaftlichen<br />
Risiken zwischen Anwalt und Mandant eingegangen werden. In der ökonomischen<br />
Vertragstheorie spielt die Risikoverteilung eine gewichtige Rolle. Die Grundthese dabei ist,<br />
dass derjenige Vertragspartner die Risiken tragen sollte, der das relativ gesehen am besten<br />
kann. In einem Rechtsstreit bestehen die finanziellen Risiken eines Mandanten vor allem in<br />
der Gefahr, im Misserfolgsfall nicht nur nichts von den angestrebten finanziellen<br />
Ausgleichszahlungen wie Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu erhalten, sondern dann<br />
auch noch mit einer Honorarforderung konfrontiert zu sein. Bei Honorierung nach RVG oder<br />
vergleichbaren Honorarvereinbarungen trüge der Anwalt hingegen keine finanziellen Risiken<br />
aus dem Rechtsstreit. Eine vertiefende Diskussion des Risikoaufteilungsproblems erfolgt erst<br />
weiter unten bei der Diskussion der Versicherungsfunktion in Abschnitt 5.2. [Anmerkung: in<br />
dieser Stellungnahme wird die Versicherungsfunktion in Abschnitt II 2 und im Anhang II<br />
behandelt.] An dieser Stelle kann aber vorab gesagt werden, dass das alleinige Tragen der<br />
finanziellen Risiken durch den Mandanten in aller Regel nicht optimal sein wird. Dies spricht<br />
eindeutig <strong>für</strong> ein Erfolgshonorar, da bei diesem der Mandant im Misserfolgsfall dann<br />
zumindest nicht auch noch Honorarforderungen seines eigenen Anwalts zu tragen hat. Es ist<br />
zwar zu konstatieren, dass dann umgekehrt dieser Teil des finanziellen Risikos vom Anwalt<br />
zu tragen ist. Dieser vertritt aber meist eine Vielzahl von Fällen und kann daher das<br />
finanzielle Risiko kalkulatorisch viel besser handhaben. Ferner kann er einen Risikoaufschlag<br />
auf seine Honorarforderung vornehmen, die der Mandant, dem ein merkliches Risiko<br />
genommen wird, gerne akzeptieren wird. Die empirische Forschung belegt denn auch, dass<br />
Mandanten in den USA recht hohe Erfolgsbeteiligungen ihrer Anwälte akzeptieren, nur um<br />
4
im Misserfolgsfall nicht auch noch Honorarforderungen erfüllen zu müssen. Auch dieses<br />
Argument spricht da<strong>für</strong>, <strong>Erfolgshonorare</strong> als geeignetes Anreizinstrument anzusehen. (Siehe<br />
im Detail hierzu auch Anhang II dieser Stellungnahme)<br />
Als Zwischenfazit bleibt festzuhalten, dass die ökonomischen Kriterien zum Einsatz direkter<br />
finanzieller Anreize eindeutig <strong>für</strong> die Nutzung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n sprechen. Zeit und<br />
Pauschalhonorare sind dem Erfolgshonorar aus Sicht des Mandanten deutlich unterlegen.<br />
Beim Zeithonorar bestehen aus Mandantensicht die oben angesprochenen Probleme. So kann<br />
der Mandant häufig nicht nachprüfen, ob die Dinge, die der Anwalt unternimmt, wirklich alle<br />
notwendig und zielführend sind. Damit besteht aus Mandantensicht die Gefahr, Leistungen<br />
bezahlen zu müssen, die nicht in seinem Interesse gelegen haben. Ferner besteht beim<br />
Zeithonorar <strong>für</strong> den Mandanten die Gefahr, dass Zeiten abgerechnet werden, die der Anwalt<br />
faktisch gar nicht an dem Fall gearbeitet hat. Bei Vereinbarung eines Erfolgshonorars<br />
bestehen beide Gefahren nicht. Da der Anwalt sein Honorar nur im Erfolgsfall bekommt, hat<br />
er keinerlei Anreize, Dinge zu tun, die nicht zielführend sind. Aus Mandantensicht schafft das<br />
Erfolgshonorar damit bessere Anreize als das Zeithonorar. Gleichzeitig entfällt <strong>für</strong> den<br />
Anwalt auch die Möglichkeit -und damit die Versuchung- Zeiten abzurechnen, in denen nicht<br />
an dem Fall gearbeitet wurde. Das bietet dem Mandanten die Gewähr da<strong>für</strong>, dass er nur<br />
tatsächlich erbrachte Leistungen bezahlen muss. Es kann daher gefolgert werden, dass das<br />
Erfolgshonorar die besseren Anreize bietet.<br />
Um nun allerdings die Angemessenheit bestimmter Honorarformen genauer untersuchen zu<br />
können, ist es zweckmäßig, das Analyseinstrumentarium der Wirtschaftswissenschaften zu<br />
nutzen. Hierzu sollen im weiteren Verlauf sog. Nutzenfunktionen verwendet werden. Mit<br />
Nutzenfunktionen wird letztlich lediglich das individuelle Wohlergehen von Menschen<br />
beschrieben. Funktionen stellen mathematische Zusammenhänge zwischen Variablen dar. So<br />
kann mit Nutzenfunktionen z.B. der Zusammenhang zwischen dem Vermögen einer Person<br />
und seinem Wohlergehen dargestellt werden, wobei auch weitere Variablen wie z.B. die<br />
aufzuwendende Arbeitszeit berücksichtigt werden können. Um die Auswirkungen einer<br />
bestimmten Honorarform aus der Sicht eines Mandanten analysieren zu können, muss sich der<br />
Mandant zunächst Gedanken darüber machen, wie der Anwalt auf jede mögliche<br />
Honorarform reagieren wird. Schließlich sollen <strong>Erfolgshonorare</strong> Erfolge stimulieren, was nur<br />
über eine Verhaltensbeeinflussung möglich ist. Der Mandant muss sich also überlegen,<br />
welche Honorarform welches Verhalten hervorrufen wird. Um das prognostizieren zu können,<br />
5
wäre es <strong>für</strong> den Mandanten hilfreich, die Nutzenfunktion seines Anwalts zu kennen, also<br />
genau zu wissen, wovon das Wohlergehen seines Anwalts abhängt. Hätte der Mandant einen<br />
Anwalt vor sich, dessen Wohlergehen ausschließlich durch die Befriedigung aus guter Arbeit<br />
gesteigert wird, so müsste sich der Mandant keine weiteren Gedanken um die Honorarform<br />
machen, gegen eine Honorierung auf Basis des RVG wäre nichts einzuwenden. Wäre der<br />
Anwalt hingegen lediglich an Geld interessiert und zudem noch faul, so würde der Mandant<br />
bei Honorierung nach RVG damit rechnen müssen, dass der Anwalt den Fall annimmt und<br />
nur das absolute Minimum <strong>für</strong> sein Geld tut. In diesem Fall wäre ein Erfolgshonorar<br />
vermutlich die probatere Honorarform.<br />
Mandanten, die nun nicht wissen, mit welcher Art Anwalt sie konfrontiert sind, werden<br />
vermutlich bestrebt sein, sich vor bösen Überraschungen zu schützen. Sie werden ihre<br />
Situation so analysieren, als müssten sie mit dem Schlimmsten rechnen. Diese pessimistische<br />
Herangehensweise an die Analyse von Anreizproblemen hat sich in den<br />
Wirtschaftswissenschaften inzwischen fest etabliert und ist im Forschungsprogramm des sog.<br />
Neo-Institutionalismus beheimatet. Hinter diesem Forschungsansatz steht dabei gar nicht die<br />
Annahme, dass die Welt wirklich nur oder überwiegend aus „schlechten“ Menschen besteht.<br />
Vielmehr ist dieser Ansatz bestrebt, „Crashtests“ zu entwickeln, d.h. Vertragsregelungen zu<br />
identifizieren, die selbst bei extrem egoistisch und opportunistisch handelnden Individuen<br />
noch Zusammenarbeit z.B. in Form von Auftragsbeziehungen ermöglichen. Man könnte das<br />
etwa so umschreiben: Es wird angenommen, dass der Mandant glaubt, dass alle Anwälte in<br />
Deutschland bis auf einen gut, ehrlich, rechtschaffen und ausschließlich am Wohl ihrer<br />
Mandanten orientiert handeln. Das eine Schwarze Schaf hingegen ist nur an seinem<br />
persönlichen Einkommen interessiert und ist zudem faul. Der Mandant will in keinem Fall<br />
hereinfallen, hat aber auch keine Möglichkeit, das Schwarze Schaf von den weißen zu<br />
unterscheiden. Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Gibt es eine Honorarform, die dazu führt,<br />
dass es dem Mandanten letztlich egal sein kann, an welchen Anwalt er gerät? Wenn es eine<br />
solche Honorarform gibt, hat diese den Crashtest bestanden. Das bedeutet dann aber nicht,<br />
dass alle Mandanten nur noch diese Honorarform nachfragen würden. Immer dort, wo z.B.<br />
Mandanten ihre Anwälte durch dauerhafte Zusammenarbeit hinreichend kennen, müssen dann<br />
natürlich keine Honorarformen mehr vereinbart werden, deren wesentlicher Sinn darin<br />
besteht, Schwarze Schafe zu motivieren.<br />
Dieser Logik folgend soll daher nun die Nutzenfunktion eines an sich faulen, nur an Geld<br />
interessierten Individuums analysiert werden. Diese Person wird Einkommen positiv<br />
bewerten und Arbeitszeit negativ. Misst man die Arbeitszeit in Abhängigkeit von der<br />
6
Stundenzahl, so ist diese Stundenzahl mit einem „Kosten“-Multiplikator K zu versehen, um<br />
zum Ausdruck zu bringen, wie unangenehm eine Stunde Arbeitszeit empfunden wird. In den<br />
Wirtschaftwissenschaften hat sich <strong>für</strong> diese Kostenposition „K Arbeitszeit“ auch der<br />
Begriff „Arbeitsleid“ eingebürgert. Nimmt man z.B. an, dass der Kostenmultiplikator K = 200<br />
€ / Stunde beträgt, so sind diese 200 € pro Stunde als notwendiges „Schmerzensgeld“<br />
interpretierbar, das man einem faulen Menschen mindestens da<strong>für</strong> zahlen muss, dass er den<br />
„Schmerz“ von einer Stunde Arbeit auf sich nimmt. Eine Nutzenfunktion eines an sich faulen<br />
Individuums könnte daher z.B. folgende Form haben.<br />
N = Einkommen – K Arbeitszeit<br />
Wäre dies die Nutzenfunktion eines Anwalts und würde man nur die Überlegungen des<br />
Anwalts bezüglich des Beispielfalles der Mandantin M betrachten, so ergäbe sich bei<br />
gegenstandswertabhängiger Bezahlung auf Basis des RVG folgende Nutzenbetrachtung:<br />
N = Honorar nach RVG – Arbeitsleid = 2.615 € – (200 € / Stunde) Arbeitszeit<br />
[Dem Betrag von 2.615 € liegt ein angenommener Gegenstandswert von 50.000 € und eine<br />
darauf bezogene 1,2 Terminsgebühr und eine 1,3 Verfahrensgebühr zugrunde. Steuern<br />
bleiben unberücksichtigt]<br />
Tabelliert man Arbeitszeit, Honorar, Arbeitsleid und Nutzen, so ergibt sich:<br />
Arbeitszeit in Stunden Honorar Arbeitsleid Nutzen N<br />
0 2.615 0 2615<br />
1 2.615 200 2415<br />
2 2.615 400 2215<br />
3 2.615 600 2015<br />
4 2.615 800 1815<br />
5 2.615 1000 1615<br />
6 2.615 1200 1415<br />
7 2.615 1400 1215<br />
8 2.615 1600 1015<br />
9 2.615 1800 815<br />
10 2.615 2000 615<br />
Bei Null Stunden Arbeitszeit ergäbe sich mithin ein Nutzen von 2.615 €, bei einer Stunde<br />
Arbeit 2.415 €, bei zwei Stunden Arbeit 2.215 € usw. Der Anwalt würde in dieser Situation<br />
7
in €<br />
offensichtlich am besten nichts tun und einfach die 2.615 € als Honorar einstreichen. Selbst<br />
wenn dieser Fall zu extrem gewählt ist, weil es in der Realität faktisch kaum möglich sein<br />
dürfte, gar nichts zu tun: Man kommt doch inhaltlich immer zu dem gleichen Ergebnis,<br />
nämlich dass der Anwalt nur das absolut minimal Notwendige tun wird, wenn er seinen<br />
eigenen Nutzen maximieren will. Zu diesem Ergebnis kommt man auch unabhängig von der<br />
Höhe des Kostenmultiplikators K: Solange K positiv ist, Arbeit also Leid verursacht, so lange<br />
ist es bei einer gegenstandswertorientierten Pauschalvergütung <strong>für</strong> einen faulen Anwalt<br />
optimal, nur das Minimum zu arbeiten.<br />
Da sich viele der folgenden Analysen grafisch besser verdeutlich lassen als mittels<br />
mathematischer Herleitungen, soll mit der grafischen Darstellung bereits an dieser Stelle<br />
begonnen werden. Stellt man die obige Tabelle grafisch als die Funktionen „Honorar“,<br />
„Arbeitsleid“ und „Nutzen“ in Abhängigkeit von der Arbeitszeit dar, so ergibt sich folgendes<br />
Diagramm:<br />
3000<br />
2500<br />
Honorar<br />
2000<br />
Nutzen<br />
Arbeitsleid<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
0 2 4 6 8 10<br />
Arbeitszeit in Stunden<br />
Auch an dieser Abbildung ist erkennbar, dass der Nutzen des Anwalts mit zunehmender<br />
Arbeitszeit sinkt, er den höchsten Nutzen bei einer Arbeitszeit von Null erreicht.<br />
8
Um die Wirkungsweise von <strong>Erfolgshonorare</strong>n analysieren zu können, ist es zweckmäßig, sich<br />
zunächst den Extremfall einer 100%-igen quota litis anzusehen, der immer dann auftritt, wenn<br />
ein Anwalt sich selbst in eigener Sache vertritt. In diesem Fall ist der Anreiz, sich <strong>für</strong> den Fall<br />
zu engagieren und viel Arbeitszeit zu investieren, am höchsten. Das bedeutet aber nicht, dass<br />
der Anwalt notwendigerweise seine gesamte Arbeitszeit <strong>für</strong> den Fall verwenden wird.<br />
Tatsächlich ist er, selbst wenn er nicht faul ist, dennoch mit einer Art Kosten belastet, die den<br />
Kosten des Arbeitsleids entsprechen. Das oben vorgestellte Konzept des Arbeitsleids hat<br />
nämlich noch eine andere mögliche Interpretation: Statt eine Art „Schmerzensgeld“<br />
auszudrücken, kann man sich unter dieser Kostenposition auch den entgangenen Ertrag aus<br />
alternativen Aufträgen vorstellen. Nimmt man also z.B. an, dass Anwalt A im Durchschnitt<br />
200 € pro Stunde an seinem Mandaten verdient, dann kostet ihn jede Stunde, die er in seinen<br />
eigenen Fall investiert, deswegen 200 €, weil er diese an anderer Stelle weniger verdient. Der<br />
Begriff „Arbeitsleid“ kann somit entweder „Schmerzensgeld“ umschreiben oder aber<br />
Opportunitätskosten aus entgangenen Honoraren, die man alternativ hätte verdienen können.<br />
Im Folgenden soll daher besser von „Arbeitskosten“ gesprochen werden, um zum Ausdruck<br />
zu bringen, dass <strong>für</strong> denjenigen, der Arbeitszeit investiert, Kosten durch entgangene<br />
Alternativverwendungen seiner Zeit entstehen. Unter Berücksichtigung seiner Arbeitskosten<br />
wird Anwalt A zusätzliche Arbeitszeit in seinen eigenen Fall nur so lange investieren, wie der<br />
Ertrag pro Stunde, den er sich daraus erhoffen darf, mindestens 200 € beträgt. Fällt der<br />
zusätzlich erwartete Ertrag pro weiterer Stunde unter diesen Wert, wäre es <strong>für</strong> A besser, seine<br />
Arbeitszeit auf Fälle seiner Mandanten umzuschichten, da er dort 200 € je Stunde verdienen<br />
kann. Seine Nutzenfunktion in Abhängigkeit vom finanziellen Erfolg seiner Sache kann damit<br />
ausgedrückt werden als:<br />
N = Erfolg – 200 €/h Arbeitszeit<br />
Entgegen dem Fall beim Pauschalhonorar ist eine Vergütung in Abhängigkeit vom Erfolg<br />
aber nicht unabhängig von der investierten Arbeitszeit. Vielmehr wird man annehmen dürfen,<br />
dass der Erfolg umso größer wird, je mehr Arbeitszeit in den Fall investiert wird. Ferner wird<br />
man annehmen dürfen, dass der zusätzliche Erfolg pro Stunde immer geringer wird, je mehr<br />
Stunden bereits in den Fall investiert wurden. Wahrscheinlich gibt es <strong>für</strong> die meisten Fälle<br />
sogar einen Punkt, ab dem noch weitere Stunden überhaupt keinen Einfluss mehr auf den<br />
Erfolg haben werden. Für die weiteren Analysen soll der in der folgenden Tabelle<br />
9
wiedergegebene, willkürlich als Beispiel gewählte Zusammenhang zwischen der Anzahl der<br />
Arbeitsstunden und dem Erfolg (erstrittener Betrag) unterstellt werden:<br />
Arbeitszeit in<br />
Stunden<br />
Erfolg<br />
Arbeitszeit<br />
in Stunden<br />
Erfolg<br />
Erfolgsveränderung<br />
Erfolgsveränderung<br />
0 0 / 31 39.388 544<br />
1 2.439 2.439 32 39.905 518<br />
2 4.758 2.320 33 40.398 492<br />
3 6.965 2.206 34 40.866 468<br />
4 9.063 2.099 35 41.311 445<br />
5 11.060 1.996 36 41.735 424<br />
6 12.959 1.899 37 42.138 403<br />
7 14.766 1.807 38 42.522 383<br />
8 16.484 1.718 39 42.886 365<br />
9 18.119 1.635 40 43.233 347<br />
10 19.673 1.555 41 43.563 330<br />
11 21.153 1.479 42 43.877 314<br />
12 22.559 1.407 43 44.176 299<br />
13 23.898 1.338 44 44.460 284<br />
14 25.171 1.273 45 44.730 270<br />
15 26.382 1.211 46 44.987 257<br />
16 27.534 1.152 47 45.232 244<br />
17 28.629 1.096 48 45.464 233<br />
18 29.672 1.042 49 45.685 221<br />
19 30.663 991 50 45.896 210<br />
20 31.606 943 51 46.096 200<br />
21 32.503 897 52 46.286 190<br />
22 33.356 853 53 46.467 181<br />
23 34.168 812 54 46.640 172<br />
24 34.940 772 55 46.804 164<br />
25 35.675 734 56 46.959 156<br />
26 36.373 699 57 47.108 148<br />
27 37.038 665 58 47.249 141<br />
28 37.670 632 59 47.383 134<br />
29 38.271 601 60 47.511 128<br />
30 38.843 572 61 47.632 121<br />
Fortsetzung nächste Spalten oben … ……. ….<br />
In den Spalten mit der Überschrift „Erfolgsveränderung“ ist jeweils angegeben, um wie viel<br />
der erstrittene Betrag ansteigt, wenn die jeweilige Stunde noch zusätzlich gearbeitet wird. So<br />
ergibt sich gemäß obiger Tabelle bei Null Arbeitsstunden auch ein Erfolg von 0 €, während<br />
der Erfolg bei einer Arbeitsstunde 2.439 € beträgt. Damit beträgt die durch die erste Stunde<br />
verursachte Erfolgsveränderung: 2.439 € - 0 € = 2.439 €.<br />
Stellt man den in der Tabelle wiedergegebenen Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und<br />
Erfolg grafisch dar, so ergibt sich folgender Verlauf:<br />
10
in €<br />
60.000<br />
50.000<br />
Erfolg (Erstrittener Betrag)<br />
40.000<br />
30.000<br />
20.000<br />
10.000<br />
0<br />
0 20 40 60 80 100 120 140 160<br />
Arbeitszeit in Stunden<br />
Dieser Zusammenhang ist als Beispiel natürlich willkürlich gewählt. Wichtig dabei ist nur,<br />
dass der Erfolg in Abhängigkeit von der Arbeitszeit zunächst sehr stark ansteigt, dann aber<br />
flacher verläuft und irgendwann einen Punkt erreicht, ab welchem zusätzlich investierte<br />
Arbeitszeit keine merklichen Erfolgszuwächse mehr bringt, was im hier gezeigten Beispiel<br />
bei etwa 100 bis 120 Stunden Arbeitszeit geschieht. Man mag an dieser Darstellung<br />
kritisieren, dass man den genauen Verlauf des Erfolges in Abhängigkeit der Arbeitszeit bei<br />
einzelnen Fällen kaum so genau wird angeben können. Gleichwohl dürften sich derartige<br />
Zusammenhänge zumindest im Durchschnitt über eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle<br />
feststellen lassen. Und wenn man nicht weiß, wie sich der Einzelfall in Abhängigkeit von der<br />
Arbeitszeit entwickeln wird, dann wird man sich aus Planungsgründen wohl am Durchschnitt<br />
orientieren.<br />
Sieht man sich nun den Erfolgsverlauf in Abhängigkeit von der Arbeitszeit an, so ist<br />
unmittelbar plausibel, dass Anwalt A nicht mehr als 120 Stunden an seinem eigenen Fall<br />
arbeiten wird, weil mit der weiteren Arbeitszeit keine merklichen Erträge mehr verbunden<br />
sind. Berücksicht man, dass A durch die Arbeit an Fällen seiner Mandanten 200 € pro Stunde<br />
verdienen kann, dann zeigt sich hier sogar, dass er sinnvollerweise lediglich 51 Stunden in<br />
seinen eigenen Fall investieren sollte. Zieht man nämlich 200 € pro Stunde von dem Ertrag<br />
11
in €<br />
ab, so ergibt sich die in der folgenden Abbildung dargestellte Nutzenfunktion von A. Diese<br />
erreicht ihr Maximum bei ca. 51 Stunden.<br />
60.000<br />
50.000<br />
Erfolg (Erstrittener Betrag)<br />
40.000<br />
30.000<br />
Nutzen<br />
20.000<br />
Arbeitskosten<br />
10.000<br />
0<br />
0 20 40 60 80 100 120 140 160<br />
Arbeitszeit in Stunden<br />
Zwar würde ab der 51. Stunde der Erfolg weiter steigen. Er steigt pro Stunde aber weniger als<br />
200 Euro, sodass es ab diesem Punkt besser ist, Arbeitszeit auf die Fälle umzuschichten, mit<br />
denen A dann 200 € pro Stunde verdienen kann. Dadurch, dass ab der 51. Stunde der Erfolg<br />
langsamer steigt als die Arbeitskosten, fängt ab diesem Punkt die Nutzenfunktion des Anwalts<br />
wieder an zu fallen: Investiert er ab der 51. Stunde weitere Arbeitszeit in seinen Fall, reduziert<br />
sich sein Nutzen und damit sein Wohlergehen. Dies lässt sich auch der oben angegebenen<br />
Tabelle entnehmen. Hierzu sehe man sich den relevanten Ausschnitt aus den Spalten 4-6 an:<br />
Arbeitszeit<br />
in Stunden<br />
Erfolg<br />
Erfolgsveränderung<br />
… ……… ……<br />
49 45.685 221<br />
50 45.896 210<br />
51 46.096 200<br />
52 46.286 190<br />
… …..…. .....<br />
12
Die zur 51. Stunde zugehörigen Daten sind durch Fettdruck hervorgehoben. Der Tabelle ist zu<br />
entnehmen, dass der Erfolg nach 51 Stunden Arbeit bei 46.096 € liegt. Bei 50 Stunden hätte<br />
der Erfolg bei 45.896 € gelegen. Durch die 51. Arbeitsstunde wird damit eine<br />
Erfolgsveränderung von 46.096 € - 45.896 € = 200 € bewirkt. Somit verdient A in der 51.<br />
Stunde in seinem Fall noch genauso viel wie er anderweitig verdienen könnte. Rein finanziell<br />
ist es <strong>für</strong> ihn mithin egal, ob er die 51. Stunde noch in seinen eigenen Fall investiert oder diese<br />
Zeit <strong>für</strong> einen seiner Mandanten aufwendet. Wie der Tabelle ebenfalls zu entnehmen ist, steigt<br />
der Erfolg nach 52 Stunden Arbeit auf 46.286 €. Die Erfolgsveränderung gegenüber der 51.<br />
Stunde beträgt somit 46.286 € - 46.096 € = 190 €. Diese Erfolgssteigerung liegt damit unter<br />
den 200 €, die A alternativ durch Arbeit <strong>für</strong> seine Mandanten verdienen könnte. Er sollte die<br />
52. Arbeitsstunde also nicht mehr in seinen eigenen Fall investieren.<br />
Wenn A sich selbst vertritt, dann gibt es offensichtlich keine Interessenkonflikte zwischen<br />
Anwalt und Mandant, da beide ein und dieselbe Person sind. Man wird auch annehmen<br />
dürfen, dass sich A selbst optimal vertritt. Das bedeutet - wie eben gesehen - aber nicht, dass<br />
A seine gesamte Arbeitszeit in den Fall investiert. Daraus lässt sich auch folgern, dass ein<br />
Mandant, der einen Anwalt auf Erfolgsbasis beschäftigt, nicht erwarten kann, dass der Anwalt<br />
ein Maximum an Zeit in den Fall investieren wird, da der Anwalt das nicht einmal <strong>für</strong> sich<br />
selbst tun würde. Die Frage, die sich stellt, kann also nur lauten, inwiefern ein Erfolgshonorar<br />
einen Anwalt dazu motivieren kann, sich eines Falles so anzunehmen, als sei es sein eigener.<br />
Hierzu sehe man sich zunächst das Beispiel einer quota litis von 30% an. In der folgenden<br />
Abbildung ist der Erfolg, das korrespondierende Honorar einer 30%-igen quota litis, die<br />
Arbeitskosten und der Nutzen des Anwalts dargestellt:<br />
13
in €<br />
60.000<br />
50.000<br />
40.000<br />
Erfolg<br />
30.000<br />
20.000<br />
10.000<br />
0<br />
-10.000<br />
Arbeitskosten<br />
Honorar<br />
Nutzen<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Arbeitszeit in Stunden<br />
Wie der Abbildung zu entnehmen ist, liegt das Maximum der Nutzenfunktion nun bei ca. 27<br />
Stunden. Die Differenz zwischen den 51 Stunden, die der Anwalt an dem Fall arbeiten würde,<br />
wäre es sein eigener, und den 27 Stunden, wenn er auf Basis einer 30%-igen quota litis<br />
arbeiten würde, ergeben sich durch die Verschiebung des Kosten-/Nutzenverhältnisses bei der<br />
Erwirtschaftung zusätzlicher Erfolge. Ist der Fall sein eigener, so wird A auch die Stunden 27<br />
bis 51 noch in den Fall investieren, da jede dieser Stunden einen Ertrag erbringt, der höher als<br />
200 € liegt (Siehe Tabelle Seite 38, jeweils die Spalten „Erfolgsveränderung“). Wird A<br />
hingegen auf Basis einer quota litis von 30% vergütet, so verändert dies seine Kalkulation<br />
massiv. Wenn er nun z.B. die 51. Stunde noch arbeiten würde, dann würde zwar der Erfolg<br />
noch um etwa 200 € zunehmen, A erhält aufgrund seiner Erfolgsbeteiligungsquote hiervon<br />
jedoch nur 30%, d.h. 60 €. Hätte er diese Stunde auf einen anderen Fall verwendet, so hätte er<br />
dort 200 € verdienen können. Tatsächlich ist es <strong>für</strong> A nur so lange sinnvoll, Arbeitszeit in den<br />
Fall von M zu investieren, solange der zusätzlich erstrittene Betrag pro Stunde oberhalb von<br />
ca. 665 € liegt. Denn nur wenn der zusätzliche Ertrag pro Stunde bei mindestens 665 € liegt,<br />
ist der 30%-Anteil von A noch etwa 200 € pro Stunde wert, kompensiert also seine<br />
alternativen Verdienstmöglichkeiten. Hierzu sehe man sich den nunmehr relevanten<br />
Ausschnitt aus der Tabelle an:<br />
14
Arbeitszeit in<br />
Stunden<br />
Erfolg<br />
Erfolgsveränderung<br />
… ……… …..<br />
25 35.675 734<br />
26 36.373 699<br />
27 37.038 665<br />
28 37.670 632<br />
… ……… …..<br />
In der Tabelle liest man diesen Effekt bei den zur 27. Arbeitsstunde zugehörigen<br />
Zahlenwerten ab. Würde A auch noch die 28. Stunde an dem Fall arbeiten, so würde der<br />
Ertrag von 37.038 € auf 37.670 € steigen, was einem zusätzlichen Ertrag von 632 €<br />
entspräche. Hiervon bekäme A aber aufgrund der 30%-igen quota litis nur 632 € 30% =<br />
189,60 €. Dies ist weniger als sein alternativ möglicher Stundensatz von 200 €, weshalb er die<br />
28. Stunde nicht mehr an dem Fall arbeiten sollte, will er sich nicht selbst finanziell<br />
schädigen.<br />
Dieses Beispiel einer 30%-igen quota litis zeigt bereits das Grundproblem einer<br />
Streitanteilsvergütung auf: Jede quota litis unter 100% führt dazu, dass der Anwalt weniger an<br />
dem Fall arbeiten wird, als wenn es sein eigener wäre. Mittels einfacher quota litis können in<br />
einer Vertragsbeziehung zwischen Anwalt und Mandant also keine optimalen Anreize<br />
geschaffen werden.<br />
Statt mit 30% kann man die obige Analyse auch <strong>für</strong> jede andere Höhe der quota litis<br />
wiederholen. Es ergibt sich jeweils eine andere, aus Sicht von A optimale Arbeitszeit. Die<br />
folgende Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen der Höhe der quota litis und der<br />
optimalen Arbeitszeit, die Anwalt A aus seiner eigenen Perspektive dann jeweils arbeiten<br />
sollte.<br />
15
Optimale Arbeitszeit in h<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
quota litis<br />
Wie der Abbildung zu entnehmen ist, führt nur eine quota litis von 100% zu einer<br />
Arbeitsleistung von 51 Stunden. Jede geringere quota litis führt dazu, dass der Anwalt aus<br />
seiner eigenen Perspektive optimalerweise weniger als diese Arbeitszeit auf den Fall<br />
verwenden sollte.<br />
Sieht man sich nun die finanziellen Auswirkungen unterschiedlicher Höhen der quota litis <strong>für</strong><br />
Anwalt und Mandant an, so kommt man zu folgenden Effekten: Mit steigender Höhe der<br />
quota litis steigt der durchschnittliche Stundensatz von Anwalt A an. Hierzu sehe man sich<br />
nochmals die Daten aus Tabelle xxx in Verbindung mit den optimalen Arbeitszeiten gemäß<br />
obiger Abbildung an. So ergibt sich z.B. <strong>für</strong> eine quota litis von 30% eine optimale<br />
Arbeitszeit in Höhe von 27 Stunden. Bei 27 Stunden wird ein Betrag von 37.038 € erstritten,<br />
wovon A einen Anteil von 30%, d.h. 11.111,40 € erhält. Dies entspricht einem<br />
durchschnittlichen Stundensatz von 11.111,40 € / 27 h = 411,53 € / h. Würde A hingegen eine<br />
quota litis von 100 % erhalten, so würde er 51 Stunden an dem Fall arbeiten. Dabei würde er<br />
einen Betrag von 46.096 € erstreiten, den er komplett behalten könnte. Daraus ergäbe sich ein<br />
durchschnittlicher Stundensatz von 46.096 € / 51 h = 903,84 € / h.<br />
Aus der Sicht des Mandanten hat eine Erhöhung der quota litis zwei gegenläufige Effekte.<br />
Der erste Effekt besteht darin, dass bei Erhöhung der quota litis der Anwalt mehr Arbeitszeit<br />
in den Fall investiert. Dies ist aus Sicht des Mandanten begrüßenswert, da der erstrittene<br />
16
in €<br />
Betrag steigt. Der zweite Effekt besteht <strong>für</strong> den Mandanten aber darin, dass er selbst vom<br />
erstrittenen Betrag immer weniger selbst behalten kann, je größer die quota litis wird. Dieser<br />
Effekt ist aus Mandantensicht nachteilig. Diese beiden gegenläufigen Effekte führen dazu,<br />
dass es aus Mandantensicht eine quota litis gibt, bei der sein Nettoertrag aus dem Rechtsstreit<br />
maximiert wird. Stellt man den Erfolg, das Gesamthonorar des Anwalts und – als Differenz<br />
zwischen beiden – den Nettoertrag des Mandanten in Abhängigkeit von der quota litis<br />
grafisch dar, so ergibt sich folgendes Diagramm.<br />
50.000<br />
45.000<br />
40.000<br />
Erfolg<br />
35.000<br />
30.000<br />
Honorar<br />
25.000<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
Nettoerfolg des<br />
Mandanten<br />
5.000<br />
0<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
quota litis in %<br />
Es zeigt sich, dass es aus Sicht des Mandanten in dieser Konstellation optimal wäre, eine<br />
quota litis von 30% zu vereinbaren. Bei noch höherer quota litis würde der Anwalt zwar mehr<br />
arbeiten und damit den Erfolg steigern, jedoch würde von dieser Erfolgssteigerung aufgrund<br />
gestiegener quota litis netto nichts mehr beim Mandanten ankommen.<br />
Bei einer quota litis von 30% würde der Anwalt etwa 27 Stunden an dem Fall arbeiten, was zu<br />
einem Erfolg von 37.038 € führen würde. Hiervon könnte der Mandant 70% behalten, was<br />
einem Betrag von etwa 25.926 € entsprechen würde.<br />
Vergleicht man nun die quota litis mit der gegenstandswertbezogenen Vergütung nach RVG,<br />
so lässt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die quota litis die besseren Arbeitsanreize<br />
<strong>für</strong> den Anwalt setzt. Ob sich dies aber netto <strong>für</strong> den Mandanten auszahlt, ist offensichtlich<br />
17
auch eine Frage der Höhe der quota litis. Ist die quota litis nämlich zu hoch, so hat der Anwalt<br />
zwar hervorragende Arbeitsanreize, jedoch bleiben am Ende nichts oder nur Bagatellbeträge<br />
<strong>für</strong> den Mandanten netto übrig. Dies erklärt auch das Bestreben der Gesetzgeber in vielen<br />
Ländern, die maximale Höhe von <strong>Erfolgshonorare</strong>n gesetzlich zu begrenzen. Diese<br />
gesetzlichen oder standesrechtlichen Regulierungen gehen allerdings häufig am<br />
ökonomischen Kern des Problems vorbei, weil eine Honorarform reguliert wird, die selbst<br />
nicht optimal ist. Die Suboptimalität der quota litis liegt darin begründet, dass jede quota litis<br />
unter 100% nicht den „Gewinn“ maximiert, der <strong>für</strong> Anwalt und Mandant durch das<br />
Zusammenspiel von Fall, Arbeitsleistung und Arbeitskosten geschaffen werden kann. Dieser<br />
Gewinn ergibt sich aus der Differenz zwischen den Einnahmen und den „Produktionskosten“,<br />
die zur Erzielung der Einnahmen notwendig sind. Da als Produktionskosten lediglich die<br />
Kosten der Arbeitszeit des Anwalts anfallen, wird der Gewinn maximal, wenn – wie oben<br />
dargelegt – 51 Stunden an dem Fall gearbeitet wird. Somit sind aus der gemeinsamen Sicht<br />
der „Schicksalsgemeinschaft“ Anwalt und Mandant eigentlich nur Honorarregelungen<br />
sinnvoll, die den Anwalt dazu bewegen, 51 Stunden an dem Fall zu arbeiten. Kommt als<br />
Honorarform aber nur die einfache quota litis in Frage, so wird der Anwalt aber nur bei<br />
100%-iger quota litis die genannten 51 Stunden arbeiten. Eine 100%-ige quota litis ist nun<br />
aber <strong>für</strong> den Mandanten nicht akzeptabel. Der Kern des Problems einer Bezahlung auf Basis<br />
einer einfachen quota litis liegt darin, dass sie eine Doppelrolle spielt, der sie nicht gewachsen<br />
ist. Auf der einen Seite muss ein Honorarvertrag optimale Anreize setzen, im Beispiel also<br />
den Anwalt dazu bringen, 51 Stunden an dem Fall zu arbeiten. Auf der anderen Seite wird<br />
durch die Honorarregelung auch über die Aufteilung des „Kuchens“ zwischen Anwalt und<br />
Mandant entschieden. Dabei gilt natürlich, dass es dem Anwalt finanziell besser und dem<br />
Mandanten finanziell schlechter geht, je höher das Honorar ausfällt. Da nun die quota litis nur<br />
bei 100% optimale Anreize setzt, an dieser Stelle aber gleichzeitig zu einer <strong>für</strong> den<br />
Mandanten inakzeptablen Aufteilung des Kuchens führt, ist die quota litis mit der<br />
gleichzeitigen Erfüllung beider Aufgaben offensichtlich überfordert. Die Frage, die sich daran<br />
anschließt, ist dann offensichtlich, ob es nicht Honorarformen gibt, mit denen die Anreizfrage<br />
optimal geregelt werden kann, ohne gleichzeitig zu einer inakzeptablen Aufteilungsregel zu<br />
gelangen. Die Antwort auf diese Frage lautet eindeutig ja. Tatsächlich sind sogar eine ganze<br />
Reihe unterschiedlicher Honorarvereinbarungen denkbar, die alle zu besseren Ergebnissen<br />
führen als die einfache quota litis. Es sind dann diese Honorarformen, die gesetzlich oder<br />
standesrechtlich reguliert werden sollten. Im den folgenden Unterabschnitten werden die<br />
wichtigsten dieser Honorarformen vorgestellt.<br />
18
In €<br />
Unterabschnitt A: [Für diese Stellungnahme gekürzt]<br />
Unterabschnitt B: Honorarfreie Untergrenzen<br />
Eine weitere Möglichkeit, die Anreizwirkung zu optimieren, ohne den Mandanten bei der<br />
Aufteilung des Kuchens zu übervorteilen besteht darin, dass der Anwalt bis zu einer<br />
bestimmten Höhe des erstrittenen Betrages auf sein Honorar verzichtet. Diese „Freigrenze“<br />
sei mit F bezeichnet und der erstrittene Betrag mit B. Das Honorar ist dann Null, wenn B<br />
kleiner ist als F. Wird hingegen ein Betrag oberhalb der Freigrenze erstritten, so sollte der<br />
Anwalt diesen zusätzlichen Betrag komplett als Honorar erhalten. Auch <strong>für</strong> diese<br />
Honorarform lässt sich leicht zeigen, dass sie bei adäquater Ausgestaltung sowohl <strong>für</strong> Anwalt<br />
als auch <strong>für</strong> Mandant zu besseren Ergebnissen führt als die einfache quota litis. Die folgende<br />
Abbildung zeigt der Verlauf von Arbeitskosten, Erfolg, Honorar und Nutzen des Anwalts,<br />
wenn die Freigrenze bei 29.000 € liegt.<br />
55.000<br />
45.000<br />
Erfolg<br />
35.000<br />
25.000<br />
Arbeitskosten<br />
15.000<br />
Honorar<br />
5.000<br />
Nutzen<br />
-5.000<br />
0 20 40 60 80 100 120 140 160<br />
-15.000<br />
Arbeitszeit in Stunden<br />
Wie zu sehen ist, bleibt sein Honorar bis zu einem Erfolg von 29.000 €, welcher nach etwa 18<br />
Arbeitsstunden erreicht wird, bei Null. Dies bedeutet auch, dass bis zu diesem Punkt der<br />
Nutzen von A immer weiter in den negativen Bereich fällt, da er seine Arbeitszeit nicht<br />
entgolten bekommt. Ab der 18. Stunde bekommt er dann allerdings alle zusätzlich erstrittenen<br />
19
Beträge vollständig ausgezahlt. Wie zu sehen, erreicht der Nutzen von A wiederum bei 51<br />
Stunden sein Maximum, weshalb es <strong>für</strong> ihn optimal ist, 51 Stunden zu arbeiten. Nach 51<br />
Stunden erstreitet A einen Betrag von 46.096 €. Davon kann der Mandant 29.000 € behalten,<br />
der Rest von 17.096 € geht an A. Damit stellen sich wiederum beide Seiten besser als mit der<br />
einfachen quota litis von 30%. Auch diese Honorarform ist der einfachen quota litis also<br />
überlegen. Auch bei dieser Honorarform mit Freigrenze werden wieder zwei<br />
Vertragsparameter genutzt, mit denen die Anreizwirkung und die Verteilungswirkung<br />
unabhängig voneinander optimiert werden können. Mittels der Freigrenze wird wieder über<br />
die Aufteilung des Kuchens entschieden. Da <strong>für</strong> alles oberhalb der Freigrenze wieder eine<br />
Erfolgsbeteiligung des Anwalts oberhalb von 100% gilt, werden auch wieder optimale<br />
Anreize gesetzt, die zu 51 Stunden Arbeit motivieren. [gekürzt]<br />
Unterabschnitt C: [Für diese Stellungnahme gekürzt]<br />
20
Anhang II<br />
21
Anhang III<br />
2
<strong>Erfolgshonorare</strong> und Waffengleichheit: Eine ökonomische Analyse <br />
Prof. Dr. Stefan Winter, Dipl.-Ök. Hin-Yue Benny Tang<br />
und Dipl.-Kfm. Christian Schwab, Bochum<br />
Arbeitspapier des <strong>Lehrstuhl</strong>s <strong>für</strong> <strong>Human</strong> <strong>Resource</strong> Managment<br />
2007 / 2<br />
Ruhr Universität Bochum<br />
Mit seinem Urteil vom 12.12.2006 hat das BVerfG i festgestellt, dass das vollständige<br />
Verbot von <strong>Erfolgshonorare</strong>n <strong>für</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> verfassungswidrig ist. Während das<br />
Ergebnis des Urteils überzeugt, erscheinen einige Abwägungen in der<br />
Urteilsbegründung fragwürdig. So führt das BVerfG zur Rechtfertigung des Verbots<br />
unter anderem an, dass dieses hinsichtlich der Förderung der prozessualen<br />
Waffengleichheit ein hinreichendes Gemeinwohlziel verfolge, weil ein Beklagter im<br />
Gegensatz zu einem Kläger nicht unbedingt in der Lage sei, einen Erfolg zu definieren<br />
und sein Kostenrisiko auf vergleichbare Art zu verlagern. Dieser Einschätzung kann<br />
jedoch nicht gefolgt werden. Vielmehr lässt sich zeigen, dass es <strong>für</strong> den Beklagten<br />
keineswegs schwieriger ist, ein Erfolgshonorar zu vereinbaren. Die Situationen von<br />
Kläger und Beklagtem sind daher im Hinblick auf die ökonomischen Konsequenzen des<br />
Erfolgshonorars, insbesondere die Möglichkeit der Risikoverlagerung auf den Anwalt,<br />
identisch. Durch die Zulassung des Erfolgshonorars wird die Waffengleichheit somit<br />
nicht verletzt. An dieser Einschätzung ändert sich auch unter Berücksichtigung von<br />
empirischen Befunden aus Ländern mit zulässigen Erfolghonoraren nichts. Zwar<br />
werden in diesen Ländern <strong>Erfolgshonorare</strong> typischerweise nur oder ganz überwiegend<br />
auf der Klägerseite genutzt. Jedoch lässt sich dies durch die unterschiedliche<br />
Zusammensetzung der Klägerpopulation im Vergleich zur Beklagtenpopulation<br />
erklären. Tatsächlich dreht sich unter Berücksichtigung der unterschiedlichen<br />
Zusammensetzungen von Kläger- und Beklagtenpopulationen und deren<br />
Verhaltensmöglichkeiten das Waffengleichheitsargument um: Das Erfolgshonorar stellt<br />
in vielen Fällen erst die Waffengleichheit zwischen Kläger und Beklagtem her oder ist<br />
wenigstens ein Schritt in diese Richtung. Damit lässt sich im Ergebnis festhalten, dass<br />
sich aus der Forderung nach prozessualer Waffengleichheit das Verbot des<br />
Erfolgshonorars nicht nur nicht rechtfertigen lässt, sondern dass aus Gründen der<br />
Waffengleichheit die Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n sogar explizit geboten ist.<br />
1
I. Grundlagen<br />
Die Gestaltung von Anreizverträgen und die Lösung von Anreizproblemen in<br />
Auftragsbeziehungen werden in den Wirtschaftswissenschaften vor allem in der sog.<br />
Prinzipal-Agenten-Theorie ii (PAT) thematisiert. Die zentrale Frage, die die Theorie zu<br />
beantworten sucht, lautet, auf der Basis welcher Größen ein Auftraggeber seinen<br />
Auftragnehmer honorieren sollte. Dabei wird unterstellt, dass der Auftragnehmer ein<br />
überlegenes Wissen besitzt oder über sonstige Fähigkeiten verfügt, die dem Auftraggeber<br />
nicht zur Verfügung stehen. In der Überlegenheit des Wissens oder Könnens des<br />
Auftragnehmers wird auch der wesentliche Grund der Beauftragung gesehen. Im Ergebnis<br />
kommt die Theorie zu dem Schluss, dass bei deutlich überlegenem Wissen bzw. Können des<br />
Auftragnehmers ein Erfolgshonorar vereinbart werden sollte. Das Honorar sollte sich in<br />
diesem Fall am Ergebnis des Handels bemessen und nicht am Handeln selbst. Dies wird<br />
darauf zurückgeführt, dass der Auftraggeber die Angemessenheit des Handelns gar nicht<br />
beurteilen kann und er damit in der Gefahr schwebt, unzureichende Leistungen zu teuer zu<br />
bezahlen.<br />
Überträgt man die Konzepte dieser Theorie auf die Beziehung zwischen Anwälten und ihren<br />
Mandanten, so zeigt sich zunächst eine große Übereinstimmung in der Situationsanalyse.<br />
Typischerweise verfügt der Anwalt über Wissen und Fertigkeiten, die dem Mandanten nicht<br />
zur Verfügung stehen. Dies ist letztlich die Begründung, weshalb der Mandant einen Anwalt<br />
aufsucht. Der Mandant kann aufgrund seines unterlegenen Wissens nicht einschätzen, ob der<br />
Anwalt tatsächlich in seinem Sinne handelt. Er kann in der Regel nicht einmal die auf seinen<br />
Fall entfallene Arbeitszeit des Anwalts korrekt ermitteln. Damit kann die Beziehung zwischen<br />
Anwalt und Mandant geradezu als Paradeanwendungsfall der PAT angesehen werden. Daher<br />
kann auch die Schlussfolgerung der PAT auf die Beziehung zwischen Anwalt und Mandant<br />
übertragen werden: Das Erfolgshonorar ist die beste Vertragsform, wenn der Mandant die<br />
Leistung seines Anwalts nicht hinreichend beurteilen kann. Keine andere Vertragsform bietet<br />
dem Mandanten eine vergleichbare Gewähr da<strong>für</strong>, dass der Anwalt tatsächlich in seinem<br />
Sinne handelt und sich ernsthaft um seinen Fall bemüht. Aus dieser theoretischen<br />
Argumentation lässt sich allerdings auch ein Umkehrschluss ableiten: Immer dann, wenn ein<br />
Mandant vergleichsweise gut informiert ist (z.B. weil er selbst über vielfache Erfahrungen mit<br />
Rechtsstreitigkeiten verfügt oder gar selbst eine qualifizierte juristische Ausbildung besitzt),<br />
ist ein Erfolgshonorar zwar nicht schädlich, es wird aber de facto <strong>für</strong> die Anreizgestaltung<br />
nicht benötigt. Daraus lässt sich die Vermutung ableiten, dass Mandanten, die häufiger in<br />
2
Rechtsstreitigkeiten verwickelt sind und daher über größere Erfahrungen verfügen, weniger<br />
auf <strong>Erfolgshonorare</strong> als Anreizinstrumente zurückgreifen werden, als Mandanten die keine<br />
solchen Erfahrungen haben.<br />
Während in den grundlegenden Arbeiten zur PAT zunächst nur einmalige<br />
Beauftragungssituationen analysiert worden sind, ist in späteren Arbeiten auch auf die Frage<br />
eingegangen worden, inwiefern sich die Aussicht auf wiederholte Beauftragungen auf die<br />
Gestaltung von Anreizverträgen auswirkt. iii Im Ergebnis kamen diese Analysen zu einem<br />
inhaltlich sofort plausiblen Ergebnis: Nämlich dort, wo die Aussicht auf erneute Aufträge<br />
winkt, entsteht unmittelbar ein erheblicher ökonomischer Erfolgsanreiz <strong>für</strong> den Beauftragten.<br />
Dieser Anreiz kann sogar deutlich höher sein, als der Anreiz aus jeder nur denkbaren quota<br />
litis eines Einzelfalles. Gewinnt ein Anwalt z.B. <strong>für</strong> seinen Mandanten einen Patentstreit im<br />
Wert von 500 T€ und bekommt deshalb Folgeaufträge im Wert von mehreren Millionen, dann<br />
ist unmittelbar klar, dass die Aussicht auf die Folgeaufträge einen größeren ökonomischen<br />
Anreiz bewirkt als dies selbst eine quota litis von 100% im Patentstreit hätte bewirken<br />
können. Damit lässt sich zunächst konstatieren, dass die quota litis in langfristig angelegten<br />
Beauftragungssituationen zwar nicht schädlich wäre, sie aber faktisch aus Anreizgründen<br />
nicht benötigt würde.<br />
Neben den Problemen der Anreizsetzgestaltung greift die PAT einen weiteren relevanten<br />
Fragenkomplex auf. Dieser befasst sich mit der Aufteilung von Erfolgsrisiken in<br />
Auftragsbeziehungen iv . Bei der Frage der Aufteilung des Erfolgsrisikos geht es darum<br />
festzustellen, wer in einer Auftragsbeziehung die Erfolgsrisiken sinnvollerweise tragen sollte.<br />
In der Theorie haben sich zwei wichtige Kriterien zur Beurteilung der optimalen<br />
Risikoaufteilung herauskristallisiert. Diese Kriterien betreffen die Vermögenssituation der<br />
Vertragsparteien und deren Möglichkeiten zur Risikostreuung. Das Vermögen dient dabei als<br />
Maß <strong>für</strong> die Fähigkeit, finanzielle Verluste tragen zu können und damit Risiken ertragen zu<br />
können. Hingegen ist die Risikostreuung ein Maß da<strong>für</strong>, inwiefern Risiken „gemanagt“ und<br />
berechenbar gemacht werden können. Aus den Analysen der PAT lassen sich damit zwei<br />
Grundthesen ableiten:<br />
• Die Partei mit dem höheren Vermögen sollte die größeren Risikoanteile tragen.<br />
• Die Partei mit den besseren Möglichkeiten zur Risikostreuung sollte die größeren<br />
Risikoanteile tragen.<br />
Völlig klar ist demnach die Situation, in der die vermögendere Seite gleichzeitig auch die<br />
besseren Möglichkeiten zur Risikostreuung hat: Diese Partei sollte den Großteil der<br />
3
Erfolgsrisiken tragen. In den gemischten Fällen, in denen eine Partei vermögender ist,<br />
während die andere Seite bessere Möglichkeiten der Risikostreuung hat, hängt die optimale<br />
Risikoverteilung vom Einzelfall ab.<br />
Durch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars wird nun nicht nur die Anreizsituation<br />
beeinflusst, sondern offensichtlich auch die Risikoaufteilung. Geht man von einer<br />
Honorierung auf Basis des derzeitigen RVG auf ein Erfolgshonorar über, so wird ein Teil des<br />
Erfolgsrisikos vom Mandanten auf den Anwalt übertragen. Dies ist gemäß obiger Analyse<br />
dann sinnvoll, wenn der Anwalt vermögender ist als sein Mandant und zusätzlich die Risiken<br />
aus den <strong>Erfolgshonorare</strong>n besser streuen kann. Die optimale Risikoaufteilung lässt sich daher<br />
nur unter Berücksichtigung der individuellen Situation von Mandant und Anwalt herleiten.<br />
Zusammenfassend lassen sich damit folgende Thesen über die Vorteilhaftigkeit eines<br />
Erfolgshonorars gegenüber der gegenwärtigen Honorierung nach RVG aufstellen:<br />
• <strong>Erfolgshonorare</strong> führen zu einer Verbesserung der Anreizsituation, wenn der Mandant die<br />
Leistung seines Anwalts nicht oder nur sehr unzureichend einschätzen kann.<br />
• <strong>Erfolgshonorare</strong> führen zu einer Verbesserung der Anreizsituation, wenn der Mandant<br />
keine alternativen Anreizmechanismen (wie z.B. die Aussicht auf Folgeaufträge)<br />
einsetzen kann.<br />
• <strong>Erfolgshonorare</strong> führen zu einer Verbesserung der Risikoaufteilung, wenn der Anwalt<br />
wohlhabender ist als sein Mandant.<br />
• <strong>Erfolgshonorare</strong> führen zu einer Verbesserung der Risikoaufteilung, wenn der Anwalt<br />
Risiken besser streuen kann als sein Mandant.<br />
Für die weiteren Analysen soll aufbauend auf diesen Vorteilhaftigkeitshypothesen eine<br />
Typisierung von Mandanten vorgenommen werden. Aus Vereinfachungsgründen sollen dabei<br />
nur zwei Mandantentypen unterschieden werden: Privatpersonen und gewerbliche<br />
Mandanten.<br />
1. Privatpersonen als Mandanten<br />
Bei privaten Mandaten wird in der Regel davon auszugehen sein, dass diese nicht nachprüfen<br />
können, ob die Maßnahmen, welche der Anwalt im Rahmen seines Mandats ergreift, wirklich<br />
alle notwendig und zielführend sind. Damit besteht aus Mandantensicht die Gefahr,<br />
Leistungen vergüten zu müssen, die nicht in seinem Sinne gelegen haben. Bei Vereinbarung<br />
4
eines Erfolgshonorars werden derartige Interessenkonflikte hingegen weitestgehend<br />
vermieden. Da der Anwalt nur im Erfolgsfall entlohnt wird, bestehen hier keinerlei Anreize,<br />
nicht zielführende Arbeitsschritte durchzuführen oder etwa Zeiten abzurechnen, zu denen<br />
nicht an dem Fall gearbeitet wurde. Da Privatpersonen in der Regel auch nur sehr selten in<br />
Rechtsstreitigkeiten verwickelt sind, haben sie faktisch keine Möglichkeiten, ihren Anwälten<br />
Anreize durch die Inaussichtstellung von Folgeaufträgen zu setzen. Es kann daher gefolgert<br />
werden, dass <strong>für</strong> private Mandanten <strong>Erfolgshonorare</strong> aus Anreizgesichtspunkten gegenüber<br />
der erfolgsunabhängigen Vergütung nach RVG überlegen sind.<br />
Das Erfolgshonorar setzt, wie oben erwähnt, jedoch nicht nur Anreize, sondern verlagert auch<br />
Risiken vom Mandanten auf den Anwalt. In einem Rechtsstreit bestehen die Risiken eines<br />
Mandanten vor allem in der Gefahr, im Misserfolgsfall sowohl die finanziellen Konsequenzen<br />
aus dem verlorenen Prozess tragen zu müssen, als auch mit einer Honorarforderung<br />
konfrontiert zu sein. Bei Honorierung nach dem RVG trägt der Klient das Gesamtrisiko<br />
alleine, während der Anwalt vollständig gegen Vermögensschwankungen versichert ist. Im<br />
Falle des Erfolgshonorars wird der Klient im Misserfolgsfall dagegen von den<br />
Honorarforderungen seines Anwalts entlastet, d.h. dieser Teil des finanziellen Risikos wird<br />
auf den Anwalt verlagert. Gemäß der obigen Vorteilhaftigkeitshypothesen ist die der<br />
erfolgsbasierten Honorarabrede inhärente Risikoübertragung vom Mandanten auf den Anwalt<br />
genau dann sinnvoll, wenn der Anwalt vermögender ist als sein Mandant und/oder der Anwalt<br />
die Risiken aus den <strong>Erfolgshonorare</strong>n besser streuen kann. Der Vergleich der<br />
Vermögenspositionen von privaten Mandanten und ihren Anwälten wird zwar pauschal kaum<br />
möglich sein und soll daher hier vernachlässigt werden. Allerdings ist es äußerst plausibel<br />
anzunehmen, dass Anwälte deutlich bessere Möglichkeiten der Streuung von<br />
Prozesskostenrisiken haben als ihre Mandanten. v Für private Mandanten sind streit- bzw.<br />
gegenstandswertabhängige Rechtstreitigkeiten mit merklichen Kostenrisiken verbunden. Da<br />
Rechtsstreite <strong>für</strong> private Mandanten zudem einmalige oder doch sehr seltene Ereignisse sind,<br />
haben sie faktisch keine oder nur minimale Möglichkeiten der Risikostreuung. Für den<br />
Anwalt kehrt sich diese Argumentation um: Für ihn ist der Rechtsstreit das tägliche Geschäft<br />
und er hat die Möglichkeit, seine Risiken über eine Vielzahl von Fällen zu streuen. Was <strong>für</strong><br />
ihn im Einzelfall als Einkommensrisiko erscheint, verwandelt sich auf die Vielzahl der Fälle<br />
gerechnet zur Sicherheit. Wenn die Erfolgschancen jedes Rechtsstreits denjenigen eines<br />
Münzwurfs entsprechen, dann ist es auf 100 Fälle nahezu unmöglich, mehr als 70 zu<br />
verlieren. Werden die gewonnenen Fälle entsprechend kalkuliert, trägt der Anwalt auf längere<br />
Sicht auch bei ständiger Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n faktisch kein Einkommensrisiko.<br />
5
Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass das Erfolgshonorar als ideale Honorarform <strong>für</strong><br />
private Mandanten einzuschätzen ist.<br />
2. Gewerbliche Mandanten<br />
Ganz anders stellt sich die Situation hingegen beim gewerblichen Mandanten dar. Hier ist<br />
zunächst davon auszugehen, dass diese in Rechtsgeschäften meist deutlich erfahrener sind als<br />
private Mandanten und daher die Leistungen der von ihnen beauftragten Anwälte relativ gut<br />
einschätzen können. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass gewerbliche Mandanten<br />
ungleich häufiger in Rechtsstreitigkeiten involviert sind als der private Rechtssuchende.<br />
Kommt es nun aber zwischen Unternehmen und Anwälten zu einer wiederholten Interaktion,<br />
so relativiert sich die Notwendigkeit, direkte monetäre Anreize in Form eines Erfolgshonorars<br />
zu setzen. Dies folgt bereits daraus, dass aufgrund der (möglicherweise) erneuten<br />
Zusammenarbeit der Anwalt in aller Regel ein starkes Interesse daran haben dürfte, eine<br />
potentiell dauerhafte Kooperation nicht durch mangelhafte Leistungen zu gefährden. Die<br />
Aussicht auf Folgeaufträge bietet unmittelbare ökonomische Erfolgsanreize <strong>für</strong> den Anwalt<br />
und das damit verbundene Interesse, die eigene Reputation zu wahren bzw. zu erhöhen,<br />
werden hier regelmäßig eine adäquate Arbeitsquantität und -qualität sicherstellen. Gleiches<br />
gilt analog <strong>für</strong> Juristen, die als Angestellte die Belange ihrer Arbeitgeber vertreten. Auch <strong>für</strong><br />
diese können über Versprechungen von Prämien oder Beförderungen erhebliche Anreize<br />
geschaffen werden, die über die Anreizintensität einer quota litis hinausgehen können. Damit<br />
ergibt sich zunächst, dass gewerbliche Mandanten <strong>Erfolgshonorare</strong> aus Anreizgründen nicht<br />
benötigen.<br />
Unter Risikoteilungsaspekten wird sich in der Regel sogar zeigen, dass ein Erfolgshonorar<br />
nicht zweckmäßig erscheint. So werden gewerbliche Mandanten in aller Regel über größere<br />
Vermögen als die von ihnen beauftragten Anwälte verfügen. Dies spricht da<strong>für</strong>, dass keine<br />
Risiken auf die Anwälte übertragen werden sollten, es also nicht zur Vereinbarung von<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong>n kommen sollte. Ferner besitzen gewerbliche Mandanten oft bessere<br />
Möglichkeiten der Risikostreuung als ihre Anwälte, so dass Unternehmen schlicht kein<br />
Interesse daran haben dürften, Risiken von ihren Anwälten versichern zu lassen, die sie selbst<br />
problemlos tragen können. Bei Versicherungsunternehmen ist dies unmittelbar evident, weil<br />
deren gesamtes Geschäftsmodell auf der Optimierung der Risikostreuung beruht. Damit<br />
spricht auch das Risikostreuungskriterium da<strong>für</strong>, dass gewerbliche Mandanten in aller Regel<br />
kein Erfolgshonorar mit ihren Anwälten vereinbaren werden.<br />
6
Insgesamt lässt sich aus den theoretischen Überlegungen damit die Empfehlung ableiten, dass<br />
Verträge zwischen Privatpersonen und Anwälten erfolgsabhängig konzipiert sein sollten. Für<br />
gewerbliche Mandanten erscheint es unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten hingegen<br />
weniger attraktiv, auf derartige Entlohnungsarrangements zurückzugreifen. vi<br />
Aufbauend auf diesen Überlegungen soll in den folgenden Abschnitten der Frage<br />
nachgegangen werden, ob durch die Aufhebung des gesetzlichen Verbotes des<br />
Erfolgshonorars tatsächlich eine Beeinträchtigung der prozessualen Waffengleichheit<br />
eintreten würde. Hierzu wird in Abschnitt III geprüft, ob <strong>Erfolgshonorare</strong> auf Seiten von<br />
Kläger und Beklagtem gleichermaßen eingesetzt werden können oder ob dies - gemäß der<br />
Einschätzung des BVerfG - nicht der Fall ist. In einem nächsten Schritt wird in Abschnitt IV<br />
unter Rückgriff auf die oben vorgestellte Mandantentypologie geprüft, ob gegenwärtig, d.h.<br />
vor Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n, überhaupt von einer Waffengleichheit auszugehen ist.<br />
II. Anwendbarkeit von <strong>Erfolgshonorare</strong>n auf Kläger- und Beklagtenseite<br />
Wie eingangs genannt wurde, führt das BVerfG an, dass das gesetzliche Verbot des<br />
Erfolgshonorars im Hinblick auf die Förderung der prozessualen Waffengleichheit ein<br />
hinreichendes Gemeinwohlziel verfolge, da es <strong>für</strong> einen Beklagten „verglichen mit dem<br />
Kläger faktisch schwieriger ist, einen Erfolg – etwa durch den Umfang der Klageabweisung -<br />
zu definieren und zum Maßstab <strong>für</strong> Grund und Höhe der Anwaltsvergütung zu machen.“ vii<br />
Diese Rechtfertigung ist aus ökonomischer Sicht jedoch wenig überzeugend. Ist es dem<br />
Kläger nämlich möglich, eine Bemessungsgrundlage <strong>für</strong> die Höhe einer erfolgsabhängigen<br />
Anwaltsvergütung zu definieren, so wird der Beklagte stets eine Bemessungsgrundlage in<br />
Form der inversen Bemessungsgrundlage des Klägers definieren können. Klagt beispielsweise<br />
der Kläger in einem Prozess auf eine Schadensersatzzahlung in Höhe von 50.000 €, kann<br />
dieser Betrag als Bemessungsgrundlage <strong>für</strong> die Anwaltsvergütung sowohl auf der Kläger- als<br />
auch der Beklagtenseite genutzt werden. Wird ferner angenommen, dass eine quota litis auf<br />
beiden Seiten vereinbart wird, ergibt sich die Anwaltsvergütung der Klägerseite gemäß<br />
folgender Formel:<br />
quota litis x tatsächliche Schadensersatzzahlung = Anwaltsvergütung auf Klägerseite<br />
7
Die Vergütung des Anwalts der Klägerseite wird demnach maximal, wenn die tatsächliche<br />
Schadensersatzzahlung 50.000 € beträgt und im Gegenzug minimal, wenn keine<br />
Schadensersatzzahlung erstritten wurde. Die inverse Bemessungsgrundlage des Klägers<br />
bedeutet <strong>für</strong> die Vergütung des Anwalts des Beklagten nun formal:<br />
quota litis x (50.000 - tatsächliche Schadensersatzzahlung) = Anwaltsvergütung auf<br />
Beklagtenseite<br />
Die Höhe der Anwaltsvergütung auf Beklagtenseite bemisst sich dementsprechend umgekehrt<br />
zur Anwaltsvergütung des Klägers und nimmt einen maximalen Betrag an, wenn die<br />
tatsächliche Schadensersatzzahlung 0 € beträgt, während sie im Falle einer<br />
Schadensersatzzahlung in Höhe von 50.000 € minimal wird. Dieses Beispiel verdeutlicht,<br />
dass es <strong>für</strong> den Beklagten verglichen mit dem Kläger eben nicht schwieriger ist, einen<br />
Maßstab <strong>für</strong> Grund und Höhe der Anwaltsvergütung zu definieren. Vielmehr kann der<br />
Beklagte seinen Anwalt immer auf Basis des Umfangs der Klageabweisung erfolgsabhängig<br />
vergüten.<br />
Zudem argumentiert das BVerfG, dass „der Beklagte – im Gegensatz zum Kläger – nicht über<br />
die Möglichkeit verfügt, sein Kostenrisiko auf vergleichbare Art zu verlagern.“ viii Diese<br />
Einschätzung hält einer ökonomischen Analyse ebenfalls nicht stand, was sich unter<br />
Fortführung des obigen Beispiels leicht aufzeigen lässt.<br />
Ein Mandant klagt auf eine Schadensersatzzahlung in Höhe von 50.000 €, wobei die<br />
Gewinnwahrscheinlichkeit <strong>für</strong> diesen Prozess 50% betragen möge. Aus<br />
Vereinfachungsgründen werden nur die Fälle einer vollständigen Stattgabe und einer<br />
vollständigen Abweisung der Klage betrachtet. Sowohl auf Kläger- als auch auf<br />
Beklagtenseite wird ein Anfangsvermögen von jeweils 100.000 € angenommen. Ferner soll<br />
davon ausgegangen werden, dass das Urteil der ersten Instanz von beiden Seiten akzeptiert<br />
werden würde. Bei einem Gegenstandswert von 50.000 € ergibt sich gemäß RVG eine<br />
einfache Gebühr in Höhe von 1.046 €. Aus dem Gerichtskostengesetz ergibt sich eine<br />
einfache Gebühr von 456 €. Damit ergeben sich unter Vernachlässigung anderer<br />
Gebührenpositionen die folgenden Prozesskosten:<br />
8
Position Faktor Betrag in Euro Übertrag<br />
Anwalt des Klägers<br />
Terminsgebühr 1,2 1.255,20<br />
Verfahrensgebühr 1,3 1.359,80<br />
Zwischensumme 2.615,00 2.615,00<br />
Anwalt des Beklagten<br />
Terminsgebühr 1,2 1.255,20<br />
Verfahrensgebühr 1,3 1.359,80<br />
Zwischensumme 2.615,00 2.615,00<br />
Gerichtskosten<br />
Verfahren im Allgemeinen 3,0 1.368,00<br />
Zwischensumme 1.368,00 1.368,00<br />
Prozesskosten in erster Instanz 6.598,00<br />
Mit den aufgeführten Daten können nun die unterschiedlichen Endvermögenssituationen von<br />
Kläger und Beklagten verglichen werden, die sich bei einer erfolgsbasierten Honorarabrede<br />
und einer Anwaltsvergütung gemäß RVG ergeben. Hierbei kann das Endvermögen in<br />
Abhängigkeit vom Ausgang der Klage jeweils zwei unterschiedliche Beträge annehmen.<br />
Erfolgt die Vergütung nach RVG, beträgt das Endvermögen des Klägers bei vollständig<br />
stattgegebener Klage 150.000 € und setzt sich aus den 100.000 € Anfangsvermögen sowie der<br />
erstrittenen Schadensersatzzahlung von 50.000 € zusammen. Wird die Klage hingegen<br />
vollständig abgewiesen, beträgt das Endvermögen des Klägers 93.402 €, das sich aus den<br />
100.000 € Anfangsvermögen abzüglich der Prozesskosten in erster Instanz in Höhe von 6.598<br />
€ berechnet. Daraus ergibt sich folgende Schwankungsbreite des Endvermögens <strong>für</strong> den<br />
Kläger, wenn die Anwaltsvergütung nach RVG erfolgt:<br />
150.000 € Endvermögen des Klägers bei vollständig stattgegebener Klage<br />
- 93.402 € Endvermögen des Klägers bei vollständig abgewiesener Klage<br />
= 56.598 € Schwankungsbreite des Endvermögens des Klägers<br />
Die zwei möglichen Endvermögenssituationen des Beklagten sind zwar unterschiedlich zum<br />
Kläger, jedoch ist die Vermögensschwankung auf beiden Seiten identisch. Denn das<br />
Anfangsvermögen des Beklagten in Höhe von 100.000 € entspricht bei einer vollständig<br />
abgewiesenen Klage seinem Endvermögen, während das Endvermögen bei vollständig<br />
9
stattgegebener Klage lediglich 43.402 € beträgt, was den 100.000 € Anfangsvermögen<br />
abzüglich der 50.000 € Schadensersatzzahlung sowie der 6.598 € Prozesskosten in erster<br />
Instanz entspricht. Die Schwankungsbreite des Endvermögens des Beklagten beträgt somit:<br />
100.000 € Endvermögen des Beklagten bei vollständig abgewiesener Klage<br />
- 43.402 € Endvermögen des Beklagten bei vollständig stattgegebener Klage<br />
= 56.598 € Schwankungsbreite des Endvermögens des Beklagten<br />
Dies impliziert, dass bei der Anwaltsvergütung nach RVG beide Parteien mit dem gleichen<br />
Risiko der Schwankung des Endvermögens konfrontiert sind.<br />
Wird hingegen eine erfolgsabhängige Vergütung in Form einer quota litis zwischen den<br />
Prozessparteien und deren Anwälten vereinbart, so soll die Beteiligungsquote annahmegemäß<br />
10,46% betragen. Denn eine quota litis in Höhe von 10,46% führt im Erfolgsfall zu einer<br />
Anwaltsvergütung in Höhe von 5.230 €, womit sich bei der angenommenen<br />
Gewinnwahrscheinlichkeit von 50% im Durchschnitt eine Vergütung von 2.615 € ergibt, die<br />
exakt der Höhe der Anwaltsvergütung nach RVG entspricht. Bei dieser Höhe der quota litis<br />
würde der Anwalt auf Dauer im Durchschnitt pro Mandat genauso viel verdienen wie bei<br />
einer Honorierung nach RVG. Hiermit kann ceteris paribus untersucht werden, wie sich allein<br />
die erfolgsabhängige Anwaltsvergütung, ohne eine Zu- oder Abnahme der durchschnittlichen<br />
Anwaltshonorare, auf die Risikoteilung auswirkt.<br />
Das Endvermögen des Klägers beträgt dann im Falle einer vollständig stattgegebenen Klage<br />
147.385 € und setzt sich wie folgt zusammen:<br />
100.000 € Anfangsvermögen<br />
+ 50.000 € Schadensersatzzahlung<br />
- 5.230 € Erfolgshonorar<br />
+ 2.615 € Erstattung des Anwaltshonorars durch den Beklagten<br />
- 0 € Gerichtskosten<br />
= 147.385 € Endvermögen des Klägers bei vollständig stattgegebener Klage<br />
10
Wird die Klage indessen vollständig abgewiesen, beträgt das Endvermögen des Klägers<br />
96.017 €:<br />
100.000 € Anfangsvermögen<br />
+ 0 € Schadensersatzzahlung<br />
- 0 € Erfolgshonorar<br />
- 2.615 € Erstattung des Anwaltshonorars des Beklagten<br />
- 1.368 € Gerichtskosten<br />
= 96.017 € Endvermögen des Klägers bei vollständig abgewiesener Klage<br />
Die Schwankungsbreite des Klägerendvermögens beträgt bei einer erfolgsabhängigen<br />
Anwaltsvergütung somit lediglich 51.368 € und resultiert aus der Differenz zwischen dem<br />
Endvermögen bei vollständig stattgegebener Klage (147.385 €) und dem Endvermögen bei<br />
vollständig abgewiesener Klage (96.017 €). Die Vermögensschwankung des Klägers ist bei<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong>n demnach exakt um 5.230 € geringer als bei einer Anwaltsvergütung nach<br />
RVG, da das Risiko dieses Betrages nun nicht mehr vom Kläger selbst getragen wird, sondern<br />
durch das Erfolgshonorar auf den Anwalt verlagert wird. Es wird nun im Folgenden gezeigt,<br />
dass sich bei gleichem prozentualem Erfolgshonorar <strong>für</strong> den Beklagten die gleiche<br />
Verlagerung des Kostenrisikos ergibt wie beim Kläger.<br />
Das Endvermögen des Beklagten beträgt bei einer erfolgsabhängigen Anwaltsvergütung<br />
97.385 €, sofern die Klage vollständig abgewiesen werden kann. Dieses Vermögen setzt sich<br />
wie folgt zusammen:<br />
100.000 € Anfangsvermögen<br />
- 0 € Schadensersatzzahlung<br />
- 5.230 € Erfolgshonorar<br />
+ 2.615 € Erstattung des Anwaltshonorars durch den Kläger<br />
- 0 € Gerichtskosten<br />
= 97.385 € Endvermögen des Beklagten bei vollständig abgewiesener Klage<br />
Wird der Klage hingegen vollständig stattgegeben, beträgt das Endvermögen des Beklagten in<br />
diesem Fall 46.017 €, was sich der folgenden Berechnung entnehmen lässt:<br />
11
100.000 € Anfangsvermögen<br />
- 50.000 € Schadensersatzzahlung<br />
- 0 € Erfolgshonorar<br />
- 2.615 € Erstattung des Anwaltshonorars des Klägers<br />
- 1.368 € Gerichtskosten<br />
= 46.017 € Endvermögen des Beklagten bei vollständig stattgegebener Klage<br />
Wird nun die Vermögensschwankung des Beklagten berechnet, wird ersichtlich, dass dieser<br />
der gleichen Schwankungsbreite von 51.368 € ausgesetzt ist wie der Kläger. Dieses Ergebnis<br />
bestätigt folglich, dass der Beklagte ebenfalls ein Kostenrisiko in Höhe von 5.230 € durch<br />
eine erfolgsabhängige Vergütung auf seinen Anwalt verlagern kann. Der Grad der<br />
Risikoverlagerung ist also <strong>für</strong> Kläger und Beklagten identisch.<br />
Aus dem obigen Rechenbeispiel lassen sich somit zwei wichtige Erkenntnisse ableiten:<br />
• Wenn es dem Kläger möglich ist, eine Bemessungsgrundlage <strong>für</strong> ein Erfolgshonorar<br />
zu definieren, wird dies auch stets <strong>für</strong> den Beklagten möglich sein, indem die inverse<br />
Bemessungsgrundlage des Klägers herangezogen wird.<br />
• Für Kläger und Beklagten ist in gleichem Umfang eine Verlagerung des Kostenrisikos<br />
durch Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n möglich.<br />
Daraus ergibt sich, dass die diesbezüglichen Einschätzungen des BVerfG unzutreffend sind.<br />
Als Zwischenfazit lässt sich daraus ziehen, dass die Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n zu<br />
keiner systematischen Benachteiligung von Beklagten führen würde. Unter Berücksichtigung<br />
situativ gegebener Ungleichheiten kann im folgenden Abschnitt vielmehr gezeigt werden,<br />
dass in vielen Fallkonstellationen die Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n die prozessuale<br />
Waffengleichheit sogar verbessern würde.<br />
III. Einfluss des Erfolgshonorars auf die prozessuale Waffengleichheit<br />
Zu diesem Zweck ist unter Rückgriff auf die oben eingeführte Mandantentypisierung zu<br />
überprüfen, ob in den hieraus ableitbaren Prozesskonstellationen jeweils vor und nach einer<br />
Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n von einer Waffengleichheit ausgegangen werden kann.<br />
12
Damit verbunden ist die Frage, in welchen Fallkonstellationen die Aufhebung des<br />
gesetzlichen Verbotes von <strong>Erfolgshonorare</strong>n die Waffengleichheit überhaupt tangieren würde.<br />
Aufbauend auf der idealtypischen Kategorisierung privater Mandant/gewerblicher Mandant<br />
können insgesamt vier Szenarien <strong>für</strong> die folgende Untersuchung differenziert werden.<br />
1. Fallunterscheidung<br />
a) Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen. Wird zunächst die prozessuale<br />
Waffengleichheit bei Rechtsstreitigkeiten zwischen zwei Privatpersonen und einer Vergütung<br />
nach RVG betrachtet, lässt sich feststellen, dass diese aufgrund der vollständigen Kongruenz<br />
der Handlungsmöglichkeiten von Kläger und Beklagten gegeben ist. Beide Seiten können bei<br />
Honorierung nach derzeitigem RVG weder besondere Leistungsanreize einsetzen noch ihr<br />
Risiko auf ihre Anwälte verlagern. Damit sind sowohl Kläger als auch Beklagter in einer <strong>für</strong><br />
sie jeweils unglücklichen Situation, die aber durch Waffengleichheit gekennzeichnet ist.<br />
Ein Übergang von einer Vergütung nach RVG auf ein Erfolgshonorar würde nun zunächst<br />
bewirken, dass Kläger und Beklagter sowohl die Anreize <strong>für</strong> ihre Anwälte verbessern als auch<br />
Risiko auf diese verlagern können. Damit stellt sich <strong>für</strong> beide Seiten eine Verbesserung ein.<br />
Da diese Verbesserung jedoch symmetrisch ausfällt, bleibt die Waffengleichheit auch bei<br />
Übergang auf das Erfolgshonorar erhalten. Für diese Fallkonstellation ergibt sich daher kein<br />
Effekt des Erfolgshonorars auf die Waffengleichheit.<br />
b) Privatperson vs. gewerblicher Mandant. Bei einer Rechtsstreitigkeit, in der ein privater<br />
Kläger auf einen gewerblichen Beklagten trifft, ist es hingegen überaus fraglich, ob eine<br />
prozessuale Waffengleichheit mit der gegenwärtigen Honorierung nach RVG besteht. Dies ist<br />
darauf zurückzuführen, dass die Möglichkeiten zur Anreizsetzung und Risikostreuung auf<br />
beiden Seiten sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Denn die in Abschnitt II formulierten<br />
Ausführungen bezüglich der besseren Anreiz- bzw. Überwachungsmöglichkeiten seitens<br />
gewerblicher Mandanten lassen die Vermutung zu, dass der gewerbliche Beklagte in dieser<br />
Prozesskonstellation nicht nur hinsichtlich besserer Anreizsetzung, sondern auch hinsichtlich<br />
besserer Risikostreuung, im Vorteil gegenüber dem privaten Kläger ist. Dieser kann unter den<br />
derzeitigen Regeln des RVG keine besonderen Anreize einsetzen oder sein Risiko verlagern.<br />
Durch die Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n wäre es hingegen nun auch dem privaten Kläger<br />
möglich, bessere Anreize zu nutzen und sein Risiko zu verlagern. Private Kläger würden<br />
13
daher vermutlich in erheblichem Maße <strong>Erfolgshonorare</strong> nachfragen. Auf Seiten der<br />
gewerblichen Beklagten würde sich aus den genannten Gründen hingegen keine Änderung der<br />
Honorierungsform ergeben. Aufgrund der ohnehin gegebenen Anreiz- bzw.<br />
Überwachungsmöglichkeiten und der Möglichkeiten zur Risikostreuung werden die<br />
gewerblichen Beklagten in aller Regel bei nicht erfolgsabhängigen Vergütungsformen<br />
bleiben. Die Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n würde damit lediglich bewirken, dass nun auch<br />
private Kläger Anreize und Risikostreuungsmöglichkeiten nutzen können, wie sie ihren<br />
gewerblichen Opponenten ohnehin zur Verfügung stehen.<br />
Unter Berücksichtigung dieser Abwägung erweisen sich die seitens des BVerfG geäußerten<br />
Bedenken hinsichtlich einer durch <strong>Erfolgshonorare</strong> gefährdeten prozessualen<br />
Waffengleichheit somit als explizit falsch. Gerade in Szenarien, in welchen der private<br />
Rechtssuchende seinen Anspruch gegenüber gewerblichen Gegnern „mit Geld und langem<br />
Atem“ ix durchzusetzen versucht, stellt das Erfolgshonorar ein adäquates Mittel dar, den ex<br />
ante ungleichen Prozessvoraussetzungen entgegenzuwirken und versetzt den privaten Kläger<br />
womöglich erst in die Lage, einen Prozess führen zu können. Der Forderung nach<br />
prozessualer Waffengleichheit würde hier folglich erst durch Einführung von<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong>n Rechnung getragen. Das Verbot von <strong>Erfolgshonorare</strong>n bewirkt hingegen<br />
das genaue Gegenteil des intendierten Effektes. Es schützt einen status quo, der dem<br />
Anspruch nach Waffengleichheit gerade nicht gerecht wird.<br />
c) Gewerblicher Mandant vs. Privatperson. Gleiches gilt <strong>für</strong> die umgekehrte Konstellation,<br />
dass ein gewerblicher Mandant in einen Rechtsstreit gegen eine Privatperson tritt. Wie in<br />
Abschnitt III gezeigt wurde, steht das Erfolgshonorar grundsätzlich auch dem Beklagten zur<br />
Verfügung, der damit die Anreize seines Anwalts verbessern und Risiko auf diesen verlagern<br />
kann. Somit lässt sich auch <strong>für</strong> diese Fallkonstellation argumentieren, dass das Erfolgshonorar<br />
erst die Waffengleichheit zwischen Kläger und Beklagtem herstellt oder diese zumindest<br />
fördert.<br />
d) Rechtsstreit zwischen gewerblichen Mandanten. Letztlich wäre noch die Situation eines<br />
Rechtsstreits zwischen zwei gewerblichen Parteien zu analysieren. Bei der gegenwärtigen<br />
Anwaltsvergütung nach RVG kann im Rahmen dieser Prozesskonstellation bezüglich der<br />
prozessualen Waffengleichheit festgestellt werden, dass diese aufgrund der vergleichbaren<br />
Möglichkeiten zur Anreizsetzung und Risikostreuung gewährleistet ist. Ein Übergang auf<br />
14
<strong>Erfolgshonorare</strong> würde die gegebene Waffengleichheit jedoch auch in diesem Falle nicht<br />
einschränken, da wie bereits mehrfach ausgeführt wurde, die Vorteile einer anwaltlichen<br />
Vergütung mittels <strong>Erfolgshonorare</strong>n im Falle gewerblicher Mandanten typischerweise nicht<br />
greifen. Auch nach Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n würden gewerbliche Kläger und<br />
Beklagte überwiegend bei erfolgsunabhängigen Honorarformen bleiben. Dementsprechend<br />
würde die rechtliche Zulassung einer vom Prozesserfolg abhängigen Honorarform hier weder<br />
auf Kläger- noch auf Beklagtenseite zu einer wesentlichen ökonomischen Veränderung<br />
gegenüber einer Honorierung auf Basis des derzeitigen RVG führen, so dass die Zulässigkeit<br />
eines Erfolgshonorars in einem solchen Szenario die prozessuale Waffengleichheit völlig<br />
unberührt ließe.<br />
2. Zwischenfazit<br />
Insgesamt lassen sich damit in Abhängigkeit von der Kläger/Beklagten-Fallkonstellation<br />
folgende Auswirkungen von <strong>Erfolgshonorare</strong>n auf die prozessuale Waffengleichheit ableiten:<br />
Waffengleichheit<br />
Fallkonstellation<br />
bei<br />
bei Übergang auf<br />
Kläger Beklagter Vergütung nach RVG <strong>Erfolgshonorare</strong><br />
privat privat =<br />
privat gewerblich – +<br />
gewerblich privat – +<br />
gewerblich gewerblich =<br />
Legende<br />
<br />
prozessuale Waffengleichheit gegeben<br />
– keine prozessuale Waffengleichheit gegeben<br />
= keine Veränderung durch Übergang von RVG auf <strong>Erfolgshonorare</strong><br />
+ Verbesserung durch Übergang von RVG auf <strong>Erfolgshonorare</strong><br />
Insgesamt zeigt sich also, dass die Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n in keiner Konstellation<br />
eine Waffenungleichheit verursachen würde. Vielmehr ergibt sich in den Konstellationen<br />
Privat vs. Privat und Gewerblich vs. Gewerblich überhaupt kein Effekt, während in den<br />
übrigen Fallkonstellationen, in denen Privatpersonen in Rechtsstreitigkeiten mit gewerblichen<br />
Mandanten verwickelt sind, die Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n sogar eine explizite<br />
15
Verbesserung der Waffengleichheit bewirkt. Diese Einschätzung wird auch durch die<br />
internationale Literatur zu <strong>Erfolgshonorare</strong>n bestätigt. In Abschnitt III dieses Beitrags wurde<br />
argumentiert, dass <strong>Erfolgshonorare</strong> auch auf Seiten der Beklagten eingesetzt werden können.<br />
Kritzer berichtet denn auch in seiner Studie, dass dies in der Tat zu beobachten ist. x Bei<br />
Eclavea werden hierzu auch einzelne Fallbeispiele präsentiert. xi Dadurch wird zunächst die<br />
These untermauert, dass <strong>Erfolgshonorare</strong> auch auf Beklagtenseite eingesetzt werden können.<br />
Bezüglich der Frage über die Verbreitung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n zeigt sich hier eine deutliche<br />
Diskrepanz auf Kläger- und Beklagtenseite. Farmer und Pecorinot berichten darüber, dass<br />
87% der Kläger ihre Anwälte auf Erfolgsbasis vergüten. xii Auch höhere Anteile von 96% sind<br />
in der Literatur zu finden. xiii Auf der Beklagtenseite ist hingegen festzustellen, dass in einer<br />
deutlich geringeren Fallzahl <strong>Erfolgshonorare</strong> vereinbart werden. xiv So gaben einer Studie über<br />
Zivilprozesse im US-Bundesstaat Alaska zufolge lediglich 2 von 321 Verteidigern an, in<br />
Form von Quotenhonoraren vergütet worden zu sein, wohingegen auf der Gegenseite ein<br />
Drittel der Vereinbarungen „contingency fees“ vorsahen. xv<br />
Der entscheidende Grund <strong>für</strong> diese Diskrepanz dürfte darin zu sehen sein, dass die<br />
erfolgsabhängige Vergütung in der Praxis vorrangig bei Schadensersatzprozessen zur<br />
Anwendung gelangt. xvi Die Anspruchsgegner sind in diesen Fällen typischerweise<br />
Versicherungen oder Unternehmen, welche über eine hohe Prozesserfahrung verfügen und im<br />
Vergleich zum privaten Kläger deutlich besser in der Lage sind, die Arbeitsqualität der<br />
beauftragten Anwälte einzuschätzen und ggf. zu sanktionieren. xvii Dies stimmt von der<br />
Tendenz her überein mit Angaben, nach denen bei hoher Involvierung der Mandanten nur in<br />
23% aller Fälle <strong>Erfolgshonorare</strong> vereinbart werden, während bei geringer Involvierung in<br />
60% aller Fälle <strong>Erfolgshonorare</strong> vereinbart werden. xviii „Involvierung“ ist hierbei ein Maß <strong>für</strong><br />
den Einfluss des Mandanten auf den Verlauf eines Rechtsstreits. Bei hohem Einfluss ist davon<br />
auszugehen, dass der Mandant über umfangreiches juristisches Wissen verfügt und daher<br />
keine <strong>Erfolgshonorare</strong> benötigt.<br />
IV. Zusammenfassung<br />
Im vorliegenden Beitrag konnte gezeigt werden, dass die Argumentation des BVerfG<br />
hinsichtlich einer von der zulässigen Vereinbarung anwaltlicher <strong>Erfolgshonorare</strong> ausgehenden<br />
Gefährdung der prozessualen Waffengleichheit nicht haltbar ist. xix Hierzu wurde zunächst<br />
dargelegt, dass es immer dann, wenn es dem Kläger möglich ist, einen adäquaten<br />
16
Erfolgsmaßstab zu definieren, dies dem Beklagten in gleichem Maße möglich ist. Daraus<br />
folgt auch, dass beide Seiten in gleichem Umfang Prozessrisiken auf ihre Anwälte verlagern<br />
können. Damit ist das Hauptargument des BVerfG bereits widerlegt. Der Einschätzung des<br />
Gerichts ist indessen noch vehementer zu widersprechen, da das Gericht es versäumt, die<br />
faktischen Gegebenheiten bezüglich der Waffengleichheit unter den derzeitigen<br />
Honorarregeln nach RVG zu prüfen. Hätte es diese Prüfung vollzogen, hätte es feststellen<br />
können, dass im Normalfall bei einem Rechtsstreit zwischen Privatperson und Unternehmen<br />
von Waffengleichheit keine Rede sein kann. Die Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n führt in<br />
diesen Fällen nicht nur zu keiner Gefährdung der Waffengleichheit, sondern fördert diese<br />
explizit. Wenn man also Waffengleichheit vor Gericht als Gemeinwohlziel anerkennt, so<br />
ergibt sich daraus unmittelbar das Gebot, <strong>Erfolgshonorare</strong> vollständig zu legalisieren. Es ist<br />
dann Sache der Mandanten und sollte auch deren Sache sein, zu entscheiden, ob<br />
<strong>Erfolgshonorare</strong> <strong>für</strong> sie vorteilhaft erscheinen oder nicht.<br />
Der Autor Winter ist Inhaber des <strong>Lehrstuhl</strong>s <strong>für</strong> <strong>Human</strong> <strong>Resource</strong> Management an der Ruhr-Universität<br />
Bochum. Die Autoren Tang und Schwab sind wissenschaftliche Mitarbeiter an diesem <strong>Lehrstuhl</strong>.<br />
i BVerfG, NJW 2007, 979.<br />
ii Ross, Am Econ Rev (1973), 134; Jensen/Meckling, J Finan Econ (1976), 305; Shavell, Bell J Econ (1979), 55.<br />
iii Radner, Econometrica (1981), 1127; Fudenberg/Holmstrom/Milgrom, J Econ Theory (1990), 1; Lambert, Bell<br />
J Econ (1983), 441.<br />
iv Stiglitz, in: Incentives, Cooperation, and Risk Sharing, 1987, S. 47.<br />
v So auch Dana/Spier, JLEO (1993), 359.<br />
vi Hierbei ist natürlich zu berücksichtigen, dass die Typologie sehr grob ist. Im Zweifelsfall werden z.B. kleinere<br />
Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilungen und ohne ausreichende Möglichkeiten der Risikostreuung auch ein<br />
Interesse an <strong>Erfolgshonorare</strong>n haben. Umgekehrt kann es selbstverständlich auch Privatpersonen mit<br />
ausreichenden juristischen Kenntnissen und hohem Vermögen geben, die an der Beschäftigung ihrer Anwälte<br />
auf Erfolgsbasis kein Interesse haben.<br />
vii BVerfG, NJW 2007, 979.<br />
viii BVerfG, NJW 2007, 979.<br />
ix Wilde, AnwBl 2007, 489.<br />
x Kritzer, Risks, Reputations and Rewards. Contingency Fee Legal Practice in the United States, 2004, S. 27 ff.<br />
xi Eclavea, American law reports, (1981), 191 (197 ff.)<br />
xii Farmer/Pecorinot, Southern Economic J (2005), 566, (567 FN 7).<br />
xiii Kakalik/Pace, Costs and Compensation Paid in Tort Litigation, 1986, S. 95 ff.<br />
xiv Kakalik/Pace, Costs and Compensation Paid in Tort Litigation, 1986, S. 97.<br />
xv Cotton/Carns/McKelvie, An Analysis of Civil Case Data Collected from September 1997 – May 1999, S. 6ff.<br />
xvi Dana/Spier, JLEO (1993), 349; Kakalik/Pace, Costs and Compensation Paid in Tort Litigation, 1986, S. 95 ff.<br />
xvii Yarrow, Hume Papers on Public Policy (2001), 1 (5); Dana/Spier, JLEO (1993), 349 (364); Santore/ Viard,<br />
JL & Econ (2001), 549 (569).<br />
xviii Dana/Spier, JLEO (1993), 349 (351, FN 9).<br />
xix Es sei nur am Rande erwähnt, dass, wenn die Argumentation des BVerfG korrekt wäre, Beklagte also nicht in<br />
gleichem Maße wie Kläger die Kostenrisiken ihres Anwaltshonorars auf diesen verlagern können, die<br />
gewerbliche Prozessfinanzierung wohl verboten werden müsste. Bei dieser werden schließlich nicht nur die<br />
Kostenrisiken aus der Honorarforderung des eigenen Anwalts auf den Prozessfinanzierer verlagert, sondern<br />
zusätzlich auch die Gerichtskosten und die Honorarforderung des gegnerischen Anwalts bei Verlust des<br />
Rechtsstreits. Hier wäre der Grad der Verletzung der Waffengleichheit offensichtlich noch deutlich ausgeprägter.<br />
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