EIN NEUER TYP MITTELMANAGER - Alster Coach Consult
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KOMMENTAR<br />
<strong>EIN</strong> <strong>NEUER</strong> <strong>TYP</strong> <strong>MITTELMANAGER</strong><br />
Generalisten werden es künftig schwer haben im Manage ment. Verwalten und<br />
überwachen können auch Computer. Gefragt sind Qualifikationen, die sich nur schwer<br />
nachahmen lassen und Respekt bei den Mitarbeitern verschaffen.<br />
VON LYNDA GRATTON<br />
Der enorme technische Fortschritt hat Unternehmen<br />
viele Vorteile gebracht. Wir wissen<br />
heute viel mehr über Konsumenten und wie<br />
wir ihnen am besten gerecht werden; wir verfügen über<br />
genauere Informationen, um bessere Entscheidungen<br />
treffen zu können; dank moderner Kommunikationstechnik<br />
können über die Welt verstreute Mitarbeiter als<br />
virtuelle Teams zusammenarbeiten.<br />
Eine entscheidende Auswirkung dieses Fortschritts<br />
wird aber erst jetzt erkennbar. Die Art und Weise, wie<br />
Menschen arbeiten, hat sich fundamental verändert.<br />
Eine Folge dessen ist jetzt bereits abzusehen: Den klassischen<br />
Mittelmanager wird es bald nicht mehr geben.<br />
In gewisser Weise wiederholt sich die Geschichte.<br />
Einst hat die industrielle Revolution den Charakter<br />
körperlicher Arbeit grundlegend verändert – heute<br />
passiert etwas Ähnliches wieder durch den technischen<br />
Fortschritt. In der präindustriellen Ära waren es die<br />
Handwerker, die für das Gros der Wertschöpfung sorgten.<br />
Sie gingen viele Jahre in die Lehre, sammelten Erfahrung<br />
in ihrem Gewerk und verdienten sich den Respekt<br />
der Kollegen. Sie wurden dann ihrerseits Meister<br />
und gaben ihr Fachwissen an Lehrlinge weiter. Im Zuge<br />
der industriellen Revolution haben Maschinen viele<br />
dieser hoch entwickelten handwerklichen Tätigkeiten<br />
übernommen – mit der Folge, dass für einen Großteil<br />
der Jobs kein Spezialwissen mehr erforderlich war,<br />
sondern nur mehr allgemeine Fähigkeiten, die ausreichten,<br />
um für reibungslose Abläufe zu sorgen.<br />
VERÄNDERTE ARBEITSWELT<br />
Heute ist die (Informations-)Technik selbst eine Art<br />
Manager. Sie kann Leistung genau beobachten und<br />
kontrollieren; sie sorgt für unmittelbare Rückmeldung,<br />
erstellt gar Berichte und Präsentationen. Hinzu kommt,<br />
dass viele Teams sich inzwischen selbst managen.<br />
Führungskräfte mit allgemeinen Managementfähig -<br />
keiten geraten dadurch zunehmend in eine schwierige<br />
Situation. Früher erwarben Manager ihre Kenntnisse<br />
und knüpften ihre Netzwerke nur in einem einzigen<br />
Unternehmen. Mittlerweile wechseln sie deutlich häufiger<br />
ihren Arbeitgeber – und können deshalb fundierte<br />
Kenntnisse, die für andere Unternehmen möglicherweise<br />
wertvoll wären, nicht mehr erwerben. Durch das<br />
Internet hat heute zudem jeder die Chance, sich Wissen<br />
über praktisch alles anzueignen. Ein Tausendsassa zu<br />
sein ist kein nennenswerter Wettbewerbsvorteil mehr,<br />
wenn der Konkurrent Wikipedia heißt.<br />
Auch die Einstellung gegenüber dem Management<br />
hat sich verändert, wie meine Forschung zeigt. Die Mitarbeiter,<br />
die zur Generation Y (Personen ab Geburtsjahrgang<br />
1977 – Anm. d. Red.) gehören, verstehen nicht,<br />
warum sie an jemanden berichten sollen, der einfach<br />
nur überwacht, was sie tun. Schließlich können das<br />
ebenso gut sie selbst, ihre Kollegen oder eine Maschine.<br />
Wichtig ist ihnen etwas anderes: Ein Manager, den sie<br />
respektieren, soll sie als Mentor betreuen oder coachen<br />
– und zwar ein Meister seines Fachs und kein beliebiger<br />
Vorgesetzter.<br />
NEUE ANFORDERUNGEN<br />
Was bedeutet das alles für Sie? Keine Angst, nur weil<br />
Sie zurzeit ein Mittelmanager sind, müssen sie nicht<br />
vorzeitig in den Ruhestand gehen. Aber Sie werden in<br />
Ihre Qualifikation investieren müssen.<br />
Erstens müssen Sie sich Wissen oder Fähigkeiten<br />
aneignen, die wertvoll sind und über die nicht viele<br />
verfügen. Ich nenne das Ihr Markenzeichen. Ohne solche<br />
spezifischen Kompetenzen werden Sie in der Bedeutungslosigkeit<br />
verschwinden und sich nicht länger<br />
2 HARVARD BUSINESS MANAGER APRIL 2011
M<strong>EIN</strong>UNGEN FÜHRUNG<br />
mit Ihrem Status als Manager brüsten können. Zu Ansehen<br />
wird Ihnen nicht länger die Personalabteilung<br />
ver helfen, die Sie auf eine bestimmte Position gesetzt<br />
hat, sondern künftig die Zugehörigkeit zu einer mo -<br />
dernen Form der Zunft. Hierzu zählen beispielsweise<br />
virtuelle Gemeinschaften, so wie Sermo für Ärzte in<br />
den USA oder LawLink, ein amerikanisches Juristennetzwerk.<br />
Sie erfüllen mittlerweile eine ähn liche Funktion<br />
wie seinerzeit die mittelalterlichen Zünfte. Sie bieten<br />
die Möglichkeit, Kenntnisse zu überprüfen, und<br />
tragen dazu bei, das Wissen in ihren Fachgebieten zu<br />
vergrößern.<br />
Zweitens müssen Sie während Ihres ganzen Berufs -<br />
lebens über den Tellerrand schauen und sich immer<br />
wieder in neue oder angrenzende Fachgebiete einarbeiten.<br />
Nicht alle spezifischen Kenntnisse werden künftig<br />
aber wirklich von Bedeutung sein. Deshalb müssen<br />
Sie sich genau überlegen: Welche Kompetenzen sind<br />
selten und schwer zu erwerben? Welche Karrierewege<br />
versprechen für die Zukunft wirklich Erfolg? Meine<br />
Forschungen zeigen, dass in den kommenden Jahrzehnten<br />
Bereiche wie Interessenvertretung, (soziales)<br />
Unternehmertum, Biowissenschaften und Gesundheitswesen,<br />
Energieeinsparung, Kreativität, Innovation<br />
und <strong>Coach</strong>ing sehr gefragt sein werden.<br />
Sind Sie für die Zukunft gerüstet?<br />
LYNDA GRATTON<br />
(lgratton@london.edu) ist Professorin für<br />
Managementpraxis an der London Business<br />
School. Sie leitet dort ein Forschungskonsortium<br />
zum Thema „Zukunft der Arbeit“.<br />
NACHDRUCK<br />
Nummer 201104102, siehe Seite 104<br />
oder www.harvardbusinessmanager.de<br />
© 2011 Harvard Business Publishing<br />
Übersetzung: Lothar Kuhn<br />
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