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132 4.4.2 Bestandssituation und -entwicklung in den Wiesengesellschaften Die größte und artenreichste Waldwiese in Kranichstein ist die Rottwiese. Hochgradig schutzwürdige und hessenweit sehr seltene Pflanzengesellschaften prägen das Vegetationsbild dieser 13,4 ha großen Wiese. Im Rahmen der vegetationskundlich-wild bio logischen Feldarbeiten im Wildschutzgebiet bot sich hier die einmalige Chance, die Entwicklung der Wiesengesellschaften unter dem Einfluss der Beäsung durch Schalenwild und dem Bodenwühlen durch Wildschweine detailliert zu beobachten. Im Jahr 1992 wurden daher vier Weiserflächen-Paare 90 Mittlere Verweildauer [min] 60 30 0 Hengstriedwiese [N=1175 min] Kernwiese [N=2550 min] Rottwiese [N=1915 min] Stadtförsterwiese [N=195 min] Spittalwiese [N=50 min] Höllwiese [N=245 min] Wiesennutzung durch Schalenwild im Wildschutzgebiet Kranichstein. Anzahl beobachteter Tiere pro Beobachtungsstunde auf den sieben attraktivsten Waldwiesen im Wildschutzgebiet. Grundlage waren 1.473 beobachtete Stück Schalenwild (Rotwild, Damwild, Rehwild) in 402,4 Ansitzstunden in den Monaten Mai bis Oktober. 6 5 Anzahl Tiere / h 4 3 2 1 0 Hengstriedwiese Kernwiese Rottwiese Stadtförsterwiese Spittalwiese Kühruhwiese Kuhhirtswiese Mittlere Verweildauer von weiblichen Rotwildverbänden (Äsen, Wiederkäuen, Ruhen) auf den Waldwiesen in Kranichstein. Grundlage sind 402,4 Ansitzstunden bzw. 102,2 Ansitzstunden mit beobachteten Weibchenrudeln in den Monaten Mai bis Oktober.

133 Tagaktiv äsendes Rudel weiblicher Rothirsche. auf der Rottwiese eingerichtet, die die bedeutendsten Wiesengesellschaften repräsentieren: Feuchte Pfeifengraswiesen Wechselfeuchte Pfeifengraswiesen Wechseltrockene Borstgrasrasen Wechseltrockene, magere Glatthaferwiesen Feuchte Pfeifengraswiesen (Weiserfläche Wi 1) Magere Feuchtwiesen sind charakteristisch für die Wiesen im Wildschutzgebiet Kranichstein und insbesondere für die Rottwiese. Es handelt sich um europaweit stark gefährdete und geschützte Grünland-Lebensräume, die mit ihren Restvorkommen im Wildschutzgebiet Kranichstein ökologisch von außerordentlich hoher Bedeutung und in Hessen allgemein sehr selten geworden sind. Weiserfläche Wi 1 ist beispielhaft für die im subatlantischen Klimabereich vorkommende Kümmelsilgen- Binsen-Pfeifengraswiese (vgl. Goebel 1995). Es handelt sich hier um die typische Ausbildung der Gesellschaft auf ganzjährig feuchten, oligo- bis mesotrophen, sehr basenreichen Standorten mit dem Bodentyp Nassgley aus holozänen Auensedimenten. Hervorzuheben sind zahlreiche Rote-Liste-Arten, die zum Teil auf der Weiserfläche und zum Teil in unmittelbarer Umgebung wachsen (vgl. Tab. 53). Bodenumbruch durch Wildschweine umfasste 1992 5% der ungezäunten A-Parzelle. In den Folgejahren 19931999 war auf der Parzelle zwar regel mäßiges, meist im Herbst auftretendes Stochern und Anwühlen mit der Rüsselscheibe zu beobachten, ein tatsächlicher Bodenumbruch erfolgte jedoch nicht. Schließlich durchwühlten Wildschweine im Frühjahr 2000 80% (!) der A-Parzelle. Als Folge davon haben sich Mengen- bzw. Deckungsgradanteile vieler Pflanzenarten verändert, überraschenderweise jedoch kaum das Artenspektrum: Die meisten Arten waren bei der Sommeraufnahme im Juni 2000 wieder (bzw. noch) präsent. Besonders bemerkenswert war das plötzlich massenhafte Auftreten der stark gefährdeten Natternzunge, die als Pionierpflanze durch den Bodenumbruch der Wildschweine ge fördert worden war und 34 Monate nach dem Umbruch eine Individuendichte von 23 Exemplaren pro m² (!) erreichte. Betrachtet man die Entwicklung in der Intensität der Beäsung sowie den selektiven Verbiss besonders beliebter Arten über den Beobachtungszeitraum von 19922000, so zeigt sich, dass Tabelle 53: Wertgebende Arten der Kümmelsilgen-Binsen-Pfeifengraswiese auf der Rottwiese Sibirische Schwertlilie Natternzunge Färberscharte Kümmelsilge Haarstrang-Wasserfenchel Sumpfstendelwurz Lungenenzian Sumpflöwenzahn Saumsegge Iris si birica Ophioglossum vulgatum Serratula tinctoria Selinum carvifolia Oenanthe peucedanifolia Epipactis palustris Gentiana pneumonanthe Taraxacum palustre agg. Carex hostiana insbesondere Wiesenpflanzen mit proteinreichen Blüten und Fruchtständen bzw. Blättern regelmäßig verbissen wurden, wo bei die höchs ten Verbissgrade mit Äsungsmengenzahlen von 35 an der Sibirischen Schwertlilie beobachtet wurden. Vor allem nach dem Abblühen wurden die Fruchtstände während der Fruchtknotenausbildung selektiv von den Hirscharten beäst. Bereits zur Blütezeit bis zum Zeitpunkt der Fruchtknotenreife wurden die Stengel der Schwertlilie gleichermaßen intensiv von Gehäuseschnecken der Gattung Oxychilus aus der Familie der Glanzschnecken (Zo nitidae) befressen. Die angefressenen Blütenstände knickten unter dem Gewicht der Blüte bzw. des Fruchtknotens ein und brachen schließlich ab. In diesem Zustand war der „durchgeraspelte“ Stengel bei ungenauem Hinsehen mit einem ausgefransten Schalenwildabbiss durchaus zu verwechseln. Im Verlauf bis zum Jahr 2000 zeigte sich in der A-Parzelle, dass die Äsungsmengenzahlen, also die Verbissintensität, in den Jahren 1998 und 2000 erkennbar höher lagen als in den übrigen Jahren. Vor allem im Jahr 2000

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Tagaktiv äsendes Rudel weiblicher Rothirsche.<br />

auf der Rottwiese eingerichtet, die die bedeutendsten<br />

Wiesengesellschaften repräsentieren:<br />

Feuchte Pfeifengraswiesen<br />

Wechselfeuchte Pfeifengraswiesen<br />

Wechseltrockene Borstgrasrasen<br />

Wechseltrockene, magere Glatthaferwiesen<br />

Feuchte Pfeifengraswiesen<br />

(Weiserfläche Wi 1)<br />

Magere Feuchtwiesen sind charakteristisch <strong>für</strong> die Wiesen<br />

im Wildschutzgebiet Kranichstein <strong>und</strong> insbesondere<br />

<strong>für</strong> die Rottwiese. Es handelt sich um europaweit stark<br />

gefährdete <strong>und</strong> geschützte Grünland-Lebensräume, die<br />

mit ihren Restvorkommen im Wildschutzgebiet Kranichstein<br />

ökologisch von außerordentlich hoher Bedeutung<br />

<strong>und</strong> in Hessen allgemein sehr selten geworden sind.<br />

Weiserfläche Wi 1 ist beispielhaft <strong>für</strong> die im subatlantischen<br />

Klimabereich vorkommende Kümmelsilgen-<br />

Binsen-Pfeifengraswiese (vgl. Goebel 1995). Es handelt<br />

sich hier um die typische Ausbildung der Gesellschaft<br />

auf ganzjährig feuchten, oligo- bis mesotrophen, sehr<br />

basenreichen Standorten mit dem Bodentyp Nassgley aus<br />

holozänen Auensedimenten. Hervorzuheben sind zahlreiche<br />

Rote-Liste-Arten, die zum Teil auf der Weiserfläche<br />

<strong>und</strong> zum Teil in unmittelbarer Umgebung wachsen (vgl.<br />

Tab. 53).<br />

Bodenumbruch durch Wildschweine umfasste 1992<br />

5% der ungezäunten A-Parzelle. In den Folgejahren<br />

19931999 war auf der Parzelle zwar regel mäßiges, meist<br />

im Herbst auftretendes Stochern <strong>und</strong> Anwühlen mit der<br />

Rüsselscheibe zu beobachten, ein tatsächlicher Bodenumbruch<br />

erfolgte jedoch nicht. Schließlich durchwühlten<br />

Wildschweine im Frühjahr 2000 80% (!) der A-Parzelle.<br />

Als Folge davon haben sich Mengen- bzw. Deckungsgradanteile<br />

vieler Pflanzenarten verändert, überraschenderweise<br />

jedoch kaum das Artenspektrum:<br />

Die meisten Arten waren bei der<br />

Sommeraufnahme im Juni 2000 wieder<br />

(bzw. noch) präsent. Besonders bemerkenswert<br />

war das plötzlich massenhafte<br />

Auftreten der stark gefährdeten Natternzunge,<br />

die als Pionierpflanze durch<br />

den Bodenumbruch der Wildschweine<br />

ge fördert worden war <strong>und</strong> 34 Monate<br />

nach dem Umbruch eine Individuendichte<br />

von 23 Exemplaren pro m² (!)<br />

erreichte.<br />

Betrachtet man die Entwicklung in<br />

der Intensität der Beäsung sowie den<br />

selektiven Verbiss besonders beliebter<br />

Arten über den Beobachtungszeitraum<br />

von 19922000, so zeigt sich, dass<br />

Tabelle 53: Wertgebende Arten der<br />

Kümmelsilgen-Binsen-Pfeifengraswiese auf<br />

der Rottwiese<br />

Sibirische Schwertlilie<br />

Natternzunge<br />

Färberscharte<br />

Kümmelsilge<br />

Haarstrang-Wasserfenchel<br />

Sumpfstendelwurz<br />

Lungenenzian<br />

Sumpflöwenzahn<br />

Saumsegge<br />

Iris si birica<br />

Ophioglossum vulgatum<br />

Serratula tinctoria<br />

Selinum carvifolia<br />

Oenanthe peucedanifolia<br />

Epipactis palustris<br />

Gentiana pneumonanthe<br />

Taraxacum palustre agg.<br />

Carex hostiana<br />

insbesondere Wiesenpflanzen mit proteinreichen Blüten<br />

<strong>und</strong> Fruchtständen bzw. Blättern regelmäßig verbissen<br />

wurden, wo bei die höchs ten Verbissgrade mit Äsungsmengenzahlen<br />

von 35 an der Sibirischen Schwertlilie<br />

beobachtet wurden. Vor allem nach dem Abblühen wurden<br />

die Fruchtstände während der Fruchtknotenausbildung<br />

selektiv von den Hirscharten beäst. Bereits zur Blütezeit<br />

bis zum Zeitpunkt der Fruchtknotenreife wurden<br />

die Stengel der Schwertlilie gleichermaßen intensiv von<br />

Gehäuseschnecken der Gattung Oxychilus aus der Familie<br />

der Glanzschnecken (Zo nitidae) befressen. Die angefressenen<br />

Blütenstände knickten unter dem Gewicht der<br />

Blüte bzw. des Fruchtknotens ein <strong>und</strong> brachen schließlich<br />

ab. In diesem Zustand war der „durchgeraspelte“ Stengel<br />

bei ungenauem Hinsehen mit einem ausgefransten Schalenwildabbiss<br />

durchaus zu verwechseln.<br />

Im Verlauf bis zum Jahr 2000 zeigte sich in der A-Parzelle,<br />

dass die Äsungsmengenzahlen, also die Verbissintensität,<br />

in den Jahren 1998 <strong>und</strong> 2000 erkennbar höher<br />

lagen als in den übrigen Jahren. Vor allem im Jahr 2000

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