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192 Bei ungewöhnlich kalten Temperaturen ab Mitte Dezember 1996 von –15° C bis –18° C und Schneehöhen bis 30 cm hatte das Schalenwild seine Aktivität erheblich reduziert. Es waren im gesamten Gebiet Kranichstein so gut wie keine Fährten zu beobachten (gar keine Rot- und Schwarzwildfährten, wenige Dam- und Rehwildfährten). Unter anderen Voraussetzungen (offener Wildlebensraum ohne Außenzaun) wäre eine Abwanderung des Rotwildes angenommen worden. So war jedoch bekannt, dass die Tiere ihre Aktivität kleinsträumig begrenzt hatten * ; Eichen- und Buchenmast fehlten, jedoch lag durch den bereits betätigten Holzeinschlag ausreichend Knospenäsung vor; gefüttert wurde nicht. Durch die Bewegungsjagd am 10.01.1997 wurden alle Hirscharten schließlich so stark beunruhigt, vor allem aber das Rotwild, dass nachfolgend eine anhaltende deutlich erhöhte Aktivität über den gesamten weiteren Verlauf des Winters beobachtet wurde. * Im Anschluss an die Jagd erfolgte eine Schneefährtung, die die Raumnutzung und Ruhelager des Rotwildes in den Tagen vor der Jagd nachvollzog. Anhaltende und/oder gravierende Störungen provozieren im Winter erhebliche Energieverluste und machen dadurch eine gesteigerte Äsungsaufnahme notwendig. In der Folge können Winterverbiss an den Gehölzen bzw. die Winterschäle erheblich zunehmen (Petrak 1996). Vor allem die Fichte, die sich im Winter wesentlich leichter als die Buche schälen lässt, ist dann erheblich durch Winterschälungen bedroht (Simon 2003). Ausreichend Naturäsung ohne Winterfütterung In den klimatisch milden Randlagen des Rhein-Main- Tieflandes bei kollinen Höhenlagen von 150180m über NN verläuft der Winter im Messeler Hügelland weniger hart als in den Mittelgebirgen. Die durchschnittlichen Lufttemperaturen betragen im Januar 0,5° C. An höchstens 15 Tagen im Jahr lag im Durchschnitt der letzten 10 Jahre eine geschlossene Schneedecke von 10 cm Höhe. Der erste Frühfrost fällt auf den 1. Dezember, der letzte Spätfrost auf den 9. April. Damit ist die Anzahl der Frost- und Schneetage sowie die Schneehöhe geringer als im Mittelgebirge. Die Vegetationsperiode beginnt am 25. April und endet am 15. Oktober (Dauer: 165 Tage). Definiert wird die Vegetationsperiode dabei durch eine mittlere Tagestemperatur von 10° C. In Kranichstein beginnt die Vegetationsperiode folglich zwei bis drei Wochen früher als z.B. in den Höhenlagen der nordhessischen Mittelgebirge, die Bodenvegetation ist infolge nur weniger bzw. fehlender Schneetage auch im Winter meist uneingeschränkt erreichbar, die Brombeere als bedeutende Winteräsungspflanze bietet quantitativ wie qualitativ eine hervorragende Äsung. Diese im Gebiet bedeutendste Äsungspflanze erlitt seit 1990 nur in zwei Wintern stärkere Rückgänge durch Frost. Insgesamt gelang der Brombeere jedoch, bedingt durch die Sturmwurfereignisse 1990 im gesamten Gebiet eine starke Ausbreitung, an der auch die frostbedingten kurzzeitigen Rückgänge nichts änderten. Damit haben sich die Äsungsverhältnisse bei klimatisch zunehmend milderen Wintermonaten seit 1990, deutlich verbessert. Neben der Brombeere bieten vor allem die wintergrünen Blätter der Rasenschmiele und der Winkelsegge, die Wedel des Dornfarns und die trockenen Blätter des Pfeifengrases neben Eicheln, Rothirsche drosseln im Winter ihren Stoffwechsel, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Schneereiche Winter sind in Kranichstein die große Ausnahme. Schwarzwildwechsel bei einer Schneelage von 0,5 Meter.

193 Bucheckern und Gehölztrieben die hauptsächliche Winteräsung in den Waldbeständen. Im zeitigen Frühjahr mit der Buschwindröschenblüte sind die neu austreibenden Blätter der Weißen Hainsimse, der Waldhainsimse, des Pfeifengrases und der Rasenschmiele neben den Wiesengräsern und -kräutern eine besonders begehrte Äsung. Die Naturäsung ist in Kranichstein in den Wintermonaten vollkommen ausreichend. Eine entscheidende Rolle spielt dabei jedoch die waldbauliche Gestaltung der Waldbestände (vgl. Kap. 4.5; Kap. 4.6; Kap. 5.1; Kap. 5.6), die Jagdruhe (vgl. Kap. 5.7), die Wegeführung und Lebensraumberuhigung (vgl. Kap. 5.1; Kap. 5.6). Der Winterverbiss an den Gehölzen gefährdet die waldbaulichen Ziele nicht (vgl. Kap. 4.3; Kap. 5.1; Kap. 5.3; Kap. 5.6). Auf eine Winterfütterung wird daher seit 1991 verzichtet. Anbieten würde es sich, das Heu der kleineren Wiesen, die nicht an Pferdehalter verpachtet sind, in den Waldsäumen entlang dieser Wiesen nach der Mahd aufzuständern. Das Heu besitzt eine gute Qualität, wird jedoch in der Regel nur in frostreichen Phasen von Rot- und Damwild angenommen. Jagd an Wildwiesen: Jagdruhe oder Schwerpunktabschuss? In der Mehrzahl der Hochwildreviere wird der Abschuss vor allem an Wildwiesen im Wald erfüllt. Hieraus ist inzwischen in nicht wenigen Revieren ein massiver Konflikt erwachsen. Ursprünglich wurden Wildwiesen mit dem Ziel angelegt, vor allem dem Rotwild in ungestörten Einständen auch während des Tages eine ausreichende Äsungsaufnahme zu ermöglichen und so Verbiss- und Schälschäden in den umliegenden Waldbeständen zu vermeiden oder zumindest zu verringern. Der Jagddruck auf Rotwild auf solchen Wildwiesen und die gleichzeitige jagdliche Nutzung vieler dieser Äsungsflächen als Kirrstelle für Schwarzwild haben erhebliche Störwirkungen in den Einständen, vor allem durch die nächtliche Ansitzjagd auf Schwarzwild mitverursacht (Simon & Kugelschafter 1998). Störwirkungen in der Nacht von 300500 m um die Kirrstelle sind eher die Regel als die Ausnahme (Petrak 1996). Um den eigentlichen Zweck von Wildwiesen, nämlich die weitgehend ungestörte Äsungsaufnahme, zu realisieren, muss zumindest an einigen Wildwiesen Jagdruhe gelten, vor allem aber müssen die Kirrstellen in die Peripherie bzw. außerhalb der Einstandsgebiete gelegt werden. Grundsätzlich ist dabei die Notwendigkeit und Anzahl von Kirrstellen selbstkritisch zu überprüfen. Die Anlage der Kirrstellen sollte im Übrigen in Abstimmung mit den jagdlichen Nachbarn erfolgen, um effektive Jagdstrecken zu erreichen und unnötige Konflikte zu vermeiden (vgl. Simon & Lieser 2004). Hessen hat vor dem Hintergrund dieser Problematik im Oktober 2005 mit einer geänderten Verordnung zur Wildfütterung reagiert und begrenzt die Zahl der Kirrstellen in Rotwildgebieten durchschnittlich auf eine Kirrstelle pro angefangene 250 ha bejagbare Fläche und empfiehlt die Einrichtung abseits der Äsungsflächen (HMULV 2006). Im Rahmen der Jagdreviergestaltung gilt in Waldrevieren die Empfehlung, auf mindestens 2% der Revierfläche Wildwiesen zu unterhalten (Petrak 2000; Ueckermann 1981; Ueckermann & Scholz 1988). Im Wildschutzgebiet Kranichstein umfassen Wiesen 10% des Lebensraumes. Insgesamt verteilen sich 13 unterschiedlich große Wiesen mit einer Gesamtfläche von 52 ha im Wildschutzgebiet. Einige wenige Wiesen werden bejagt, andere Wiesen sind gleichzeitig konsequent behandelte jagdliche Ruhezonen. Tabelle 82: Die Wiesen im Wildschutzgebiet Kranichstein Wiese Flächengröße [ha] Rottwiese 13,4 Kernwiese 10,9 Hengstriedwiese 6,9 Kühruhwiese 6,5 Kuhhirtswiese 2,1 Spittalwiese 2,0 Stadtförsterwiese 1,7 Höllwiese 1,8 Wannemacherwiese 1,0 Ganswiese 0,9 Hammenhanswiese 0,7 Schwarzwiese 0,6 Rotsuhlwiese 0,3 Auf einer Waldwiese tagsüber äsendes und ruhendes Damwild.

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Bei ungewöhnlich kalten Temperaturen ab Mitte Dezember<br />

1996 von –15° C bis –18° C <strong>und</strong> Schneehöhen bis<br />

30 cm hatte das Schalenwild seine Aktivität erheblich<br />

reduziert. Es waren im gesamten Gebiet Kranichstein so<br />

gut wie keine Fährten zu beobachten (gar keine Rot- <strong>und</strong><br />

Schwarzwildfährten, wenige Dam- <strong>und</strong> Rehwildfährten).<br />

Unter anderen Voraussetzungen (offener Wildlebensraum<br />

ohne Außenzaun) wäre eine Abwanderung des Rotwildes<br />

angenommen worden. So war jedoch bekannt, dass<br />

die Tiere ihre Aktivität kleinsträumig begrenzt hatten * ;<br />

Eichen- <strong>und</strong> Buchenmast fehlten, jedoch lag durch den<br />

bereits betätigten Holzeinschlag ausreichend Knospenäsung<br />

vor; gefüttert wurde nicht.<br />

Durch die Bewegungsjagd am 10.01.1997 wurden alle<br />

Hirscharten schließlich so stark beunruhigt, vor allem aber<br />

das Rotwild, dass nachfolgend eine anhaltende deutlich<br />

erhöhte Aktivität über den gesamten weiteren Verlauf des<br />

Winters beobachtet wurde.<br />

*<br />

Im Anschluss an die Jagd erfolgte eine Schneefährtung, die die<br />

Raumnutzung <strong>und</strong> Ruhelager des Rotwildes in den Tagen vor der<br />

Jagd nachvollzog.<br />

Anhaltende <strong>und</strong>/oder gravierende Störungen provozieren<br />

im Winter erhebliche Energieverluste <strong>und</strong> machen<br />

dadurch eine gesteigerte Äsungsaufnahme notwendig.<br />

In der Folge können Winterverbiss an den Gehölzen bzw.<br />

die Winterschäle erheblich zunehmen (Petrak 1996). Vor<br />

allem die Fichte, die sich im Winter wesentlich leichter als<br />

die Buche schälen lässt, ist dann erheblich durch Winterschälungen<br />

bedroht (Simon 2003).<br />

Ausreichend Naturäsung ohne Winterfütterung<br />

In den klimatisch milden Randlagen des Rhein-Main-<br />

Tieflandes bei kollinen Höhenlagen von 150180m über<br />

NN verläuft der Winter im Messeler Hügelland weniger<br />

hart als in den Mittelgebirgen. Die durchschnittlichen<br />

Lufttemperaturen betragen im Januar 0,5° C. An höchstens<br />

15 Tagen im Jahr lag im Durchschnitt der letzten 10<br />

Jahre eine geschlossene Schneedecke von 10 cm Höhe.<br />

Der erste Frühfrost fällt auf den 1. Dezember, der letzte<br />

Spätfrost auf den 9. April. Damit ist die Anzahl der<br />

Frost- <strong>und</strong> Schneetage sowie die Schneehöhe geringer<br />

als im Mittelgebirge. Die Vegetationsperiode beginnt am<br />

25. April <strong>und</strong> endet am 15. Oktober (Dauer: 165 Tage).<br />

Definiert wird die Vegetationsperiode dabei durch eine<br />

mittlere Tagestemperatur von 10° C. In Kranichstein<br />

beginnt die Vegetationsperiode folglich zwei bis drei<br />

Wochen früher als z.B. in den Höhenlagen der nordhessischen<br />

Mittelgebirge, die Bodenvegetation ist infolge nur<br />

weniger bzw. fehlender Schneetage auch im Winter meist<br />

uneingeschränkt erreichbar, die Brombeere als bedeutende<br />

Winteräsungspflanze bietet quantitativ wie qualitativ<br />

eine hervorragende Äsung. Diese im Gebiet bedeutendste<br />

Äsungspflanze erlitt seit 1990 nur in zwei Wintern<br />

stärkere Rückgänge durch Frost. Insgesamt gelang der<br />

Brombeere jedoch, bedingt durch die Sturmwurfereignisse<br />

1990 im gesamten Gebiet eine starke Ausbreitung,<br />

an der auch die frostbedingten kurzzeitigen Rückgänge<br />

nichts änderten. Damit haben sich die Äsungsverhältnisse<br />

bei klimatisch zunehmend milderen Wintermonaten seit<br />

1990, deutlich verbessert. Neben der Brombeere bieten<br />

vor allem die wintergrünen Blätter der Rasenschmiele<br />

<strong>und</strong> der Winkelsegge, die Wedel des Dornfarns <strong>und</strong><br />

die trockenen Blätter des Pfeifengrases neben Eicheln,<br />

Rothirsche drosseln im Winter ihren Stoffwechsel, um<br />

möglichst wenig Energie zu verbrauchen.<br />

Schneereiche Winter sind in Kranichstein die große<br />

Ausnahme. Schwarzwildwechsel bei einer Schneelage<br />

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