Download - Institut für Tierökologie und Naturbildung
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7 Zusammenfassung<br />
Das Wildschutzgebiet Kranichstein ist heute eines von<br />
zwei in Hessen noch bestehenden Wildschutzgebieten.<br />
Es liegt am Rande des Rhein-Main-Tieflandes im<br />
Übergang zum Odenwald nordöstlich von Darmstadt.<br />
Bereits seit dem frühen Mittelalter als herrschaftliches<br />
Jagdgebiet genutzt, wurde das Gebiet 1955 im Zuge der<br />
Abgrenzung von definierten Rotwildgebieten in Hessen<br />
<strong>und</strong> zunehmender Verkehrsdichten in seiner heutigen<br />
Größe durch ein Außengatter gezäunt <strong>und</strong> zum Wildschutzgebiet<br />
gemäß §22 HJG erklärt. Im Jahr 1991 wurde<br />
durch die Oberste Jagdbehörde des Landes Hessen in<br />
Zusammenarbeit mit dem Forstamt Darmstadt <strong>und</strong> der<br />
Forschungsstelle <strong>für</strong> Jagdk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Wildschadenverhütung<br />
in Bonn ein langfristig angelegtes Forschungsprojekt<br />
zur Wechselwirkung Schalenwild <strong>und</strong> Vegetation in<br />
Auftrag gegeben.<br />
Die Schwerpunkte der Untersuchungen betreffen<br />
Bestand, Raumnutzung <strong>und</strong> Verhalten des Wildes, den<br />
Wildeinfluss auf die Wald- <strong>und</strong> Wiesenflächen hinsichtlich<br />
Verbiss <strong>und</strong> Schwarzwildumbruch, weitere Einflussfaktoren<br />
wie Witterung, Insektenkalamitäten, Boden,<br />
Lichtzufuhr, das Nahrungsangebot durch Knospentriebäsung<br />
nach forstlichen Hiebsmaßnahmen <strong>und</strong> nicht<br />
zuletzt Äsungsbeliebtheit <strong>und</strong> Verjüngung der verschiedenen<br />
Baumarten, insbesondere Eiche, Rotbuche <strong>und</strong><br />
Hainbuche. Im Ergebnisteil werden Bestandssituation<br />
<strong>und</strong> -entwicklung in den Wald- <strong>und</strong> Wiesengesellschaften<br />
im neunjährigen Untersuchungszeitraum beschrieben,<br />
wobei die Wirkungen verschiedenartiger Ökofaktoren<br />
beleuchtet werden. Die Schlussfolgerungen betreffen<br />
den Einfluss der Schalenwildarten auf die Wald- <strong>und</strong><br />
Wiesenvegetation, prognostizieren deren zukünftige<br />
Entwicklung <strong>und</strong> empfehlen Ziele <strong>für</strong> die Pflege <strong>und</strong><br />
Entwicklung der schutzwürdigen Flächen im Gebiet.<br />
Aus den Erfahrungen in Kranichstein werden Empfehlungen<br />
zur Wildbewirtschaftung in anderen Gebieten<br />
abgeleitet.<br />
Das Untersuchungsgebiet<br />
Das unweit der Stadt Darmstadt nordöstlich liegende<br />
Wildschutzgebiet Kranichstein befindet sich im südwestlichen<br />
Teil des Naturraumes „Messeler Hü gelland“, der<br />
naturräumlich schon zum Rhein-Main-Tiefland gehört<br />
<strong>und</strong> auch als hügelige nördliche Fortsetzung des Odenwaldes<br />
verstanden wird. Das Gebiet liegt in der kolli nen<br />
Höhenstufe bei etwa 150 bis 180 m ü. NN <strong>und</strong> hat eine<br />
Größe von 513,1 ha. Davon sind 86% als Waldflächen<br />
<strong>und</strong> 10% als Waldwiesen anzusprechen. Die Sturmwurfereignisse<br />
des Jahres 1990 haben zur starken Ausbreitung<br />
der vorher nur kleinflächig vorhandenen Waldverlichtungsgesellschaften<br />
geführt. Das Wildschutzgebiet<br />
ist Bestandteil des Fauna-Flora-Habitat-Gebietes „Kranichsteiner<br />
Wald mit Hegbachaue, Mörsbacher Gr<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> Silzwiesen“ (FFH-Gebiet 6018-305, Flächengröße<br />
2.130 ha) mit zahlreichen geschützten Lebensraumtypen<br />
<strong>und</strong> bestandsbedrohten Pflanzen- <strong>und</strong> Tierarten.<br />
Als Relikt der ehemaligen Rothirschpopulation der<br />
Rheinniederung beherbergt es heute das einzige noch<br />
existierende Tieflandvorkommen an Rotwild in Hessen.<br />
Neben Rotwild leben hier Rehwild <strong>und</strong> Schwarzwild.<br />
Damwild wurde 1981 als vierte Schalenwildart eingebürgert.<br />
Naturnahe Laubwälder, vornehmlich Eichen- <strong>und</strong><br />
Buchenwälder, <strong>und</strong> große artenreiche Wald wiesen kennzeichnen<br />
das Gebiet. Für die Forschung an Wildtieren in<br />
Beziehung zu ihrem Lebensraum, eine der wesentlichen<br />
Zielsetzungen von Wildschutzgebieten, bietet das Wildschutzgebiet<br />
Kranichstein ideale Voraussetzungen.<br />
Die forstliche Nutzung ist seit dem Mittelalter durch<br />
die Förderung der Eiche gekennzeichnet. Im spätmittelalterlichen<br />
Wildpark Kranichstein wirkte die phasenweise<br />
extrem überhöhte Wilddichte zeitweise wie eine intensive<br />
Waldweide, was unter weitgehendem Verzicht auf<br />
eine geregelte forstliche Nutzung zu hutewaldähnlichen<br />
Waldbildern mit alten Rotbuchen <strong>und</strong> Stiel- <strong>und</strong> Traubeneichen<br />
führte. Dies begünstigte vor allem auch die<br />
Hainbuche, während andere äsungsbeliebte Baumarten<br />
wie Esche, Flatterulme <strong>und</strong> Elsbeere im Gebiet relativ<br />
selten waren <strong>und</strong> sind. Nadelgehölze wurden – vorwiegend<br />
als Deckung <strong>für</strong> das Wild kleinflächig bis 1990<br />
gepflanzt, dabei vorwiegend Fichte <strong>und</strong> Waldkiefer, selten<br />
auch Lärche. Aus forstlich-ökologischer Sicht ist im Wildschutzgebiet<br />
heute infolge der konsequenten Anpassung<br />
der Wildbestände an die Tragfähigkeit des Lebensraumes<br />
die Mehrschichtigkeit zahlreicher Waldbestände<br />
hervorzuheben. Laut Gutachten der Forsteinrichtung<br />
liegt der Anteil der drei- <strong>und</strong> mehrschichtigen Bestände<br />
bei 63%, derjenige der einschichtigen Reinbestände nur<br />
bei 1%. Infolge langjähriger Förderung der Eiche <strong>und</strong><br />
Gewährleistung relativ lichter Bestandsverhältnisse ist<br />
die Baumartenvielfalt im Gebiet hoch: Mehr als 80%<br />
der Bestände weisen mindestens vier Baumarten auf. Von<br />
Natur aus würde schattiger Hainsimsen-Buchenwald <strong>und</strong><br />
die Rotbuche als Hauptbestandsbildner in weitgehend<br />
baumartenarmen Beständen den größten Teil des Gebietes<br />
beherrschen. Die Bestockungsverhältnisse zeigen vor<br />
allem im Altersklassenbild das Vorherrschen der Eiche<br />
(62% der Bestandsklassen) <strong>und</strong> den hohen Anteil von<br />
Altbeständen.