Download - Institut für Tierökologie und Naturbildung
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„Schnellrestaurant“ Wildacker<br />
Die Wildbewirtschaftung des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts hat vielfach<br />
die hohe Bedeutung artenreicher Waldwiesen <strong>für</strong><br />
eine physiologisch ausgewogene Wildernährung vernachlässigt.<br />
In Orientierung an der landwirtschaftlichen<br />
Viehhaltung wurden Waldwiesen unter landwirtschaftlichen<br />
Aspekten im Sinne einer Ertragssteigerung gedüngt,<br />
umgebrochen <strong>und</strong> mit eiweißreichen Futterpflanzen eingesät.<br />
Artenreiche, zum Teil über Jahrh<strong>und</strong>erte gewachsene<br />
Waldwiesen wurden so zerstört. Konflikte entstanden<br />
dadurch zwischen Naturschutz, Landschaftspflege <strong>und</strong><br />
jagdwirtschaftlich orientierter „klassischer Hege“. Mit<br />
Stickstoff aufgedüngte Wildäcker, nicht selten angelegt auf<br />
ehemals magerem, artenreichem Grünland, sollten helfen,<br />
Verbiss- <strong>und</strong> Schälschäden zu mindern oder sogar zu vermeiden<br />
(vgl. Ueckermann 1960; Ueckermann & Scholz<br />
1988). Die Praxis zeigte, dass solche Wildäcker im Wald<br />
zwar eine hohe Attraktivität <strong>und</strong> Lockwirkung besaßen,<br />
gleichzeitig aber auch Wildkonzentrationseffekte entstanden,<br />
die Wildschäden eher steigen ließen. Mit Wintereinbruch<br />
wurden Wildäcker dem Schalenwild geöffnet, deren<br />
Futterpflanzen so hohe Nähr- <strong>und</strong> Energiegehalte beinhalteten,<br />
dass sie in einer Phase, in der Wildwiederkäuer<br />
ihren Stoffwechsel bereits auf energetische Sparflamme<br />
umgestellt haben (vgl. Arnold et al. 2004; Hofmann 1985,<br />
1995) physiologisch ungeeignet waren. Gleichzeitig glaubte<br />
man, eine ausreichende Zahl an Wildäckern erhöhe die<br />
Lebensraumkapazität <strong>und</strong> erlaube höhere Wildbestände.<br />
Steigender Gehölzverbiss <strong>und</strong> Schälschäden waren die<br />
Folge einer falsch verstandenen Wildhege.<br />
Eine stärkere Orientierung an den naturräumlichen<br />
Gegebenheiten <strong>und</strong> Möglichkeiten, aber auch einer kulturhistorisch<br />
gewachsenen Landschaft <strong>und</strong> ihrer Erhaltung<br />
<strong>und</strong> Pflege nimmt zunehmend Einfluss auf Aspekte<br />
der Wildbewirtschaftung <strong>und</strong> Lebensraumgestaltung. Die<br />
Pflege <strong>und</strong> Wiederherstellung struktur- <strong>und</strong> artenreicher<br />
Waldwiesen im Wildmanagement ist Ausdruck einer neu<br />
verstandenen Hege, die heute vielfältige Möglichkeiten<br />
<strong>für</strong> eine Zusammenarbeit zwischen Naturschutz, Landschaftspflege<br />
<strong>und</strong> Jagdbewirtschaftung bietet (vgl. Goebel<br />
& Simon 1998b; Petrak 1992, 2000; Scherzinger 1996;<br />
Simon & Lieser 2004).<br />
Positiveffekte durch Wildverbiss<br />
Während die Zerstörung artenreicher Wald- <strong>und</strong> Talwiesen<br />
<strong>und</strong> ihre Umwidmung in Wildäcker ökologisch<br />
äußerst kritisch betrachtet werden muss <strong>und</strong> von Seiten<br />
des Naturschutzes zu Recht kritisiert wird, sind naturschutzfachliche<br />
Diskussionen um den negativen Einfluss<br />
von Wildverbiss auf Wiesen nicht immer fachlich f<strong>und</strong>iert.<br />
Vegetationsk<strong>und</strong>liche Studien aus dem Mittelgebirge <strong>und</strong><br />
den Zentralalpen zeigen den positiven Einfluss der Wildwiederkäuer<br />
auf die botanische Vielfalt <strong>und</strong> Stabilität von<br />
Wiesengesellschaften (Goebel et al. 1997; Petrak 1992;<br />
Krüsi et al. 1995).<br />
Für die arnikareichen Goldhaferwiesen <strong>und</strong> Bärwurzdriften<br />
der Nordeifel hebt Petrak (1992) die die Pflege<br />
unterstützende Wirkung des Rotwildverbisses hervor.<br />
Vor allem das Brachfallen ehemals genutzter Wiesen wird<br />
durch den Verbiss der sich rasch ausbreitenden Weichhölzer<br />
verzögert.<br />
Die Bergwiesen im Schweizer Nationalpark in Graubünden<br />
wurden in ihrer Entwicklung über 80 Jahre<br />
nach Einstellung der Almwirtschaft unter dem Einfluss<br />
der Rothirschbeweidung beobachtet (Braun-Blanquet<br />
1931; Krüsi et al. 1995). Aus artenarmen Lägerfluren <strong>und</strong><br />
Fettweiden der damaligen Almwirtschaft in subalpinen<br />
Kostenintensiv bewirtschaftete Monokultur: Mit Rüben <strong>und</strong> Kohl bepflanzter Wildacker in der Eifel (links) <strong>und</strong> eine<br />
extensiv bewirtschaftete artenreiche Waldwiese in Kranichstein (rechts).