Download - Institut für Tierökologie und Naturbildung
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Säugende Bache.<br />
umbruch <strong>und</strong> damit auch die Wiesenschäden nahmen<br />
deutlich ab. Vor allem aber meiden die Rotten nach ersten<br />
Abschüssen die Wiesen <strong>und</strong> verlagern die Nahrungssuche<br />
in den Wald.<br />
Beobachtungen zur Populationsdynamik des<br />
Schwarzwildes<br />
Die räumliche Geschlossenheit des Wildschutzgebietes<br />
sowie die Tagaktivität des Schwarzwildes <strong>und</strong> die damit<br />
gegebene Beobachtbarkeit, erlauben detaillierte Studien<br />
zu Rottenstruktur <strong>und</strong> Fortpflanzungsdynamik.<br />
Nicht nur in Kranichstein, auch hessenweit sind die<br />
Schwarzwildbestände in den letzten 20 Jahren stark angewachsen:<br />
Wurden in den Jagdjahren 1980/811990/91 (elf<br />
Jahre) in Hessen im Jahresmittel 12.680 Sauen pro Jahr<br />
erlegt, stieg die Strecke in den Jahren 1991/922001/02 (elf<br />
Jahre) auf 34.898 erlegte Sauen pro Jahr. Gängige Jagdpraxis<br />
der Schwarz wild bejagung ist eine mit Futtermitteln<br />
kombinierte Jagdstrategie: Der Nachtansitz an Kirrungen.<br />
Diese Jagdpraxis gilt neben zunehmend milder werdenden<br />
Wintern <strong>und</strong> häufigeren Mastjahren – unabhängig<br />
von den <strong>für</strong> Wildschweine meist positiven Veränderungen<br />
in der Landwirtschaft als eine wesentliche Ursache der<br />
landesweit gestiegenen Schwarzwildbestände.<br />
In Kranichstein wird weder gekirrt noch gefüttert.<br />
Ursache der auch hier merklich angewachsenen Wildschweinpopulation<br />
sind vor allem die im letzten Jahrzehnt<br />
ungewöhnlich häufigen Mastjahre der Eiche <strong>und</strong> der<br />
Rotbuche. Verstärkt durch milde Winter gehen Bachen,<br />
auch Frischlingsbachen, mit einer guten Kondition in den<br />
Winter. Verluste unter den Frischlingen werden dadurch<br />
deutlich geschmälert. Bis zum Herbst haben die Rotten<br />
in Kranichstein erfahrungsgemäß weniger als 20% ihrer<br />
Frischlinge durch natürliche Abgänge verloren.<br />
Geringere Winterverluste, eine gute Kondition, frühere<br />
Fruchtbarkeit <strong>und</strong> hohe Reproduktionsleistungen sind<br />
b<strong>und</strong>esweit die Ursachen der in den vergangenen Jahren<br />
erheblich gewachsenen Schwarzwildbestände. Und dennoch<br />
wird die Reproduktionsdynamik des Schwarzwildes<br />
häufig noch unterschätzt. Hinweise auf eine zweite Frischlingsgeneration<br />
trotz intakter, stabiler Sozialverbände<br />
mehren sich.<br />
Das Wildschutzgebiet Kranichstein bietet hier vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> der hessenweit erheblich gestiegenen<br />
Schwarzwildstrecken optimale Voraussetzungen <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>lagen, die begonnenen Arbeiten fortzuführen<br />
<strong>und</strong> Dynamik <strong>und</strong> Wechselwirkungen der Wildbestände<br />
sowie Fertilität <strong>und</strong> Reproduktion durch Verhaltensbeobachtungen,<br />
Markierung <strong>und</strong> altersgenaue Jagdstreckenanalysen<br />
näher zu erforschen.<br />
Zur Biologie der Fortpflanzung beim Schwarzwild<br />
Der Beginn der Fortpflanzungs- oder Rauschzeit wird durch die Leitbache ausgelöst. Sie kommt als erstes Weibchen<br />
der Rotte in Paarungsstimmung. Mit Speichel <strong>und</strong> Sekreten aus der Voraugendrüse hinterlässt sie Duftmarken an<br />
Bäumen oder auffälligen Stellen im Gelände. Speichel, Drüsensekrete <strong>und</strong> auch ihr Urin enthalten Sexuallockstoffe,<br />
sogenannte Pheromone. Diese Sexuallockstoffe versetzen ihre Artgenossinnen in der Rotte gleichfalls in Paarungsstimmung.<br />
So sind alle fortpflanzungsfähigen weiblichen Rottenmitglieder ungefähr zum selben Zeitpunkt rauschig<br />
(Briedermann 1990; Happ 2002; Meynhardt 1989). Diese Fortpflanzungssynchronisation der Bachen hat einen großen<br />
Vorteil: Die Geburt der Frischlinge erfolgt beinahe zur selben Zeit. Die gleichaltrigen Frischlinge können so von den<br />
Bachen gemeinsam betreut werden <strong>und</strong> es kommt zu geringeren Jungtierverlusten. Höhepunkt der Rauschzeit sind<br />
die Monate November bis Januar. Nach einer Tragzeit von r<strong>und</strong> 115 Tagen werden in den Monaten Februar bis Mai<br />
die Frischlinge geboren. Bereits in den ersten Lebenstagen beginnen die Frischlinge eifrig im Boden zu wühlen; bis<br />
ins Alter von vier bis fünf Monaten bleibt die Muttermilch jedoch ihre Hauptnahrung (Briedermann 1990). Bei guter<br />
Kondition sind die Frischlinge mit acht bis zehn Monaten bereits selbst geschlechtsreif (Appelius 1995). Nicht wenige<br />
Frischlingsbachen werden in ihrem ersten Lebensjahr erfolgreich beschlagen <strong>und</strong> bringen im Mittel vier Junge zur Welt<br />
(Gethöffer 2005).