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Download - Institut für Tierökologie und Naturbildung

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stehen dabei in direktem Zusammenhang mit Abschüssen in diesen Rudelverbänden in den Jahren zuvor: Weibchenverbände<br />

sind Gruppen eng miteinander verwandter Tiere; sie sind immer Teil ein <strong>und</strong> derselben „Großmutterfamilie“<br />

(Bützler 1986; Clutton-Brock et al. 1982; Drechsler 1992). In einem intakten Familienverband führt in der Regel jedes<br />

mehrjährige Alttier im Sommer ein Kalb <strong>und</strong> ein Schmaltier bzw. einen Schmalspießer (das Kalb des Vorjahres). Diese<br />

zeigen auch im zweiten Lebensjahr eine noch enge Bindung an ihre Mutter. Dazu kommt dann noch ein zweijähriger<br />

Hirsch bzw. ein zweijähriges noch nicht führendes Alttier (das Kalb des Vorvorjahres) mit einer inzwischen gelockerten<br />

Bindung. Die Rudelgröße in einem Weibchenverband mit zwei Alttieren umfasst daher maximal acht Tiere (sofern keines<br />

der Jungtiere erlegt wurde) <strong>und</strong> minimal zwei Tiere (sofern alle Jungtiere bis auf die beiden Alttiere erlegt wurden).<br />

Bei steten Abschüssen von Jungtieren aus einem Großfamilienverband bleibt die Anzahl der Alttiere im Rudelverband<br />

gleich, nur der „Anhang“ wird kleiner.<br />

geboren <strong>und</strong> war in diesem Sommer 1991 ausschließlich<br />

mit Hirschen vergesellschaftet; ein weiteres zweijähriges<br />

Alttier aus dem Forstamt Edertal verlor im Sommer sein<br />

Kalb, das dritte zweijährige Alttier aus dem Forstamt<br />

Edertal führte sein Kalb erfolgreich in den Winter 1991/<br />

92. Insgesamt führten fünf von acht Alttieren im Sommer<br />

1991 ein Kalb.<br />

Die Kälber wurden den Beobachtungen zufolge zwischen<br />

dem 20. Mai <strong>und</strong> 20. Juni 1991 geboren. Das erste<br />

Kalb wurde am 28. Mai, ein weiteres am 11. Juni <strong>und</strong><br />

ein drittes am 28. Juni erstmals beobachtet. Die beiden<br />

anderen Kälber waren bereits mehrere Wochen alt, als<br />

sie erstmals im Juli mit ihrem Muttertier beobachtet<br />

wurden.<br />

Über den gesamten Jahresverlauf hinweg betrachtet,<br />

lagen die Rudelgrößen weiblichen Rotwildes in Kranichstein<br />

meist bei ein bis zwei Alttieren mit insgesamt zwei<br />

bis maximal sechs Tieren in einem Rudelverband.<br />

Die fünf autochtonen Alttiere waren eng miteinander<br />

verwandt <strong>und</strong> gehörten derselben Großfamilie an. Dennoch<br />

kam es über den gesamten Sommer nur an wenigen Tagen<br />

zu Rudelbildungen, die drei bis fünf Alttiere umfassten:<br />

Unter 68 Beobachtungen weiblicher Verbände waren nur in<br />

sechs Fällen (< 10% der Sommerbeobachtungen weiblichen<br />

Rotwildes) drei <strong>und</strong> mehr Alttiere miteinander vergesellschaftet.<br />

Im Herbst, während der Brunft bis zum Laubfall,<br />

stieg diese Rate auf 20% der Herbstbeobachtungen weiblichen<br />

Rotwildes, im Winter war die Beobachtung größerer<br />

Weibchengruppen am größten: 30% der Beobachtungen<br />

umfassten jetzt drei bis fünf Alttiere.<br />

Die drei im Herbst 1990 zugesetzten Alttiere aus dem<br />

Forstamt Edertal waren im Sommer 1991 zu keinem<br />

Zeitpunkt mit den autochtonen Weibchenverbänden vergesellschaftet.<br />

Die abgesehen von der Setzzeit regelmäßigen – wenn<br />

auch relativ seltenen Beobachtungen größerer Gruppen<br />

zeigt andererseits, dass die miteinander verwandten Weibchen<br />

in regelmäßigem Kontakt miteinander stehen, die<br />

bevorzugte Gruppenbildung jedoch zwei Alttiere nicht<br />

überschreitet. Im Ergebnis zeigen die Beobachtungen<br />

sehr deutlich, dass zu keiner Jahreszeit größere stabile<br />

Weibchenverbände bestanden. Stabil bedeutet hier, dass<br />

die Rudel über mehrere Wochen hinweg in ein <strong>und</strong> derselben<br />

Sozialorganisation fortbestehen.<br />

Beobachtungsstudien von Bufe (1982) zeigen in Weibchenverbänden<br />

mit drei Alttieren entsprechende Schwankungen<br />

der Rudelgrößen im Sommer zwischen sechs <strong>und</strong><br />

elf Tieren (mittlere Rudelgröße 8,1; N = 8 Beobachtungen<br />

weiblicher Verbände). In Kranichstein variierten die<br />

Rudelgrößen in Weibchenverbänden mit zwei Alttieren<br />

zwischen zwei <strong>und</strong> fünf Tieren (mittlere Rudelgröße 4,3;<br />

N = 13 Beobachtungen weiblicher Verbände).<br />

Trotz der Neigung der Weibchen, sich im Sommer überwiegend<br />

in Kleingruppen zu bewegen, ist die Möglichkeit<br />

der Großrudelbildung ein wesentlicher Faktor im sozialen<br />

Wohlbefinden der Mutterfamilien. Die Möglichkeit, sich<br />

als Familienverband im Sommer zeitweise auch zur Großfamilie<br />

zusammenschließen zu können, fördert nicht nur<br />

das soziale Wohlbefinden, sondern ist möglicherweise auch<br />

ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Toleranz gegenüber<br />

Störreizen, wie sie z.B. Waldbesucher darstellen.<br />

Auszug aus dem Beobachtungsprotokoll vom<br />

29.08.1991:<br />

Mit 13,4 ha ist die Rottwiese die größte Waldwiese in<br />

Kranichstein. Immer wieder ist hier – wie u.a. auch<br />

auf der Kernwiese – zu beobachten, dass verschiedene<br />

Familienverbände, von unterschiedlichen Tageseinständen<br />

herkommend, die Wiese zur Nahrungsaufnahme zeitgleich<br />

aufsuchen, dort zu Großgruppen zusammentreffen <strong>und</strong><br />

auch spielerisch sozial interagieren. In der Nacht auf den<br />

29. August 1991 ästen <strong>und</strong> ruhten drei Mutterfamilienverbände<br />

Rotwild sowie ein vierköpfiges Hirschrudel in<br />

verschiedenen Bereichen der Rottwiese. Bereits im ersten<br />

Morgenlicht gegen 05:40 Uhr verlässt der Hirschtrupp die<br />

Wiese. Die drei Weibchenverbände äsen bis gegen<br />

07:00 Uhr im hellen Morgenlicht getrennt an verschiedenen<br />

Orten auf der Wiese, ziehen dabei aufeinander<br />

zu <strong>und</strong> wieder voneinander weg, ohne dabei sichtlich<br />

Kontakt miteinander aufzunehmen. Schließlich äsen<br />

zwei Gruppen in Waldrandnähe, die dritte Gruppe – ein<br />

Familienverband aus Alttier <strong>und</strong> Kalb − mitten auf der

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