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Erfolgshonorare für Rechtsanwälte - Lehrstuhl für Human Resource ...

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<strong>Erfolgshonorare</strong> <strong>für</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong>, Konsumentenschutz und<br />

Vertragsfreiheit<br />

Stellungnahme<br />

• zum Verbot der Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n gemäß § 49 b Abs. 2 Satz 1 BRAO,<br />

sowie<br />

• zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 2006 - 1 BvR 2576/04,<br />

sowie<br />

• zur Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV) zum Gesetzesvorhaben des<br />

Bundesministeriums der Justiz <strong>für</strong> eine Änderung des strikten Verbots der Vereinbarung<br />

eines Erfolgshonorars vom August 2007 (abrufbar unter<br />

http://www.anwaltverein.de/03/05/index.html)<br />

Von<br />

Prof. Dr. Stefan Winter<br />

Tel. 0234-32 28337<br />

E-Mail: Stefan.winter@rub.de<br />

Dipl.-Ök. Hin-Yue Benny Tang<br />

Tel. 0234- 32 27638<br />

E-Mail: Hin-Yue.Tang@rub.de<br />

Dipl.-Kfm. Christian Schwab<br />

Tel. 0234-32 25338<br />

E-Mail: Christian.Schwab@rub.de<br />

<strong>Lehrstuhl</strong> <strong>für</strong> <strong>Human</strong> <strong>Resource</strong> Management<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

Universitätsstraße 150<br />

44780 Bochum<br />

Diese Stellungnahme ist auch abrufbar unter der URL: www.rub.de/hrm/erfolgshonorare.html<br />

Bochum, 28. August 2007


Grundthesen<br />

Das Verbot von <strong>Erfolgshonorare</strong>n führte in der Vergangenheit zu einer massiven<br />

Schädigung von <strong>Rechtsanwälte</strong>n und Mandanten.<br />

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts weist den Gesetzgeber an, zumindest<br />

Ausnahmetatbestände vom Verbot zu definieren oder aber das Verbot von<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong>n komplett aufzuheben. Lediglich die vollständige Aufhebung<br />

des Verbots führt zu ökonomisch und gesellschaftlich akzeptablen Ergebnissen<br />

<strong>für</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> und Mandanten.<br />

Der Regelungsvorschlag des DAV ist nicht zielführend. Die im<br />

Regelungsvorschlag zu findenden betriebswirtschaftlichen Analysen sind<br />

teilweise unvollständig, teilweise sogar objektiv falsch.<br />

Das Verbot berührt nicht nur berufsständische Interessen, sondern es verletzt in<br />

eklatanter Weise Verbraucherinteressen von Rechtsuchenden in Deutschland.<br />

Die möglichen Probleme, die aus der Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n<br />

resultieren könnten, sind mit einfachen, rechtssicheren regulatorischen<br />

Maßnahmen leicht beherrschbar.<br />

2


Gliederung<br />

I Einleitung ................................................................................................................................ 4<br />

II Funktionen von <strong>Erfolgshonorare</strong>n und Verbraucherinteressen ..................................... 5<br />

1 Die Anreizfunktion .......................................................................................................... 5<br />

2 Die Versicherungsfunktion ............................................................................................. 8<br />

3 Die Garantiefunktion .................................................................................................... 12<br />

III Gegenstandswertbezogene Honorierung nach RVG ..................................................... 16<br />

IV Regelungsvorschlag des DAV .......................................................................................... 18<br />

V Eigener Regelungsvorschlag .............................................................................................. 26<br />

VI Fazit .................................................................................................................................... 27<br />

Anhang I ......................................................................................................................................<br />

Anhang II ....................................................................................................................................<br />

Anhang III ...................................................................................................................................<br />

3


I Einleitung<br />

In der Betriebswirtschaftslehre wird die Wirkungsweise von <strong>Erfolgshonorare</strong>n seit etwa 40<br />

Jahren intensiv untersucht. Während zunächst Fragen der erfolgsorientierten Honorierung von<br />

angestellten Geschäftsführern und Vorständen im Vordergrund des Interesses standen, sind<br />

anschließend auch viele alternative Anwendungen theoretisch und empirisch untersucht<br />

worden. Seit etwa 30 Jahren wird auch die erfolgsorientierte Vergütung speziell <strong>für</strong><br />

<strong>Rechtsanwälte</strong> intensiv diskutiert. Die Anzahl der betriebswirtschaftlichen Fachaufsätze zu<br />

diesem Thema, insbesondere im angelsächsischen Sprachraum, geht inzwischen in die<br />

Hunderte. Sowohl der theoretische als auch der empirische Kanon dieser Untersuchungen ist<br />

eindeutig: Das Erfolgshonorar ist die beste denkbare Honorarform <strong>für</strong> einen Großteil der<br />

Mandate von <strong>Rechtsanwälte</strong>n. Die gelegentlich aufgetretenen Probleme sind mit relativ<br />

einfachen regulatorischen Maßnahmen zu beheben. Die Furcht vor „Amerikanischen<br />

Verhältnissen“ beruht im Wesentlichen auf Unkenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten auf<br />

dem US-amerikanischen Rechtsmarkt und auf Unkenntnis der aus Sicht von Anwalt und<br />

Mandant wünschenswerten Funktionen von <strong>Erfolgshonorare</strong>n.<br />

Aus diesem Grund sollen diese Funktionen im folgenden Abschnitt II erläutert werden. Um<br />

den Rahmen dieser Stellungnahme nicht zu sprengen, erfolgt eine Beschränkung auf die drei<br />

wichtigsten Funktionen von <strong>Erfolgshonorare</strong>n. Im Anschluss wird in Abschnitt III erläutert,<br />

dass eine gegenstandswertbezogene Honorierung nach RVG keine der genannten Funktionen<br />

befriedigend erfüllen kann. Im Abschnitt IV wird dann der Regelungsvorschlag des DAV<br />

mittels der vorangehend entwickelten Argumente einer genaueren Analyse unterzogen.<br />

Abschnitt V enthält einen eigenen Regelungsvorschlag. Abschnitt VI schließt mit einem Fazit.<br />

Der Stellungnahme sind drei Anhänge beigefügt. Anhang I stellt die Anreizfunktion von<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong>n detaillierter dar. Anhang II enthält einen noch unveröffentlichten<br />

Fachaufsatz zur Versicherungsfunktion von <strong>Erfolgshonorare</strong>n. Anhang III enthält schließlich<br />

einen ebenfalls noch unveröffentlichten Fachaufsatz, der sich mit der vom Verfassungsgericht<br />

aufgeworfenen Frage befasst, ob ein Verbot von <strong>Erfolgshonorare</strong>n der Aufrechterhaltung der<br />

prozessualen Waffengleichheit diene.<br />

4


II Funktionen von <strong>Erfolgshonorare</strong>n und Verbraucherinteressen<br />

1 Die Anreizfunktion<br />

Die betriebswirtschaftliche Forschung hat im Laufe der Zeit eine Reihe von Kriterien<br />

entwickelt, mit denen man prüfen kann, welche Honorar- bzw. Vergütungsform in einer<br />

gegebenen Beauftragungssituation optimal ist.<br />

Das erste Kriterium bezieht sich auf den Grad der relativen Informiertheit des Auftraggebers.<br />

Wenn der Auftraggeber die notwendigen Arbeitsschritte kennt und selbst beurteilen kann, ob<br />

diese Arbeitsschritte adäquat ausgeführt wurden, dann kann man auf erfolgsabhängige<br />

Vergütungen verzichten. Stattdessen kann man die Vergütung an die pflichtgemäße Erfüllung<br />

der Aufgaben selbst, d.h. an die Leistung koppeln. Zwar muss ein Erfolgshonorar in diesem<br />

Fall nicht schlecht oder schädlich sein, man könnte den gewünschten Anreizeffekt aber eben<br />

auch erreichen, indem man auf die Leistungsseite und nicht auf die Ergebnisseite abstellt.<br />

Ganz anders stellt sich der Sachverhalt hingegen dar, wenn der Auftraggeber entweder die<br />

Angemessenheit der Arbeitsschritte nicht beurteilen kann und/oder er die Angemessenheit<br />

zwar prinzipiell beurteilen könnte, er die tatsächlich erbrachten Leistungen aber faktisch nicht<br />

überwachen bzw. nachvollziehen kann. In diesem Fall scheidet eine Vergütung der tatsächlich<br />

erbrachten Leistungen deshalb aus, eben weil diese nicht nachprüfbar und damit vertraglich<br />

vereinbar sind. Hieraus folgt <strong>für</strong> den gesamten Bereich professionalisierter Dienstleistungen,<br />

dass <strong>Erfolgshonorare</strong> zweckmäßig erscheinen. Dies gilt ohne Berücksichtigung weiterer<br />

Kriterien <strong>für</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> genauso wie z.B. <strong>für</strong> Ärzte. In beiden Fällen sind die Mandanten<br />

bzw. Patienten in aller Regel nicht in der Lage zu beurteilen, ob die Dienstleistungen, die sie<br />

erhalten, adäquat sind, aus ihrer Sicht also wirklich eine „Leistung“ darstellen. Es bleibt also<br />

festzuhalten, dass das Kriterium der Informiertheit der Mandanten eines Anwalts <strong>für</strong> einen<br />

Anreiz mittels Erfolgshonorar spricht.<br />

Das nächste Kriterium betrifft die Frage der Messbarkeit und Eindeutigkeit des Erfolges. Um<br />

ein Erfolgshonorar vereinbaren zu können, muss vertraglich ein Erfolgsmaß vereinbart<br />

werden können, welches eindeutig und objektiv beurteilbar ist. Ferner muss auch feststehen,<br />

zu welchem Zeitpunkt die Erfolgsbeurteilung vorzunehmen ist. Wenn diese Bedingungen<br />

erfüllt sind, so spricht das allerdings noch nicht per se <strong>für</strong> ein Erfolgshonorar. Sind die<br />

Bedingungen allerdings verletzt, so muss von einem Erfolgshonorar ohnehin Abstand<br />

5


genommen werden. Für denjenigen Bereich der anwaltlichen Tätigkeit, bei dem es um den<br />

Streit um wirtschaftlich einfach bewertbare Vermögenswerte geht, dürften die Bedingungen<br />

der Messbarkeit und Eindeutigkeit gegeben sein. Dieser Bereich ist einer Erfolgshonorierung<br />

also unmittelbar zugänglich. Auch der Zeitpunkt der Erfolgsmessung kann üblicherweise<br />

sinnvoll bestimmt werden, indem der Erfolg bei Vergleich oder gerichtlicher Entscheidung<br />

zugrunde gelegt wird. Prinzipiell käme das Erfolgshonorar sogar dann in Frage, wenn der<br />

Erfolg nicht ohne weiteres finanziell bemessen werden könnte. So könnte man selbst in<br />

Strafverfahren z.B. die Anzahl vermiedener Jahre im Gefängnis als Erfolgsmaß definieren.<br />

Ein internationaler Vergleich zeigt jedoch, dass in Rechtsstreitigkeiten, die nicht auf einen<br />

finanziellen Ausgleich gerichtet sind, Erfolgsklauseln nicht oder nur sehr sporadisch zu finden<br />

sind.<br />

Anders zu beurteilen ist dagegen der Bereich der gestaltenden Beratung oder Begutachtung.<br />

Hier wird man in der Regel kaum einen adäquaten Erfolgsmaßstab finden, weshalb es hier<br />

aller Voraussicht nach bei Stundensätzen oder Pauschalhonoraren bleiben wird.<br />

Das Kriterium der Messbarkeit ist denn auch das zentrale Argument zur Unterscheidung von<br />

anwaltlichen und z.B. ärztlichen Dienstleistungen. Zwar wäre prinzipiell auch denkbar, die<br />

Vergütung von Ärzten an den Behandlungserfolg zu koppeln. Hierbei besteht allerdings die<br />

Gefahr, dass Patienten geneigt sein könnten, ihren Gesundheitszustand nach Behandlung<br />

schlechter darzustellen als er ist, um dadurch die ansonsten fälligen Honorare zu sparen.<br />

Es bleibt damit festzuhalten, dass das Kriterium der Messbarkeit in Angelegenheiten des<br />

finanziellen Ausgleichs in der Regel erfüllt sein wird. Dies spricht ebenfalls da<strong>für</strong>,<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong> als zweckmäßiges Anreizinstrument zu beurteilen.<br />

Ein weiteres Kriterium ist das der Dauerhaftigkeit von Vertragsbeziehungen. Sind Verträge<br />

auf Dauer angelegt, so dass die Vertragsparteien wissen oder annehmen dürfen, dass sie<br />

wiederholt miteinander zu tun haben werden, so ist die Notwendigkeit direkter finanzieller<br />

Anreize vergleichsweise gering. Dies folgt daraus, dass bei wiederholter Interaktion in der<br />

Regel beide Seiten ein starkes Interesse daran haben, die fortgesetzte Zusammenarbeit nicht<br />

durch schlechte Leistungen zu gefährden. Das Interesse, die eigene Reputation zu erhalten,<br />

wird hier in der Regel ein hohes Leistungsniveau sichern. Anders stellt sich der Sachverhalt<br />

wiederum bei einmaliger Interaktion dar. In diesem Fall spielt die direkte Reputation<br />

gegenüber dem Vertragspartner keine Rolle. Zwar existiert ein indirekter Effekt, indem z.B.<br />

Mandanten im Bekanntenkreis über ihre Erfahrungen mit einem Anwalt berichten. Es ist aber<br />

nicht anzunehmen, dass in diesem Fall der Effekt einer als mangelhaft bewerteten Leistung<br />

6


ebenso groß wäre wie bei direkter, wiederholter Interaktion. Reputationsverluste aus<br />

mangelhafter Leistung sind im indirekten Fall geringer, ebenso wie Reputationsgewinne bei<br />

ausgezeichneten Leistungen. Dies spricht da<strong>für</strong>, bei einmaligen Interaktionen eher direkte<br />

finanzielle Anreize zu nutzen als bei wiederholter Interaktion. Für den Bereich der<br />

anwaltlichen Vertretung lässt sich somit folgern, dass im Bereich der privaten Mandanten<br />

häufig von einmaliger Interaktion ausgegangen werden kann und daher <strong>Erfolgshonorare</strong><br />

zweckmäßig erscheinen. Bei der Beratung und Vertretung von Unternehmen kommt es<br />

hingegen häufiger zu einer wiederholten Zusammenarbeit. In diesem Fall sind direkte<br />

finanzielle Anreize in Form eines Erfolgshonorars weniger notwendig. Dieses Ergebnis<br />

spiegelt sich auch in empirischen Untersuchungen zur Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n in<br />

den USA wider: Verträge zwischen Unternehmen und Kanzleien sind in der Regel nicht<br />

erfolgsabhängig, Verträge zwischen Privatpersonen und Kanzleien hingegen sind es.<br />

Als letztes Kriterium soll an dieser Stelle noch auf die Verteilung von wirtschaftlichen<br />

Risiken zwischen Anwalt und Mandant verwiesen werden. Eine Vertiefung erfolgt im<br />

nächsten Abschnitt und in Anhang II. Es sei nur vorweggenommen, dass Überlegungen zur<br />

Risikoverteilung in Vertragsbeziehungen ebenfalls im Normalfall <strong>für</strong> die Vereinbarung eines<br />

Erfolgshonorars sprechen.<br />

Als Zwischenfazit bleibt festzuhalten, dass die ökonomischen Kriterien zum Einsatz direkter<br />

finanzieller Anreize eindeutig <strong>für</strong> die Nutzung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n durch <strong>Rechtsanwälte</strong><br />

sprechen. Zeit und Pauschalhonorare sind dem Erfolgshonorar aus Sicht des Mandanten<br />

deutlich unterlegen. Beim Zeithonorar bestehen aus Mandantensicht die oben angesprochenen<br />

Probleme. So kann der Mandant häufig nicht nachprüfen, ob die Dinge, die der Anwalt<br />

unternimmt, wirklich alle notwendig und zielführend sind. Damit besteht aus Mandantensicht<br />

die Gefahr, Leistungen bezahlen zu müssen, die nicht in seinem Interesse gelegen haben.<br />

Ferner besteht beim Zeithonorar <strong>für</strong> den Mandanten die Gefahr, dass Zeiten abgerechnet<br />

werden, die der Anwalt faktisch gar nicht an dem Fall gearbeitet hat. Bei Vereinbarung eines<br />

Erfolgshonorars bestehen beide Gefahren nicht. Da der Anwalt sein Honorar nur im<br />

Erfolgsfall bekommt, hat er keinerlei Anreize, Dinge zu tun, die nicht zielführend sind. Aus<br />

Mandantensicht schafft das Erfolgshonorar damit bessere Anreize als das Zeithonorar.<br />

Gleichzeitig entfällt <strong>für</strong> den Anwalt auch die Möglichkeit -und damit die Versuchung- Zeiten<br />

abzurechnen, in denen nicht an dem Fall gearbeitet wurde. Das bietet dem Mandanten die<br />

7


Gewähr da<strong>für</strong>, dass er nur tatsächlich erbrachte Leistungen bezahlen muss. Es kann daher<br />

gefolgert werden, dass das Erfolgshonorar die besseren Anreize bietet.<br />

Zu beachten ist allerdings, dass es natürlich verschiedene denkbare Formen von<br />

Erfolgshonorarvereinbarungen gibt. Die einfache quota litis gehört dabei zu den schlechteren<br />

Varianten (Siehe Anhang I). Noch fataler aus Mandantensicht wären natürlich<br />

„<strong>Erfolgshonorare</strong>“, die im Fall der Niederlage die derzeitigen Honorarsätze nach RVG<br />

einfach fortschreiben und im Gewinnfall einfach noch einen Aufschlag „draufsatteln“.<br />

2 Die Versicherungsfunktion<br />

Durch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars wird jedoch nicht nur die Anreizgestaltung<br />

(positiv) beeinflusst, sondern auch die Risikoaufteilung zwischen Anwalt und Mandant<br />

verändert. Geht man von einer Honorierung auf Basis des derzeitigen RVG auf ein<br />

Erfolgshonorar über, so wird ein Teil des Erfolgsrisikos vom Mandanten auf den Anwalt<br />

übertragen. Diese Risikoübertragung hat zur Folge, dass der Anwalt eine<br />

Versicherungsfunktion <strong>für</strong> seinen Mandanten wahrnimmt – erfolgsbasierte<br />

Honorarvereinbarungen daher von ihrem ökonomischen Charakter her teilweise als<br />

Versicherungsverträge zwischen Anwalt und Mandant interpretiert werden können.<br />

Unbeschadet der Frage, ob tatsächlich eine explizit als „Versicherungsvertrag“ bezeichnete<br />

Vereinbarung schriftlich fixiert wurde, kann grundsätzlich immer dann von einer<br />

Versicherung gesprochen werden, wenn eine Vertragspartei ein finanzielles Risiko einer<br />

anderen Vertragspartei übernimmt. Mit anderen Worten besteht die ökonomische Funktion<br />

von Versicherungen darin, zufallsabhängige zukünftige Vermögensschwankungen des<br />

Versicherungsnehmers zu reduzieren. Wird nun ein verlorener Rechtsstreit aus Sicht eines<br />

Mandanten als reiner Vermögensschaden betrachtet, kann dieser bei einer rein<br />

erfolgsbasierten Vergütung des Anwalts auf die Höhe der Gerichtskosten, der zu erstattenden<br />

Anwaltskosten der Gegenseite und der sonstigen Kosten, mit denen der Prozessverlierer ggf.<br />

noch konfrontiert wird, reduziert werden. Das Vermögen des Mandanten ist im Falle eines<br />

verlorenen Prozesses folglich höher, wenn er seinen Anwalt auf Erfolgsbasis statt auf Basis<br />

der fixen, in jedem Falle zu zahlenden RVG-Gebühr vergütet. Schließt man die Möglichkeit<br />

eines massiv irrationalen Verhaltens bei der anwaltlichen Honorarkalkulation aus, wird<br />

umgekehrt im Falle eines erfolgreichen Prozessausgangs die an den eigenen Anwalt zu<br />

8


zahlende Vergütung höher ausfallen als bei der gegenwärtigen Honorierung gemäß RVG.<br />

Folgerichtig wird das Vermögen des Mandanten im Erfolgsfall bei erfolgsbasierten<br />

Vergütungsformen niedriger ausfallen als bei der derzeit gängigen erfolgsunabhängigen<br />

Anwaltsvergütung. Im Vergleich zur Honorierung auf Basis des RVG verringert sich durch<br />

die erfolgsbasierte Honorarabrede also insgesamt die Vermögensschwankung des Mandanten,<br />

da ihm einerseits im Erfolgsfall nach Zahlung des gegenüber dem RVG erhöhten<br />

Erfolgshonorars ein geringeres Vermögen verbleibt, er aber andererseits im Verlustfall durch<br />

den Wegfall der Honorarforderung des eigenen Anwalts eine geringere Vermögenseinbuße in<br />

Kauf nehmen muss.<br />

Die ökonomischen Konsequenzen der Risikoverlagerung bei <strong>Erfolgshonorare</strong>n<br />

korrespondieren nun exakt mit denjenigen aus allgemeinen Versicherungsgeschäften. Wird<br />

eine Versicherung abgeschlossen, so ist das Vermögen des Versicherten im Falle des<br />

Nichtschadenseintritts in Höhe der Versicherungsprämie geringer als ohne Abschluss der<br />

Versicherung. Im Schadensfall hingegen liegt das Vermögen nach Abschluss der<br />

Versicherung um die Versicherungsleistung abzüglich der Prämienzahlung über dem<br />

Vermögenswert, der sich ohne Versicherung ergibt. Die Vermögensschwankung, d.h. die<br />

Differenz zwischen dem Vermögen im besten Fall (kein Schaden) und dem Vermögen im<br />

ungünstigsten Fall (Schadensfall), wird also analog zur Vereinbarung eines Erfolgshonorars<br />

durch den (hier expliziten) Abschluss einer Versicherung verringert. Mit dem Abschluss eines<br />

Versicherungsvertrages verzichtet ein Versicherter folglich freiwillig – sieht man von den<br />

gesetzlichen Pflichtversicherungen wie etwa der KFZ-Haftpflichtversicherung ab – auf einen<br />

Teil seines Vermögens, um bei Eintritt eines <strong>für</strong> ihn finanziell ungünstigen (und durch ihn<br />

selbst nicht beeinflussbaren) Umweltzustandes den resultierenden Vermögensschaden zu<br />

begrenzen. Die Begrenzung eines möglichen Vermögensschadens stellt damit offensichtlich<br />

aus Sicht eines Versicherungsnehmers eine nutzenbringende Dienstleistung dar, <strong>für</strong> deren<br />

Erwerb er im Gegenzug eine gewisse Zahlungsbereitschaft aufweist.<br />

Da die Vereinbarung eines Erfolgshonorars aus Sicht des Mandanten ebenfalls eine<br />

Versicherungskomponente enthält, ergibt sich daraus, dass der Anwalt nunmehr eine<br />

Versicherungsfunktion übernimmt, er also neben seiner Rechtsberatungstätigkeit auch als<br />

Versicherer auftritt. Die erfolgsbasierte Anwaltsvergütung erhöht dementsprechend den Wert<br />

der anwaltlichen Dienstleistung <strong>für</strong> den Mandanten über die „bloße“ Rechtsberatungsleistung<br />

hinaus. Der Mehrwert der angebotenen Dienstleistung wird sich zwangsläufig in im Vergleich<br />

zum status quo gestiegenen Honorarforderungen widerspiegeln. Auch Versicherungen können<br />

ihre Leistungen schließlich nicht zum Nulltarif anbieten.<br />

9


Die in der Stellungnahme des DAV geäußerte Prognose, dass <strong>Erfolgshonorare</strong> den Preis <strong>für</strong><br />

anwaltliche Dienstleistungen gegenüber den bisherigen Maßstäben erhöhen werden, ist daher<br />

prinzipiell durchaus zutreffend. 1 Die Qualifizierung der zu erwartenden Preiserhöhung als<br />

reine Verteuerung ist ökonomisch aber schlicht falsch. So übersieht die Argumentation, dass<br />

die im Zuge der derzeitigen Gebührenordnung angebotene anwaltliche Dienstleistung eine<br />

andere, nämlich geringwertigere, Dienstleistung als im Falle einer erfolgsbasierten Vergütung<br />

ist. Das Erfolgshonorar bringt eben nicht nur den Effekt einer höheren Gehaltsforderung mit<br />

sich, sondern auch das zusätzliche Angebot einer Versicherungsdienstleistung. Wenn also<br />

über den Preis der anwaltlichen Dienstleistung gesprochen wird, darf nicht außer Acht<br />

gelassen werden, durch welche Komponenten sich diese in Abhängigkeit von der gewählten<br />

Honorierungsform definiert.<br />

Werden den Mandanten die Determinanten des Preis-Leistungs-Verhältnisses der<br />

angebotenen anwaltlichen Dienstleistung in der erforderlichen Transparenz kommuniziert,<br />

dürfte sich denn auch die Be<strong>für</strong>chtung einer „erheblichen Verunsicherung bei Verbrauchern<br />

und Unternehmern“ 2 als unbegründet erweisen. Vielmehr ist zu vermuten, dass der ganz<br />

überwiegende Teil der Mandanten der den erfolgsbasierten Vergütungsmodellen inhärenten<br />

Risikoverlagerungsmöglichkeit wohlwollend gegenüberstehen würde und auch bereit wäre,<br />

diesen Mehrwert entsprechend höher zu vergüten. Denn wäre dem nicht so, dann wäre<br />

jedenfalls der Umstand, dass Menschen überhaupt freiwillig Versicherungen abschließen (und<br />

auf der anderen Seite Versicherungen im Durchschnitt erhebliche Gewinne erwirtschaften)<br />

ein hochgradig erklärungsbedürftiges Phänomen.<br />

Um aber die Folgen einer unbegrenzten Freigabe von <strong>Erfolgshonorare</strong>n besser einschätzen zu<br />

können, dürfte sich ein Blick auf den Versicherungsmarkt als durchaus hilfreich erweisen.<br />

Konkret bedeutet dies, dass danach gefragt werden sollte, worauf überhaupt der Erfolg des<br />

„Geschäftsmodells Versicherung“ beruht. In einer abstrakten Formulierungsweise lässt sich<br />

ein Erfolg aus einem Versicherungsgeschäft sowohl <strong>für</strong> Versicherer als auch <strong>für</strong><br />

Versicherungsnehmer immer dann konstatieren, wenn die Prämie, die der „Verkäufer“ des<br />

Risikos zu zahlen bereit ist, größer ist als die Prämie, die der „Käufer“ des Risikos mindestens<br />

verlangt. 3 Mit anderen Worten heißt dies, dass beide Vertragsparteien von einer Versicherung<br />

profitieren können. Die entscheidende Voraussetzung hier<strong>für</strong> ist, dass die Risikoübernahme<br />

<strong>für</strong> den Versicherungsgeber mit geringeren Kosten verbunden ist als das Verbleiben des<br />

1 Vgl. Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (2007), S. 5.<br />

2 Vgl. Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (2007), S. 5.<br />

3 Vgl. Neus, W. (2005): Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 4. Auflage, S. 68.<br />

10


Risikos beim Versicherungsnehmer, ersterer also Risiken besser tragen kann als letzterer.<br />

Überträgt man diese Überlegungen auf das Anwalt-Mandanten-Verhältnis, dann spricht vieles<br />

da<strong>für</strong>, dass diese Voraussetzung in einer Vielzahl von Fällen gegeben ist. Gerade <strong>für</strong> private<br />

Mandanten stellen Rechtsstreitigkeiten in der Regel sehr seltene Lebenssituationen dar, so<br />

dass sie faktisch keine oder nur minimale Möglichkeiten der Risikostreuung haben. Im<br />

Gegensatz dazu ist der Rechtsstreit das tägliche Geschäft des Anwalts. Er kann sowohl die<br />

Erfolgschancen des Einzelfalls präziser einschätzen als auch seine finanzielle Risiken über<br />

eine Vielzahl von Fällen streuen. Das Erfolgshonorar ist daher in derartigen Anwalt-<br />

Mandanten-Beziehungen als ideale Honorarform einzuschätzen. Auf Mandantenseite ergibt<br />

sich der Vorteil, im Falle eines verlorenen Prozesses von der Honorarforderung des eigenen<br />

Anwalts entlastet zu werden, wodurch sich die potentielle Vermögenseinbuße verringert.<br />

Diese Verlagerungsmöglichkeit von Prozesskostenrisiken wird zudem eine Marktausweitung<br />

zur Folge haben, da ein Teil der stark risikoscheuen Mandanten, welcher vormals das zu hohe<br />

Risiko eines Rechtsstreits gescheut hat, sich nun doch dazu entschließen wird, seinen<br />

Anspruch rechtlich durchzusetzen. Damit geht gleichzeitig eine Verbesserung des Zugangs<br />

zum Rechtssystem einher, da nunmehr die Verfolgung berechtigter Ansprüche häufiger<br />

erfolgt und nicht aufgrund von gescheuten Risiken unterbleibt. Für die Anwaltschaft hat dies<br />

zunächst den Vorteil eines erweiterten Mandantenkreises. Daneben muss die mit der<br />

erfolgsabhängigen Vergütung verbundene Risikoübernahme bzw. die zusätzliche<br />

Versicherungsdienstleistung des Anwalts nunmehr zusätzlich entgolten werden, was sich<br />

langfristig in höheren durchschnittlichen Stundenverdiensten äußern wird. Wichtig ist dabei,<br />

dass der Mandant die höhere Honorarforderung in aller Regel eben gerne akzeptieren wird, da<br />

er <strong>für</strong> die höheren Honorare eine <strong>für</strong> ihn wertvolle Versicherung erwirbt und ihm so ein<br />

merkliches Vermögensrisiko genommen wird.<br />

Die Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n ist somit sowohl aus Sicht der Anwaltschaft als auch aus<br />

Mandantensicht eindeutig zu begrüßen. Eine lediglich eng begrenzte Freigabe der<br />

Zulässigkeit von Erfolgshonorarvereinbarungen würde aber die möglichen Vorteile<br />

weitestgehend konterkarieren und ist daher als kontraproduktiv abzulehnen.<br />

Für die Vergangenheit lässt sich daher auch annehmen, dass das deutsche Verbot von<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong>n in erheblichem Maße Mandanten geschädigt hat, da diese eine von ihnen<br />

dringend erwünschte Versicherungsleistung nicht erwerben können. Aus Risikoscheu sind<br />

daher vermutlich auch viele an sich berechtigte Ansprüche nicht verfolgt worden. Das Verbot<br />

11


des Erfolgshonorars ist aus der wirtschaftlichen Perspektive von Mandanten vergleichbar mit<br />

einem Verbot von Feuerversicherungen <strong>für</strong> Häuser. Es kann wohl mit einiger Sicherheit<br />

angenommen werden, dass bei einem solchen Verbot weniger gebaut würde. Das Verbot hat<br />

daneben Anwälte massiv geschädigt, weil es ihnen die Erbringung von<br />

Versicherungsleistungen untersagt hat, die sie profitabel hätten anbieten können.<br />

Tatsächlich leitet sich aus dem Verbot des Erfolgshonorars auch das Verbot der<br />

Prozessfinanzierung durch <strong>Rechtsanwälte</strong> ab. Da bei der Prozessfinanzierung sämtliche<br />

Kosten des Mandanten vom Prozessfinanzierer übernommen werden, ist der<br />

Versicherungseffekt der Prozessfinanzierung sogar höher als der Versicherungseffekt des<br />

Erfolgshonorars allein. Daher ist auch die Zahlungsbereitschaft von Mandanten im Fall der<br />

Prozessfinanzierung höher. Die Prozessfinanzierung wäre damit eine von Mandanten<br />

gewünschte und <strong>für</strong> Anwälte lukrative Geschäftsmöglichkeit. Auch in dieser Hinsicht verletzt<br />

das Verbot die Privatautonomie zum Schaden von Anwälten und Mandanten.<br />

3 Die Garantiefunktion<br />

Als letztes soll in diesem Abschnitt noch die Garantiefunktion von <strong>Erfolgshonorare</strong>n<br />

angesprochen werden. Dabei sei erneut auf ein typisches Merkmal des<br />

Rechtsberatungsmarktes verwiesen, nämlich auf die Informationsasymmetrie zwischen<br />

Anwalt und Mandant. Der Mandant kann in der Regel weder einschätzen ob sein Fall etwas<br />

taugt noch ob sein Anwalt wirklich glaubt, den Fall gewinnen zu können. Vermutet der<br />

Mandant nun, dass der Rechtsanwalt sich auch von seinen eigenen finanziellen Erwägungen<br />

leiten lässt, so muss der Mandant be<strong>für</strong>chten, bei Honorierung seines Anwalts nach dem<br />

Gegenstandswert des RVG falsch beraten zu werden. Hierzu betrachte man das in der<br />

folgenden Abbildung dargestellte hypothetische Beispiel. In diesem Beispiel sei<br />

angenommen, dass der Anwalt 160 € pro Stunde aus alternativen Mandanten verdienen kann.<br />

Der Fall des Mandanten verspricht hingegen ein Honorar von 200 € pro Stunde. In<br />

Abhängigkeit von der Gewinnwahrscheinlichkeit des Falles des Mandanten ergibt sich dann<br />

der folgende Honorarvergleich:<br />

12


Stundenhonorar<br />

250<br />

200<br />

Gegenstandswertbezogenes<br />

Honorar aus angenommenem Fall<br />

150<br />

Alternativverdienst<br />

100<br />

50<br />

0<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Gewinnwahrscheinlichkeit<br />

Da das Stundenhonorar aus der Annahme des Falles des Mandanten höher ist als das aus<br />

alternativen Mandaten zu erzielende Honorar, würde sich der Anwalt durch Ablehnung des<br />

Falles wirtschaftlich selbst schädigen. Bei hohen Gewinnwahrscheinlichkeiten stellt das kein<br />

Problem dar, da der Fall dann ja auch weiterverfolgt werden sollte. Problematisch ist die<br />

Situation aber bei geringen Gewinnwahrscheinlichkeiten. Hier würde sich der Mandant eine<br />

Ablehnung seines Falles durch den Anwalt wünschen. Durch die Ablehnung würde sich der<br />

Anwalt aber selbst schädigen, wodurch er in eine Dilemmasituation gerät. Nimmt er denn Fall<br />

an, steigt zwar sein Einkommen, er handelt aber nicht im Interesse des Mandanten. Lehnt er<br />

den Fall ab, handelt er zwar im Sinne des Mandanten, schädigt sich aber selbst.<br />

Diese Dilemmasituation kann durch adäquate Gestaltung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n vermieden<br />

werden. Wird ein Erfolgshonorar z.B. in Form einer quota litis vereinbart, so beträgt der<br />

erwartete Stundensatz des Anwalts bei völlig aussichtslosen Fällen natürlich Null. Er wird<br />

solche Fälle daher schon aus Eigeninteresse ablehnen. Je höher nun die<br />

Gewinnwahrscheinlichkeit eines Falles wird, desto größer wird dann bei gegebener quota litis<br />

auch der erwartete Stundensatz. In der folgenden Abbildung ergibt sich bei Vereinbarung<br />

eines Erfolgshonorars, dass der Anwalt den Fall erst bei Gewinnwahrscheinlichkeiten über ca.<br />

65% annehmen würde.<br />

13


Stundenhonorar<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

Alternativverdienst<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Erwartetes Erfolgshonorar<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Gewinnwahrscheinlichkeit<br />

Das Erfolgshonorar leistet daher einen Beitrag zur Verhinderung von Dilemmasituationen, es<br />

vermeidet bei adäquater Gestaltung Anreize zur Annahme aussichtsloser Fälle. Das<br />

Erfolgshonorar setzt damit Anreize, Fälle sorgfältiger vorab auf ihre Erfolgsaussichten zu<br />

prüfen. Eine solche Prüfung wird nun niemals fehlerfrei verlaufen. Und hier tritt dann die<br />

Garantiefunktion zu Tage. Ein Erfolgshonorar kann ökonomisch nämlich als Festhonorar<br />

inklusive einer versprochenen Garantieleistung interpretiert werden. Tritt der Erfolg nicht im<br />

erwarteten Ausmaß ein, so erhält der Mandant das Honorar ganz oder teilweise zurück. Die<br />

Zahlung eines Festhonorars mit anschließender Rückzahlung im Misserfolgs-, also<br />

Garantiefall, wird beim Erfolgshonorar also lediglich zu einem einzigen<br />

Nettozahlungsvorgang zusammengefasst. Der Anwalt gibt mittels Erfolgshonorar also eine<br />

Garantieerklärung bezüglich seiner eigenen Erfolgseinschätzung ab. Diese<br />

Garantieeinschätzung hat nun mehrere Effekte: Der Haupteffekt ist darin zu vermuten, dass<br />

Mandanten ihren Anwälten bei Ratschlägen bezüglich des Weiterverfolgens oder der Aufgabe<br />

von Ansprüchen eher vertrauen können. Dies wird zu einer Marktausweitung führen, weil all<br />

die Mandanten, die sich aufgrund ihres Misstrauens nicht trauten, dem Zuraten ihrer Anwälte<br />

zu folgen, nun keinen ernsthaften Grund zum Misstrauen mehr haben. Gleichzeitig kann es<br />

aber auch zu einer Marktschrumpfung kommen. Dies würde dann passieren, wenn Anwälte<br />

ihren Mandanten in der Vergangenheit regelmäßig und wissentlich falsche Empfehlungen<br />

gegeben hätten, ihnen also auch bei relativ aussichtslosen Fällen zugeraten hätten. Bei<br />

14


Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n würde sich diese Strategie der Anwälte nicht mehr<br />

lohnen und somit die Anzahl der weiterverfolgten Fälle sinken. Beide Marktgrößeneffekte<br />

sind aber gesellschaftlich wünschenswert: Die Ausweitung durch zunehmendes Vertrauen ist<br />

wünschenswert, da nur berechtigte Ansprüche mit guten Erfolgsaussichten zusätzlich in das<br />

Rechtssystem gelangen. Die Schrumpfung am anderen Ende des Marktes ist ebenso<br />

wünschenswert, weil unsinnige Fälle nicht mehr in das Rechtssystem gelangen. Mit dieser<br />

Garantiefunktion wird das Erfolgshonorar zum aktiven Instrument des Verbraucherschutzes.<br />

Für den Anwalt hat die Möglichkeit, faktische Garantien abgeben zu können, ebenfalls<br />

erhebliche Vorteile. Da aus Käufersicht Garantien werterhöhend wirken, steigen auch die<br />

Zahlungsbereitschaften. Teilweise werden unterschiedlich umfangreiche Garantiepakete auf<br />

Märkten <strong>für</strong> technische Produkte sogar explizit als zusätzlich erwerbbare Komponenten<br />

angeboten, müssen dann aber auch gesondert bezahlt werden. Das wäre auch auf dem<br />

deutschen Rechtsmarkt nicht anders. Das Erfolgshonorar wäre dann nur eine Möglichkeit der<br />

Garantiestellung. Anwälte, die glauben, umfangreichere Garantien abgeben zu können,<br />

werden hingegen die komplette Prozessfinanzierung übernehmen. Damit bieten sie ein<br />

deutlich umfangreicheres Garantiepaket, welches höheren Kundennutzen schafft und deutlich<br />

höhere Erträge generiert. Auch hier sei nochmals betont, dass die Ermöglichung von<br />

Garantieleistungen <strong>für</strong> Anwälte und Mandanten Vorteile schafft.<br />

15


III Gegenstandswertbezogene Honorierung nach RVG<br />

Bei der Diskussion von <strong>Erfolgshonorare</strong>n erfolgt in der Literatur häufig eine Beschränkung<br />

auf die Betrachtung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n selbst. Diese Beschränkung verstellt den Blick auf<br />

die massiven Probleme, die mit einer gegenstandswertbezogenen Honorierung einhergehen.<br />

Hier sind vor allem zwei Punkte zu nennen: Die Honorierung nach RVG setzt nicht nur keine<br />

adäquaten Leistungsanreize, sondern sie schafft explizite ökonomische Anreize zur<br />

Falschberatung. Dieser Effekt wurde oben bereits erläutert: Ein Anwalt, der das Honorar aus<br />

einem ihm angetragenen Fall zum Lebensunterhalt benötigt, hat einen massiven Anreiz, den<br />

Fall anzunehmen und weiterzuverfolgen, selbst wenn er von dessen Ausweglosigkeit<br />

überzeugt ist. Da dem Mandanten auch im Nachhinein meist völlig unklar bleibt, weshalb er<br />

verloren hat, wird er seinen Anwalt auch nicht zur Rechenschaft ziehen (können). Das aber<br />

führt dazu, dass ein Anwalt, der wie oben beschrieben handelt, mit einer sehr geringen<br />

Sanktionswahrscheinlichkeit konfrontiert ist. Ökonomisch betrachtet hat die Falschberatung<br />

<strong>für</strong> den Anwalt damit ein gutes Kosten-/Nutzenverhältnis.<br />

Das zweite Problem besteht in der gegenstandswertabhängigen Höhe des Honorars. Wenn die<br />

Forderungshöhe des Mandanten feststeht, ist das Problem kaum relevant. Wenn die Höhe aber<br />

nicht feststeht und der Anwalt den Mandanten bezüglich der Höhe beraten muss, hat der<br />

Anwalt einen ökonomischen Anreiz, den Gegenstandswert nach oben zu treiben. Selbst wenn<br />

der Anwalt mit Sicherheit weiß, dass er <strong>für</strong> den Mandanten genau 5.000 Euro erstreiten wird,<br />

ist es <strong>für</strong> den Anwalt lohnend, auf 10.000 Euro zu klagen. Dadurch steigt sein eigenes<br />

Einkommen. Für den Mandanten führt eine Klage auf 10.000 statt 5.000 Euro aber zu einer<br />

höheren Kostenbelastung, da er aufgrund der deutschen Kostenteilungsregeln bei teilweise<br />

abgewiesener Klage einen Teil der gesamten Anwaltshonorare und Gerichtskosten selbst<br />

tragen muss.<br />

Die Honorierung auf Basis des derzeitigen RVG ist also ihrerseits mit so deutlichen<br />

Problemen behaftet, dass schon aus dieser Perspektive ein milderes Licht auf <strong>Erfolgshonorare</strong><br />

fallen muss. Verschärft werden die Probleme der Honorierung nach RVG aber auch noch vor<br />

dem Hintergrund des Waffengleichheitsarguments, welches das Bundesverfassungsgericht in<br />

seinem Urteil angeführt hat. Das BVerfG führt hierzu aus, dass das Verbot ggfs. aus<br />

Gemeinwohlgründen gerechtfertigt werden könne, weil dem Beklagten nicht in gleichem<br />

Maße eine Verlagerung von Risiken auf seinen Anwalt möglich sei. Von daher sei der Kläger<br />

im Vorteil, was dazu führe, dass die prozessuale Waffengleichheit vor Gericht verletzt sei.<br />

Diese Argumentation hält jedoch ebenfalls einer ökonomischen Analyse nicht stand.<br />

16


Tatsächlich sind Beklagte häufig Unternehmen wie z.B. Versicherungen, die erstens keinerlei<br />

Interesse an einer Risikoverlagerung auf ihre Anwälte haben, die zweitens bei angestellten<br />

Anwälten beliebig intensive Anreize einsetzen können und drittens selbst bei extern<br />

beauftragten Anwälten durch das Inaussichtstellen von Folgeaufträgen sehr intensive Anreize<br />

setzen können, ohne auf den Einsatz direkter <strong>Erfolgshonorare</strong> zurückgreifen zu müssen. Dem<br />

privaten Kläger stehen diese Mittel hingegen nicht zur Verfügung, was ihn in eine deutlich<br />

unterlegene Position bringt. Das Erfolgshonorar ist dann gerade das geeignete Instrument, um<br />

die Waffengleichheit überhaupt zu erreichen oder dieser doch zumindest etwas näher zu<br />

kommen. Auch vor diesem Hintergrund ist das Erfolgshonorar als Instrument des<br />

Verbraucherschutzes dringend zu fordern. (Zur ausführlichen Diskussion des<br />

Waffengleichheitsarguments siehe Anhang III)<br />

17


IV Regelungsvorschlag des DAV<br />

Der Deutsche Anwaltverein schlägt folgende Neuregelung vor:<br />

(1) (2)<br />

Die Vereinbarung des Erfolgshonorars ist grundsätzlich unzulässig. Im<br />

Einzelfall darf der Rechtsanwalt besonderen Umständen der ihm übertragenen<br />

Angelegenheit dadurch Rechnung tragen, dass er die Vergütung oder deren<br />

Höhe vom Ausgehen der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig<br />

macht (Erfolgshonorar). (3) Die Vergütung kann auch in einem Teil des<br />

erstrittenen Betrags bestehen (quota litis). (4) Das gilt insbesondere, wenn auf<br />

andere Weise kein Rechtsschutz erlangt werden kann. (5) Die Vereinbarung ist<br />

schriftlich zu treffen. (6) Der Auftraggeber ist darüber zu belehren, dass im Falle<br />

des Nichteintritts der vereinbarten Bedingungen die Verpflichtung zur Tragung<br />

der Auslagen, Gerichtskosten und gegnerischen Kosten unberührt bleibt. (7) Ein<br />

Erfolgshonorar im Sinne des Satzes 1 liegt nicht vor, wenn nur die Erhöhung<br />

von gesetzlichen Gebühren vereinbart wird.<br />

(DAV 2007, S. 5)<br />

In der Begründung zum Gesetzesvorschlag führt der DAV dann zunächst allgemeine<br />

Gesichtspunkte an. So schreibt er:<br />

„Eine unbegrenzte Freigabe von Erfolgshonorarvereinbarungen hätte unübersehbare<br />

Folgen <strong>für</strong> das anwaltliche Vergütungssystem und das gesamte System der<br />

Kostenerstattung. Eine völlige Freigabe des Erfolgshonorars würde das Verbot der<br />

Unterschreitung der gesetzlichen Mindestgebühren im Prozessmandat zumindest<br />

unterhöhlen, wenn nicht sogar ad absurdum führen.“<br />

(DAV 2007, S. 5)<br />

Dem ist zunächst zu widersprechen. Die Folgen der Freigabe wären aufgrund der massiven<br />

ökonomischen Vorteile <strong>für</strong> Anwälte und Mandanten keineswegs unübersehbar: Das<br />

Erfolgshonorar würde sich in kürzester Zeit als Standard etablieren, ebenso wie dies in<br />

anderen Ländern nach Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n passiert ist. Sodann könnte das<br />

System der Kostenerstattung völlig unverändert weitergeführt werden. Im Fall eines Sieges<br />

würde der Gewinner eben nur nicht mehr das gesamte Honorar seines Anwalts erstattet<br />

bekommen. Dies ist inhaltlich aber nichts Neues, weil bereits heute nur die Sätze nach RVG<br />

erstattet werden. Vereinbaren Anwalt und Mandant aber höhere Honorare, muss der<br />

unterliegende Gegner die höheren Honorare aber nicht bezahlen. Das führt im Endeffekt auch<br />

18


dazu, dass der Sieger einen Teil des Honorars seines Anwalts nicht erstattet bekommt. Darin<br />

besteht also kein Unterschied zum Erfolgshonorar.<br />

Daneben ist der Verweis auf die Folgen <strong>für</strong> das System der Kostenerstattung ohnehin kein<br />

Grund, solange nicht dargelegt wird, dass dieses System erhaltenswert ist. Das aber ist<br />

keineswegs klar. Zwar hat sich in Deutschland das Prinzip „der Verlierer zahlt“ etabliert,<br />

jedoch gibt es auch andere Rechtssysteme wie das US-amerikanische, in welchem jeder <strong>für</strong><br />

seine eigenen Kosten aufkommen muss. Setzt man voraus, dass der Ausgang eines<br />

Rechtsstreits aus Sicht von Kläger und Beklagtem hinreichend unsicher ist, dann ist das „der<br />

Verlierer zahlt“ - Prinzip aus Risikoteilungsgesichtspunkten aus deren beider Sicht ohnehin<br />

nicht optimal. Könnten die beiden unabhängig vom Inhalt des Rechtsstreits andere<br />

Kostenteilungsregeln vereinbaren, würden sie sich vermutlich eher auf das „der Sieger zahlt“<br />

- Prinzip verständigen, weil das Bezahlen dem Sieger im Durchschnitt deutlich leichter fallen<br />

wird als dem Verlierer. Schließlich ist der Sieger derjenige, der gerade viel Geld erstritten hat<br />

(oder viel Geld behalten durfte). Würden nun <strong>Erfolgshonorare</strong> in Deutschland angeboten und<br />

würde, was zu erwarten und zu wünschen wäre, die komplette Prozessfinanzierung von den<br />

Anwälten übernommen, hätten die Mandanten faktisch ein Wahlrecht bezüglich der<br />

Kostenerstattungsregeln, denen sie sich unterwerfen würden. Stimmt ein Mandant der<br />

Prozessfinanzierung gegen Erfolgsbeteiligung zu, so muss er im Verlustfall nichts bezahlen,<br />

dies wird von seinem Anwalt übernommen. Logischerweise muss der Anwalt das<br />

kalkulatorisch auf die gewonnenen Mandate umlegen, die sich entsprechend verteuern. Also<br />

bezahlen im Endeffekt nur die Sieger. Dies ist in den USA bereits seit langem der Fall. Die<br />

Regel, nach der jeder <strong>für</strong> sich selbst zahlt, steht auch dort nur auf dem Papier, ist in der<br />

ökonomischen Realität aber durch die Prozessfinanzierung der Anwälte in eine Regel, nach<br />

der nur die Sieger zahlen, verwandelt worden. Diese Ausführungen gelten natürlich nur <strong>für</strong><br />

die Rechtsbereiche, in denen auf Erfolgsbasis gearbeitet wird. Deutlich wird aber, dass das<br />

deutsche System der Kostenerstattung durchaus auch überdenkenswert sein könnte.<br />

Schließlich führt der DAV aus, dass die völlige Freigabe des Erfolgshonorars das Verbot des<br />

Unterschreitens von gesetzlichen Mindestgebühren aushöhlen würde. Das darf mit absoluter<br />

Sicherheit angenommen werden. Denn logischerweise folgt z.B. aus der Vereinbarung einer<br />

quota litis, dass im Misserfolgsfall gar nichts vom Mandanten zu bezahlen ist. Das ist der Sinn<br />

eines Erfolgshonorars.<br />

Wie in Kapitel II zu den Funktionen aber bereits mehrfach ausgeführt wurde, eröffnen<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong> erhebliche zusätzliche Verdienstmöglichkeiten <strong>für</strong> Anwälte bei gleichzeitig<br />

19


verbesserten Nutzenpositionen ihrer Mandanten. Von daher wäre die Einführung von<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong>n wahrscheinlich ohnehin der richtige Zeitpunkt, die äußerst kritikwürdigen<br />

Mindesthonorare abzuschaffen. Diese Maßnahme ist aus Gründen des Verbraucherschutzes<br />

längst überfällig.<br />

Weiterhin führt der DAV zur Begründung aus:<br />

„Außerdem wären erhebliche Verunsicherungen insbesondere bei Verbrauchern und<br />

Unternehmern zu be<strong>für</strong>chten.“<br />

(DAV 2007, S. 5)<br />

Es darf mit Sicherheit angenommen werden, dass gerade das nicht passieren wird. Das liegt<br />

zum einen daran, dass z.B. die quota litis definitiv deutlich einfacher zu verstehen ist als die<br />

derzeitigen Regelungen des RVG. Zum anderen kann man sich auch im Ausland umsehen<br />

und wird dann z.B. feststellen, dass die Einführung der „conditional fee“, einer Spielart des<br />

Erfolgshonorars, in England in den letzen Jahren völlig unproblematisch verlaufen ist und von<br />

den Mandanten sofort sehr gut angenommen wurde.<br />

Der DAV setzt seine Begründung fort mit folgenden betriebswirtschaftlichen Überlegungen:<br />

„Eine vollständige Freigabe der Erfolgshonorarvereinbarung könnte dazu führen, dass<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong> künftig Leitbildfunktion <strong>für</strong> die Vergütung anwaltlicher Dienstleistungen<br />

einnähmen. Wäre das Erfolgshonorar die Standardvergütung, würde sich zwangsläufig<br />

der Preis <strong>für</strong> anwaltliche Dienstleistungen gegenüber den bisherigen Maßstäben deutlich<br />

verteuern; das wäre zumindest in den Fällen zu erwarten, in denen ein vollständiger oder<br />

ein teilweiser Erfolg im Sinne der Interessenvertretung herbeigeführt würde.<br />

Denn betriebswirtschaftlich wäre es unausweichlich, dass die erfolgreich zu Ende<br />

geführten Mandate die Honorarausfälle bei den erfolglosen oder erfolgsarmen Aufträgen<br />

mitfinanzieren müssten.“<br />

(DAV 2007, S. 5-6)<br />

Hierzu ist anzumerken, dass die Freigabe des Erfolgshonorars nicht nur dazu führen könnte,<br />

sondern dazu führen würde, dass sich <strong>Erfolgshonorare</strong> als Standard etablieren würden. Dies<br />

wäre keine unschöne Entwicklung sondern ökonomisch wünschenswert. Wenn die<br />

20


Honorierung nach derzeitigem RVG die Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n nicht überleben<br />

würde, dann gäbe es keinen Grund, diese Entwicklung nicht zu begrüßen.<br />

Natürlich würden sich die Kosten <strong>für</strong> die gewonnenen Mandate <strong>für</strong> die Mandanten erhöhen.<br />

Das ist betriebswirtschaftlich aber u.a. als die Bezahlung einer Versicherungsprämie zu<br />

interpretieren und daher auch aus Mandantensicht nicht zu bemängeln. Der Blick auf reine<br />

Zahlungsgrößen führt hier zu einem offensichtlichen Fehlurteil in der Bewertung des<br />

Sachverhalts.<br />

Zu den einzelnen Sätzen des Neuregelungsvorschlags gibt der DAV folgende Begründungen:<br />

„Satz 1 stellt klar: <strong>Erfolgshonorare</strong> sind grundsätzlich weiterhin berufsrechtlich<br />

unzulässig. Damit unterliegen die Regelungen der folgenden Ausnahmeregelung den<br />

engeren Auslegungskriterien <strong>für</strong> Ausnahmetatbestände.“<br />

(DAV 2007, S. 6)<br />

Wie oben ausführlich begründet wurde, kann dem nicht gefolgt werden. <strong>Erfolgshonorare</strong><br />

sollten vollständig freigegeben werden, allerdings ergänzt um Vorschriften des<br />

Mandantenschutzes.<br />

„Satz 2 gewährt als Ausnahmeregelung die berufsrechtliche Zulässigkeit einer<br />

Erfolgshonorarvereinbarung, aber nur „im Einzelfall“ und auch nur „unter<br />

Berücksichtigung der besonderen Umstände der dem Anwalt übertragenen<br />

Angelegenheit“ und definiert – wie schon die bisherige Gesetzesfassung – das<br />

Erfolgshonorar.“<br />

(DAV 2007, S. 6)<br />

Dieser Vorschlag ist angesichts des beidseitigen Interesses von Anwalt und Mandant am<br />

Erfolgshonorar schlicht weltfremd und zeitigt daneben <strong>für</strong> den Anwalt erhebliche<br />

Anfechtungsrisiken durch seinen eigenen Mandanten. Zunächst sei Stefan Winter, einem der<br />

Autoren der vorliegenden Stellungnahme, eine persönliche Anekdote erlaubt: Bei einer<br />

Berufungsverhandlung in einem deutschen Ministerium fragte ich den Ministerialbeamten, ob<br />

man mir eine Umzugskostenvergütung gewähren würde. Darauf antwortete der Beamte, dass<br />

er eine solche Vergütung nur zusagen könne, wenn ich ansonsten den Ruf nicht annehmen<br />

würde. Dann fragte er mich, ob ich den Ruf auch ohne Umzugskostenvergütung annehmen<br />

21


würde. Dies verneinte ich. Daraufhin wurde mir die Umzugskostenvergütung zugesagt. Im<br />

hier interessierenden Fall wird dann in deutschen Anwaltskanzleien in tausendfachen<br />

Variationen das folgende Gespräch geführt:<br />

Mandant: Ich würde gern ein Erfolgshonorar vereinbaren!<br />

Anwalt: Das darf ich nur mit Ihnen vereinbaren, wenn Sie mir sagen, dass Sie ansonsten das<br />

Risiko des Rechtsstreits scheuen und auch keine anderen Finanzierungsmöglichkeiten haben.<br />

Mandant: Ohne Erfolgshonorar scheue ich das Risiko des Rechtsstreits. Ich versichere Ihnen,<br />

keine anderen Finanzierungsquellen zu haben.<br />

Anwalt: Gut, dann sollten wir ein Erfolgshonorar vereinbaren.<br />

Eine Debatte um individuelle Ausnahmetatbestände ist völlig kontraproduktiv. So kann man<br />

absurde Gespräche wie das eben beschriebene natürlich verhindern, indem man an objektiv<br />

nachprüfbare Kriterien anknüpft. Dann müsste man wohl verlangen, dass der Mandant eine<br />

notariell beglaubigte Vermögensaufstellung oder wenigstens seinen<br />

Einkommensteuerbescheid zum Anwalt mitbringt. Das kann wohl niemand wirklich wollen.<br />

Da <strong>Erfolgshonorare</strong>, wie mehrfach ausgeführt, eine Versicherungskomponente enthalten,<br />

wäre die Überprüfung objektiver Sachverhalte in etwa vergleichbar mit der<br />

Versicherungsgesellschaft, die vom potenziellen Versicherungsnehmer einen<br />

Vermögensnachweis verlangt. Sollte der potenzielle Versicherungsnehmer über genügend<br />

Mittel verfügen, sein Haus nach dem Brand allein wieder aufzubauen, müsste der<br />

Vertragsabschluss verweigert werden. Es ist hier auch schlicht gleichgültig, an welche<br />

objektiven Kriterien beim Mandanten man hier anknüpfen würde. Das Resultat wäre in jedem<br />

Fall eine paternalistische Bevormundung und eine Einschränkung der<br />

Konsumentensouveränität und Vertragsfreiheit.<br />

„Satz 3 greift eine Vorgabe der Entscheidung des BVerfG auf und stellt die quota litis den<br />

sonstigen Formen des Erfolgshonorars gleich. Es sind keine überzeugenden Gründe<br />

erkennbar, warum die quota litis als besondere Form des Erfolgshonorars einer<br />

besonderen Sanktion unterliegen sollte.“<br />

(DAV 2007, S. 6-7)<br />

Auch diese Argumentation überzeugt im Grundtenor nicht, weil von der Tendenz der<br />

Argumentation her offensichtlich alle Ausprägungen von <strong>Erfolgshonorare</strong>n als gleichwertig<br />

angesehen werden. Eine solche Deutung ist aber abzulehnen. Tatsächlich ist die quota litis<br />

22


trotz ihrer Mängel vielen anderen Formen des Erfolgshonorars sogar überlegen. Die quota litis<br />

spielt also durchaus eine besondere Rolle, sollte aber nicht mehr, sondern allenfalls weniger<br />

reguliert werden als <strong>Erfolgshonorare</strong> im Allgemeinen. Bei der quota litis verzichtet der<br />

Anwalt nämlich im Misserfolgsfall auf jegliche Form der Honorierung. Dies schafft <strong>für</strong> den<br />

Mandanten die Sicherheit, von seinem Anwalt nicht in aussichtslose Fälle geführt zu werden.<br />

Alternativ wäre eine Erfolgshonorarkonstruktion denkbar, bei der der Mandant im<br />

Misserfolgsfall noch immer die Gebühren nach RVG zu bezahlen hätte und im Erfolgsfall<br />

einen Aufschlag. Eine solche Honorarvereinbarung stellt den Mandanten aber sichtlich<br />

schlechter als die quota litis, was die Aussagefähigkeit in Bezug auf die Erfolgsaussichten<br />

angeht. Dieser Aspekt sollte in der gesetzlichen Neuregelung durchaus bedacht werden.<br />

„Satz 4 greift ebenfalls eine spezielle Vorgabe des BVerfG auf, in dem als Beispielsfall <strong>für</strong><br />

die Zulässigkeit einer Erfolgshonorarvereinbarung die Situation genannt wird, bei der der<br />

Mandant ohne Erfolgsvereinbarung keinen Rechtsschutz mittels Unterstützung durch<br />

einen Anwalt erlangen könnte. Die Formulierung deckt sich inhaltlich mit der Vorgabe<br />

des Verfassungsgerichts („Unangemessen ist das Verbot nach § 49b Abs. 2 BRAO jedoch<br />

insoweit, als es keine Ausnahmen zulässt und damit selbst dann zu beachten ist, wenn der<br />

Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung besonderen<br />

Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon<br />

abhielten, seine Rechte zu verfolgen.“)“<br />

(DAV 2007, S. 7)<br />

Hierzu wurde bereits bei der Kommentierung von Satz 2 Stellung genommen.<br />

Satz 5 greift ebenfalls eine Vorgabe des BVerfG auf. Er hat Schutzfunktion sowohl <strong>für</strong> den<br />

Mandanten als auch den Rechtsanwalt. Da Erfolgshonorarvereinbarungen auch bei<br />

Beratungsmandaten denkbar sind und in solchen Mandaten es mangels gesetzlicher<br />

Gebühr grundsätzlich keine Formvorschriften nach § 4 Abs. 1 RVG gibt, ist die<br />

Formulierung einer Formvorschrift an dieser Stelle auch erforderlich.<br />

(DAV 2007, S. 7)<br />

Gegen das Schriftformerfordernis ist nichts einzuwenden.<br />

23


Satz 6 statuiert die sinnvolle und zweckmäßige Verpflichtung des Rechtsanwalts zur<br />

Belehrung seines Auftraggebers. Die Formulierung deckt sich im Wesentlichen mit<br />

anderen derzeit vorliegenden Vorschlägen zur Neuformulierung beim Erfolgshonorar.<br />

Die Belehrungspflicht dient zum einen dem Schutz des Auftraggebers und ist zum anderen<br />

auch ein Element, die Vertrauensbasis zwischen Auftraggeber und Rechtsanwalt zu<br />

vertiefen bzw. zu erhalten.<br />

(DAV 2007, S. 7)<br />

Gemäß Satz 6 des DAV-Vorschlags ist der Mandant darüber zu belehren, dass er im Fall des<br />

Unterliegens die Gerichtskosten, das Honorar des gegnerischen Anwalts und die Auslagen zu<br />

tragen hat. Da das offensichtlich eine Muss-Vorschrift sein soll, schließt das im<br />

Umkehrschluss wohl aus, dass der Anwalt diese Kosten übernehmen könnte.<br />

Hierin kommt eine der massivsten betriebswirtschaftlichen Fehleinschätzungen des DAV-<br />

Vorschlags zum Vorschein. Mit dieser Vorschrift würde faktisch das derzeit nur über das<br />

Verbot des Erfolgshonorars abgeleitete Verbot der Prozessfinanzierung durch Anwälte<br />

zementiert. Damit schnitte der DAV-Vorschlag <strong>Rechtsanwälte</strong> von einem Markt im Volumen<br />

vermutlich mehrerer Milliarden Euro ab. Die Prozessfinanzierung ist ökonomisch eine<br />

geradezu angeborene Dienstleistung des Rechtsanwalts. Durch die Prozessfinanzierung kann<br />

der Anwalt die Versicherungsleistung <strong>für</strong> seinen Mandanten deutlich steigern. Dieser wird<br />

diese zusätzliche Leistung so hoch entgelten, dass der Anwalt das <strong>für</strong> ihn steigende finanzielle<br />

Risiko nicht nur auffangen kann, sondern zusätzliche Gewinnaufschläge realisieren kann.<br />

Ökonomisch betrachtet ist die derzeit in Deutschland tätige Branche der Prozessfinanzierer<br />

mit ihrem jetzigen Geschäftsmodell völlig überflüssig. Diese Funktion könnte von den<br />

Anwälten deutlich besser übernommen werden. Das Verbot des Erfolgshonorars kommt,<br />

wenn nicht einer finanziellen, so doch einer juristischen Subvention der<br />

Prozessfinanzierungsbranche gleich. Das Ganze passiert auch noch auf dem Rücken der<br />

Mandanten. Wenn diese derzeit nämlich einen Prozessfinanzierer einschalten wollen, dann<br />

muss zunächst ihr eigener Anwalt den Fall prüfen und danach der Prozessfinanzierer. Damit<br />

sind die Mandanten als Gruppe grundsätzlich gezwungen, zwei Prüfvorgänge <strong>für</strong> einen Fall<br />

zu bezahlen, da diese Vorgänge natürlich kalkulatorisch auf die Mandanten abgewälzt werden<br />

müssen. Einige Zahlen aus der Presse und den Geschäftsberichten zeigen ferner, dass die<br />

Prozessfinanzierer sehr selektiv vorgehen und weniger als 10% der ihnen angetragenen Fälle<br />

annehmen. Das bedeutet aber, dass sie auf jede Finanzierungszusage kalkulatorisch<br />

mindestens 10 Prüfvorgänge umlegen müssen. Die direkte Prozessfinanzierung durch<br />

24


Anwälte würde die Anzahl der überflüssigen Prüfvorgänge deutlich reduzieren und die<br />

Anwälte könnten einen Teil der entstehenden Einsparungen behalten und den anderen Teil an<br />

ihre Mandanten weitergeben. Auch vor diesem Hintergrund ist die Freigabe von<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong>n zu fordern. Da es <strong>für</strong> die Prozessfinanzierungsbranche ohnehin bessere<br />

Geschäftsmodelle gibt, wäre vermutlich nicht einmal das Überleben der reinen<br />

Prozessfinanzierer gefährdet.<br />

Ferner ist auf eine weitere Unstimmigkeit in dem Formulierungsvorschlag des DAV<br />

hinzuweisen. Wenn nämlich in Satz 4 explizit ausgeführt wird, dass das Erfolgshonorar<br />

gerade dann zulässig sein soll, wenn der Mandant ansonsten keinen Rechtsschutz erlangen<br />

könne, dann trägt dieses Argument unter den deutschen Kostentragungsregeln nur dann<br />

wirklich, wenn dem Anwalt in diesem Fall die komplette Prozessfinanzierung erlaubt wird.<br />

25


V Eigener Regelungsvorschlag<br />

Der folgende Regelungsvorschlag ist als ökonomisch begründete Anregung zu verstehen,<br />

ohne bereits ausformuliert zu sein.<br />

Die Regelung sollte:<br />

• die Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n grundsätzlich freigeben,<br />

• die Schriftform verlangen,<br />

• das aus einem Mandat zu erzielenden Honorar der Höhe nach beschränken. Hier käme<br />

entweder in Frage, das Honorar im Erfolgsfall auf ein bestimmtes Vielfaches desjenigen<br />

Honorars zu beschränken, welches sich bei Honorierung nach RVG ergeben hätte.<br />

Alternativ könnte man den englischen Weg beschreiten und das Honorar auf einen<br />

bestimmten Prozentsatz des tatsächlich erstrittenen Betrages beschränken. Diese<br />

Vielfachen bzw. Prozentsätze müssten nach der Verfahrenstiefe (Vergleich, erste Instanz,<br />

zweite Instanz gestaffelt werden),<br />

• nur Erfolgshonorarregelungen zulassen, die im Misserfolgsfall zu einer Honorierung<br />

führen, die geringer wäre als die Honorierung nach RVG. Ansonsten wäre zu be<strong>für</strong>chten,<br />

dass die Neuregelung einfach nur zur Erhöhung der Honorare im Erfolgsfall führen, im<br />

Misserfolgsfall aber alles beim Alten bleibt.<br />

Auf die beiden letzten Regelungen könnte ggfs. bei Mandanten mit<br />

Vollkaufmannseigenschaft verzichtet werden.<br />

Abzusehen ist hingegen z.B. von Auflagen, die jeden Anwalt verpflichten, alternativ zu<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong>n immer auch eine Honorierung auf derzeitiger RVG-Basis anbieten zu<br />

müssen.<br />

26


VI Fazit<br />

Die Diskussion um das Verbot von <strong>Erfolgshonorare</strong>n ist weltweit relativ stark geprägt von<br />

Überlegungen zu berufsständischen Interessen und ethischen Abwägungen. Die Diskussion<br />

der berufsständischen Interessen gibt sich häufig einen ökonomischen Anstrich, welcher einer<br />

ernsthaften ökonomischen Analyse jedoch nicht Stand hält. Zutage treten vielmals schlichte<br />

Einkommenssicherungsinteressen, die dann mittels falscher Argumente untermauert werden,<br />

um daraus dann Gesetzesvorschläge abzuleiten, die in Wahrheit die Einkommensinteressen<br />

der Betroffenen sogar noch schädigen.<br />

Darüber hinaus sind die Debatten häufig geprägt von einer Ignoranz gegenüber berechtigten<br />

Konsumenteninteressen. Das Verbot der <strong>Erfolgshonorare</strong> ist eben beileibe kein originäres<br />

Standesproblem, sondern es ist vor allem ein Problem des Verbraucherschutzes. Das Verbot<br />

verletzt in eklatanter Weise die wirtschaftlichen Interessen von Mandanten, die sich in einer<br />

deutlich unterlegenen Verhandlungsposition befinden.<br />

Das Verbot von <strong>Erfolgshonorare</strong>n ist nicht nur überflüssig, es schädigt Mandanten und<br />

Anwaltschaft in enormem Umfang. Es sollte dringend abgeschafft werden. Dabei sollte das<br />

Verbot nicht nur in Rechtsangelegenheiten aufgehoben werden, in denen es um finanzielle<br />

Ausgleichszahlungen geht. Tatsächlich hat das Erfolgshonorar überall dort seine<br />

Berechtigung, wo ein unwissender Mandant einem gut ausgebildeten Anwalt gegenübertritt.<br />

Die häufig in der Literatur zu findenden ethischen Einwände gegen den Einsatz von<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong>n im Familien- oder Strafrecht vermögen nicht zu überzeugen. Abgesehen<br />

davon, dass sich z.B. aus einer Formalethik wie dem kategorischen Imperativ von Kant eine<br />

sinnvolle Kritik am Erfolgshonorar in einer Sorgerechtssache nicht plausibel konstruieren<br />

lässt, wird bei den Überlegungen in der Literatur nicht auf die Nutzenaspekte des<br />

Erfolgshonorars <strong>für</strong> die Betroffenen eingegangen. Das Übergehen von Betroffenen bei<br />

ethischen Abwägungen gilt in vielen Ethikkonzepten indessen selbst als unethisch. Warum<br />

sollte man einem Elternteil in einem Sorgerechtsfall die Vereinbarung eines Erfolgshonorars<br />

versagen, wenn die betreffende Person sich eine derartige, auch psychische, Belastung nur<br />

dann zumuten will, wenn sie von den Erfolgsaussichten wirklich überzeugt ist und mittels<br />

Erfolgshonorar diese Aussicht von ihrem Anwalt bestätigt bekommt?<br />

27


Anhang I<br />

Hinweis:<br />

Dieser Anhang I enthält einen gekürzten Vorabdruck der Rohfassung von Kapitel 5.1 aus der<br />

Monographie:<br />

Winter, Stefan: <strong>Erfolgshonorare</strong> <strong>für</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – Probleme, Funktionen, Strategien,<br />

Steinbeis-Verlag, Stuttgart (erscheint Herbst/Winter 2007)<br />

28


Die Anreizfunktion<br />

Um die Anreizfunktion von <strong>Erfolgshonorare</strong>n beleuchten zu können, ist zunächst zu klären,<br />

worin die Anreize <strong>für</strong> einen Anwalt generell bestehen könnten. Hierbei kann nach materiellen<br />

und immateriellen Anreizen unterschieden werden. Bei den immateriellen Anreizen ist an<br />

Dinge wie die Freude an guter Arbeit, Ehrgeiz, aber auch an die Einhaltung berufsständischer<br />

ethischer Verhaltensnormen zu denken. Auch der Aufbau und die Pflege eines guten Rufs<br />

können wichtige Triebfedern des Verhaltens sein. Unabhängig davon muss natürlich auch der<br />

Anwalt seinen Lebensunterhalt bestreiten und eine angemessene Kompensation <strong>für</strong> seine<br />

Arbeit und eine langjährige Ausbildung erzielen. Es kann daher davon ausgegangen werden,<br />

dass auch materielle Anreize eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen. Dabei kann<br />

unterstellt werden, dass die immateriellen Anreize unabhängig von der gewählten<br />

Honorarform sein dürften. Dass ein Anwalt ein Interesse an einer guten Reputation hat, dürfte<br />

nicht davon abhängen, ob er mit einem bestimmten Mandanten ein Zeit- oder Erfolgshonorar<br />

vereinbart. Somit kann man sich bei der Analyse der Anreizwirkungen auf die rein<br />

materiellen Anreize konzentrieren.<br />

Die betriebswirtschaftliche Forschung hat im Laufe der Zeit eine Reihe von Kriterien<br />

entwickelt, mit denen man prüfen kann, welche Honorar- bzw. Vergütungsform in einer<br />

gegebenen Beauftragungssituation optimal ist. Diese Kriterien sollen im Folgenden diskutiert<br />

werden. Hierbei hat sich die folgende Definition als zweckmäßig erwiesen, nach der der<br />

Erfolg gleich der erbrachten Leistung plus eines (evtl. negativen) Zufallseinflusses ist:<br />

Erfolg = Leistung + Zufall<br />

Mit „Zufall“ sind solche Faktoren gemeint, die der Leistende nicht unter seiner Kontrolle hat.<br />

So kann man z.B. davon ausgehen, dass der Erfolg eines Maschinenbauunternehmens sowohl<br />

von der Leistung seines Managements und seiner Arbeitnehmer abhängt, aber eben auch von<br />

der Branchenkonjunktur. Letztere lässt sich durch ein Unternehmen und seine Belegschaft<br />

nicht kontrollieren, häufig auch nicht prognostizieren. Daher wäre hier die Konjunktur als<br />

Zufallsfaktor anzusehen. Bei einem Rechtsstreit können diese Zufallsfaktoren z.B. im<br />

Auftauchen neuer Beweise bis hin zur Laune des Richters bei der Urteilsfindung reichen.<br />

1


Gestützt auf diese Definition kann nun auf die Zweckmäßigkeitskriterien von<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong>n als Anreizinstrument eingegangen werden. Das erste Kriterium bezieht sich<br />

auf den Grad der relativen Informiertheit des Auftraggebers. Wenn der Auftraggeber die<br />

notwendigen Arbeitsschritte kennt und selbst beurteilen kann, ob diese Arbeitsschritte adäquat<br />

ausgeführt wurden, dann kann man auf erfolgsabhängige Vergütungen verzichten. Stattdessen<br />

kann man die Vergütung an die pflichtgemäße Erfüllung der Aufgaben selbst, d.h. an die<br />

Leistung koppeln. Zwar muss ein Erfolgshonorar in diesem Fall nicht schlecht oder schädlich<br />

sein, man könnte den gewünschten Anreizeffekt aber eben auch erreichen, indem man auf die<br />

Leistungsseite und nicht auf die Ergebnisseite abstellt. Das Problem des Erfolgshonorars liegt<br />

grundsätzlich darin, dass es „Glück“ (= positiver „Zufall“) bei der Leistungserbringung<br />

belohnt und „Pech“ (= negativer „Zufall“) bestraft, obwohl weder Glück noch Pech vom<br />

Leistenden beeinflusst werden können. Das Erfolgshonorar hat auch generell gegenüber dem<br />

Leistungshonorar keine motivationalen Vorteile. Es ist nämlich kaum zu sehen, dass die<br />

Aussicht, am Ende <strong>für</strong> Glück zusätzlich belohnt oder <strong>für</strong> Pech zusätzlich bestraft zu werden,<br />

eine besondere Motivation verursacht. Ganz anders stellt sich der Sachverhalt hingegen dar,<br />

wenn der Auftraggeber entweder die Angemessenheit der Arbeitsschritte nicht beurteilen<br />

kann und/oder er die Angemessenheit zwar prinzipiell beurteilen könnte, er die tatsächlich<br />

erbrachten Leistungen aber faktisch nicht überwachen bzw. nachvollziehen kann. In diesem<br />

Fall scheidet eine Vergütung der tatsächlich erbrachten Leistungen deshalb aus, eben weil<br />

diese nicht nachprüfbar und damit vertraglich vereinbar sind. Hieraus folgt <strong>für</strong> den gesamten<br />

Bereich professionalisierter Dienstleistungen, dass <strong>Erfolgshonorare</strong> zweckmäßig erscheinen.<br />

Dies gilt ohne Berücksichtigung weiterer Kriterien <strong>für</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> genauso wie z.B. <strong>für</strong><br />

Ärzte. In beiden Fällen sind die Mandanten bzw. Patienten in aller Regel nicht in der Lage zu<br />

beurteilen, ob die Dienstleistungen, die sie erhalten, adäquat sind, aus ihrer Sicht also wirklich<br />

eine „Leistung“ darstellen. Es bleibt also festzuhalten, dass das Kriterium der Informiertheit<br />

der Mandanten eines Anwalts <strong>für</strong> einen Anreiz mittels Erfolgshonorar spricht.<br />

Das nächste Kriterium betrifft die Frage der Messbarkeit und Eindeutigkeit des Erfolges. Um<br />

ein Erfolgshonorar vereinbaren zu können, muss vertraglich ein Erfolgsmaß vereinbart<br />

werden können, welches eindeutig und objektiv beurteilbar ist. Ferner muss auch feststehen,<br />

zu welchem Zeitpunkt die Erfolgsbeurteilung vorzunehmen ist. Wenn diese Bedingungen<br />

erfüllt sind, so spricht das allerdings noch nicht per se <strong>für</strong> ein Erfolgshonorar. Sind die<br />

Bedingungen allerdings verletzt, so muss von einem Erfolgshonorar ohnehin Abstand<br />

genommen werden. Für denjenigen Bereich der anwaltlichen Tätigkeit, bei dem es um den<br />

2


Streit um wirtschaftlich einfach bewertbare Vermögenswerte geht, dürften die Bedingungen<br />

der Messbarkeit und Eindeutigkeit gegeben sein. Dieser Bereich ist einer Erfolgshonorierung<br />

also unmittelbar zugänglich. Auch der Zeitpunkt der Erfolgsmessung kann üblicherweise<br />

sinnvoll bestimmt werden, indem der Erfolg bei Vergleich oder gerichtlicher Entscheidung<br />

zugrunde gelegt wird. Prinzipiell käme das Erfolgshonorar sogar dann in Frage, wenn der<br />

Erfolg nicht ohne weiteres finanziell bemessen werden könnte. So könnte man selbst in<br />

Strafverfahren z.B. die Anzahl vermiedener Jahre im Gefängnis als Erfolgsmaß definieren.<br />

Ein internationaler Vergleich zeigt jedoch, dass in Rechtsstreitigkeiten, die nicht auf einen<br />

finanziellen Ausgleich gerichtet sind, Erfolgsklauseln nicht oder nur sehr sporadisch zu finden<br />

sind.<br />

Anders zu beurteilen ist dagegen der Bereich der gestaltenden Beratung oder Begutachtung.<br />

Hier wird man in der Regel kaum einen adäquaten Erfolgsmaßstab finden, weshalb es hier<br />

aller Voraussicht nach bei Stundensätzen oder Pauschalhonoraren bleiben wird.<br />

Das Kriterium der Messbarkeit ist denn auch das zentrale Argument zur Unterscheidung von<br />

anwaltlichen und z.B. ärztlichen Dienstleistungen. Zwar wäre prinzipiell auch denkbar, die<br />

Vergütung von Ärzten an den Behandlungserfolg zu koppeln. Hierbei besteht allerdings die<br />

Gefahr, dass Patienten geneigt sein könnten, ihren Gesundheitszustand nach Behandlung<br />

schlechter darzustellen als er ist, um dadurch die ansonsten fälligen Honorare zu sparen.<br />

Es bleibt damit festzuhalten, dass das Kriterium der Messbarkeit in Angelegenheiten des<br />

finanziellen Ausgleichs in der Regel erfüllt sein wird. Dies spricht ebenfalls da<strong>für</strong>,<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong> als zweckmäßiges Anreizinstrument zu beurteilen.<br />

Ein weiteres Kriterium ist das der Dauerhaftigkeit von Vertragsbeziehungen. Sind Verträge<br />

auf Dauer angelegt, so dass die Vertragsparteien wissen oder annehmen dürfen, dass sie<br />

wiederholt miteinander zu tun haben werden, so ist die Notwendigkeit direkter finanzieller<br />

Anreize vergleichsweise gering. Dies folgt daraus, dass bei wiederholter Interaktion in der<br />

Regel beide Seiten ein starkes Interesse daran haben, die Zusammenarbeit nicht durch<br />

schlechte Leistungen zu gefährden. Das Interesse, die eigene Reputation zu erhalten, wird hier<br />

in der Regel ein hohes Leistungsniveau sichern. Anders stellt sich der Sachverhalt wiederum<br />

bei einmaliger Interaktion dar. In diesem Fall spielt die direkte Reputation gegenüber dem<br />

Vertragspartner keine Rolle. Zwar existiert ein indirekter Effekt, indem z.B. Mandanten im<br />

Bekanntenkreis über ihre Erfahrungen mit einem Anwalt berichten. Es ist aber nicht<br />

anzunehmen, dass in diesem Fall der Effekt einer als mangelhaft bewerteten Leistung ebenso<br />

groß wäre wie bei direkter, wiederholter Interaktion. Reputationsverluste aus mangelhafter<br />

3


Leistung sind im indirekten Fall geringer, ebenso wie Reputationsgewinne bei<br />

ausgezeichneten Leistungen. Dies spricht da<strong>für</strong>, bei einmaligen Interaktionen eher direkte<br />

finanzielle Anreize zu nutzen als bei wiederholter Interaktion. Für den Bereich der<br />

anwaltlichen Vertretung lässt sich somit folgern, dass im Bereich der privaten Mandanten<br />

häufig von einmaliger Interaktion ausgegangen werden kann und daher <strong>Erfolgshonorare</strong><br />

zweckmäßig erscheinen. Bei der Beratung und Vertretung von Unternehmen kommt es<br />

hingegen häufiger zu einer wiederholten Zusammenarbeit. In diesem Fall sind direkte<br />

finanzielle Anreize in Form eines Erfolgshonorars weniger notwendig. Dieses Ergebnis<br />

spiegelt sich auch in empirischen Untersuchungen zur Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n in<br />

den USA wider: Verträge zwischen Unternehmen und Kanzleien sind in der Regel nicht<br />

erfolgsabhängig, Verträge zwischen Privatpersonen und Kanzleien hingegen sind es.<br />

Als letztes Kriterium soll an dieser Stelle noch auf die Verteilung von wirtschaftlichen<br />

Risiken zwischen Anwalt und Mandant eingegangen werden. In der ökonomischen<br />

Vertragstheorie spielt die Risikoverteilung eine gewichtige Rolle. Die Grundthese dabei ist,<br />

dass derjenige Vertragspartner die Risiken tragen sollte, der das relativ gesehen am besten<br />

kann. In einem Rechtsstreit bestehen die finanziellen Risiken eines Mandanten vor allem in<br />

der Gefahr, im Misserfolgsfall nicht nur nichts von den angestrebten finanziellen<br />

Ausgleichszahlungen wie Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu erhalten, sondern dann<br />

auch noch mit einer Honorarforderung konfrontiert zu sein. Bei Honorierung nach RVG oder<br />

vergleichbaren Honorarvereinbarungen trüge der Anwalt hingegen keine finanziellen Risiken<br />

aus dem Rechtsstreit. Eine vertiefende Diskussion des Risikoaufteilungsproblems erfolgt erst<br />

weiter unten bei der Diskussion der Versicherungsfunktion in Abschnitt 5.2. [Anmerkung: in<br />

dieser Stellungnahme wird die Versicherungsfunktion in Abschnitt II 2 und im Anhang II<br />

behandelt.] An dieser Stelle kann aber vorab gesagt werden, dass das alleinige Tragen der<br />

finanziellen Risiken durch den Mandanten in aller Regel nicht optimal sein wird. Dies spricht<br />

eindeutig <strong>für</strong> ein Erfolgshonorar, da bei diesem der Mandant im Misserfolgsfall dann<br />

zumindest nicht auch noch Honorarforderungen seines eigenen Anwalts zu tragen hat. Es ist<br />

zwar zu konstatieren, dass dann umgekehrt dieser Teil des finanziellen Risikos vom Anwalt<br />

zu tragen ist. Dieser vertritt aber meist eine Vielzahl von Fällen und kann daher das<br />

finanzielle Risiko kalkulatorisch viel besser handhaben. Ferner kann er einen Risikoaufschlag<br />

auf seine Honorarforderung vornehmen, die der Mandant, dem ein merkliches Risiko<br />

genommen wird, gerne akzeptieren wird. Die empirische Forschung belegt denn auch, dass<br />

Mandanten in den USA recht hohe Erfolgsbeteiligungen ihrer Anwälte akzeptieren, nur um<br />

4


im Misserfolgsfall nicht auch noch Honorarforderungen erfüllen zu müssen. Auch dieses<br />

Argument spricht da<strong>für</strong>, <strong>Erfolgshonorare</strong> als geeignetes Anreizinstrument anzusehen. (Siehe<br />

im Detail hierzu auch Anhang II dieser Stellungnahme)<br />

Als Zwischenfazit bleibt festzuhalten, dass die ökonomischen Kriterien zum Einsatz direkter<br />

finanzieller Anreize eindeutig <strong>für</strong> die Nutzung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n sprechen. Zeit und<br />

Pauschalhonorare sind dem Erfolgshonorar aus Sicht des Mandanten deutlich unterlegen.<br />

Beim Zeithonorar bestehen aus Mandantensicht die oben angesprochenen Probleme. So kann<br />

der Mandant häufig nicht nachprüfen, ob die Dinge, die der Anwalt unternimmt, wirklich alle<br />

notwendig und zielführend sind. Damit besteht aus Mandantensicht die Gefahr, Leistungen<br />

bezahlen zu müssen, die nicht in seinem Interesse gelegen haben. Ferner besteht beim<br />

Zeithonorar <strong>für</strong> den Mandanten die Gefahr, dass Zeiten abgerechnet werden, die der Anwalt<br />

faktisch gar nicht an dem Fall gearbeitet hat. Bei Vereinbarung eines Erfolgshonorars<br />

bestehen beide Gefahren nicht. Da der Anwalt sein Honorar nur im Erfolgsfall bekommt, hat<br />

er keinerlei Anreize, Dinge zu tun, die nicht zielführend sind. Aus Mandantensicht schafft das<br />

Erfolgshonorar damit bessere Anreize als das Zeithonorar. Gleichzeitig entfällt <strong>für</strong> den<br />

Anwalt auch die Möglichkeit -und damit die Versuchung- Zeiten abzurechnen, in denen nicht<br />

an dem Fall gearbeitet wurde. Das bietet dem Mandanten die Gewähr da<strong>für</strong>, dass er nur<br />

tatsächlich erbrachte Leistungen bezahlen muss. Es kann daher gefolgert werden, dass das<br />

Erfolgshonorar die besseren Anreize bietet.<br />

Um nun allerdings die Angemessenheit bestimmter Honorarformen genauer untersuchen zu<br />

können, ist es zweckmäßig, das Analyseinstrumentarium der Wirtschaftswissenschaften zu<br />

nutzen. Hierzu sollen im weiteren Verlauf sog. Nutzenfunktionen verwendet werden. Mit<br />

Nutzenfunktionen wird letztlich lediglich das individuelle Wohlergehen von Menschen<br />

beschrieben. Funktionen stellen mathematische Zusammenhänge zwischen Variablen dar. So<br />

kann mit Nutzenfunktionen z.B. der Zusammenhang zwischen dem Vermögen einer Person<br />

und seinem Wohlergehen dargestellt werden, wobei auch weitere Variablen wie z.B. die<br />

aufzuwendende Arbeitszeit berücksichtigt werden können. Um die Auswirkungen einer<br />

bestimmten Honorarform aus der Sicht eines Mandanten analysieren zu können, muss sich der<br />

Mandant zunächst Gedanken darüber machen, wie der Anwalt auf jede mögliche<br />

Honorarform reagieren wird. Schließlich sollen <strong>Erfolgshonorare</strong> Erfolge stimulieren, was nur<br />

über eine Verhaltensbeeinflussung möglich ist. Der Mandant muss sich also überlegen,<br />

welche Honorarform welches Verhalten hervorrufen wird. Um das prognostizieren zu können,<br />

5


wäre es <strong>für</strong> den Mandanten hilfreich, die Nutzenfunktion seines Anwalts zu kennen, also<br />

genau zu wissen, wovon das Wohlergehen seines Anwalts abhängt. Hätte der Mandant einen<br />

Anwalt vor sich, dessen Wohlergehen ausschließlich durch die Befriedigung aus guter Arbeit<br />

gesteigert wird, so müsste sich der Mandant keine weiteren Gedanken um die Honorarform<br />

machen, gegen eine Honorierung auf Basis des RVG wäre nichts einzuwenden. Wäre der<br />

Anwalt hingegen lediglich an Geld interessiert und zudem noch faul, so würde der Mandant<br />

bei Honorierung nach RVG damit rechnen müssen, dass der Anwalt den Fall annimmt und<br />

nur das absolute Minimum <strong>für</strong> sein Geld tut. In diesem Fall wäre ein Erfolgshonorar<br />

vermutlich die probatere Honorarform.<br />

Mandanten, die nun nicht wissen, mit welcher Art Anwalt sie konfrontiert sind, werden<br />

vermutlich bestrebt sein, sich vor bösen Überraschungen zu schützen. Sie werden ihre<br />

Situation so analysieren, als müssten sie mit dem Schlimmsten rechnen. Diese pessimistische<br />

Herangehensweise an die Analyse von Anreizproblemen hat sich in den<br />

Wirtschaftswissenschaften inzwischen fest etabliert und ist im Forschungsprogramm des sog.<br />

Neo-Institutionalismus beheimatet. Hinter diesem Forschungsansatz steht dabei gar nicht die<br />

Annahme, dass die Welt wirklich nur oder überwiegend aus „schlechten“ Menschen besteht.<br />

Vielmehr ist dieser Ansatz bestrebt, „Crashtests“ zu entwickeln, d.h. Vertragsregelungen zu<br />

identifizieren, die selbst bei extrem egoistisch und opportunistisch handelnden Individuen<br />

noch Zusammenarbeit z.B. in Form von Auftragsbeziehungen ermöglichen. Man könnte das<br />

etwa so umschreiben: Es wird angenommen, dass der Mandant glaubt, dass alle Anwälte in<br />

Deutschland bis auf einen gut, ehrlich, rechtschaffen und ausschließlich am Wohl ihrer<br />

Mandanten orientiert handeln. Das eine Schwarze Schaf hingegen ist nur an seinem<br />

persönlichen Einkommen interessiert und ist zudem faul. Der Mandant will in keinem Fall<br />

hereinfallen, hat aber auch keine Möglichkeit, das Schwarze Schaf von den weißen zu<br />

unterscheiden. Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Gibt es eine Honorarform, die dazu führt,<br />

dass es dem Mandanten letztlich egal sein kann, an welchen Anwalt er gerät? Wenn es eine<br />

solche Honorarform gibt, hat diese den Crashtest bestanden. Das bedeutet dann aber nicht,<br />

dass alle Mandanten nur noch diese Honorarform nachfragen würden. Immer dort, wo z.B.<br />

Mandanten ihre Anwälte durch dauerhafte Zusammenarbeit hinreichend kennen, müssen dann<br />

natürlich keine Honorarformen mehr vereinbart werden, deren wesentlicher Sinn darin<br />

besteht, Schwarze Schafe zu motivieren.<br />

Dieser Logik folgend soll daher nun die Nutzenfunktion eines an sich faulen, nur an Geld<br />

interessierten Individuums analysiert werden. Diese Person wird Einkommen positiv<br />

bewerten und Arbeitszeit negativ. Misst man die Arbeitszeit in Abhängigkeit von der<br />

6


Stundenzahl, so ist diese Stundenzahl mit einem „Kosten“-Multiplikator K zu versehen, um<br />

zum Ausdruck zu bringen, wie unangenehm eine Stunde Arbeitszeit empfunden wird. In den<br />

Wirtschaftwissenschaften hat sich <strong>für</strong> diese Kostenposition „K Arbeitszeit“ auch der<br />

Begriff „Arbeitsleid“ eingebürgert. Nimmt man z.B. an, dass der Kostenmultiplikator K = 200<br />

€ / Stunde beträgt, so sind diese 200 € pro Stunde als notwendiges „Schmerzensgeld“<br />

interpretierbar, das man einem faulen Menschen mindestens da<strong>für</strong> zahlen muss, dass er den<br />

„Schmerz“ von einer Stunde Arbeit auf sich nimmt. Eine Nutzenfunktion eines an sich faulen<br />

Individuums könnte daher z.B. folgende Form haben.<br />

N = Einkommen – K Arbeitszeit<br />

Wäre dies die Nutzenfunktion eines Anwalts und würde man nur die Überlegungen des<br />

Anwalts bezüglich des Beispielfalles der Mandantin M betrachten, so ergäbe sich bei<br />

gegenstandswertabhängiger Bezahlung auf Basis des RVG folgende Nutzenbetrachtung:<br />

N = Honorar nach RVG – Arbeitsleid = 2.615 € – (200 € / Stunde) Arbeitszeit<br />

[Dem Betrag von 2.615 € liegt ein angenommener Gegenstandswert von 50.000 € und eine<br />

darauf bezogene 1,2 Terminsgebühr und eine 1,3 Verfahrensgebühr zugrunde. Steuern<br />

bleiben unberücksichtigt]<br />

Tabelliert man Arbeitszeit, Honorar, Arbeitsleid und Nutzen, so ergibt sich:<br />

Arbeitszeit in Stunden Honorar Arbeitsleid Nutzen N<br />

0 2.615 0 2615<br />

1 2.615 200 2415<br />

2 2.615 400 2215<br />

3 2.615 600 2015<br />

4 2.615 800 1815<br />

5 2.615 1000 1615<br />

6 2.615 1200 1415<br />

7 2.615 1400 1215<br />

8 2.615 1600 1015<br />

9 2.615 1800 815<br />

10 2.615 2000 615<br />

Bei Null Stunden Arbeitszeit ergäbe sich mithin ein Nutzen von 2.615 €, bei einer Stunde<br />

Arbeit 2.415 €, bei zwei Stunden Arbeit 2.215 € usw. Der Anwalt würde in dieser Situation<br />

7


in €<br />

offensichtlich am besten nichts tun und einfach die 2.615 € als Honorar einstreichen. Selbst<br />

wenn dieser Fall zu extrem gewählt ist, weil es in der Realität faktisch kaum möglich sein<br />

dürfte, gar nichts zu tun: Man kommt doch inhaltlich immer zu dem gleichen Ergebnis,<br />

nämlich dass der Anwalt nur das absolut minimal Notwendige tun wird, wenn er seinen<br />

eigenen Nutzen maximieren will. Zu diesem Ergebnis kommt man auch unabhängig von der<br />

Höhe des Kostenmultiplikators K: Solange K positiv ist, Arbeit also Leid verursacht, so lange<br />

ist es bei einer gegenstandswertorientierten Pauschalvergütung <strong>für</strong> einen faulen Anwalt<br />

optimal, nur das Minimum zu arbeiten.<br />

Da sich viele der folgenden Analysen grafisch besser verdeutlich lassen als mittels<br />

mathematischer Herleitungen, soll mit der grafischen Darstellung bereits an dieser Stelle<br />

begonnen werden. Stellt man die obige Tabelle grafisch als die Funktionen „Honorar“,<br />

„Arbeitsleid“ und „Nutzen“ in Abhängigkeit von der Arbeitszeit dar, so ergibt sich folgendes<br />

Diagramm:<br />

3000<br />

2500<br />

Honorar<br />

2000<br />

Nutzen<br />

Arbeitsleid<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

0 2 4 6 8 10<br />

Arbeitszeit in Stunden<br />

Auch an dieser Abbildung ist erkennbar, dass der Nutzen des Anwalts mit zunehmender<br />

Arbeitszeit sinkt, er den höchsten Nutzen bei einer Arbeitszeit von Null erreicht.<br />

8


Um die Wirkungsweise von <strong>Erfolgshonorare</strong>n analysieren zu können, ist es zweckmäßig, sich<br />

zunächst den Extremfall einer 100%-igen quota litis anzusehen, der immer dann auftritt, wenn<br />

ein Anwalt sich selbst in eigener Sache vertritt. In diesem Fall ist der Anreiz, sich <strong>für</strong> den Fall<br />

zu engagieren und viel Arbeitszeit zu investieren, am höchsten. Das bedeutet aber nicht, dass<br />

der Anwalt notwendigerweise seine gesamte Arbeitszeit <strong>für</strong> den Fall verwenden wird.<br />

Tatsächlich ist er, selbst wenn er nicht faul ist, dennoch mit einer Art Kosten belastet, die den<br />

Kosten des Arbeitsleids entsprechen. Das oben vorgestellte Konzept des Arbeitsleids hat<br />

nämlich noch eine andere mögliche Interpretation: Statt eine Art „Schmerzensgeld“<br />

auszudrücken, kann man sich unter dieser Kostenposition auch den entgangenen Ertrag aus<br />

alternativen Aufträgen vorstellen. Nimmt man also z.B. an, dass Anwalt A im Durchschnitt<br />

200 € pro Stunde an seinem Mandaten verdient, dann kostet ihn jede Stunde, die er in seinen<br />

eigenen Fall investiert, deswegen 200 €, weil er diese an anderer Stelle weniger verdient. Der<br />

Begriff „Arbeitsleid“ kann somit entweder „Schmerzensgeld“ umschreiben oder aber<br />

Opportunitätskosten aus entgangenen Honoraren, die man alternativ hätte verdienen können.<br />

Im Folgenden soll daher besser von „Arbeitskosten“ gesprochen werden, um zum Ausdruck<br />

zu bringen, dass <strong>für</strong> denjenigen, der Arbeitszeit investiert, Kosten durch entgangene<br />

Alternativverwendungen seiner Zeit entstehen. Unter Berücksichtigung seiner Arbeitskosten<br />

wird Anwalt A zusätzliche Arbeitszeit in seinen eigenen Fall nur so lange investieren, wie der<br />

Ertrag pro Stunde, den er sich daraus erhoffen darf, mindestens 200 € beträgt. Fällt der<br />

zusätzlich erwartete Ertrag pro weiterer Stunde unter diesen Wert, wäre es <strong>für</strong> A besser, seine<br />

Arbeitszeit auf Fälle seiner Mandanten umzuschichten, da er dort 200 € je Stunde verdienen<br />

kann. Seine Nutzenfunktion in Abhängigkeit vom finanziellen Erfolg seiner Sache kann damit<br />

ausgedrückt werden als:<br />

N = Erfolg – 200 €/h Arbeitszeit<br />

Entgegen dem Fall beim Pauschalhonorar ist eine Vergütung in Abhängigkeit vom Erfolg<br />

aber nicht unabhängig von der investierten Arbeitszeit. Vielmehr wird man annehmen dürfen,<br />

dass der Erfolg umso größer wird, je mehr Arbeitszeit in den Fall investiert wird. Ferner wird<br />

man annehmen dürfen, dass der zusätzliche Erfolg pro Stunde immer geringer wird, je mehr<br />

Stunden bereits in den Fall investiert wurden. Wahrscheinlich gibt es <strong>für</strong> die meisten Fälle<br />

sogar einen Punkt, ab dem noch weitere Stunden überhaupt keinen Einfluss mehr auf den<br />

Erfolg haben werden. Für die weiteren Analysen soll der in der folgenden Tabelle<br />

9


wiedergegebene, willkürlich als Beispiel gewählte Zusammenhang zwischen der Anzahl der<br />

Arbeitsstunden und dem Erfolg (erstrittener Betrag) unterstellt werden:<br />

Arbeitszeit in<br />

Stunden<br />

Erfolg<br />

Arbeitszeit<br />

in Stunden<br />

Erfolg<br />

Erfolgsveränderung<br />

Erfolgsveränderung<br />

0 0 / 31 39.388 544<br />

1 2.439 2.439 32 39.905 518<br />

2 4.758 2.320 33 40.398 492<br />

3 6.965 2.206 34 40.866 468<br />

4 9.063 2.099 35 41.311 445<br />

5 11.060 1.996 36 41.735 424<br />

6 12.959 1.899 37 42.138 403<br />

7 14.766 1.807 38 42.522 383<br />

8 16.484 1.718 39 42.886 365<br />

9 18.119 1.635 40 43.233 347<br />

10 19.673 1.555 41 43.563 330<br />

11 21.153 1.479 42 43.877 314<br />

12 22.559 1.407 43 44.176 299<br />

13 23.898 1.338 44 44.460 284<br />

14 25.171 1.273 45 44.730 270<br />

15 26.382 1.211 46 44.987 257<br />

16 27.534 1.152 47 45.232 244<br />

17 28.629 1.096 48 45.464 233<br />

18 29.672 1.042 49 45.685 221<br />

19 30.663 991 50 45.896 210<br />

20 31.606 943 51 46.096 200<br />

21 32.503 897 52 46.286 190<br />

22 33.356 853 53 46.467 181<br />

23 34.168 812 54 46.640 172<br />

24 34.940 772 55 46.804 164<br />

25 35.675 734 56 46.959 156<br />

26 36.373 699 57 47.108 148<br />

27 37.038 665 58 47.249 141<br />

28 37.670 632 59 47.383 134<br />

29 38.271 601 60 47.511 128<br />

30 38.843 572 61 47.632 121<br />

Fortsetzung nächste Spalten oben … ……. ….<br />

In den Spalten mit der Überschrift „Erfolgsveränderung“ ist jeweils angegeben, um wie viel<br />

der erstrittene Betrag ansteigt, wenn die jeweilige Stunde noch zusätzlich gearbeitet wird. So<br />

ergibt sich gemäß obiger Tabelle bei Null Arbeitsstunden auch ein Erfolg von 0 €, während<br />

der Erfolg bei einer Arbeitsstunde 2.439 € beträgt. Damit beträgt die durch die erste Stunde<br />

verursachte Erfolgsveränderung: 2.439 € - 0 € = 2.439 €.<br />

Stellt man den in der Tabelle wiedergegebenen Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und<br />

Erfolg grafisch dar, so ergibt sich folgender Verlauf:<br />

10


in €<br />

60.000<br />

50.000<br />

Erfolg (Erstrittener Betrag)<br />

40.000<br />

30.000<br />

20.000<br />

10.000<br />

0<br />

0 20 40 60 80 100 120 140 160<br />

Arbeitszeit in Stunden<br />

Dieser Zusammenhang ist als Beispiel natürlich willkürlich gewählt. Wichtig dabei ist nur,<br />

dass der Erfolg in Abhängigkeit von der Arbeitszeit zunächst sehr stark ansteigt, dann aber<br />

flacher verläuft und irgendwann einen Punkt erreicht, ab welchem zusätzlich investierte<br />

Arbeitszeit keine merklichen Erfolgszuwächse mehr bringt, was im hier gezeigten Beispiel<br />

bei etwa 100 bis 120 Stunden Arbeitszeit geschieht. Man mag an dieser Darstellung<br />

kritisieren, dass man den genauen Verlauf des Erfolges in Abhängigkeit der Arbeitszeit bei<br />

einzelnen Fällen kaum so genau wird angeben können. Gleichwohl dürften sich derartige<br />

Zusammenhänge zumindest im Durchschnitt über eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle<br />

feststellen lassen. Und wenn man nicht weiß, wie sich der Einzelfall in Abhängigkeit von der<br />

Arbeitszeit entwickeln wird, dann wird man sich aus Planungsgründen wohl am Durchschnitt<br />

orientieren.<br />

Sieht man sich nun den Erfolgsverlauf in Abhängigkeit von der Arbeitszeit an, so ist<br />

unmittelbar plausibel, dass Anwalt A nicht mehr als 120 Stunden an seinem eigenen Fall<br />

arbeiten wird, weil mit der weiteren Arbeitszeit keine merklichen Erträge mehr verbunden<br />

sind. Berücksicht man, dass A durch die Arbeit an Fällen seiner Mandanten 200 € pro Stunde<br />

verdienen kann, dann zeigt sich hier sogar, dass er sinnvollerweise lediglich 51 Stunden in<br />

seinen eigenen Fall investieren sollte. Zieht man nämlich 200 € pro Stunde von dem Ertrag<br />

11


in €<br />

ab, so ergibt sich die in der folgenden Abbildung dargestellte Nutzenfunktion von A. Diese<br />

erreicht ihr Maximum bei ca. 51 Stunden.<br />

60.000<br />

50.000<br />

Erfolg (Erstrittener Betrag)<br />

40.000<br />

30.000<br />

Nutzen<br />

20.000<br />

Arbeitskosten<br />

10.000<br />

0<br />

0 20 40 60 80 100 120 140 160<br />

Arbeitszeit in Stunden<br />

Zwar würde ab der 51. Stunde der Erfolg weiter steigen. Er steigt pro Stunde aber weniger als<br />

200 Euro, sodass es ab diesem Punkt besser ist, Arbeitszeit auf die Fälle umzuschichten, mit<br />

denen A dann 200 € pro Stunde verdienen kann. Dadurch, dass ab der 51. Stunde der Erfolg<br />

langsamer steigt als die Arbeitskosten, fängt ab diesem Punkt die Nutzenfunktion des Anwalts<br />

wieder an zu fallen: Investiert er ab der 51. Stunde weitere Arbeitszeit in seinen Fall, reduziert<br />

sich sein Nutzen und damit sein Wohlergehen. Dies lässt sich auch der oben angegebenen<br />

Tabelle entnehmen. Hierzu sehe man sich den relevanten Ausschnitt aus den Spalten 4-6 an:<br />

Arbeitszeit<br />

in Stunden<br />

Erfolg<br />

Erfolgsveränderung<br />

… ……… ……<br />

49 45.685 221<br />

50 45.896 210<br />

51 46.096 200<br />

52 46.286 190<br />

… …..…. .....<br />

12


Die zur 51. Stunde zugehörigen Daten sind durch Fettdruck hervorgehoben. Der Tabelle ist zu<br />

entnehmen, dass der Erfolg nach 51 Stunden Arbeit bei 46.096 € liegt. Bei 50 Stunden hätte<br />

der Erfolg bei 45.896 € gelegen. Durch die 51. Arbeitsstunde wird damit eine<br />

Erfolgsveränderung von 46.096 € - 45.896 € = 200 € bewirkt. Somit verdient A in der 51.<br />

Stunde in seinem Fall noch genauso viel wie er anderweitig verdienen könnte. Rein finanziell<br />

ist es <strong>für</strong> ihn mithin egal, ob er die 51. Stunde noch in seinen eigenen Fall investiert oder diese<br />

Zeit <strong>für</strong> einen seiner Mandanten aufwendet. Wie der Tabelle ebenfalls zu entnehmen ist, steigt<br />

der Erfolg nach 52 Stunden Arbeit auf 46.286 €. Die Erfolgsveränderung gegenüber der 51.<br />

Stunde beträgt somit 46.286 € - 46.096 € = 190 €. Diese Erfolgssteigerung liegt damit unter<br />

den 200 €, die A alternativ durch Arbeit <strong>für</strong> seine Mandanten verdienen könnte. Er sollte die<br />

52. Arbeitsstunde also nicht mehr in seinen eigenen Fall investieren.<br />

Wenn A sich selbst vertritt, dann gibt es offensichtlich keine Interessenkonflikte zwischen<br />

Anwalt und Mandant, da beide ein und dieselbe Person sind. Man wird auch annehmen<br />

dürfen, dass sich A selbst optimal vertritt. Das bedeutet - wie eben gesehen - aber nicht, dass<br />

A seine gesamte Arbeitszeit in den Fall investiert. Daraus lässt sich auch folgern, dass ein<br />

Mandant, der einen Anwalt auf Erfolgsbasis beschäftigt, nicht erwarten kann, dass der Anwalt<br />

ein Maximum an Zeit in den Fall investieren wird, da der Anwalt das nicht einmal <strong>für</strong> sich<br />

selbst tun würde. Die Frage, die sich stellt, kann also nur lauten, inwiefern ein Erfolgshonorar<br />

einen Anwalt dazu motivieren kann, sich eines Falles so anzunehmen, als sei es sein eigener.<br />

Hierzu sehe man sich zunächst das Beispiel einer quota litis von 30% an. In der folgenden<br />

Abbildung ist der Erfolg, das korrespondierende Honorar einer 30%-igen quota litis, die<br />

Arbeitskosten und der Nutzen des Anwalts dargestellt:<br />

13


in €<br />

60.000<br />

50.000<br />

40.000<br />

Erfolg<br />

30.000<br />

20.000<br />

10.000<br />

0<br />

-10.000<br />

Arbeitskosten<br />

Honorar<br />

Nutzen<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Arbeitszeit in Stunden<br />

Wie der Abbildung zu entnehmen ist, liegt das Maximum der Nutzenfunktion nun bei ca. 27<br />

Stunden. Die Differenz zwischen den 51 Stunden, die der Anwalt an dem Fall arbeiten würde,<br />

wäre es sein eigener, und den 27 Stunden, wenn er auf Basis einer 30%-igen quota litis<br />

arbeiten würde, ergeben sich durch die Verschiebung des Kosten-/Nutzenverhältnisses bei der<br />

Erwirtschaftung zusätzlicher Erfolge. Ist der Fall sein eigener, so wird A auch die Stunden 27<br />

bis 51 noch in den Fall investieren, da jede dieser Stunden einen Ertrag erbringt, der höher als<br />

200 € liegt (Siehe Tabelle Seite 38, jeweils die Spalten „Erfolgsveränderung“). Wird A<br />

hingegen auf Basis einer quota litis von 30% vergütet, so verändert dies seine Kalkulation<br />

massiv. Wenn er nun z.B. die 51. Stunde noch arbeiten würde, dann würde zwar der Erfolg<br />

noch um etwa 200 € zunehmen, A erhält aufgrund seiner Erfolgsbeteiligungsquote hiervon<br />

jedoch nur 30%, d.h. 60 €. Hätte er diese Stunde auf einen anderen Fall verwendet, so hätte er<br />

dort 200 € verdienen können. Tatsächlich ist es <strong>für</strong> A nur so lange sinnvoll, Arbeitszeit in den<br />

Fall von M zu investieren, solange der zusätzlich erstrittene Betrag pro Stunde oberhalb von<br />

ca. 665 € liegt. Denn nur wenn der zusätzliche Ertrag pro Stunde bei mindestens 665 € liegt,<br />

ist der 30%-Anteil von A noch etwa 200 € pro Stunde wert, kompensiert also seine<br />

alternativen Verdienstmöglichkeiten. Hierzu sehe man sich den nunmehr relevanten<br />

Ausschnitt aus der Tabelle an:<br />

14


Arbeitszeit in<br />

Stunden<br />

Erfolg<br />

Erfolgsveränderung<br />

… ……… …..<br />

25 35.675 734<br />

26 36.373 699<br />

27 37.038 665<br />

28 37.670 632<br />

… ……… …..<br />

In der Tabelle liest man diesen Effekt bei den zur 27. Arbeitsstunde zugehörigen<br />

Zahlenwerten ab. Würde A auch noch die 28. Stunde an dem Fall arbeiten, so würde der<br />

Ertrag von 37.038 € auf 37.670 € steigen, was einem zusätzlichen Ertrag von 632 €<br />

entspräche. Hiervon bekäme A aber aufgrund der 30%-igen quota litis nur 632 € 30% =<br />

189,60 €. Dies ist weniger als sein alternativ möglicher Stundensatz von 200 €, weshalb er die<br />

28. Stunde nicht mehr an dem Fall arbeiten sollte, will er sich nicht selbst finanziell<br />

schädigen.<br />

Dieses Beispiel einer 30%-igen quota litis zeigt bereits das Grundproblem einer<br />

Streitanteilsvergütung auf: Jede quota litis unter 100% führt dazu, dass der Anwalt weniger an<br />

dem Fall arbeiten wird, als wenn es sein eigener wäre. Mittels einfacher quota litis können in<br />

einer Vertragsbeziehung zwischen Anwalt und Mandant also keine optimalen Anreize<br />

geschaffen werden.<br />

Statt mit 30% kann man die obige Analyse auch <strong>für</strong> jede andere Höhe der quota litis<br />

wiederholen. Es ergibt sich jeweils eine andere, aus Sicht von A optimale Arbeitszeit. Die<br />

folgende Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen der Höhe der quota litis und der<br />

optimalen Arbeitszeit, die Anwalt A aus seiner eigenen Perspektive dann jeweils arbeiten<br />

sollte.<br />

15


Optimale Arbeitszeit in h<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

quota litis<br />

Wie der Abbildung zu entnehmen ist, führt nur eine quota litis von 100% zu einer<br />

Arbeitsleistung von 51 Stunden. Jede geringere quota litis führt dazu, dass der Anwalt aus<br />

seiner eigenen Perspektive optimalerweise weniger als diese Arbeitszeit auf den Fall<br />

verwenden sollte.<br />

Sieht man sich nun die finanziellen Auswirkungen unterschiedlicher Höhen der quota litis <strong>für</strong><br />

Anwalt und Mandant an, so kommt man zu folgenden Effekten: Mit steigender Höhe der<br />

quota litis steigt der durchschnittliche Stundensatz von Anwalt A an. Hierzu sehe man sich<br />

nochmals die Daten aus Tabelle xxx in Verbindung mit den optimalen Arbeitszeiten gemäß<br />

obiger Abbildung an. So ergibt sich z.B. <strong>für</strong> eine quota litis von 30% eine optimale<br />

Arbeitszeit in Höhe von 27 Stunden. Bei 27 Stunden wird ein Betrag von 37.038 € erstritten,<br />

wovon A einen Anteil von 30%, d.h. 11.111,40 € erhält. Dies entspricht einem<br />

durchschnittlichen Stundensatz von 11.111,40 € / 27 h = 411,53 € / h. Würde A hingegen eine<br />

quota litis von 100 % erhalten, so würde er 51 Stunden an dem Fall arbeiten. Dabei würde er<br />

einen Betrag von 46.096 € erstreiten, den er komplett behalten könnte. Daraus ergäbe sich ein<br />

durchschnittlicher Stundensatz von 46.096 € / 51 h = 903,84 € / h.<br />

Aus der Sicht des Mandanten hat eine Erhöhung der quota litis zwei gegenläufige Effekte.<br />

Der erste Effekt besteht darin, dass bei Erhöhung der quota litis der Anwalt mehr Arbeitszeit<br />

in den Fall investiert. Dies ist aus Sicht des Mandanten begrüßenswert, da der erstrittene<br />

16


in €<br />

Betrag steigt. Der zweite Effekt besteht <strong>für</strong> den Mandanten aber darin, dass er selbst vom<br />

erstrittenen Betrag immer weniger selbst behalten kann, je größer die quota litis wird. Dieser<br />

Effekt ist aus Mandantensicht nachteilig. Diese beiden gegenläufigen Effekte führen dazu,<br />

dass es aus Mandantensicht eine quota litis gibt, bei der sein Nettoertrag aus dem Rechtsstreit<br />

maximiert wird. Stellt man den Erfolg, das Gesamthonorar des Anwalts und – als Differenz<br />

zwischen beiden – den Nettoertrag des Mandanten in Abhängigkeit von der quota litis<br />

grafisch dar, so ergibt sich folgendes Diagramm.<br />

50.000<br />

45.000<br />

40.000<br />

Erfolg<br />

35.000<br />

30.000<br />

Honorar<br />

25.000<br />

20.000<br />

15.000<br />

10.000<br />

Nettoerfolg des<br />

Mandanten<br />

5.000<br />

0<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

quota litis in %<br />

Es zeigt sich, dass es aus Sicht des Mandanten in dieser Konstellation optimal wäre, eine<br />

quota litis von 30% zu vereinbaren. Bei noch höherer quota litis würde der Anwalt zwar mehr<br />

arbeiten und damit den Erfolg steigern, jedoch würde von dieser Erfolgssteigerung aufgrund<br />

gestiegener quota litis netto nichts mehr beim Mandanten ankommen.<br />

Bei einer quota litis von 30% würde der Anwalt etwa 27 Stunden an dem Fall arbeiten, was zu<br />

einem Erfolg von 37.038 € führen würde. Hiervon könnte der Mandant 70% behalten, was<br />

einem Betrag von etwa 25.926 € entsprechen würde.<br />

Vergleicht man nun die quota litis mit der gegenstandswertbezogenen Vergütung nach RVG,<br />

so lässt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die quota litis die besseren Arbeitsanreize<br />

<strong>für</strong> den Anwalt setzt. Ob sich dies aber netto <strong>für</strong> den Mandanten auszahlt, ist offensichtlich<br />

17


auch eine Frage der Höhe der quota litis. Ist die quota litis nämlich zu hoch, so hat der Anwalt<br />

zwar hervorragende Arbeitsanreize, jedoch bleiben am Ende nichts oder nur Bagatellbeträge<br />

<strong>für</strong> den Mandanten netto übrig. Dies erklärt auch das Bestreben der Gesetzgeber in vielen<br />

Ländern, die maximale Höhe von <strong>Erfolgshonorare</strong>n gesetzlich zu begrenzen. Diese<br />

gesetzlichen oder standesrechtlichen Regulierungen gehen allerdings häufig am<br />

ökonomischen Kern des Problems vorbei, weil eine Honorarform reguliert wird, die selbst<br />

nicht optimal ist. Die Suboptimalität der quota litis liegt darin begründet, dass jede quota litis<br />

unter 100% nicht den „Gewinn“ maximiert, der <strong>für</strong> Anwalt und Mandant durch das<br />

Zusammenspiel von Fall, Arbeitsleistung und Arbeitskosten geschaffen werden kann. Dieser<br />

Gewinn ergibt sich aus der Differenz zwischen den Einnahmen und den „Produktionskosten“,<br />

die zur Erzielung der Einnahmen notwendig sind. Da als Produktionskosten lediglich die<br />

Kosten der Arbeitszeit des Anwalts anfallen, wird der Gewinn maximal, wenn – wie oben<br />

dargelegt – 51 Stunden an dem Fall gearbeitet wird. Somit sind aus der gemeinsamen Sicht<br />

der „Schicksalsgemeinschaft“ Anwalt und Mandant eigentlich nur Honorarregelungen<br />

sinnvoll, die den Anwalt dazu bewegen, 51 Stunden an dem Fall zu arbeiten. Kommt als<br />

Honorarform aber nur die einfache quota litis in Frage, so wird der Anwalt aber nur bei<br />

100%-iger quota litis die genannten 51 Stunden arbeiten. Eine 100%-ige quota litis ist nun<br />

aber <strong>für</strong> den Mandanten nicht akzeptabel. Der Kern des Problems einer Bezahlung auf Basis<br />

einer einfachen quota litis liegt darin, dass sie eine Doppelrolle spielt, der sie nicht gewachsen<br />

ist. Auf der einen Seite muss ein Honorarvertrag optimale Anreize setzen, im Beispiel also<br />

den Anwalt dazu bringen, 51 Stunden an dem Fall zu arbeiten. Auf der anderen Seite wird<br />

durch die Honorarregelung auch über die Aufteilung des „Kuchens“ zwischen Anwalt und<br />

Mandant entschieden. Dabei gilt natürlich, dass es dem Anwalt finanziell besser und dem<br />

Mandanten finanziell schlechter geht, je höher das Honorar ausfällt. Da nun die quota litis nur<br />

bei 100% optimale Anreize setzt, an dieser Stelle aber gleichzeitig zu einer <strong>für</strong> den<br />

Mandanten inakzeptablen Aufteilung des Kuchens führt, ist die quota litis mit der<br />

gleichzeitigen Erfüllung beider Aufgaben offensichtlich überfordert. Die Frage, die sich daran<br />

anschließt, ist dann offensichtlich, ob es nicht Honorarformen gibt, mit denen die Anreizfrage<br />

optimal geregelt werden kann, ohne gleichzeitig zu einer inakzeptablen Aufteilungsregel zu<br />

gelangen. Die Antwort auf diese Frage lautet eindeutig ja. Tatsächlich sind sogar eine ganze<br />

Reihe unterschiedlicher Honorarvereinbarungen denkbar, die alle zu besseren Ergebnissen<br />

führen als die einfache quota litis. Es sind dann diese Honorarformen, die gesetzlich oder<br />

standesrechtlich reguliert werden sollten. Im den folgenden Unterabschnitten werden die<br />

wichtigsten dieser Honorarformen vorgestellt.<br />

18


In €<br />

Unterabschnitt A: [Für diese Stellungnahme gekürzt]<br />

Unterabschnitt B: Honorarfreie Untergrenzen<br />

Eine weitere Möglichkeit, die Anreizwirkung zu optimieren, ohne den Mandanten bei der<br />

Aufteilung des Kuchens zu übervorteilen besteht darin, dass der Anwalt bis zu einer<br />

bestimmten Höhe des erstrittenen Betrages auf sein Honorar verzichtet. Diese „Freigrenze“<br />

sei mit F bezeichnet und der erstrittene Betrag mit B. Das Honorar ist dann Null, wenn B<br />

kleiner ist als F. Wird hingegen ein Betrag oberhalb der Freigrenze erstritten, so sollte der<br />

Anwalt diesen zusätzlichen Betrag komplett als Honorar erhalten. Auch <strong>für</strong> diese<br />

Honorarform lässt sich leicht zeigen, dass sie bei adäquater Ausgestaltung sowohl <strong>für</strong> Anwalt<br />

als auch <strong>für</strong> Mandant zu besseren Ergebnissen führt als die einfache quota litis. Die folgende<br />

Abbildung zeigt der Verlauf von Arbeitskosten, Erfolg, Honorar und Nutzen des Anwalts,<br />

wenn die Freigrenze bei 29.000 € liegt.<br />

55.000<br />

45.000<br />

Erfolg<br />

35.000<br />

25.000<br />

Arbeitskosten<br />

15.000<br />

Honorar<br />

5.000<br />

Nutzen<br />

-5.000<br />

0 20 40 60 80 100 120 140 160<br />

-15.000<br />

Arbeitszeit in Stunden<br />

Wie zu sehen ist, bleibt sein Honorar bis zu einem Erfolg von 29.000 €, welcher nach etwa 18<br />

Arbeitsstunden erreicht wird, bei Null. Dies bedeutet auch, dass bis zu diesem Punkt der<br />

Nutzen von A immer weiter in den negativen Bereich fällt, da er seine Arbeitszeit nicht<br />

entgolten bekommt. Ab der 18. Stunde bekommt er dann allerdings alle zusätzlich erstrittenen<br />

19


Beträge vollständig ausgezahlt. Wie zu sehen, erreicht der Nutzen von A wiederum bei 51<br />

Stunden sein Maximum, weshalb es <strong>für</strong> ihn optimal ist, 51 Stunden zu arbeiten. Nach 51<br />

Stunden erstreitet A einen Betrag von 46.096 €. Davon kann der Mandant 29.000 € behalten,<br />

der Rest von 17.096 € geht an A. Damit stellen sich wiederum beide Seiten besser als mit der<br />

einfachen quota litis von 30%. Auch diese Honorarform ist der einfachen quota litis also<br />

überlegen. Auch bei dieser Honorarform mit Freigrenze werden wieder zwei<br />

Vertragsparameter genutzt, mit denen die Anreizwirkung und die Verteilungswirkung<br />

unabhängig voneinander optimiert werden können. Mittels der Freigrenze wird wieder über<br />

die Aufteilung des Kuchens entschieden. Da <strong>für</strong> alles oberhalb der Freigrenze wieder eine<br />

Erfolgsbeteiligung des Anwalts oberhalb von 100% gilt, werden auch wieder optimale<br />

Anreize gesetzt, die zu 51 Stunden Arbeit motivieren. [gekürzt]<br />

Unterabschnitt C: [Für diese Stellungnahme gekürzt]<br />

20


Anhang II<br />

21


Anhang III<br />

2


<strong>Erfolgshonorare</strong> und Waffengleichheit: Eine ökonomische Analyse <br />

Prof. Dr. Stefan Winter, Dipl.-Ök. Hin-Yue Benny Tang<br />

und Dipl.-Kfm. Christian Schwab, Bochum<br />

Arbeitspapier des <strong>Lehrstuhl</strong>s <strong>für</strong> <strong>Human</strong> <strong>Resource</strong> Managment<br />

2007 / 2<br />

Ruhr Universität Bochum<br />

Mit seinem Urteil vom 12.12.2006 hat das BVerfG i festgestellt, dass das vollständige<br />

Verbot von <strong>Erfolgshonorare</strong>n <strong>für</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> verfassungswidrig ist. Während das<br />

Ergebnis des Urteils überzeugt, erscheinen einige Abwägungen in der<br />

Urteilsbegründung fragwürdig. So führt das BVerfG zur Rechtfertigung des Verbots<br />

unter anderem an, dass dieses hinsichtlich der Förderung der prozessualen<br />

Waffengleichheit ein hinreichendes Gemeinwohlziel verfolge, weil ein Beklagter im<br />

Gegensatz zu einem Kläger nicht unbedingt in der Lage sei, einen Erfolg zu definieren<br />

und sein Kostenrisiko auf vergleichbare Art zu verlagern. Dieser Einschätzung kann<br />

jedoch nicht gefolgt werden. Vielmehr lässt sich zeigen, dass es <strong>für</strong> den Beklagten<br />

keineswegs schwieriger ist, ein Erfolgshonorar zu vereinbaren. Die Situationen von<br />

Kläger und Beklagtem sind daher im Hinblick auf die ökonomischen Konsequenzen des<br />

Erfolgshonorars, insbesondere die Möglichkeit der Risikoverlagerung auf den Anwalt,<br />

identisch. Durch die Zulassung des Erfolgshonorars wird die Waffengleichheit somit<br />

nicht verletzt. An dieser Einschätzung ändert sich auch unter Berücksichtigung von<br />

empirischen Befunden aus Ländern mit zulässigen Erfolghonoraren nichts. Zwar<br />

werden in diesen Ländern <strong>Erfolgshonorare</strong> typischerweise nur oder ganz überwiegend<br />

auf der Klägerseite genutzt. Jedoch lässt sich dies durch die unterschiedliche<br />

Zusammensetzung der Klägerpopulation im Vergleich zur Beklagtenpopulation<br />

erklären. Tatsächlich dreht sich unter Berücksichtigung der unterschiedlichen<br />

Zusammensetzungen von Kläger- und Beklagtenpopulationen und deren<br />

Verhaltensmöglichkeiten das Waffengleichheitsargument um: Das Erfolgshonorar stellt<br />

in vielen Fällen erst die Waffengleichheit zwischen Kläger und Beklagtem her oder ist<br />

wenigstens ein Schritt in diese Richtung. Damit lässt sich im Ergebnis festhalten, dass<br />

sich aus der Forderung nach prozessualer Waffengleichheit das Verbot des<br />

Erfolgshonorars nicht nur nicht rechtfertigen lässt, sondern dass aus Gründen der<br />

Waffengleichheit die Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n sogar explizit geboten ist.<br />

1


I. Grundlagen<br />

Die Gestaltung von Anreizverträgen und die Lösung von Anreizproblemen in<br />

Auftragsbeziehungen werden in den Wirtschaftswissenschaften vor allem in der sog.<br />

Prinzipal-Agenten-Theorie ii (PAT) thematisiert. Die zentrale Frage, die die Theorie zu<br />

beantworten sucht, lautet, auf der Basis welcher Größen ein Auftraggeber seinen<br />

Auftragnehmer honorieren sollte. Dabei wird unterstellt, dass der Auftragnehmer ein<br />

überlegenes Wissen besitzt oder über sonstige Fähigkeiten verfügt, die dem Auftraggeber<br />

nicht zur Verfügung stehen. In der Überlegenheit des Wissens oder Könnens des<br />

Auftragnehmers wird auch der wesentliche Grund der Beauftragung gesehen. Im Ergebnis<br />

kommt die Theorie zu dem Schluss, dass bei deutlich überlegenem Wissen bzw. Können des<br />

Auftragnehmers ein Erfolgshonorar vereinbart werden sollte. Das Honorar sollte sich in<br />

diesem Fall am Ergebnis des Handels bemessen und nicht am Handeln selbst. Dies wird<br />

darauf zurückgeführt, dass der Auftraggeber die Angemessenheit des Handelns gar nicht<br />

beurteilen kann und er damit in der Gefahr schwebt, unzureichende Leistungen zu teuer zu<br />

bezahlen.<br />

Überträgt man die Konzepte dieser Theorie auf die Beziehung zwischen Anwälten und ihren<br />

Mandanten, so zeigt sich zunächst eine große Übereinstimmung in der Situationsanalyse.<br />

Typischerweise verfügt der Anwalt über Wissen und Fertigkeiten, die dem Mandanten nicht<br />

zur Verfügung stehen. Dies ist letztlich die Begründung, weshalb der Mandant einen Anwalt<br />

aufsucht. Der Mandant kann aufgrund seines unterlegenen Wissens nicht einschätzen, ob der<br />

Anwalt tatsächlich in seinem Sinne handelt. Er kann in der Regel nicht einmal die auf seinen<br />

Fall entfallene Arbeitszeit des Anwalts korrekt ermitteln. Damit kann die Beziehung zwischen<br />

Anwalt und Mandant geradezu als Paradeanwendungsfall der PAT angesehen werden. Daher<br />

kann auch die Schlussfolgerung der PAT auf die Beziehung zwischen Anwalt und Mandant<br />

übertragen werden: Das Erfolgshonorar ist die beste Vertragsform, wenn der Mandant die<br />

Leistung seines Anwalts nicht hinreichend beurteilen kann. Keine andere Vertragsform bietet<br />

dem Mandanten eine vergleichbare Gewähr da<strong>für</strong>, dass der Anwalt tatsächlich in seinem<br />

Sinne handelt und sich ernsthaft um seinen Fall bemüht. Aus dieser theoretischen<br />

Argumentation lässt sich allerdings auch ein Umkehrschluss ableiten: Immer dann, wenn ein<br />

Mandant vergleichsweise gut informiert ist (z.B. weil er selbst über vielfache Erfahrungen mit<br />

Rechtsstreitigkeiten verfügt oder gar selbst eine qualifizierte juristische Ausbildung besitzt),<br />

ist ein Erfolgshonorar zwar nicht schädlich, es wird aber de facto <strong>für</strong> die Anreizgestaltung<br />

nicht benötigt. Daraus lässt sich die Vermutung ableiten, dass Mandanten, die häufiger in<br />

2


Rechtsstreitigkeiten verwickelt sind und daher über größere Erfahrungen verfügen, weniger<br />

auf <strong>Erfolgshonorare</strong> als Anreizinstrumente zurückgreifen werden, als Mandanten die keine<br />

solchen Erfahrungen haben.<br />

Während in den grundlegenden Arbeiten zur PAT zunächst nur einmalige<br />

Beauftragungssituationen analysiert worden sind, ist in späteren Arbeiten auch auf die Frage<br />

eingegangen worden, inwiefern sich die Aussicht auf wiederholte Beauftragungen auf die<br />

Gestaltung von Anreizverträgen auswirkt. iii Im Ergebnis kamen diese Analysen zu einem<br />

inhaltlich sofort plausiblen Ergebnis: Nämlich dort, wo die Aussicht auf erneute Aufträge<br />

winkt, entsteht unmittelbar ein erheblicher ökonomischer Erfolgsanreiz <strong>für</strong> den Beauftragten.<br />

Dieser Anreiz kann sogar deutlich höher sein, als der Anreiz aus jeder nur denkbaren quota<br />

litis eines Einzelfalles. Gewinnt ein Anwalt z.B. <strong>für</strong> seinen Mandanten einen Patentstreit im<br />

Wert von 500 T€ und bekommt deshalb Folgeaufträge im Wert von mehreren Millionen, dann<br />

ist unmittelbar klar, dass die Aussicht auf die Folgeaufträge einen größeren ökonomischen<br />

Anreiz bewirkt als dies selbst eine quota litis von 100% im Patentstreit hätte bewirken<br />

können. Damit lässt sich zunächst konstatieren, dass die quota litis in langfristig angelegten<br />

Beauftragungssituationen zwar nicht schädlich wäre, sie aber faktisch aus Anreizgründen<br />

nicht benötigt würde.<br />

Neben den Problemen der Anreizsetzgestaltung greift die PAT einen weiteren relevanten<br />

Fragenkomplex auf. Dieser befasst sich mit der Aufteilung von Erfolgsrisiken in<br />

Auftragsbeziehungen iv . Bei der Frage der Aufteilung des Erfolgsrisikos geht es darum<br />

festzustellen, wer in einer Auftragsbeziehung die Erfolgsrisiken sinnvollerweise tragen sollte.<br />

In der Theorie haben sich zwei wichtige Kriterien zur Beurteilung der optimalen<br />

Risikoaufteilung herauskristallisiert. Diese Kriterien betreffen die Vermögenssituation der<br />

Vertragsparteien und deren Möglichkeiten zur Risikostreuung. Das Vermögen dient dabei als<br />

Maß <strong>für</strong> die Fähigkeit, finanzielle Verluste tragen zu können und damit Risiken ertragen zu<br />

können. Hingegen ist die Risikostreuung ein Maß da<strong>für</strong>, inwiefern Risiken „gemanagt“ und<br />

berechenbar gemacht werden können. Aus den Analysen der PAT lassen sich damit zwei<br />

Grundthesen ableiten:<br />

• Die Partei mit dem höheren Vermögen sollte die größeren Risikoanteile tragen.<br />

• Die Partei mit den besseren Möglichkeiten zur Risikostreuung sollte die größeren<br />

Risikoanteile tragen.<br />

Völlig klar ist demnach die Situation, in der die vermögendere Seite gleichzeitig auch die<br />

besseren Möglichkeiten zur Risikostreuung hat: Diese Partei sollte den Großteil der<br />

3


Erfolgsrisiken tragen. In den gemischten Fällen, in denen eine Partei vermögender ist,<br />

während die andere Seite bessere Möglichkeiten der Risikostreuung hat, hängt die optimale<br />

Risikoverteilung vom Einzelfall ab.<br />

Durch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars wird nun nicht nur die Anreizsituation<br />

beeinflusst, sondern offensichtlich auch die Risikoaufteilung. Geht man von einer<br />

Honorierung auf Basis des derzeitigen RVG auf ein Erfolgshonorar über, so wird ein Teil des<br />

Erfolgsrisikos vom Mandanten auf den Anwalt übertragen. Dies ist gemäß obiger Analyse<br />

dann sinnvoll, wenn der Anwalt vermögender ist als sein Mandant und zusätzlich die Risiken<br />

aus den <strong>Erfolgshonorare</strong>n besser streuen kann. Die optimale Risikoaufteilung lässt sich daher<br />

nur unter Berücksichtigung der individuellen Situation von Mandant und Anwalt herleiten.<br />

Zusammenfassend lassen sich damit folgende Thesen über die Vorteilhaftigkeit eines<br />

Erfolgshonorars gegenüber der gegenwärtigen Honorierung nach RVG aufstellen:<br />

• <strong>Erfolgshonorare</strong> führen zu einer Verbesserung der Anreizsituation, wenn der Mandant die<br />

Leistung seines Anwalts nicht oder nur sehr unzureichend einschätzen kann.<br />

• <strong>Erfolgshonorare</strong> führen zu einer Verbesserung der Anreizsituation, wenn der Mandant<br />

keine alternativen Anreizmechanismen (wie z.B. die Aussicht auf Folgeaufträge)<br />

einsetzen kann.<br />

• <strong>Erfolgshonorare</strong> führen zu einer Verbesserung der Risikoaufteilung, wenn der Anwalt<br />

wohlhabender ist als sein Mandant.<br />

• <strong>Erfolgshonorare</strong> führen zu einer Verbesserung der Risikoaufteilung, wenn der Anwalt<br />

Risiken besser streuen kann als sein Mandant.<br />

Für die weiteren Analysen soll aufbauend auf diesen Vorteilhaftigkeitshypothesen eine<br />

Typisierung von Mandanten vorgenommen werden. Aus Vereinfachungsgründen sollen dabei<br />

nur zwei Mandantentypen unterschieden werden: Privatpersonen und gewerbliche<br />

Mandanten.<br />

1. Privatpersonen als Mandanten<br />

Bei privaten Mandaten wird in der Regel davon auszugehen sein, dass diese nicht nachprüfen<br />

können, ob die Maßnahmen, welche der Anwalt im Rahmen seines Mandats ergreift, wirklich<br />

alle notwendig und zielführend sind. Damit besteht aus Mandantensicht die Gefahr,<br />

Leistungen vergüten zu müssen, die nicht in seinem Sinne gelegen haben. Bei Vereinbarung<br />

4


eines Erfolgshonorars werden derartige Interessenkonflikte hingegen weitestgehend<br />

vermieden. Da der Anwalt nur im Erfolgsfall entlohnt wird, bestehen hier keinerlei Anreize,<br />

nicht zielführende Arbeitsschritte durchzuführen oder etwa Zeiten abzurechnen, zu denen<br />

nicht an dem Fall gearbeitet wurde. Da Privatpersonen in der Regel auch nur sehr selten in<br />

Rechtsstreitigkeiten verwickelt sind, haben sie faktisch keine Möglichkeiten, ihren Anwälten<br />

Anreize durch die Inaussichtstellung von Folgeaufträgen zu setzen. Es kann daher gefolgert<br />

werden, dass <strong>für</strong> private Mandanten <strong>Erfolgshonorare</strong> aus Anreizgesichtspunkten gegenüber<br />

der erfolgsunabhängigen Vergütung nach RVG überlegen sind.<br />

Das Erfolgshonorar setzt, wie oben erwähnt, jedoch nicht nur Anreize, sondern verlagert auch<br />

Risiken vom Mandanten auf den Anwalt. In einem Rechtsstreit bestehen die Risiken eines<br />

Mandanten vor allem in der Gefahr, im Misserfolgsfall sowohl die finanziellen Konsequenzen<br />

aus dem verlorenen Prozess tragen zu müssen, als auch mit einer Honorarforderung<br />

konfrontiert zu sein. Bei Honorierung nach dem RVG trägt der Klient das Gesamtrisiko<br />

alleine, während der Anwalt vollständig gegen Vermögensschwankungen versichert ist. Im<br />

Falle des Erfolgshonorars wird der Klient im Misserfolgsfall dagegen von den<br />

Honorarforderungen seines Anwalts entlastet, d.h. dieser Teil des finanziellen Risikos wird<br />

auf den Anwalt verlagert. Gemäß der obigen Vorteilhaftigkeitshypothesen ist die der<br />

erfolgsbasierten Honorarabrede inhärente Risikoübertragung vom Mandanten auf den Anwalt<br />

genau dann sinnvoll, wenn der Anwalt vermögender ist als sein Mandant und/oder der Anwalt<br />

die Risiken aus den <strong>Erfolgshonorare</strong>n besser streuen kann. Der Vergleich der<br />

Vermögenspositionen von privaten Mandanten und ihren Anwälten wird zwar pauschal kaum<br />

möglich sein und soll daher hier vernachlässigt werden. Allerdings ist es äußerst plausibel<br />

anzunehmen, dass Anwälte deutlich bessere Möglichkeiten der Streuung von<br />

Prozesskostenrisiken haben als ihre Mandanten. v Für private Mandanten sind streit- bzw.<br />

gegenstandswertabhängige Rechtstreitigkeiten mit merklichen Kostenrisiken verbunden. Da<br />

Rechtsstreite <strong>für</strong> private Mandanten zudem einmalige oder doch sehr seltene Ereignisse sind,<br />

haben sie faktisch keine oder nur minimale Möglichkeiten der Risikostreuung. Für den<br />

Anwalt kehrt sich diese Argumentation um: Für ihn ist der Rechtsstreit das tägliche Geschäft<br />

und er hat die Möglichkeit, seine Risiken über eine Vielzahl von Fällen zu streuen. Was <strong>für</strong><br />

ihn im Einzelfall als Einkommensrisiko erscheint, verwandelt sich auf die Vielzahl der Fälle<br />

gerechnet zur Sicherheit. Wenn die Erfolgschancen jedes Rechtsstreits denjenigen eines<br />

Münzwurfs entsprechen, dann ist es auf 100 Fälle nahezu unmöglich, mehr als 70 zu<br />

verlieren. Werden die gewonnenen Fälle entsprechend kalkuliert, trägt der Anwalt auf längere<br />

Sicht auch bei ständiger Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n faktisch kein Einkommensrisiko.<br />

5


Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass das Erfolgshonorar als ideale Honorarform <strong>für</strong><br />

private Mandanten einzuschätzen ist.<br />

2. Gewerbliche Mandanten<br />

Ganz anders stellt sich die Situation hingegen beim gewerblichen Mandanten dar. Hier ist<br />

zunächst davon auszugehen, dass diese in Rechtsgeschäften meist deutlich erfahrener sind als<br />

private Mandanten und daher die Leistungen der von ihnen beauftragten Anwälte relativ gut<br />

einschätzen können. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass gewerbliche Mandanten<br />

ungleich häufiger in Rechtsstreitigkeiten involviert sind als der private Rechtssuchende.<br />

Kommt es nun aber zwischen Unternehmen und Anwälten zu einer wiederholten Interaktion,<br />

so relativiert sich die Notwendigkeit, direkte monetäre Anreize in Form eines Erfolgshonorars<br />

zu setzen. Dies folgt bereits daraus, dass aufgrund der (möglicherweise) erneuten<br />

Zusammenarbeit der Anwalt in aller Regel ein starkes Interesse daran haben dürfte, eine<br />

potentiell dauerhafte Kooperation nicht durch mangelhafte Leistungen zu gefährden. Die<br />

Aussicht auf Folgeaufträge bietet unmittelbare ökonomische Erfolgsanreize <strong>für</strong> den Anwalt<br />

und das damit verbundene Interesse, die eigene Reputation zu wahren bzw. zu erhöhen,<br />

werden hier regelmäßig eine adäquate Arbeitsquantität und -qualität sicherstellen. Gleiches<br />

gilt analog <strong>für</strong> Juristen, die als Angestellte die Belange ihrer Arbeitgeber vertreten. Auch <strong>für</strong><br />

diese können über Versprechungen von Prämien oder Beförderungen erhebliche Anreize<br />

geschaffen werden, die über die Anreizintensität einer quota litis hinausgehen können. Damit<br />

ergibt sich zunächst, dass gewerbliche Mandanten <strong>Erfolgshonorare</strong> aus Anreizgründen nicht<br />

benötigen.<br />

Unter Risikoteilungsaspekten wird sich in der Regel sogar zeigen, dass ein Erfolgshonorar<br />

nicht zweckmäßig erscheint. So werden gewerbliche Mandanten in aller Regel über größere<br />

Vermögen als die von ihnen beauftragten Anwälte verfügen. Dies spricht da<strong>für</strong>, dass keine<br />

Risiken auf die Anwälte übertragen werden sollten, es also nicht zur Vereinbarung von<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong>n kommen sollte. Ferner besitzen gewerbliche Mandanten oft bessere<br />

Möglichkeiten der Risikostreuung als ihre Anwälte, so dass Unternehmen schlicht kein<br />

Interesse daran haben dürften, Risiken von ihren Anwälten versichern zu lassen, die sie selbst<br />

problemlos tragen können. Bei Versicherungsunternehmen ist dies unmittelbar evident, weil<br />

deren gesamtes Geschäftsmodell auf der Optimierung der Risikostreuung beruht. Damit<br />

spricht auch das Risikostreuungskriterium da<strong>für</strong>, dass gewerbliche Mandanten in aller Regel<br />

kein Erfolgshonorar mit ihren Anwälten vereinbaren werden.<br />

6


Insgesamt lässt sich aus den theoretischen Überlegungen damit die Empfehlung ableiten, dass<br />

Verträge zwischen Privatpersonen und Anwälten erfolgsabhängig konzipiert sein sollten. Für<br />

gewerbliche Mandanten erscheint es unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten hingegen<br />

weniger attraktiv, auf derartige Entlohnungsarrangements zurückzugreifen. vi<br />

Aufbauend auf diesen Überlegungen soll in den folgenden Abschnitten der Frage<br />

nachgegangen werden, ob durch die Aufhebung des gesetzlichen Verbotes des<br />

Erfolgshonorars tatsächlich eine Beeinträchtigung der prozessualen Waffengleichheit<br />

eintreten würde. Hierzu wird in Abschnitt III geprüft, ob <strong>Erfolgshonorare</strong> auf Seiten von<br />

Kläger und Beklagtem gleichermaßen eingesetzt werden können oder ob dies - gemäß der<br />

Einschätzung des BVerfG - nicht der Fall ist. In einem nächsten Schritt wird in Abschnitt IV<br />

unter Rückgriff auf die oben vorgestellte Mandantentypologie geprüft, ob gegenwärtig, d.h.<br />

vor Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n, überhaupt von einer Waffengleichheit auszugehen ist.<br />

II. Anwendbarkeit von <strong>Erfolgshonorare</strong>n auf Kläger- und Beklagtenseite<br />

Wie eingangs genannt wurde, führt das BVerfG an, dass das gesetzliche Verbot des<br />

Erfolgshonorars im Hinblick auf die Förderung der prozessualen Waffengleichheit ein<br />

hinreichendes Gemeinwohlziel verfolge, da es <strong>für</strong> einen Beklagten „verglichen mit dem<br />

Kläger faktisch schwieriger ist, einen Erfolg – etwa durch den Umfang der Klageabweisung -<br />

zu definieren und zum Maßstab <strong>für</strong> Grund und Höhe der Anwaltsvergütung zu machen.“ vii<br />

Diese Rechtfertigung ist aus ökonomischer Sicht jedoch wenig überzeugend. Ist es dem<br />

Kläger nämlich möglich, eine Bemessungsgrundlage <strong>für</strong> die Höhe einer erfolgsabhängigen<br />

Anwaltsvergütung zu definieren, so wird der Beklagte stets eine Bemessungsgrundlage in<br />

Form der inversen Bemessungsgrundlage des Klägers definieren können. Klagt beispielsweise<br />

der Kläger in einem Prozess auf eine Schadensersatzzahlung in Höhe von 50.000 €, kann<br />

dieser Betrag als Bemessungsgrundlage <strong>für</strong> die Anwaltsvergütung sowohl auf der Kläger- als<br />

auch der Beklagtenseite genutzt werden. Wird ferner angenommen, dass eine quota litis auf<br />

beiden Seiten vereinbart wird, ergibt sich die Anwaltsvergütung der Klägerseite gemäß<br />

folgender Formel:<br />

quota litis x tatsächliche Schadensersatzzahlung = Anwaltsvergütung auf Klägerseite<br />

7


Die Vergütung des Anwalts der Klägerseite wird demnach maximal, wenn die tatsächliche<br />

Schadensersatzzahlung 50.000 € beträgt und im Gegenzug minimal, wenn keine<br />

Schadensersatzzahlung erstritten wurde. Die inverse Bemessungsgrundlage des Klägers<br />

bedeutet <strong>für</strong> die Vergütung des Anwalts des Beklagten nun formal:<br />

quota litis x (50.000 - tatsächliche Schadensersatzzahlung) = Anwaltsvergütung auf<br />

Beklagtenseite<br />

Die Höhe der Anwaltsvergütung auf Beklagtenseite bemisst sich dementsprechend umgekehrt<br />

zur Anwaltsvergütung des Klägers und nimmt einen maximalen Betrag an, wenn die<br />

tatsächliche Schadensersatzzahlung 0 € beträgt, während sie im Falle einer<br />

Schadensersatzzahlung in Höhe von 50.000 € minimal wird. Dieses Beispiel verdeutlicht,<br />

dass es <strong>für</strong> den Beklagten verglichen mit dem Kläger eben nicht schwieriger ist, einen<br />

Maßstab <strong>für</strong> Grund und Höhe der Anwaltsvergütung zu definieren. Vielmehr kann der<br />

Beklagte seinen Anwalt immer auf Basis des Umfangs der Klageabweisung erfolgsabhängig<br />

vergüten.<br />

Zudem argumentiert das BVerfG, dass „der Beklagte – im Gegensatz zum Kläger – nicht über<br />

die Möglichkeit verfügt, sein Kostenrisiko auf vergleichbare Art zu verlagern.“ viii Diese<br />

Einschätzung hält einer ökonomischen Analyse ebenfalls nicht stand, was sich unter<br />

Fortführung des obigen Beispiels leicht aufzeigen lässt.<br />

Ein Mandant klagt auf eine Schadensersatzzahlung in Höhe von 50.000 €, wobei die<br />

Gewinnwahrscheinlichkeit <strong>für</strong> diesen Prozess 50% betragen möge. Aus<br />

Vereinfachungsgründen werden nur die Fälle einer vollständigen Stattgabe und einer<br />

vollständigen Abweisung der Klage betrachtet. Sowohl auf Kläger- als auch auf<br />

Beklagtenseite wird ein Anfangsvermögen von jeweils 100.000 € angenommen. Ferner soll<br />

davon ausgegangen werden, dass das Urteil der ersten Instanz von beiden Seiten akzeptiert<br />

werden würde. Bei einem Gegenstandswert von 50.000 € ergibt sich gemäß RVG eine<br />

einfache Gebühr in Höhe von 1.046 €. Aus dem Gerichtskostengesetz ergibt sich eine<br />

einfache Gebühr von 456 €. Damit ergeben sich unter Vernachlässigung anderer<br />

Gebührenpositionen die folgenden Prozesskosten:<br />

8


Position Faktor Betrag in Euro Übertrag<br />

Anwalt des Klägers<br />

Terminsgebühr 1,2 1.255,20<br />

Verfahrensgebühr 1,3 1.359,80<br />

Zwischensumme 2.615,00 2.615,00<br />

Anwalt des Beklagten<br />

Terminsgebühr 1,2 1.255,20<br />

Verfahrensgebühr 1,3 1.359,80<br />

Zwischensumme 2.615,00 2.615,00<br />

Gerichtskosten<br />

Verfahren im Allgemeinen 3,0 1.368,00<br />

Zwischensumme 1.368,00 1.368,00<br />

Prozesskosten in erster Instanz 6.598,00<br />

Mit den aufgeführten Daten können nun die unterschiedlichen Endvermögenssituationen von<br />

Kläger und Beklagten verglichen werden, die sich bei einer erfolgsbasierten Honorarabrede<br />

und einer Anwaltsvergütung gemäß RVG ergeben. Hierbei kann das Endvermögen in<br />

Abhängigkeit vom Ausgang der Klage jeweils zwei unterschiedliche Beträge annehmen.<br />

Erfolgt die Vergütung nach RVG, beträgt das Endvermögen des Klägers bei vollständig<br />

stattgegebener Klage 150.000 € und setzt sich aus den 100.000 € Anfangsvermögen sowie der<br />

erstrittenen Schadensersatzzahlung von 50.000 € zusammen. Wird die Klage hingegen<br />

vollständig abgewiesen, beträgt das Endvermögen des Klägers 93.402 €, das sich aus den<br />

100.000 € Anfangsvermögen abzüglich der Prozesskosten in erster Instanz in Höhe von 6.598<br />

€ berechnet. Daraus ergibt sich folgende Schwankungsbreite des Endvermögens <strong>für</strong> den<br />

Kläger, wenn die Anwaltsvergütung nach RVG erfolgt:<br />

150.000 € Endvermögen des Klägers bei vollständig stattgegebener Klage<br />

- 93.402 € Endvermögen des Klägers bei vollständig abgewiesener Klage<br />

= 56.598 € Schwankungsbreite des Endvermögens des Klägers<br />

Die zwei möglichen Endvermögenssituationen des Beklagten sind zwar unterschiedlich zum<br />

Kläger, jedoch ist die Vermögensschwankung auf beiden Seiten identisch. Denn das<br />

Anfangsvermögen des Beklagten in Höhe von 100.000 € entspricht bei einer vollständig<br />

abgewiesenen Klage seinem Endvermögen, während das Endvermögen bei vollständig<br />

9


stattgegebener Klage lediglich 43.402 € beträgt, was den 100.000 € Anfangsvermögen<br />

abzüglich der 50.000 € Schadensersatzzahlung sowie der 6.598 € Prozesskosten in erster<br />

Instanz entspricht. Die Schwankungsbreite des Endvermögens des Beklagten beträgt somit:<br />

100.000 € Endvermögen des Beklagten bei vollständig abgewiesener Klage<br />

- 43.402 € Endvermögen des Beklagten bei vollständig stattgegebener Klage<br />

= 56.598 € Schwankungsbreite des Endvermögens des Beklagten<br />

Dies impliziert, dass bei der Anwaltsvergütung nach RVG beide Parteien mit dem gleichen<br />

Risiko der Schwankung des Endvermögens konfrontiert sind.<br />

Wird hingegen eine erfolgsabhängige Vergütung in Form einer quota litis zwischen den<br />

Prozessparteien und deren Anwälten vereinbart, so soll die Beteiligungsquote annahmegemäß<br />

10,46% betragen. Denn eine quota litis in Höhe von 10,46% führt im Erfolgsfall zu einer<br />

Anwaltsvergütung in Höhe von 5.230 €, womit sich bei der angenommenen<br />

Gewinnwahrscheinlichkeit von 50% im Durchschnitt eine Vergütung von 2.615 € ergibt, die<br />

exakt der Höhe der Anwaltsvergütung nach RVG entspricht. Bei dieser Höhe der quota litis<br />

würde der Anwalt auf Dauer im Durchschnitt pro Mandat genauso viel verdienen wie bei<br />

einer Honorierung nach RVG. Hiermit kann ceteris paribus untersucht werden, wie sich allein<br />

die erfolgsabhängige Anwaltsvergütung, ohne eine Zu- oder Abnahme der durchschnittlichen<br />

Anwaltshonorare, auf die Risikoteilung auswirkt.<br />

Das Endvermögen des Klägers beträgt dann im Falle einer vollständig stattgegebenen Klage<br />

147.385 € und setzt sich wie folgt zusammen:<br />

100.000 € Anfangsvermögen<br />

+ 50.000 € Schadensersatzzahlung<br />

- 5.230 € Erfolgshonorar<br />

+ 2.615 € Erstattung des Anwaltshonorars durch den Beklagten<br />

- 0 € Gerichtskosten<br />

= 147.385 € Endvermögen des Klägers bei vollständig stattgegebener Klage<br />

10


Wird die Klage indessen vollständig abgewiesen, beträgt das Endvermögen des Klägers<br />

96.017 €:<br />

100.000 € Anfangsvermögen<br />

+ 0 € Schadensersatzzahlung<br />

- 0 € Erfolgshonorar<br />

- 2.615 € Erstattung des Anwaltshonorars des Beklagten<br />

- 1.368 € Gerichtskosten<br />

= 96.017 € Endvermögen des Klägers bei vollständig abgewiesener Klage<br />

Die Schwankungsbreite des Klägerendvermögens beträgt bei einer erfolgsabhängigen<br />

Anwaltsvergütung somit lediglich 51.368 € und resultiert aus der Differenz zwischen dem<br />

Endvermögen bei vollständig stattgegebener Klage (147.385 €) und dem Endvermögen bei<br />

vollständig abgewiesener Klage (96.017 €). Die Vermögensschwankung des Klägers ist bei<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong>n demnach exakt um 5.230 € geringer als bei einer Anwaltsvergütung nach<br />

RVG, da das Risiko dieses Betrages nun nicht mehr vom Kläger selbst getragen wird, sondern<br />

durch das Erfolgshonorar auf den Anwalt verlagert wird. Es wird nun im Folgenden gezeigt,<br />

dass sich bei gleichem prozentualem Erfolgshonorar <strong>für</strong> den Beklagten die gleiche<br />

Verlagerung des Kostenrisikos ergibt wie beim Kläger.<br />

Das Endvermögen des Beklagten beträgt bei einer erfolgsabhängigen Anwaltsvergütung<br />

97.385 €, sofern die Klage vollständig abgewiesen werden kann. Dieses Vermögen setzt sich<br />

wie folgt zusammen:<br />

100.000 € Anfangsvermögen<br />

- 0 € Schadensersatzzahlung<br />

- 5.230 € Erfolgshonorar<br />

+ 2.615 € Erstattung des Anwaltshonorars durch den Kläger<br />

- 0 € Gerichtskosten<br />

= 97.385 € Endvermögen des Beklagten bei vollständig abgewiesener Klage<br />

Wird der Klage hingegen vollständig stattgegeben, beträgt das Endvermögen des Beklagten in<br />

diesem Fall 46.017 €, was sich der folgenden Berechnung entnehmen lässt:<br />

11


100.000 € Anfangsvermögen<br />

- 50.000 € Schadensersatzzahlung<br />

- 0 € Erfolgshonorar<br />

- 2.615 € Erstattung des Anwaltshonorars des Klägers<br />

- 1.368 € Gerichtskosten<br />

= 46.017 € Endvermögen des Beklagten bei vollständig stattgegebener Klage<br />

Wird nun die Vermögensschwankung des Beklagten berechnet, wird ersichtlich, dass dieser<br />

der gleichen Schwankungsbreite von 51.368 € ausgesetzt ist wie der Kläger. Dieses Ergebnis<br />

bestätigt folglich, dass der Beklagte ebenfalls ein Kostenrisiko in Höhe von 5.230 € durch<br />

eine erfolgsabhängige Vergütung auf seinen Anwalt verlagern kann. Der Grad der<br />

Risikoverlagerung ist also <strong>für</strong> Kläger und Beklagten identisch.<br />

Aus dem obigen Rechenbeispiel lassen sich somit zwei wichtige Erkenntnisse ableiten:<br />

• Wenn es dem Kläger möglich ist, eine Bemessungsgrundlage <strong>für</strong> ein Erfolgshonorar<br />

zu definieren, wird dies auch stets <strong>für</strong> den Beklagten möglich sein, indem die inverse<br />

Bemessungsgrundlage des Klägers herangezogen wird.<br />

• Für Kläger und Beklagten ist in gleichem Umfang eine Verlagerung des Kostenrisikos<br />

durch Vereinbarung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n möglich.<br />

Daraus ergibt sich, dass die diesbezüglichen Einschätzungen des BVerfG unzutreffend sind.<br />

Als Zwischenfazit lässt sich daraus ziehen, dass die Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n zu<br />

keiner systematischen Benachteiligung von Beklagten führen würde. Unter Berücksichtigung<br />

situativ gegebener Ungleichheiten kann im folgenden Abschnitt vielmehr gezeigt werden,<br />

dass in vielen Fallkonstellationen die Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n die prozessuale<br />

Waffengleichheit sogar verbessern würde.<br />

III. Einfluss des Erfolgshonorars auf die prozessuale Waffengleichheit<br />

Zu diesem Zweck ist unter Rückgriff auf die oben eingeführte Mandantentypisierung zu<br />

überprüfen, ob in den hieraus ableitbaren Prozesskonstellationen jeweils vor und nach einer<br />

Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n von einer Waffengleichheit ausgegangen werden kann.<br />

12


Damit verbunden ist die Frage, in welchen Fallkonstellationen die Aufhebung des<br />

gesetzlichen Verbotes von <strong>Erfolgshonorare</strong>n die Waffengleichheit überhaupt tangieren würde.<br />

Aufbauend auf der idealtypischen Kategorisierung privater Mandant/gewerblicher Mandant<br />

können insgesamt vier Szenarien <strong>für</strong> die folgende Untersuchung differenziert werden.<br />

1. Fallunterscheidung<br />

a) Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen. Wird zunächst die prozessuale<br />

Waffengleichheit bei Rechtsstreitigkeiten zwischen zwei Privatpersonen und einer Vergütung<br />

nach RVG betrachtet, lässt sich feststellen, dass diese aufgrund der vollständigen Kongruenz<br />

der Handlungsmöglichkeiten von Kläger und Beklagten gegeben ist. Beide Seiten können bei<br />

Honorierung nach derzeitigem RVG weder besondere Leistungsanreize einsetzen noch ihr<br />

Risiko auf ihre Anwälte verlagern. Damit sind sowohl Kläger als auch Beklagter in einer <strong>für</strong><br />

sie jeweils unglücklichen Situation, die aber durch Waffengleichheit gekennzeichnet ist.<br />

Ein Übergang von einer Vergütung nach RVG auf ein Erfolgshonorar würde nun zunächst<br />

bewirken, dass Kläger und Beklagter sowohl die Anreize <strong>für</strong> ihre Anwälte verbessern als auch<br />

Risiko auf diese verlagern können. Damit stellt sich <strong>für</strong> beide Seiten eine Verbesserung ein.<br />

Da diese Verbesserung jedoch symmetrisch ausfällt, bleibt die Waffengleichheit auch bei<br />

Übergang auf das Erfolgshonorar erhalten. Für diese Fallkonstellation ergibt sich daher kein<br />

Effekt des Erfolgshonorars auf die Waffengleichheit.<br />

b) Privatperson vs. gewerblicher Mandant. Bei einer Rechtsstreitigkeit, in der ein privater<br />

Kläger auf einen gewerblichen Beklagten trifft, ist es hingegen überaus fraglich, ob eine<br />

prozessuale Waffengleichheit mit der gegenwärtigen Honorierung nach RVG besteht. Dies ist<br />

darauf zurückzuführen, dass die Möglichkeiten zur Anreizsetzung und Risikostreuung auf<br />

beiden Seiten sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Denn die in Abschnitt II formulierten<br />

Ausführungen bezüglich der besseren Anreiz- bzw. Überwachungsmöglichkeiten seitens<br />

gewerblicher Mandanten lassen die Vermutung zu, dass der gewerbliche Beklagte in dieser<br />

Prozesskonstellation nicht nur hinsichtlich besserer Anreizsetzung, sondern auch hinsichtlich<br />

besserer Risikostreuung, im Vorteil gegenüber dem privaten Kläger ist. Dieser kann unter den<br />

derzeitigen Regeln des RVG keine besonderen Anreize einsetzen oder sein Risiko verlagern.<br />

Durch die Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n wäre es hingegen nun auch dem privaten Kläger<br />

möglich, bessere Anreize zu nutzen und sein Risiko zu verlagern. Private Kläger würden<br />

13


daher vermutlich in erheblichem Maße <strong>Erfolgshonorare</strong> nachfragen. Auf Seiten der<br />

gewerblichen Beklagten würde sich aus den genannten Gründen hingegen keine Änderung der<br />

Honorierungsform ergeben. Aufgrund der ohnehin gegebenen Anreiz- bzw.<br />

Überwachungsmöglichkeiten und der Möglichkeiten zur Risikostreuung werden die<br />

gewerblichen Beklagten in aller Regel bei nicht erfolgsabhängigen Vergütungsformen<br />

bleiben. Die Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n würde damit lediglich bewirken, dass nun auch<br />

private Kläger Anreize und Risikostreuungsmöglichkeiten nutzen können, wie sie ihren<br />

gewerblichen Opponenten ohnehin zur Verfügung stehen.<br />

Unter Berücksichtigung dieser Abwägung erweisen sich die seitens des BVerfG geäußerten<br />

Bedenken hinsichtlich einer durch <strong>Erfolgshonorare</strong> gefährdeten prozessualen<br />

Waffengleichheit somit als explizit falsch. Gerade in Szenarien, in welchen der private<br />

Rechtssuchende seinen Anspruch gegenüber gewerblichen Gegnern „mit Geld und langem<br />

Atem“ ix durchzusetzen versucht, stellt das Erfolgshonorar ein adäquates Mittel dar, den ex<br />

ante ungleichen Prozessvoraussetzungen entgegenzuwirken und versetzt den privaten Kläger<br />

womöglich erst in die Lage, einen Prozess führen zu können. Der Forderung nach<br />

prozessualer Waffengleichheit würde hier folglich erst durch Einführung von<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong>n Rechnung getragen. Das Verbot von <strong>Erfolgshonorare</strong>n bewirkt hingegen<br />

das genaue Gegenteil des intendierten Effektes. Es schützt einen status quo, der dem<br />

Anspruch nach Waffengleichheit gerade nicht gerecht wird.<br />

c) Gewerblicher Mandant vs. Privatperson. Gleiches gilt <strong>für</strong> die umgekehrte Konstellation,<br />

dass ein gewerblicher Mandant in einen Rechtsstreit gegen eine Privatperson tritt. Wie in<br />

Abschnitt III gezeigt wurde, steht das Erfolgshonorar grundsätzlich auch dem Beklagten zur<br />

Verfügung, der damit die Anreize seines Anwalts verbessern und Risiko auf diesen verlagern<br />

kann. Somit lässt sich auch <strong>für</strong> diese Fallkonstellation argumentieren, dass das Erfolgshonorar<br />

erst die Waffengleichheit zwischen Kläger und Beklagtem herstellt oder diese zumindest<br />

fördert.<br />

d) Rechtsstreit zwischen gewerblichen Mandanten. Letztlich wäre noch die Situation eines<br />

Rechtsstreits zwischen zwei gewerblichen Parteien zu analysieren. Bei der gegenwärtigen<br />

Anwaltsvergütung nach RVG kann im Rahmen dieser Prozesskonstellation bezüglich der<br />

prozessualen Waffengleichheit festgestellt werden, dass diese aufgrund der vergleichbaren<br />

Möglichkeiten zur Anreizsetzung und Risikostreuung gewährleistet ist. Ein Übergang auf<br />

14


<strong>Erfolgshonorare</strong> würde die gegebene Waffengleichheit jedoch auch in diesem Falle nicht<br />

einschränken, da wie bereits mehrfach ausgeführt wurde, die Vorteile einer anwaltlichen<br />

Vergütung mittels <strong>Erfolgshonorare</strong>n im Falle gewerblicher Mandanten typischerweise nicht<br />

greifen. Auch nach Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n würden gewerbliche Kläger und<br />

Beklagte überwiegend bei erfolgsunabhängigen Honorarformen bleiben. Dementsprechend<br />

würde die rechtliche Zulassung einer vom Prozesserfolg abhängigen Honorarform hier weder<br />

auf Kläger- noch auf Beklagtenseite zu einer wesentlichen ökonomischen Veränderung<br />

gegenüber einer Honorierung auf Basis des derzeitigen RVG führen, so dass die Zulässigkeit<br />

eines Erfolgshonorars in einem solchen Szenario die prozessuale Waffengleichheit völlig<br />

unberührt ließe.<br />

2. Zwischenfazit<br />

Insgesamt lassen sich damit in Abhängigkeit von der Kläger/Beklagten-Fallkonstellation<br />

folgende Auswirkungen von <strong>Erfolgshonorare</strong>n auf die prozessuale Waffengleichheit ableiten:<br />

Waffengleichheit<br />

Fallkonstellation<br />

bei<br />

bei Übergang auf<br />

Kläger Beklagter Vergütung nach RVG <strong>Erfolgshonorare</strong><br />

privat privat =<br />

privat gewerblich – +<br />

gewerblich privat – +<br />

gewerblich gewerblich =<br />

Legende<br />

<br />

prozessuale Waffengleichheit gegeben<br />

– keine prozessuale Waffengleichheit gegeben<br />

= keine Veränderung durch Übergang von RVG auf <strong>Erfolgshonorare</strong><br />

+ Verbesserung durch Übergang von RVG auf <strong>Erfolgshonorare</strong><br />

Insgesamt zeigt sich also, dass die Zulassung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n in keiner Konstellation<br />

eine Waffenungleichheit verursachen würde. Vielmehr ergibt sich in den Konstellationen<br />

Privat vs. Privat und Gewerblich vs. Gewerblich überhaupt kein Effekt, während in den<br />

übrigen Fallkonstellationen, in denen Privatpersonen in Rechtsstreitigkeiten mit gewerblichen<br />

Mandanten verwickelt sind, die Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n sogar eine explizite<br />

15


Verbesserung der Waffengleichheit bewirkt. Diese Einschätzung wird auch durch die<br />

internationale Literatur zu <strong>Erfolgshonorare</strong>n bestätigt. In Abschnitt III dieses Beitrags wurde<br />

argumentiert, dass <strong>Erfolgshonorare</strong> auch auf Seiten der Beklagten eingesetzt werden können.<br />

Kritzer berichtet denn auch in seiner Studie, dass dies in der Tat zu beobachten ist. x Bei<br />

Eclavea werden hierzu auch einzelne Fallbeispiele präsentiert. xi Dadurch wird zunächst die<br />

These untermauert, dass <strong>Erfolgshonorare</strong> auch auf Beklagtenseite eingesetzt werden können.<br />

Bezüglich der Frage über die Verbreitung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n zeigt sich hier eine deutliche<br />

Diskrepanz auf Kläger- und Beklagtenseite. Farmer und Pecorinot berichten darüber, dass<br />

87% der Kläger ihre Anwälte auf Erfolgsbasis vergüten. xii Auch höhere Anteile von 96% sind<br />

in der Literatur zu finden. xiii Auf der Beklagtenseite ist hingegen festzustellen, dass in einer<br />

deutlich geringeren Fallzahl <strong>Erfolgshonorare</strong> vereinbart werden. xiv So gaben einer Studie über<br />

Zivilprozesse im US-Bundesstaat Alaska zufolge lediglich 2 von 321 Verteidigern an, in<br />

Form von Quotenhonoraren vergütet worden zu sein, wohingegen auf der Gegenseite ein<br />

Drittel der Vereinbarungen „contingency fees“ vorsahen. xv<br />

Der entscheidende Grund <strong>für</strong> diese Diskrepanz dürfte darin zu sehen sein, dass die<br />

erfolgsabhängige Vergütung in der Praxis vorrangig bei Schadensersatzprozessen zur<br />

Anwendung gelangt. xvi Die Anspruchsgegner sind in diesen Fällen typischerweise<br />

Versicherungen oder Unternehmen, welche über eine hohe Prozesserfahrung verfügen und im<br />

Vergleich zum privaten Kläger deutlich besser in der Lage sind, die Arbeitsqualität der<br />

beauftragten Anwälte einzuschätzen und ggf. zu sanktionieren. xvii Dies stimmt von der<br />

Tendenz her überein mit Angaben, nach denen bei hoher Involvierung der Mandanten nur in<br />

23% aller Fälle <strong>Erfolgshonorare</strong> vereinbart werden, während bei geringer Involvierung in<br />

60% aller Fälle <strong>Erfolgshonorare</strong> vereinbart werden. xviii „Involvierung“ ist hierbei ein Maß <strong>für</strong><br />

den Einfluss des Mandanten auf den Verlauf eines Rechtsstreits. Bei hohem Einfluss ist davon<br />

auszugehen, dass der Mandant über umfangreiches juristisches Wissen verfügt und daher<br />

keine <strong>Erfolgshonorare</strong> benötigt.<br />

IV. Zusammenfassung<br />

Im vorliegenden Beitrag konnte gezeigt werden, dass die Argumentation des BVerfG<br />

hinsichtlich einer von der zulässigen Vereinbarung anwaltlicher <strong>Erfolgshonorare</strong> ausgehenden<br />

Gefährdung der prozessualen Waffengleichheit nicht haltbar ist. xix Hierzu wurde zunächst<br />

dargelegt, dass es immer dann, wenn es dem Kläger möglich ist, einen adäquaten<br />

16


Erfolgsmaßstab zu definieren, dies dem Beklagten in gleichem Maße möglich ist. Daraus<br />

folgt auch, dass beide Seiten in gleichem Umfang Prozessrisiken auf ihre Anwälte verlagern<br />

können. Damit ist das Hauptargument des BVerfG bereits widerlegt. Der Einschätzung des<br />

Gerichts ist indessen noch vehementer zu widersprechen, da das Gericht es versäumt, die<br />

faktischen Gegebenheiten bezüglich der Waffengleichheit unter den derzeitigen<br />

Honorarregeln nach RVG zu prüfen. Hätte es diese Prüfung vollzogen, hätte es feststellen<br />

können, dass im Normalfall bei einem Rechtsstreit zwischen Privatperson und Unternehmen<br />

von Waffengleichheit keine Rede sein kann. Die Einführung von <strong>Erfolgshonorare</strong>n führt in<br />

diesen Fällen nicht nur zu keiner Gefährdung der Waffengleichheit, sondern fördert diese<br />

explizit. Wenn man also Waffengleichheit vor Gericht als Gemeinwohlziel anerkennt, so<br />

ergibt sich daraus unmittelbar das Gebot, <strong>Erfolgshonorare</strong> vollständig zu legalisieren. Es ist<br />

dann Sache der Mandanten und sollte auch deren Sache sein, zu entscheiden, ob<br />

<strong>Erfolgshonorare</strong> <strong>für</strong> sie vorteilhaft erscheinen oder nicht.<br />

Der Autor Winter ist Inhaber des <strong>Lehrstuhl</strong>s <strong>für</strong> <strong>Human</strong> <strong>Resource</strong> Management an der Ruhr-Universität<br />

Bochum. Die Autoren Tang und Schwab sind wissenschaftliche Mitarbeiter an diesem <strong>Lehrstuhl</strong>.<br />

i BVerfG, NJW 2007, 979.<br />

ii Ross, Am Econ Rev (1973), 134; Jensen/Meckling, J Finan Econ (1976), 305; Shavell, Bell J Econ (1979), 55.<br />

iii Radner, Econometrica (1981), 1127; Fudenberg/Holmstrom/Milgrom, J Econ Theory (1990), 1; Lambert, Bell<br />

J Econ (1983), 441.<br />

iv Stiglitz, in: Incentives, Cooperation, and Risk Sharing, 1987, S. 47.<br />

v So auch Dana/Spier, JLEO (1993), 359.<br />

vi Hierbei ist natürlich zu berücksichtigen, dass die Typologie sehr grob ist. Im Zweifelsfall werden z.B. kleinere<br />

Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilungen und ohne ausreichende Möglichkeiten der Risikostreuung auch ein<br />

Interesse an <strong>Erfolgshonorare</strong>n haben. Umgekehrt kann es selbstverständlich auch Privatpersonen mit<br />

ausreichenden juristischen Kenntnissen und hohem Vermögen geben, die an der Beschäftigung ihrer Anwälte<br />

auf Erfolgsbasis kein Interesse haben.<br />

vii BVerfG, NJW 2007, 979.<br />

viii BVerfG, NJW 2007, 979.<br />

ix Wilde, AnwBl 2007, 489.<br />

x Kritzer, Risks, Reputations and Rewards. Contingency Fee Legal Practice in the United States, 2004, S. 27 ff.<br />

xi Eclavea, American law reports, (1981), 191 (197 ff.)<br />

xii Farmer/Pecorinot, Southern Economic J (2005), 566, (567 FN 7).<br />

xiii Kakalik/Pace, Costs and Compensation Paid in Tort Litigation, 1986, S. 95 ff.<br />

xiv Kakalik/Pace, Costs and Compensation Paid in Tort Litigation, 1986, S. 97.<br />

xv Cotton/Carns/McKelvie, An Analysis of Civil Case Data Collected from September 1997 – May 1999, S. 6ff.<br />

xvi Dana/Spier, JLEO (1993), 349; Kakalik/Pace, Costs and Compensation Paid in Tort Litigation, 1986, S. 95 ff.<br />

xvii Yarrow, Hume Papers on Public Policy (2001), 1 (5); Dana/Spier, JLEO (1993), 349 (364); Santore/ Viard,<br />

JL & Econ (2001), 549 (569).<br />

xviii Dana/Spier, JLEO (1993), 349 (351, FN 9).<br />

xix Es sei nur am Rande erwähnt, dass, wenn die Argumentation des BVerfG korrekt wäre, Beklagte also nicht in<br />

gleichem Maße wie Kläger die Kostenrisiken ihres Anwaltshonorars auf diesen verlagern können, die<br />

gewerbliche Prozessfinanzierung wohl verboten werden müsste. Bei dieser werden schließlich nicht nur die<br />

Kostenrisiken aus der Honorarforderung des eigenen Anwalts auf den Prozessfinanzierer verlagert, sondern<br />

zusätzlich auch die Gerichtskosten und die Honorarforderung des gegnerischen Anwalts bei Verlust des<br />

Rechtsstreits. Hier wäre der Grad der Verletzung der Waffengleichheit offensichtlich noch deutlich ausgeprägter.<br />

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