Download - Institut für Tierökologie und Naturbildung
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Wechselwirkungen zwischen Schalenwild <strong>und</strong> geschützten<br />
Tierarten in den FFH-Gebieten „Mönchbruch“ <strong>und</strong><br />
„Heidelandschaft“<br />
Zwanzig Kilometer nordwestlich des Wildschutzgebietes liegt ein weiterer wildökologisch umfassend untersuchter<br />
Lebensraum im Rhein-Main-Tiefland, der 3.200 ha umfassende Mönchbruch bei Mörfelden <strong>und</strong> Rüsselsheim im Kreis<br />
Groß-Gerau. Im dortigen Gebiet wurden in den Jahren 2002–2004 aufgr<strong>und</strong> der hessenweit bedeutsamen Feuchtwiesen,<br />
Heideflächen <strong>und</strong> alten Laubwälder insgesamt drei FFH-Gebiete mit einer Gesamtfläche von ca. 1.900 ha gemeldet.<br />
Die Wildbestände an Damwild <strong>und</strong> Schwarzwild sind vergleichsweise hoch. Im Rahmen vergleichender wildökologischer,<br />
vegetationsk<strong>und</strong>licher <strong>und</strong> faunistischer Untersuchungen wurde eine starke Ausbreitung in Hessen selten<br />
gewordener Amphibienarten wie Springfrosch, Laubfrosch, Kreuzkröte <strong>und</strong> Kammmolch sowie außergewöhnlich hohe<br />
Brutpaardichten der in Hessen sehr selten gewordenen Offenland-Bodenbrüter Schwarzkehlchen <strong>und</strong> Heidelerche<br />
dokumentiert (Goebel & Simon 1998; Goebel et al. 2000; Simon & Goebel 1999). Trotz einer über Jahre hohen Wildschweinpopulation<br />
– in den Jahren 1987/88 bis 1996/97 wurden im Jahresmittel 338 Stück (!) Schwarzwild auf 3.250 ha<br />
Wald- <strong>und</strong> Offenlandflächen erlegt, die höchsten Jahresabschüsse lagen bei 450 Stück Schwarzwild –, war eine deutliche<br />
Ausbreitung von Springfrosch, Laubfrosch <strong>und</strong> Kreuzkröte sowie eine Bestandszunahme in den Brutpaaren von<br />
Schwarzkehlchen <strong>und</strong> Heidelerche zu beobachten. Laubfrosch <strong>und</strong> Springfrosch besitzen im Mönchbruch heute ihre<br />
hessenweit vermutlich stärksten Populationen, verteilt auf zahlreiche Laichgewässer (Goebel & Simon 1998; Goebel et<br />
al. 2000). Das Schwarzkehlchen ist mit 42 Brutpaaren <strong>und</strong> die Heidelerche mit 27 Brutpaaren dokumentiert. Als weitere<br />
Bodenbrüter sind die Bekassine mit mindestens 18 Brutpaaren, der Wiesenpieper mit 7–8 Brutpaaren, die Feldlerche<br />
mit 25 Brutpaaren <strong>und</strong> der Feldschwirl mit 18–22 Brutpaaren in den Jahren 2000 bis 2002 nachgewiesen (Forschungsinstitut<br />
Senckenberg 2002).<br />
Die hohe Artenvielfalt sowie das Vorkommen zahlreicher seltener Arten war dort vor allem auf eine über Jahre<br />
andauernde <strong>und</strong> positive Lebensraumgestaltung durch das Forstamt zurückzuführen.<br />
Wildschweine <strong>und</strong> Tagfalter<br />
Die Heidelandschaft ist eine r<strong>und</strong> 100 Hektar große, durch Binnendünen reich strukturierte Offenlandschaft inmitten<br />
eines 50 km² umfassenden Waldgebietes im Kreis Groß-Gerau, zu dem auch der bereits erwähnte Mönchbruch zählt.<br />
Die hohe naturschutzfachliche Wertigkeit des Gebietes führte 2002 mit den umgebenden bodensauren Eichen-Mischwäldern<br />
zur Ausweisung als FFH-Gebiet. Die Bestandsdichten von Wildschwein <strong>und</strong> Damhirsch sind im Gebiet bemerkenswert<br />
hoch (Goebel & Simon 1998a; Simon 2002). Für Wildschweine bedeuten die verschiedenen Vegetationstypen<br />
der Heidelandschaft während der Geburt der Frischlinge <strong>und</strong> Jungenaufzucht Deckung <strong>und</strong> Nahrung. Die kleinen<br />
Stillgewässer werden zum Suhlen <strong>und</strong> Wasserschöpfen regelmäßig aufgesucht. Weibliche Damhirsche setzen hier ihre<br />
Kälber, kopfstarke Damhirschrudel beäsen in hoher Intensität ganzjährig die Vegetation. Während der Brunft ist das<br />
Gebiet einer der am stärksten von Hirschen belaufenen Hauptbrunftplätze.<br />
Einjährige Bodenw<strong>und</strong>en mit lückiger, niedrigwüchsiger Vegetation, verursacht durch Bodenwühlen <strong>und</strong> Tritt, sind<br />
so ideale Eiablagehabitate <strong>für</strong> verschiedene Tagfalterarten.<br />
– Offene Bodenstellen mit einzeln wachsenden Pflanzen des Kleinen Sauerampfers sind ideale Eiablagehabitate<br />
<strong>für</strong> den Kleinen Feuerfalter. Gleichermaßen günstig werden die Entwicklungshabitate des Gemeinen Ampfer-<br />
Grünwidderchens durch Wühlstellen der Wildschweine beeinflusst.<br />
– Regelmäßig umgebrochene Flächen mit einjährigen Pflanzenarten sind Entwicklungshabitate <strong>für</strong> zwei weitere<br />
Tagfalterarten: Der Kleine Perlmutterfalter ist auf das Ackerstiefmütterchen als Raupenfutterpflanze angewiesen,<br />
der Dunkelblaue Bläuling lebt auf dem Reiherschnabel <strong>und</strong> kleinwüchsigen Storchschnabel-Arten. Durch die<br />
Wühltätigkeit der Wildschweine auf alten Wildäckern wird die Samenbank der ehemals auf dem Acker häufigen<br />
Pflanzenarten aktiviert. Die nach Umbruch aufwachsenden Jungpflanzen dienen dann zur Eiablage.<br />
Der Einfluss des Bodenwühlens der Wildschweine auf Flora <strong>und</strong> Fauna der Heidelandschaft bedeutet – vergleichbar<br />
mit den Ergebnissen in Kranichstein – aus synökologischer Sicht, infolge einer Beschleunigung dynamischer Prozesse<br />
<strong>und</strong> eines Mosaiks neu entstandener Habitate, eine Bereicherung des Lebensraumes. Die außerordentlich hohe Artenvielfalt<br />
der Heidelandschaft ist durch umfassende vegetationsk<strong>und</strong>liche <strong>und</strong> faunistische Untersuchungen detailliert<br />
dokumentiert (Goebel et al. 2000; Forschungsinstitut Senckenberg 2002).