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Technische Universität Berlin - kd-visions

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3.4.1 Was bedeutet die Individualisierung für das Individuum?<br />

Der Prozess der Individualisierung ist keineswegs als Befreiung des Individuums von Einschränkungen<br />

durch die Gesellschaft zu verstehen. Wie zu anderen Zeiten der Partikularismus,<br />

das Standes- und Klassendenken als auch die totalitären Ideologien als Ordnungsprinzip<br />

der Gesellschaft verstanden wurden, so ist heute der Individualisierungsprozess eine neue<br />

Form der Vergesellschaftung.<br />

Die Freiheit zu tun, was auch immer ein Individuum tun möchte (im Rahmen der Gesetze),<br />

wird wiederum durch allgemeine gesellschaftliche Zwänge relativiert: Kindergarten, Grundschule,<br />

Oberschule, Ausbildung/Studium und Arbeitsplatz als erwünschter Ablauf. Um gesellschaftlich<br />

akzeptiert zu leben, bedarf es eines gesellschaftlich akzeptierten Individualisierungsprozesses.<br />

Die Möglichkeit der Führung eines individuellen Lebensstils wird zur einzigen<br />

Option für ein Individuum.<br />

Somit lebt unsere individualisierte Gesellschaft in einem Paradoxon aus einer Fülle von gesellschaftlichen<br />

Kontrollen und Vorgaben. Individualisierung ist keine freie Entscheidung!<br />

3.4.2 Was bedeutet Individualisierung für den Raum?<br />

Wurde der Raum vor der Individualisierung nach Stand und Klasse der zu erwartenden Nutzer<br />

geplant, so müssen Räume heutzutage auf andere Merkmale Rücksicht nehmen, beispielsweise<br />

Barrierefreiheit und Genderaspekte.<br />

Für den öffentlichen Freiraum bedeutet dies, dass sich die Nutzung oder Nicht-Nutzung danach<br />

richtet, ob der Raum für die dort anzutreffenden Nutzergruppen Anreize zur Nutzung<br />

bietet.<br />

Was sind das für Anreize einen Raum zu nutzen?<br />

Ein Individuum entwickelt im Laufe seines Lebens eine persönliche Orientierung, Vorlagen<br />

und Anweisungen, die sein Handeln und Verhalten bestimmen, nachfolgend zusammengefasst<br />

als Normen. Diese Normen bilden sich durch die Erziehung im Kindesalter, die eigenen<br />

Erfahrungen und das ihn umgebende soziale Umfeld. Normen bilden also die Grundlage für<br />

den nach außen und innen gelebten Lebensstil eines Individuums.<br />

Bewegt sich ein Individuum durch einen beliebigen öffentlichen Freiraum, so nimmt es ihn<br />

subjektiv (bewusst oder unbewusst) wahr. Wie die Wahrnehmung im Einzelnen abläuft, ist<br />

nun bekannt. Interessant wird der Schritt vom Wahrnehmen zum Handeln, denn dafür ist<br />

eine weitere Erkenntnis als Zwischenschritt notwendig.<br />

Nach der Betrachtung des gebauten Raums schließt sich eine Betrachtung des erlebten<br />

Raums an. Diese erlebende Betrachtung der Räume, die gelebte Räumlichkeit, beschrieb<br />

erstmal Graf Karlfried VON DÜRCKHEIM schon 1932 in seiner Publikation Untersuchungen zum<br />

gelebten Raum. Erlebniswirklichkeit und ihr Verständnis 64 .<br />

Was ist mit gelebtem Raum gemeint?<br />

Für VON DÜRCKHEIM existiert neben dem gebauten Raum noch eine weitere Betrachtungsebene.<br />

Räume werden nicht nur durch ihre Architektur wahrgenommen, sondern auch durch<br />

das sich in ihnen abspielende Leben. Um auf die Normen zurückzukommen: Normen veror-<br />

64 Neudruck: HASSE, J. (2005): Graf Karlfried von Dürckheim, Untersuchungen zum gelebten Raum, <strong>Universität</strong><br />

Frankfurt IDG, Frankfurt.<br />

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