Download - Institut für Tierökologie und Naturbildung
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53<br />
benem Hals <strong>und</strong> harnt. Das Kalb hat das Ausdrucksverhalten<br />
der Mutter wahrgenommen, steht auf, sichert mit<br />
demselben Ausdruck, ohne sich seiner Mutter zu nähern.<br />
Die Rate reaktiven Sicherns des Alttieres „41“ während<br />
der folgenden 10 Minuten beträgt 36,5%. 10 Minuten<br />
nach Wahrnehmung der Gruppe tritt ein Familienverband<br />
– bestehend aus Alttier, Kalb, Schmaltier <strong>und</strong> Schmalspießer<br />
in 30 m Entfernung auf die Waldwiese. Das Alttier<br />
„41“ wirkt nun sichtlich entspannter, setzt die Äsungsaufnahme<br />
fort, die Rate des reaktiven Sicherns zu der anderen<br />
Mutterfamilie sinkt unter 10%. Das Kalb des Alttieres<br />
„41“ schreitet zu dem anderen Alttier, wird von diesem<br />
aber sofort mit Bissen in Hals <strong>und</strong> Rücken vertrieben.<br />
Erst als das Alttier erneut das Kalb attackiert, schreitet das<br />
Alttier „41“ zögerlich auf die Aggressorin zu. Das Alttier<br />
lässt nun von dem davontrabenden Kalb ab, das sofort<br />
an die Seite seiner Mutter zieht. Gemeinsam nähern sich<br />
beide dem Alttier auf eine Distanz von 3 m, werden jedoch<br />
sofort von dem drohenden Alttier auf 10 m zurückgedrängt.<br />
Schließlich setzt das Alttier „41“ mit seinem Kalb<br />
− unter einer Distanz von 25 m − erneut die Äsungsaufnahme<br />
fort. 10 Minuten später schreitet der Schmalspießer,<br />
der nachweislich nicht mit dem Alttier „41“ verwandt ist,<br />
auf die beiden Tiere zu <strong>und</strong> entfernt sich mit ihnen von<br />
dem anderen Weibchenverband.<br />
Feindvermeidung <strong>und</strong> Rudelgrößen<br />
Das Verhalten der Feindvermeidung ist individuell sehr<br />
unterschiedlich <strong>und</strong> abhängig von den Erfahrungen, die<br />
ein Alttier in seinem bisherigen Leben gesammelt hat.<br />
Die Summe der verschiedenartigen Störwirkungen (vom<br />
Jäger bis zum Waldbesucher) bestimmt den Grad der<br />
Feindvermeidung. Hohe Fluchtdistanzen, Fluchtreaktionen<br />
auf an sich ungefährliche Störreize, galoppartige<br />
Fluchten über größere Distanzen <strong>und</strong> das Meiden stärker<br />
von Menschen belaufener Waldbereiche sind ein Ausdruck<br />
hoher, anhaltender Störwirkungen.<br />
Ein objektives <strong>und</strong> vor allem auch praktikabel zu<br />
ermittelndes Maß <strong>für</strong> die Störungsintensität in einem<br />
Lebensraum ist das Sicherverhalten dominanter Tiere<br />
(in der Regel mehrjährige führende Alttiere) in einem<br />
Rudelverband. Über den Zeitanteil des Sicherns am<br />
Gesamtverhalten während der Äsungsaufnahme lässt<br />
sich der Grad der Störbelastung im Lebensraum ermitteln.<br />
Die Erhebungen fokussieren sich dabei auf Mutterfamilien<br />
<strong>und</strong> Kahlwildrudel, die im Sommer während der<br />
Jungenaufzucht wesentlich störungsempfindlicher sind als<br />
Hirsche.<br />
In den Monaten Mai bis Oktober 1991 gelangen 132<br />
Beobachtungen von Alttieren bzw. Familienverbänden.<br />
Darunter waren 25 Beobachtungen, bei denen über mindestens<br />
10 Minuten das Sicherverhalten eines dominanten<br />
Alttieres kontinuierlich beobachtet werden konnte. Das<br />
Ergebnis zeigt einen mittleren Wert von 7% Sicherverhalten<br />
während der Äsungsaufnahme <strong>und</strong> charakterisiert<br />
den Lebensraum als gering bis mäßig gestört.<br />
Setzt man das Sicherverhalten des jeweiligen Alttieres<br />
in Bezug zur Rudelgröße, so zeigt sich deutlich, dass in<br />
Sozialgruppen ab drei Tieren das Sicherverhalten geringere<br />
Zeitanteile einnimmt. Daraus folgt, dass das Sicher-<br />
Anteil des Sicherverhaltens am Gesamtverhalten<br />
30%<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13<br />
Anzahl Tiere im Rudel<br />
Sicherverhalten von Alttieren in Kranichstein als Parameter <strong>für</strong> die Störungsbelastung.