04.11.2013 Aufrufe

Download - Institut für Tierökologie und Naturbildung

Download - Institut für Tierökologie und Naturbildung

Download - Institut für Tierökologie und Naturbildung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

169<br />

„Schnellrestaurant“ Wildacker<br />

Die Wildbewirtschaftung des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts hat vielfach<br />

die hohe Bedeutung artenreicher Waldwiesen <strong>für</strong><br />

eine physiologisch ausgewogene Wildernährung vernachlässigt.<br />

In Orientierung an der landwirtschaftlichen<br />

Viehhaltung wurden Waldwiesen unter landwirtschaftlichen<br />

Aspekten im Sinne einer Ertragssteigerung gedüngt,<br />

umgebrochen <strong>und</strong> mit eiweißreichen Futterpflanzen eingesät.<br />

Artenreiche, zum Teil über Jahrh<strong>und</strong>erte gewachsene<br />

Waldwiesen wurden so zerstört. Konflikte entstanden<br />

dadurch zwischen Naturschutz, Landschaftspflege <strong>und</strong><br />

jagdwirtschaftlich orientierter „klassischer Hege“. Mit<br />

Stickstoff aufgedüngte Wildäcker, nicht selten angelegt auf<br />

ehemals magerem, artenreichem Grünland, sollten helfen,<br />

Verbiss- <strong>und</strong> Schälschäden zu mindern oder sogar zu vermeiden<br />

(vgl. Ueckermann 1960; Ueckermann & Scholz<br />

1988). Die Praxis zeigte, dass solche Wildäcker im Wald<br />

zwar eine hohe Attraktivität <strong>und</strong> Lockwirkung besaßen,<br />

gleichzeitig aber auch Wildkonzentrationseffekte entstanden,<br />

die Wildschäden eher steigen ließen. Mit Wintereinbruch<br />

wurden Wildäcker dem Schalenwild geöffnet, deren<br />

Futterpflanzen so hohe Nähr- <strong>und</strong> Energiegehalte beinhalteten,<br />

dass sie in einer Phase, in der Wildwiederkäuer<br />

ihren Stoffwechsel bereits auf energetische Sparflamme<br />

umgestellt haben (vgl. Arnold et al. 2004; Hofmann 1985,<br />

1995) physiologisch ungeeignet waren. Gleichzeitig glaubte<br />

man, eine ausreichende Zahl an Wildäckern erhöhe die<br />

Lebensraumkapazität <strong>und</strong> erlaube höhere Wildbestände.<br />

Steigender Gehölzverbiss <strong>und</strong> Schälschäden waren die<br />

Folge einer falsch verstandenen Wildhege.<br />

Eine stärkere Orientierung an den naturräumlichen<br />

Gegebenheiten <strong>und</strong> Möglichkeiten, aber auch einer kulturhistorisch<br />

gewachsenen Landschaft <strong>und</strong> ihrer Erhaltung<br />

<strong>und</strong> Pflege nimmt zunehmend Einfluss auf Aspekte<br />

der Wildbewirtschaftung <strong>und</strong> Lebensraumgestaltung. Die<br />

Pflege <strong>und</strong> Wiederherstellung struktur- <strong>und</strong> artenreicher<br />

Waldwiesen im Wildmanagement ist Ausdruck einer neu<br />

verstandenen Hege, die heute vielfältige Möglichkeiten<br />

<strong>für</strong> eine Zusammenarbeit zwischen Naturschutz, Landschaftspflege<br />

<strong>und</strong> Jagdbewirtschaftung bietet (vgl. Goebel<br />

& Simon 1998b; Petrak 1992, 2000; Scherzinger 1996;<br />

Simon & Lieser 2004).<br />

Positiveffekte durch Wildverbiss<br />

Während die Zerstörung artenreicher Wald- <strong>und</strong> Talwiesen<br />

<strong>und</strong> ihre Umwidmung in Wildäcker ökologisch<br />

äußerst kritisch betrachtet werden muss <strong>und</strong> von Seiten<br />

des Naturschutzes zu Recht kritisiert wird, sind naturschutzfachliche<br />

Diskussionen um den negativen Einfluss<br />

von Wildverbiss auf Wiesen nicht immer fachlich f<strong>und</strong>iert.<br />

Vegetationsk<strong>und</strong>liche Studien aus dem Mittelgebirge <strong>und</strong><br />

den Zentralalpen zeigen den positiven Einfluss der Wildwiederkäuer<br />

auf die botanische Vielfalt <strong>und</strong> Stabilität von<br />

Wiesengesellschaften (Goebel et al. 1997; Petrak 1992;<br />

Krüsi et al. 1995).<br />

Für die arnikareichen Goldhaferwiesen <strong>und</strong> Bärwurzdriften<br />

der Nordeifel hebt Petrak (1992) die die Pflege<br />

unterstützende Wirkung des Rotwildverbisses hervor.<br />

Vor allem das Brachfallen ehemals genutzter Wiesen wird<br />

durch den Verbiss der sich rasch ausbreitenden Weichhölzer<br />

verzögert.<br />

Die Bergwiesen im Schweizer Nationalpark in Graubünden<br />

wurden in ihrer Entwicklung über 80 Jahre<br />

nach Einstellung der Almwirtschaft unter dem Einfluss<br />

der Rothirschbeweidung beobachtet (Braun-Blanquet<br />

1931; Krüsi et al. 1995). Aus artenarmen Lägerfluren <strong>und</strong><br />

Fettweiden der damaligen Almwirtschaft in subalpinen<br />

Kostenintensiv bewirtschaftete Monokultur: Mit Rüben <strong>und</strong> Kohl bepflanzter Wildacker in der Eifel (links) <strong>und</strong> eine<br />

extensiv bewirtschaftete artenreiche Waldwiese in Kranichstein (rechts).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!