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Download - Institut für Tierökologie und Naturbildung

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Nur wenige Kilometer von der Rottwiese entfernt liegt außerhalb des Wildschutzgebietes, noch in den Grenzen<br />

desselben FFH-Gebietes, das NSG der Silzwiesen (siehe auch Hohmann et al. 2002). Auf den dortigen Wiesen wächst<br />

ebenfalls ein beachtliches Vorkommen der Sibirischen Schwertlilie. Rehe, Damhirsche <strong>und</strong> Wildschweine beäsen<br />

die Wiesen regelmäßig; Rothirsche leben dort nicht. Im Rahmen der vegetationsk<strong>und</strong>lichen Bestandsaufnahme des<br />

Naturschutzgebietes wurden im Juni 1998 die Blütenstände der Schwertlilie gezählt <strong>und</strong> auf Verbiss begutachtet. Von<br />

insgesamt 1.764 angelegten Blüten waren bereits 296 abgeblüht <strong>und</strong> hatten vitale Fruchtknoten ausgebildet (Vegetations-<br />

<strong>und</strong> Verbissaufnahme vom 17.06.1998). 1.412 Blüten <strong>und</strong> Fruchtknoten waren von Schnecken, Zikaden, Schwärmerraupen,<br />

Blatthornkäfer <strong>und</strong> Rüsselkäfer angefressen. Besonders zahlreich war die Bernsteinschnecke beim Fraß an<br />

den Blütenständen zu beobachten. Weitere 56 Blüten waren in unversehrter Vollblüte. Insgesamt kamen 1998 80% der<br />

Blüten infolge Schnecken- <strong>und</strong> Insektenfraß nicht zur Fruchtreife. Der Fortbestand der Sibirischen Lilie war dennoch<br />

nicht gefährdet. Wildverbiss war nur an einzelnen Blütenständen erkennbar.<br />

Das Fallbeispiel der Sibirischen Schwertlilie zeigt, dass besonders auffällige <strong>und</strong> schmackhafte Arten der Wiesengesellschaften<br />

zahlreichen Fraßeinflüssen unterliegen. Der Schalenwildverbiss ist nur einer dieser Einflussfaktoren <strong>und</strong><br />

bedeutete im geschilderten Fallbeispiel keinen „Schaden“.<br />

„Streitfall“ Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica)<br />

Konflikte zwischen Naturschutz <strong>und</strong> Wildbewirtschaftung führten im Rheingau-Taunusgebirge in Hessen zu einer vegetationsk<strong>und</strong>lich-wildbiologischen<br />

Studie auf den vegetationsk<strong>und</strong>lich wie jagdlich bedeutsamen Waldwiesen der Naturschutzgebiete<br />

„Steigwiesen <strong>und</strong> Guntal bei Presberg“ (Goebel et al. 1997; Simon & Goebel 1998). Infolge eines dort über Jahre<br />

anhaltenden Konfliktes zwischen Naturschutzverbänden <strong>und</strong> Forst- <strong>und</strong> Jagdbehörden, welchen Einfluss das Rotwild auf<br />

das Vorkommen seltener Pflanzenarten der Waldwiesen hat (insbesondere der Sibirischen Schwertlilie), wurden bereits 1990<br />

auf Anordnung des Hessischen Ministeriums <strong>für</strong> Landwirtschaft, Forsten <strong>und</strong> Naturschutz als streitschlichtende Maßnahme<br />

Wildschutzgatter auf der Steigwiese gebaut: Bereiche der Wiesengesellschaft der Kümmelsilgen-Waldbinsen-Pfeifengraswiesen<br />

wurden zum „Schutz“ der Sibirischen Schwertlilie gegen Wildverbiss eingezäunt. Auf den Guntalwiesen wurde auf die<br />

Errichtung von Zäunen verzichtet, der Einfluss des Rotwildes jedoch kritisch beobachtet.<br />

Die Situation im Juni 1997 zeigte auf den Steigwiesen fünf größere Schwertlilienvorkommen innerhalb der Zäune <strong>und</strong><br />

zwei kleinere Vorkommen außerhalb. Die größten Vorkommen an Iris sibirica wuchsen 1997 jedoch auf den Guntalwiesen<br />

außerhalb des Naturschutzgebietes in den dortigen Kümmelsilgen-Waldbinsen-Pfeifengraswiesen ohne Zaunschutz (Simon<br />

& Goebel 1998).<br />

Überraschenderweise waren auch in den Zaunflächen auf der Steigwiese zahlreiche Blütenstände der Schwertlilie verbissen.<br />

Bei einer näheren Betrachtung der Pflanzen wurde offensichtlich, dass die Mehrzahl der „verbissenen“ Blütenstände auf<br />

der Steigwiese wie auch auf den Guntalwiesen auf den Fraß<br />

von Gehäuseschnecken (Gattung Oxychilus aus der Familie<br />

der Glanzschnecken Zo nitidae) zurückzuführen war (Simon<br />

& Goebel 1998). Über Schneckenfraß an Schwertlilien<br />

wurde bereits von der Rottwiese <strong>und</strong> den Silzwiesen bei<br />

Kranichstein berichtet.<br />

In einem Vergleich auf den Zaunflächen der Steigwiese<br />

konnten im Jahr 1996 mindestens 172 Blütenstände gezählt<br />

werden, 1997 reduzierte sich die Zahl auf 111 Blütenstände,<br />

was einer Reduktion um 36% entspricht. Das Ergebnis<br />

weist auf jahresweise erhebliche Schwankungsbreiten in<br />

der generativen Vermehrung von Iris sibirica auch ohne<br />

Wildeinfluss hin. Bemerkenswert ist zudem vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

der Bewertung des Wildeinflusses, dass das stärkste<br />

Vorkommen der Iris in den am stärksten von Rotwild<br />

frequentierten Bereichen der Guntalwiesen wächst. Trotz<br />

des Schalenwildeinflusses (vor allem durch Beäsung, Tritt<br />

<strong>und</strong> Brunftsuhlen des Rotwildes) zeigt sich hier ein um das<br />

Zehnfache höheres generatives Fortpflanzungspotenzial<br />

als in den seit sieben Jahren durch Zäune geschützten Iris-<br />

Beständen der Steigwiese.<br />

Tabelle 78: Anzahl an Iris sibirica-<br />

Blütenständen* in den Zaunflächen auf der<br />

Steigwiese in den Jahren 1996 <strong>und</strong> 1997<br />

Blütenstände von Iris sibirica im<br />

Wildschutzzaun auf der Steigwiese<br />

Unversehrte Blüten- <strong>und</strong> Fruchtknoten-<br />

Stände im Zaun<br />

Verbissene bzw. abgestorbene Blüten- <strong>und</strong><br />

Fruchtknoten-Stände im Zaun<br />

1996 1997<br />

141 83<br />

31 29<br />

Tabelle 79: Anzahl an Iris sibirica-<br />

Blütenständen* auf den nicht gezäunten<br />

Guntalwiesen im Jahr 1997<br />

Blütenstände von Iris sibirica ohne<br />

Wildschutzzaun auf der Guntalwiese<br />

Unversehrte Blüten- <strong>und</strong> Fruchtknoten-<br />

Stände<br />

Verbissene bzw. abgestorbene Blüten- <strong>und</strong><br />

Fruchtknoten-Stände<br />

1997<br />

820<br />

*<br />

Ein Blütenstand von Iris sibirica besitzt drei bis max. fünf Blüten<br />

bzw. Fruchtknoten.<br />

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