Referat von Regierungsrat Philippe Perrenoud ... - Kanton Bern
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Medienkonferenz, Landorf Köniz + Schlössli Kehrsatz, Zentrum für Sozial- und Heilpädagogik<br />
vom 19. Juni 2008<br />
Es gilt das gesprochene Wort<br />
<strong>Referat</strong> <strong>von</strong> <strong>Regierungsrat</strong> <strong>Philippe</strong> <strong>Perrenoud</strong>,<br />
Gesundheits- und Fürsorgedirektor des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong><br />
„Integrationsstrategie der GEF bei Kindern und Jugendlichen mit einem<br />
spezifischen Integrationsbedarf“<br />
Sehr geehrte Damen und Herren<br />
als Vorsteher der bernischen Gesundheits- und Fürsorgedirektion heisse ich Sie herzlich<br />
willkommen zu dieser Medienkonferenz. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an dieser<br />
innovativen Institution unseres <strong>Kanton</strong>s.<br />
Wir haben 3 gute Gründe, um hier zu sein:<br />
1. 10 Jahre Fusion der beiden Institutionen Landorf Köniz und Schlössli Kehrsatz<br />
2. der Abschluss des Projektes „vom Schulheim zum Zentrum für Sozial- und<br />
Heilpädagogik“<br />
3. Der Abschluss des Umbaus im Schlössli Kehrsatz<br />
Detaillierte Informationen dazu werden Sie im Anschluss <strong>von</strong> den hier anwesenden<br />
Fachleuten, Mitarbeitende und Verantwortliche dieser Institution, erhalten.<br />
Zuerst aber spreche ich über: Integration!<br />
Sehr verehrte Damen und Herren,<br />
Dieses Wort hören und verwenden wir alle täglich.<br />
Integration: was verstehen Sie darunter?<br />
Die meisten denken bei Integration wohl spontan an ausländische Mitmenschen in unserem<br />
Land.<br />
Wir sind heute hier im Zentrum für Sozial- und Heilpädagogik, früher „Schulheim“ genannt.<br />
Darum spreche ich hier über die Integration <strong>von</strong> Kindern und Jugendlichen.
Medienkonferenz, Landorf Köniz + Schlössli Kehrsatz, Zentrum für Sozial- und Heilpädagogik<br />
vom 19. Juni 2008<br />
Was heisst Integration?<br />
Das lateinische Wort bedeutet nichts anderes als: Herstellung eines Ganzen;<br />
„integer“ bedeutet „ganz“, „unversehrt“.<br />
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Das heisst, er kann nicht alleine existieren, er braucht<br />
andere Menschen, die mit ihm zusammen ein Ganzes, eine Gemeinschaft bilden.<br />
Wir sind immer Teil einer beziehungsweise mehrerer Gruppen. Jede und jeder ist ein Mitglied<br />
einer Familie, einer Gesellschaft. Integriert heisst nichts anderes als: dazugehören.<br />
Die allermeisten Kinder gehören automatisch dazu. Wir werden alle in ein Beziehungsnetz<br />
hineingeboren. Eine Familie trägt uns und hilft uns dabei, uns in ein immer weiter werdendes<br />
Umfeld einzugliedern.<br />
Es gibt aber Menschen, die nicht dazugehören; berndeutsch würde man sagen, sie stehen<br />
daneben, sie benehmen sich daneben.<br />
Integriert, integer heisst „unversehrt“; wer desintegriert ist, ist versehrt, verletzt. Verletzt in<br />
seiner Menschenwürde. Versehrt und beeinträchtigt in seiner Fähigkeit, mit anderen<br />
zusammen zu leben.<br />
Integration ist die Herstellung eines Ganzen. Wenn einzelne Mitglieder einer Gesellschaft<br />
nicht mehr integriert sind, ist auch das Ganze versehrt! Die Gesellschaft droht auseinander zu<br />
fallen.<br />
Wer nicht integriert ist, kann seine Aufgaben in und für die Gesellschaft nicht erfüllen. Wer<br />
nicht integriert ist, kann der Gemeinschaft schaden.<br />
Deshalb ist Integration wichtig.<br />
Wir als Gesellschaft, wir als Staat sind angewiesen auf die Integration aller.<br />
Und: Wir sind auch verantwortlich für die Integration aller.<br />
Wer als Kind und Jugendlicher integriert ist, hat gute Chancen, das auch zu bleiben.<br />
Aus all diesen Gründen ist mir und meiner Direktion die Integration <strong>von</strong> Kindern und<br />
Jugendlichen ein ganz besonderes Anliegen.<br />
Kinder und Jugendliche verlieren ihre Integration in die Gesellschaft und in die Familie:<br />
‣ weil sie den schulischen und sozialen Anforderungen nicht gewachsen sind<br />
‣ weil sie ihre Rolle in der Familie nicht finden; oder weil sie in einer Rolle stecken, die<br />
ihnen nicht behagt<br />
‣ weil sie besondere Erlebnisse nicht verarbeiten können<br />
‣ weil sie körperliche, seelische oder geistige Gebrechen oder Krankheiten haben<br />
‣ weil sie sich – in den Augen ihres Umfeldes – schwierig verhalten<br />
‣ weil sie ihre Nöte nicht mitteilen können<br />
‣ weil ihre Familie nicht integriert ist<br />
Wir wollen unser Möglichstes tun, um desintegrierte Kinder und Jugendliche zu integrieren.<br />
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Medienkonferenz, Landorf Köniz + Schlössli Kehrsatz, Zentrum für Sozial- und Heilpädagogik<br />
vom 19. Juni 2008<br />
Wir, das ist die GEF. Und das Landorf Köniz - Schlössli Kehrsatz, als Teil der GEF. Und das<br />
sind viele Partnerinstitutionen der GEF, die das gleiche Ziel verfolgen: Das Ziel, geeignete<br />
Massnahmen und Leistungen anzubieten, damit jedes Individuum sich in unsere Gesellschaft<br />
integrieren kann.<br />
Ich spreche heute <strong>von</strong> der Integration <strong>von</strong> Kindern und Jugendlichen.<br />
Verantwortlich für die Integration <strong>von</strong> Kindern und Jugendlichen sind:<br />
Erstens:<br />
Zweitens:<br />
Die Eltern, die Familie<br />
das ganze Umfeld des Kindes. Dazu gehören auch Vereine, dazu gehört auch<br />
die Schule.<br />
Üblicherweise reicht die Unterstützung <strong>von</strong> Familie und Umfeld, damit ein Kind sich<br />
integrieren kann.<br />
ABER: Nicht immer können Familie und Umfeld den Integrationsbedarf eines Kindes decken.<br />
Und es gibt Kinder und Jugendliche mit einem „besonderen Integrationsbedarf“. Sie<br />
benötigen oft mehr Hilfe und Unterstützung, als Eltern, Familie und die Regelschule ihnen<br />
geben können. Vor allem benötigen sie ganz spezielle, individuelle Formen <strong>von</strong> Hilfe und<br />
Unterstützung.<br />
Ein Kind, ein Jugendlicher kann aus unterschiedlichsten Gründen einen besonderen<br />
Integrationsbedarf aufweisen. Das kann eine Behinderung sein genauso wie eine<br />
Hochbegabung! Das kann eine gesundheitliche Störung sein genauso wie ein gravierendes<br />
Ereignis in der Familie.<br />
Nicht alle brauchen gleichviel Hilfe <strong>von</strong> aussen.<br />
Aber immer, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher und seine Familie Hilfe und Unterstützung<br />
brauchen, sollen sie diese erhalten. Das ist eine zentrale Errungenschaft unseres modernen<br />
Sozialstaates.<br />
Dafür gibt es viele Angebote und Massnahmen. Das Zentrum für Sozial- und Heilpädagogik<br />
Landorf Köniz – Schlössli Kehrsatz, bietet einige da<strong>von</strong> an. Welche das sind und wie diese<br />
genau aussehen, werden Sie nachher <strong>von</strong> kompetenten Praktikerinnen und Praktikern<br />
erfahren.<br />
Lange Zeit lag der Schwerpunkt <strong>von</strong> staatlichen Hilfsangeboten im stationären Bereich.<br />
Inzwischen wissen wir, dass es wichtig ist, die persönliche Integrität und das soziale Ansehen<br />
der Betroffen und ihrer Familien zu schützen. Deshalb bieten die Sozial- und Heilpädagogik<br />
heute eine breite Palette <strong>von</strong> massgeschneiderten, ergänzenden Hilfestellungen auch für die<br />
Familien an.<br />
Für die Integration ist es sehr wichtig, Lernprozesse in der betroffenen Familie in Gang zu<br />
setzen. Dazu braucht es Begleitung für das Kind und die Familie auch zu Hause. Diese kann<br />
auch parallel zu einem Heimaufenthalt stattfinden.<br />
Eine Pionierleistung <strong>von</strong> Landorf Köniz – Schlössli Kehrsatz besteht darin, stationäre<br />
Massnahmen mit ambulanter Begleitung zu kombinieren. Auch darüber erfahren Sie<br />
anschliessend mehr.<br />
Schon seit langem angeboten wird eine weitere Kombination <strong>von</strong> ambulant und stationär:<br />
der Besuch der Regelschule in Kehrsatz – das Wohnen im Schlössli. Auch dies ist eine<br />
wertvolle Möglichkeit zur Integration.<br />
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Medienkonferenz, Landorf Köniz + Schlössli Kehrsatz, Zentrum für Sozial- und Heilpädagogik<br />
vom 19. Juni 2008<br />
Solche Kombinationen sind längerfristig sehr erfolgreich. Sie sind aber ganz und gar nicht<br />
immer einfach! Glauben Sie mir, den Familien die nötige Hilfe und Unterstützung anzubieten<br />
und sie zum Mitmachen zu motivieren, ist anspruchsvoll. Das verlangt viel <strong>von</strong> allen<br />
Beteiligten. Die hier anwesenden Fachleute können Ihnen das bestätigen.<br />
Aber ich habe es ja bereits erwähnt: Integration braucht den Willen und die Anstrengung aller<br />
Beteiligten.<br />
Schon vor der Fusion haben Landorf Köniz und Schlössli Kehrsatz wichtige und wertvolle<br />
Arbeit zugunsten <strong>von</strong> Kindern und Jugendlichen mit einem besonderen Integrationsbedarf<br />
geleistet.<br />
Dank der Fusion haben sie eine kritische Grösse erreicht. Die kritische Grösse, die es<br />
erlaubt, ihr Angebot zu verbreitern. Die kritische Grösse, die sie flexibler macht. Durch die<br />
Fusion wurden sie fit für die erwähnten Kombinationen <strong>von</strong> stationär und ambulant. Dafür<br />
danke und gratuliere ich Ihnen im Namen der <strong>Bern</strong>er Regierung. Diesen Dank darf ich sicher<br />
auch aussprechen im Namen all der Kinder, Jugendlichen und Familien, die Sie betreuen und<br />
schon je betreut haben.<br />
Zurück zur Integrationsstrategie der Gesundheits- und Fürsorgedirektion:<br />
Um dem betroffenen Kind, dem Jugendlichen wie auch seiner Familie grösstmögliche<br />
Autonomie zu gewähren, wollen wir immer nur soviel Unterstützung leisten, wie nötig.<br />
Unser Hauptanliegen ist es, das Kind oder den Jugendlichen, seine Eltern, seine Familie und<br />
sein Umfeld zu stärken und zu unterstützen. Stärken und unterstützen in den eigenen<br />
Integrationsbemühungen.<br />
Hilfe zur Selbsthilfe also!<br />
Und dafür stellen wir und all unsere Partner zahlreiche und vielfältige Angebote zur<br />
Verfügung. Diese werden immer wieder geprüft, wo nötig verbessert und ergänzt.<br />
Viele Leistungen erfolgen ambulant. Wo ambulante Angebote nicht ausreichen, kommen<br />
stationäre zur Anwendung.<br />
Insbesondere ambulante Angebote können wir auch präventiv einsetzen.<br />
Prävention, meine Damen und Herren, auch ein Wort, das wir bald täglich hören und<br />
verwenden. Dies zu Recht! Prävention hilft, den Betroffenen viel Leid zu ersparen. Prävention<br />
erspart uns als Gesellschaft viel Schaden – auch finanziellen!<br />
Prävention: das heisst, verhindern, dass Kinder und Jugendliche ausgeschlossen werden,<br />
nicht mehr dazu gehören. Verhindern, dass sie und ihre Familien ihre persönliche Integrität<br />
und ihr soziales Ansehen verlieren.<br />
Prävention umfasst viele unterschiedliche Massnahmen und Angebote, ich zähle nur ein paar<br />
da<strong>von</strong> auf:<br />
‣ Väter-/Mütterberatung<br />
‣ familienergänzende Betreuungsangebote (Krippen, Mittagstisch, Hort)<br />
‣ finanzielle Unterstützung, wo materielle Not die Teilnahme am gesellschaftlichen<br />
Leben verhindert<br />
‣ Elternbildung<br />
‣ gezielte Förderung der Integration beim Kind oder Jugendlichen, oder auch bei seiner<br />
Familie.<br />
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