USA - Pictet Perspectives
USA - Pictet Perspectives
USA - Pictet Perspectives
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Horizon<br />
Horizonte<br />
10-jährige<br />
erwartete<br />
Durchschnittserträge,<br />
annualisiert<br />
Juli 2013<br />
MIT INNOVATIONSSCHOCK:<br />
ANSTIEG BIS ZU +3,5%<br />
OHNE INNOVATIONSSCHOCK<br />
10,2%*<br />
6,4%<br />
5,7%<br />
9,2%<br />
6,8%<br />
9,0%<br />
8,0%<br />
8,0%<br />
Aktien EU<br />
Aktien <strong>USA</strong><br />
Aktien Asien<br />
ohne Japan<br />
Private<br />
Equity<br />
Immobilien<br />
Deutsche<br />
Bundesanleihen<br />
Staatsanleihen<br />
<strong>USA</strong><br />
2,5%<br />
2,2%<br />
1,3%<br />
1,0%<br />
3,7%<br />
3.0%<br />
3,6%<br />
3,0%<br />
3.6%<br />
3,6%<br />
3,3%<br />
3,7%<br />
6,9%<br />
7,0%<br />
7,0%<br />
7,3%<br />
Hochzinsunternehmensanleihen<br />
<strong>USA</strong><br />
Hochzinsunternehmensanleihen<br />
EU<br />
Investment-Grade-<br />
Unternehmensanleihen EU<br />
Geldmarkt <strong>USA</strong><br />
Investment-Grade-<br />
Unternehmensanleihen <strong>USA</strong><br />
Erwartete Erträge mit Innovationsschock*<br />
Erwartete Erträge ohne Innovationsschock*
* Durchschnittliche jährliche Nominalerträge, Coupons<br />
und Dividenden einbezogen, in Lokalwährungen<br />
Seite b<br />
Horizonte – Sommer 2013
Eckpfeiler für den Aufbau eines Portfolios<br />
ist die Berechnung der erwarteten Erträge<br />
für die einzelnen Anlagekategorien.<br />
Ein langfristiger Zeithorizont erlaubt<br />
die Berücksichtigung eines möglichen<br />
Innovationsschocks, der zu einem<br />
Regimewechsel führt. Unsere Berechnungen<br />
beziehen sich auf einen<br />
Zeithorizont von 10 Jahren. Für jede<br />
Anlagekategorie berechnen wir zwei<br />
durchschnittliche Jahreserträge, einen mit<br />
und einen ohne Innovationsschock.<br />
Christophe Donay<br />
Verantwortlicher für Asset-Allokation<br />
und Makro-Research
LEITARTIKEL<br />
Die schwierige<br />
Berechnung<br />
langfristiger Erträge<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser<br />
Für langfristige Einschätzungen der<br />
Erträge einzelner Anlagekategorien<br />
bedarf es spezifischer Methoden und<br />
Modelle. Im Vergleich zu traditionelleren<br />
Modellen ist unser Ansatz insofern<br />
originell, als er Wechsel der Wirtschaftsregime<br />
untersucht und berücksichtigt.<br />
Sie bilden sogar die Basis unseres<br />
Ansatzes. Aus der Wirtschaftsgeschichte<br />
kennen wir im Zusammenhang mit<br />
langfristigen Investitionen zwei entscheidende<br />
Prinzipien. Es schien uns richtig,<br />
diese in unsere Projektionsmodelle<br />
einzubeziehen. Das erste Prinzip besagt,<br />
dass fundamentale Veränderungen der<br />
wirtschaftlichen und finanziellen Trends<br />
jedes Jahrzehnt prägen. Die beiden<br />
wichtigsten makroökonomischen<br />
Variablen, welche gemäss unseren<br />
Erkenntnissen die langfristigen Erträge<br />
bestimmen – das reale Wirtschaftswachstum<br />
und die Inflation –, unterliegen<br />
Regimewechseln. Unseres Erachtens<br />
bestimmen diese beiden Variablen das<br />
langfristige Kursverhalten der Anlagen.<br />
Seite 2<br />
Horizonte – Sommer 2013
Wer mit einem konstanten Wirtschaftsregime<br />
rechnet, macht einen grundlegenden<br />
Fehler. Vergessen wir beispielsweise<br />
nicht, dass die Inflation in den<br />
Industrieländern zu Beginn der achtziger<br />
Jahre 10% überstieg. Zwei Jahrzehnte<br />
später war sie deutlich tiefer, stabiler<br />
und schwankte um 2%. Darin spiegelt<br />
sich ein verändertes Inflationsregime<br />
wider. Zweitens haben wir beobachtet,<br />
dass auf das Schlimmste das Beste und<br />
auf das Beste das Schlimmste folgt, eine<br />
logische Abfolge. Anders ausgedrückt<br />
folgt auf eine schlechte wirtschaftliche<br />
Lage ein deutlicher Aufschwung und<br />
umgekehrt. So folgten auf das äusserst<br />
kräftige Wirtschaftswachstum zu Beginn<br />
unseres Jahrtausends die Subprime- und<br />
die europäische Krise sowie der Zusammenbruch<br />
der Aktien- und Obligationenmärkte<br />
in den Peripherieländern der<br />
Euro-Zone. Wir werden im letzten Teil<br />
dieses Textes auf diese spannenden und<br />
überraschenden Elemente zurückkommen.<br />
In dieser ersten Ausgabe wagen<br />
wir es also, eine gute Nachricht anzukündigen:<br />
Nachdem wir die schlimmste<br />
Wirtschafts- und Finanzlage seit dem 2.<br />
Weltkrieg hinter uns haben, liegt das<br />
Beste vor uns.<br />
Auslöser von Regimewechseln sind<br />
Schocks. Gemäss der logischen Abfolge<br />
sind sie einmal positiv und einmal<br />
negativ. Positive Schocks werden sehr<br />
oft durch Innovation ausgelöst. Wir<br />
haben drei Arten von Innovationsschocks<br />
definiert (Technologieschocks<br />
im Sinner radikaler Innovationen, soziale<br />
und gesetzliche Neuerungen, kognitive<br />
Erschütterungen; weitere Einzelheiten<br />
finden Sie auf Seite 10). Für die langfristige<br />
Projektion der Erträge von Anlagekategorien<br />
stützen wir uns auf zwei<br />
Szenarien. Das erste beruht auf einem<br />
Regimewechsel ohne Innovationsschock.<br />
Das zweite rechnet im Laufe des<br />
Jahrzehnts mit einem Innovationsschock.<br />
Je nach Szenario unterscheiden sich die<br />
von den Anlagen erzielten Erträge und<br />
ihre Einstufung. In jeder Ausgabe dieser<br />
Veröffentlichung werden wir einen Teil<br />
potenziellen Innovationsschocks<br />
widmen. In der vorliegenden Ausgabe<br />
befassen wir uns mit Schieferöl und -gas.<br />
Als neue Energiequellen verkörpern sie<br />
möglicherweise den radikalen Innovationsschock<br />
von morgen.<br />
Wir sind überzeugt, dass diese neue<br />
Veröffentlichung auf Ihr Interesse stösst.<br />
Lassen Sie sich für die Planung neuer<br />
Investitionen inspirieren. Viel Spass bei<br />
der Lektüre!<br />
Seite 3
I. Festlegung<br />
des konkreten<br />
Arbeitsrahmens für<br />
die Berechnung<br />
der erwarteten<br />
Erträge der<br />
Anlagekategorien,<br />
Juli 2013<br />
Um den Ertrag der Anlagekategorien für die nächsten<br />
zehn Jahre zu berechnen, haben wir eine Methode<br />
entwickelt, die sich auf den so genannten Risikofaktoransatz<br />
stützt. Für einen strategischen Zeithorizont<br />
brachten unsere Untersuchungen zwei Risikofaktoren<br />
zutage.<br />
Ein Risikofaktor ist eine innerhalb einer Gleichung<br />
zusammen mit anderen Risikofaktoren gewichtete<br />
Variable, mit der sich der erwartete Ertrag einer<br />
Anlage quantifizieren lässt. Unser Ansatz unterscheidet<br />
sich von bekannteren Methoden, unter anderem vom<br />
zu Beginn der neunziger Jahre von Eugene Fama und<br />
Kenneth French entwickelten Dreifaktoren-Modell<br />
(Risikoprämie und zwei weitere anlagenspezifische<br />
Faktoren) oder vom Modell von Mark Carhart vom<br />
Ende der neunziger Jahre, das mit dem „Momentum“<br />
einen vierten Faktor zur Quantifizierung vergangener<br />
Kursveränderungen einbezieht.<br />
Im eigens zu diesem Zweck erstellten Dokument<br />
(Download unter http: //perspectives.pictet.com/<br />
horizon) erklären wir das detaillierte Vorgehen.<br />
Aufgrund unserer Untersuchungen im Rahmen eines<br />
strategischen Ansatzes, also mit einem sehr langfristigen,<br />
zehnjährigen Zeithorizont, konzentrierten wir uns auf<br />
zwei fundamentale Risikofaktoren, also keine Marktfaktoren.<br />
Die in unseren Ertragsberechnungen für alle<br />
Anlagekategorien berücksichtigten zwei Risikofaktoren<br />
sind das reale BIP-Wachstum einer gegebenen Volkswirtschaft<br />
und ihre Inflation.<br />
MATRIX DER WIRTSCHAFTSREGIME<br />
Schwaches Wachstum<br />
w r<br />
=1%<br />
Standard-Wachstum<br />
w r<br />
= 2,5%<br />
Innovationsschock<br />
w r<br />
= 4%<br />
Desinflation<br />
π = 0,5%<br />
Deflationsumfeld<br />
Europa 2010er Jahre<br />
Unwahrscheinlich<br />
Unwahrscheinlich<br />
Standard-Inflation<br />
π = 2%<br />
„Neue Normalität“<br />
<strong>USA</strong> 2000er Jahre<br />
„Goldlöckchen“-Wirtschaft<br />
<strong>USA</strong> 1990er Jahre<br />
Goldene Jahre<br />
<strong>USA</strong> 1980er Jahre<br />
Inflation<br />
π = 4%<br />
Stagflation<br />
<strong>USA</strong> 1970er Jahre<br />
Inflationsumfeld<br />
Schwellenmärkte 1970er Jahre<br />
Überhitztes Umfeld<br />
China 2000er Jahre<br />
Quelle: AA&MR<br />
Seite 4<br />
Horizonte – Sommer 2013
Verwendetes Modell<br />
Im Hinblick auf diese Berechnungen erstellen<br />
wir für die beiden Risikofaktoren, reales<br />
BIP-Wachstum und Inflation, ein Szenario für die<br />
kommenden zehn Jahre. Die Analyse deckt drei<br />
Wirtschaftsregionen ab: Europa, die <strong>USA</strong> und die<br />
Schwellenländer.<br />
Unsere Szenarien für die beiden Risikofaktoren<br />
beruhen auf regimespezifischen Überlegungen.<br />
Den Arbeitsrahmen grenzen wir so mit drei<br />
Regimen realen Wirtschaftswachstums und drei<br />
Inflationsregimen ab. Wir ordnen also eine<br />
gegebene Volkswirtschaft in eine 3x3-Matrix<br />
ein. Theoretisch sind also neun verschiedene<br />
Konstellationen möglich, mit je einem der drei<br />
Regime realen Wirtschaftswachstums und einem<br />
der drei Inflationsregime.<br />
Unsere Ertragsberechnungen der Anlagekategorien<br />
stützen sich also auf die Szenarien, die wir<br />
für die verschiedenen Wachstums- und<br />
Inflationsregime der drei Wirtschaftsregionen<br />
erstellen. Jedes dieser Regime kann sich<br />
natürlich bei Eintreten bzw. Ausbleiben eines<br />
Wirtschaftsschocks verändern. In Japan<br />
beispielsweise könnten die drei Pfeile der neuen<br />
Abenomics genannten Wirtschaftspolitik<br />
(1. extrem expansive Geldpolitik, 2. haushaltspolitische<br />
Stimulierung, 3. Strukturreformen) in den<br />
nächsten zehn Jahren zu einer Veränderung des<br />
Wachstums- und Inflationsregimes führen.<br />
Die Abfolge der Wirtschaftsschocks<br />
Wie im Leitartikel aufgezeigt, hatte jedes<br />
Jahrzehnt seinen positiven oder negativen<br />
Wirtschaftsschock. Nach der Subprime-Krise in<br />
den <strong>USA</strong> und der systemischen Schuldenkrise in<br />
Europa im letzten Jahrzehnt müsste der nächste<br />
Wirtschaftsschock aufgrund der historischen<br />
Abfolge eigentlich sowohl für das Regime des<br />
realen Wachstums als auch für die Inflation<br />
positiv ausfallen. Seiner Art nach dürfte es ein<br />
Innovationsschock werden.<br />
Für einen Innovationsschock gibt es unseres<br />
Erachtens drei mögliche Auslöser. Der erste ist<br />
die Technologie mit Nanotechnologien, den<br />
Neurowissenschaften, Biotechnologie, neuen<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
und dem Schiefergas und -öl. Der zweite betrifft<br />
die Regulierung. Dazu gehören die weltweite<br />
Liberalisierung des Unternehmergeistes und die<br />
Ausbreitung der Demokratie (Bedarf an<br />
wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit und<br />
Gleichbehandlung). Der dritte ist kognitiver Art<br />
und betrifft eine Änderung des geldpolitischen<br />
Stils (von reinen Inflationszielen zur Beeinflussung<br />
des Preisniveaus von Anlageklassen) und<br />
eine neue angebotsorientierte Wirtschaftspolitik.<br />
Um diese Eventualität in der Berechnung der<br />
Erträge der Anlageklassen einzukalkulieren,<br />
haben wir für die Regime des realen Wirtschaftswachstums<br />
und der Inflation zwei mögliche<br />
Entwicklungen berücksichtigt: 1. wahrscheinliche<br />
Regime ohne Innovationsschock und 2.<br />
wahrscheinliche Regime mit Innovationsschock.<br />
In dieser ersten Ausgabe behandeln wir einen<br />
technologischen Schock: Schieferöl und<br />
Schiefergas.<br />
Ohne Innovationsschock: Standardisierung<br />
von Inflation und Wachstum<br />
Um Szenarien der Regime zu entwickeln, in<br />
denen die beiden Risikofaktoren zum Tragen<br />
kommen, müssen wir für die drei Wirtschaftsregionen<br />
ein Anfangs- und ein Endregime<br />
definieren. In unseren Modellen bestimmen die<br />
Anfangsregime die Berechnungen von 2013 bis<br />
2015, die Endregime jene von 2016 bis 2023.<br />
<strong>USA</strong>:<br />
• Anfangsregime: Schwaches Wachstum und<br />
Desinflation. Der annualisierte Wachstumsrhythmus<br />
der US-Wirtschaft bewegte sich um<br />
durchschnittlich 2,0% (in den letzten drei<br />
Jahren) und hat sich im Vorjahresvergleich im<br />
1. Quartal 2013 auf 1,8% verlangsamt. Das<br />
BIP-Wachstum in den <strong>USA</strong> ist gemäss unserer<br />
Definition also als schwach zu bezeichnen.<br />
Die Inflation der grössten Volkswirtschaft ist<br />
seit Anfang 2012 stetig rückläufig und liegt<br />
derzeit unter 2%.<br />
• Endregime: Standardinflation und -wachstum.<br />
Die Signale für ein zusehends selbsttragendes<br />
Wachstum in den <strong>USA</strong> nehmen zu, obwohl die<br />
US-Wirtschaft noch immer von den seit 2008<br />
ergriffenen geld- und haushaltpolitischen<br />
Stimulierungsmassnahmen abhängt. Das Ergebnis<br />
dieser von uns als Normalisierungsprozess<br />
bezeichneten Entwicklung wäre ein gleichzeitiger<br />
Neustart der Zyklen im Immobilien-,<br />
Kredit- und Beschäftigungsbereich. Die<br />
Seite 5
<strong>USA</strong>: REALES BIP-WACHSTUM (12 MONATE GLEITEND)<br />
8 %<br />
6<br />
starke Inflation Grosse Mässigung Grosse<br />
Entschuldung<br />
4<br />
2<br />
0<br />
-2<br />
-4<br />
1960<br />
1962<br />
1964<br />
1966<br />
1968<br />
1970<br />
1972<br />
1974<br />
1976<br />
1978<br />
1980<br />
1982<br />
1984<br />
1986<br />
1988<br />
1990<br />
1992<br />
1994<br />
1996<br />
1998<br />
2000<br />
2002<br />
2004<br />
2006<br />
2008<br />
2010<br />
2012<br />
Quellen: <strong>Pictet</strong> WM - AA&MR, Datastream<br />
US-Wirtschaft dürfte sich also in den Wachstums-<br />
und Inflationsregimen schrittweise<br />
Werten nähern, die wir als Standard bezeichnen<br />
würden: ein jährliches Wachstum von<br />
rund 2,5% und eine Inflation von 2%.<br />
Europa:<br />
• Anfangsregime: Schwaches Wachstum und<br />
Desinflation. Mit einem durchschnittlichen<br />
realen Wirtschaftswachstum von rund 1,5%<br />
über die letzten drei Jahre, einer Prognose in<br />
der Nähe von -1% für 2013 und einer sich auf<br />
knapp 1,5% verlangsamenden Inflation stufen<br />
wir die europäische Wirtschaft in ein Regime<br />
schwachen Wachstums und der Desinflation<br />
ein. Grund sind die Sparmassnahmen, die zur<br />
Sanierung der öffentlichen Haushalte verordnet<br />
wurden. Die europäische Wirtschaft bleibt in<br />
einer Entwicklung gefangen, die wir als Grosse<br />
Divergenz zwischen einer steigenden öffentlichen<br />
Verschuldung und einem sinkenden<br />
Wirtschaftswachstum bezeichnen und die<br />
potenziell in die Zahlungsunfähigkeit ihrer<br />
Staaten münden könnte.<br />
• Endregime: Standardinflation und -wachstum.<br />
Auch für Europa gehen wir von einem<br />
Szenario eines fortschreitenden Normalisierungsprozesses<br />
aus. Die vom EZB-Präsidenten<br />
Mario Draghi Ende Juli 2012 mit den Worten<br />
„um jeden Preis“ bekräftigte Entschlossenheit<br />
und die Ankündigung von OMT (Outright<br />
Monetary Transactions) von Anfang September<br />
führten zu einer signifikanten und<br />
dauerhaften Entspannung der Kapitalmarktzinsen<br />
der Peripherieländer. In den letzten<br />
Monaten wurden auch die mehreren überschuldeten<br />
Ländern auferlegten Austeritätsmassnahmen<br />
gelockert. Im Zuge eines<br />
konjunkturellen Aufschwungs in den <strong>USA</strong><br />
dürfte auch Europa den Weg zu Wachstumsund<br />
Inflationsregimen finden, die wir mit<br />
„Standard“, d.h. nahe bei 2,5% bzw. 2%,<br />
bezeichnen würden.<br />
Seite 6<br />
Horizonte – Sommer 2013
Schwellenländer, insbesondere China:<br />
• Anfangsregime: Standardinflation und starkes<br />
Wachstum. Die in den meisten Schwellenländern<br />
vorherrschenden Inflationsregime lassen<br />
sich ebenfalls als Standard einstufen. Hingegen<br />
haben die Liberalisierung des Unternehmergeistes<br />
und die Entwicklung des Kapitalismus<br />
vor allem in Asien zu einem Regime starken<br />
Wachstums geführt. Das Wachstum ist hier fast<br />
doppelt so hoch wie in den Industrieländern.<br />
Es liegt im Durchschnitt zwischen 4% und 5%<br />
(in Asien 6%) verglichen mit 2,5% in den <strong>USA</strong>.<br />
Das Hauptmerkmal dieser Volkswirtschaften<br />
würden wir mit Grosser Dynamik umschreiben.<br />
Ihre Inflationsregime bleiben im<br />
Durchschnitt aber nahe bei jenen der<br />
Industrieländer.<br />
• Endregime: Standardinflation und -wachstum.<br />
China ist gleichzeitig emblematisch für die<br />
Schwellenländer und auch ihre Lokomotive,<br />
insbesondere in Asien. Die chinesische<br />
Wirtschaft befindet sich in einer Übergangsphase:<br />
Das BIP-Wachstum normalisiert sich.<br />
Damit geht eine schrittweise Stabilisierung<br />
der Wachstumsregime und Standardinflation<br />
einher. Das in den letzten 15 Jahren durchschnittliche<br />
Jahreswachstum von 13% dürfte<br />
sich für das kommende Jahrzehnt bei 6%<br />
einpendeln. Wegen steigender Arbeitskosten<br />
könnte das Inflationsregime ansteigen und<br />
sich 6% annähern.<br />
Mit Innovationsschock: steigendes<br />
Wachstum in den Industrieländern<br />
Ein Innovationsschock würde die Endregime der<br />
drei Wirtschaftszonen grundlegend verändern.<br />
Für unsere Berechnungen verwendeten wir also<br />
dieselben Anfangsregime wie oben, die Endregime<br />
würden hingegen wie folgt aussehen:<br />
<strong>USA</strong>: kontrollierte Inflation und starkes Wachstum.<br />
Die Tabelle auf Seite 8 und 9 zeigt die<br />
Wirkung, die ein Innovationsschock wie<br />
Schieferöl und -gas auf das Wachstums- und<br />
Inflationsregime der US-Wirtschaft haben würde.<br />
Diese würde infolge sinkender Energiepreise und<br />
dank einer wachsamen Zentralbank zusehends<br />
den Weg zu einem Regime kräftigen Wachstums<br />
von rund 4% und einer kontrollierten Inflation<br />
von rund 2% finden.<br />
Europa: kontrollierte Inflation und starkes<br />
Wachstum. Den <strong>USA</strong> folgend würde sich das<br />
Wirtschaftswachstum auch in Europa beschleunigen<br />
und ein hohes Regime von rund 4%<br />
erreichen. Angesichts sinkender Energiepreise<br />
dürfte der inflationäre Druck schwach bleiben.<br />
Dank der Politik der Steuerung von Inflation und<br />
Anlagepreisen durch die Zentralbank dürfte das<br />
Inflationsregime nahe bei 2% verharren.<br />
Schwellenländer, insbesondere China: Standardinflation<br />
und starkes Wachstum. Infolge eines<br />
Innovationsschocks dürfte sich das Wirtschaftswachstum<br />
auch in den Schwellenländern<br />
beschleunigen. Ein Wachstumsregime von 8%<br />
scheint durchaus möglich. Der Inflationsdruck<br />
dürfte sich aus denselben Gründen wie in den<br />
Industrieländern in Grenzen halten. Unseres<br />
Erachtens dürfte die Inflation in einem Regime<br />
bleiben, das wir für die Schwellenländer als<br />
Standard bezeichnen würden, also nahe bei 4%.<br />
Unsere Berechnungen der erwarteten Erträge der<br />
Anlageklassen enthalten also die quantifizierten<br />
Wachstums- und Inflationsregime in Abhängigkeit<br />
vom Eintreten oder Ausbleiben eines Innovationsschocks,<br />
beispielsweise durch Schieferöl und -gas,<br />
die wir jetzt genauer untersuchen.<br />
Seite 7
Inflation und Wachstum: die beiden Risikofaktoren<br />
und die möglichen Szenarien<br />
AUSGANGSPUNKT<br />
NORMALWACHSTUM - 2,5<br />
CHINA*<br />
SCHWACHES WACHSTUM - 1%<br />
ohne Schock<br />
ohne Schock<br />
Abenomics<br />
ASIEN*<br />
<strong>USA</strong><br />
EUROPA<br />
JAPAN<br />
<strong>USA</strong><br />
EUROPA<br />
JAPAN<br />
4% 2% 0,5%<br />
INFLATION<br />
STANDARD-<br />
INFLATION<br />
DESINFLATION<br />
Seite 8<br />
Horizonte – Sommer 2013
%<br />
Standardisierung<br />
Steigende Arbeitskosten<br />
mit Schock<br />
mit Schock<br />
<strong>USA</strong><br />
INNOVATIONSSCHOCK-REGIME - 4%<br />
CHINA*<br />
Unsere Szenarien für<br />
Wachstums- und<br />
Inflationsregimewechsel<br />
für die<br />
drei beobachteten<br />
Wirtschaftsregionen<br />
werden in diesem<br />
Diagramm je nach<br />
Eintreten oder<br />
Ausbleiben eines<br />
Innovationsschocks<br />
zusammengefasst.<br />
Die beiden<br />
dargestellten<br />
Dimensionen zeigen<br />
einerseits den<br />
erwarteten<br />
Regimewechsel für<br />
die Inflation, unserem<br />
ersten Risikofaktor,<br />
und andererseits für das<br />
Wirtschaftswachstum,<br />
dem zweiten<br />
Risikofaktor.<br />
EUROPA<br />
*In Schwellenmärkten beträgt das wirtschaftliche Standardwachstum<br />
4%, im Innovationsschock-Regime 7%<br />
Seite 9
II. Überlegungen<br />
zu einem Innovationsschock<br />
Schieferöl und -gas:<br />
potenzieller Innovationsschock<br />
zwischen<br />
2013 und 2023<br />
Auf jeden Preisanstieg folgt eine Revolution.<br />
Der Ende 1973 von der OPEC provozierte<br />
Erdölschock führte innerhalb von drei<br />
Monaten zu einer Verdreifachung des<br />
Rohöl-Fasspreises (vgl. Zeittafel am Ende dieses<br />
Dokuments). Die direkte Folge für die<br />
nächsten zehn Jahre war ein extrem schwaches<br />
Wachstum in den Industrieländern<br />
begleitet von einer sehr hohen Inflation. Die<br />
anhaltend hohen Erdölpreise führten aber zu<br />
einer Revolution, bzw. zu einem Innovationsschock,<br />
mit indirekten Auswirkungen auf<br />
Wachstum und Inflation, die bis Ende der<br />
1980er Jahre spürbar waren.<br />
Im kommenden Jahrzehnt ist ein Innovationsschock<br />
wahrscheinlich. Er ist entscheidend für<br />
das Endregime unserer beiden Risikofaktoren.<br />
Drei Ursachen könnten einen Innovationschock<br />
auslösen.<br />
Unsere Szenarien für die beiden Risikofaktoren im<br />
Zusammenhang mit der Berechnung der erwarteten<br />
10-Jahres-Rendite der Anlagekategorien hängen vom<br />
Eintreten bzw. Ausbleiben eines Innovationsschocks<br />
ab. Unseres Erachtens gibt es drei Hauptursachen<br />
für einen Schock. 1. Technologie:<br />
Nanotechnologie, Neurowissenschaften, Biotechnologie,<br />
neue Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
und Schiefergas und -öl. 2. Regulierung:<br />
die weltweite Liberalisierung des Unternehmergeistes<br />
und die Ausbreitung der Demokratie<br />
(Bedarf an wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit<br />
und Gleichberechtigung). 3. Kognitive Veränderungen:<br />
Änderung des geldpolitischen Stils<br />
(von den Inflationszielen zu Vorgaben für das<br />
Preisniveau/die Asset-Preise) und eine neue wirtschaftliche<br />
Angebotspolitik. Nebenstehende Erörterungen<br />
konzentrieren sich in dieser ersten Ausgabe<br />
auf das Schieferöl und -gas.<br />
Angesichts des 1974 eingeläuteten neuen<br />
Erdöl-Preisregimes verbesserten sich die<br />
Ertragsperspektiven neuer Fördertechnologien<br />
markant, insbesondere für Bohrungen unter<br />
extremen Bedingungen (Prudhoe Bay in Alaska,<br />
Sowjetunion) und auf hoher See (Nordsee).<br />
Gemäss Schätzungen trug allein der Gasförderungs-<br />
und -explorationsbereich, der sich in den<br />
<strong>USA</strong> entwickelte, in der zweiten Hälfte des<br />
Jahrzehnts im Durchschnitt 0,3 Prozent zum<br />
jährlichen BIP-Wachstum bei, mit einem<br />
Höhepunkt bei 0,8 Prozent zu Ende des<br />
Jahrzehnts.<br />
Auch die Erdöl-Fasspreise von knapp 80 Dollar<br />
in den letzten Jahren lösten eine Revolution aus,<br />
die das Potenzial hat, sich schon bald zu einem<br />
Innovationsschock auszuwachsen. Dieser Schock<br />
ist das Schieferöl und -gas. Die Extraktionsverfahren<br />
wie die hydraulische Frakturierung<br />
oder Fracking (vgl. Kasten) werden wirtschaftlich<br />
tragbar und immer effizienter. Pioniere in<br />
diesem Bereich sind die <strong>USA</strong>, und ihre Ergebnisse<br />
überzeugen zusehends: Die eigentliche<br />
Revolution in Bezug auf Schieferöl und -gas geht<br />
auf das Jahr 2009 zurück, als die amerikanische<br />
Öl- und Gasförderung buchstäblich in die Höhe<br />
schnellte. Vor 2009 betrug die Fördermenge pro<br />
Quartal durchschnittlich rund 160 Millionen<br />
Fass, heute übersteigt sie 200 Millionen Fass. Fast<br />
drei Viertel dieses Anstiegs entfallen auf<br />
Seite 10<br />
Horizonte – Sommer 2013
Schieferöl. Das jährlich geförderte Erdgasvolumen<br />
ist von 18 TCF (Trillion Cubic Feet) im Jahr<br />
2008 auf über 24 TCF Ende 2012 angestiegen<br />
(vgl. Grafik Seite 12).<br />
Infolge dieser Entwicklung ist der Erdgaspreis<br />
auf ein 20-Jahres-Tief gesunken, und auch für<br />
das im Mittleren Westen der <strong>USA</strong> geförderte<br />
Erdöl der Qualität Light Sweet Crude ist im<br />
Vergleich zu den international geltenden<br />
Fasspreisen ein dauerhafter und ungewöhnlicher<br />
Abschlag zu beobachten.<br />
In den <strong>USA</strong> werden die Vorkommen an<br />
Schiefergas als enorm eingestuft, weshalb für<br />
lange Zeit mit extrem tiefen Preisen zu rechnen<br />
ist: Das amerikanische Amt für Energiestatistik<br />
(Energy Information Administration – EIA)<br />
schätzte die Schiefergasvorkommen in den <strong>USA</strong><br />
jüngst gar auf 750 TCF ein, was dem 31-Fachen<br />
der jährlichen Förderung in den <strong>USA</strong> entspricht.<br />
Gemäss EIA belaufen sich die Schiefergasreserven<br />
weltweit auf 6641 TCF. Die grössten<br />
Lagerstätten befinden sich auf dem amerikanischen<br />
Kontinent und in China. Auch in Europa,<br />
namentlich in Frankreich und Polen, gibt es<br />
grosse Vorkommen. Für das Schieferöl fallen die<br />
Prognosen für die zusätzliche Förderung auf<br />
internationaler Ebene je nach Quelle höchst<br />
unterschiedlich aus.<br />
Die Perspektiven für Erdgas halten wir für<br />
äusserst überzeugend. Bei gleicher Energieeffizienz<br />
betragen die Kosten für Erdgas heute einen<br />
Bruchteil anderer Brennstoffe wie Kohle, Benzin<br />
oder Diesel. Die Nutzungskosten von Erdgas für<br />
Automobile in den <strong>USA</strong> belaufen sich heute auf<br />
rund USD 1.50 pro Gallone, verglichen mit USD<br />
3.65 für herkömmliches Benzin bzw. USD 3.85<br />
für Diesel.<br />
In den <strong>USA</strong> und vor allem in China, wo die<br />
höchsten Schiefergasreserven vermutet werden,<br />
sind die Folgen dieser Entwicklung bereits<br />
spürbar. Die Verkäufe erdgasbetriebener Autos<br />
haben 2012 gegenüber dem Vorjahr um 48%<br />
zugenommen. Weltweit wird für 2019 mit 25<br />
Millionen erdgasbetriebenen Fahrzeugen<br />
gerechnet, verglichen mit heute 15 Millionen.<br />
Erdgas ist aber auch wegen seiner zahlreichen<br />
Kohlenwasserstoffderivate vielversprechend:<br />
Die weitverbreitete Nutzung von Flüssiggas in<br />
Frachtern, Zügen und Schwertransportern<br />
Hydraulische Frakturierung (Fracking), Verfahren<br />
zur Förderung von Schieferöl und –gas<br />
Die hydraulische Frakturierung dient der Erzeugung<br />
von Rissen im Reservoirgestein, indem Flüssigkeit<br />
eingepresst wird, die sich aus Wasser, harten<br />
Materialien (Sand oder Keramik- Mikrokügelchen)<br />
und gelegentlich aus anderen chemischen Additiven<br />
zusammensetzt. Mithilfe dieses Verfahrens<br />
lässt sich Öl und Gas aus bislang zu dichten<br />
Gesteinsschichten gewinnen. Mit dieser Methode<br />
können mit den herkömmlichen Verfahren bis<br />
dahin nicht zugängliche Kohlenwasserstoffvorkommen<br />
genutzt werden. Sie ist aber wegen<br />
Verschmutzungsrisiken im Untergrund und des<br />
Grundwassers umstritten.<br />
Seite 11
MONATLICHE ZUNAHME DER ÖL- UND GASFÖRDERUNG IN DEN <strong>USA</strong> SEIT 2001<br />
(Millionen Barrel)<br />
(Trillion Cubic Feet)<br />
210<br />
2,2<br />
190<br />
170<br />
Erdgas (rechte Skala)<br />
2,0<br />
1,8<br />
150<br />
Rohöl (linke Skala)<br />
1,6<br />
130<br />
2001 02 03 04 05 06 07 08 09 00 11<br />
1,4<br />
Quelle: US Energy Information Administration<br />
Anmerkung: Gleitender Dreimonatsdurchschnitt<br />
würde die globalen Logistikkosten weiter<br />
senken. Die Umwandlung von Erdgas in Diesel<br />
oder Kerosin mit den neuen GtL-Verfahren<br />
verhilft ihm im Vergleich zu den klassischen<br />
Brennstoffen auch zu weit attraktiveren<br />
Ertragsperspektiven: Mit diesem Verfahren<br />
hergestelltes Diesel ist beispielsweise halb so<br />
teuer wie herkömmliches Diesel. Zahlreiche<br />
weitere Branchen dürften davon profitieren,<br />
unter anderem Landwirtschaft, Bauwesen,<br />
Versorger und Bergbau.<br />
Konsequenz dieses Innovationsschocks ist<br />
potenziell ein globaler Wachstumsregimewechsel<br />
durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze,<br />
Investitionen und eine Konsumsteigerung<br />
infolge tieferer Energiekosten in zahlreichen<br />
Industriesparten. Die verfügbaren Statistiken aus<br />
den <strong>USA</strong> lassen bereits Schlüsse zu. Allein im<br />
Bereich der Gas- und Ölförderung haben die<br />
Stellen von 300 000 im Jahr 2004 auf 570 000 im<br />
Jahr 2012 zugenommen. Schätzungen gehen<br />
davon aus, dass in der Gas- und Ölförderung in<br />
den letzten zwei Jahren pro Jahr 52 000 Stellen<br />
geschaffen wurden, ein Beitrag, der allerdings<br />
noch nicht ausreicht, um die nationale Arbeitslosenrate<br />
signifikant zu senken. Vor allem in<br />
Anbetracht der Übertragungseffekte auf andere<br />
Tätigkeitsbereiche scheint eine Beschleunigung<br />
aber plausibel. 9% der gesamten Anlageinvestitionen<br />
der Unternehmen entfallen auf die<br />
Erdgas- und Ölförderung. Seit 2009 kommt 17%<br />
des Zuwachses der Anlageinvestitionen aus<br />
diesem Sektor. Weltweit investieren Unternehmen<br />
wie Royal Dutch, General Electric oder<br />
British Petroleum massiv in die Nutzung dieser<br />
Energiequelle.<br />
Die Revolution, welche die Förderung von<br />
Schiefergas und -öl und die neuen Kohlenwasserstoff-Transformationsverfahren<br />
bedeutet,<br />
könnte zum Innovationsschock von morgen<br />
werden. Dann würden sich die Hypothesen über<br />
die Folgen für die Wachstums- und Inflationsregime<br />
in den eingangs erörterten Modellen zur<br />
Berechnung der erwarteten Erträge für die<br />
Anlageklassen bewahrheiten.<br />
Seite 12<br />
Horizonte – Sommer 2013
III. Illustrierte Ergebnisse<br />
unserer Berechnungen<br />
der für<br />
die einzelnen Anlagekategorien<br />
erwarteten<br />
Erträge<br />
Wir haben für jede Anlagekategorie und jede der<br />
drei Wirtschaftsregionen die erwarteten Erträge<br />
anhand von Wachstums- und Inflationsregimen<br />
bewertet: 1. Regime ohne Innovationsschock<br />
und 2. Regime mit Innovationsschock.<br />
Unsere Berechnungen im Rahmen von Fall 1<br />
stützen sich auf die makroökonomische Analyse<br />
der oben dargestellten Anfangs- und Endregime<br />
für Wachstum und Inflation.<br />
In den Berechnungen, die neue Wachstums- und<br />
Inflationsregime einbeziehen (als Folge der<br />
laufenden Normalisierung oder eines Innovationsschocks<br />
wie Schieferöl und -gas), gingen wir von<br />
obiger Analyse aus und legten 2016 als Jahr fest,<br />
in dem sich die Regime verändern. Wir haben<br />
ferner die Folgen für die Wachstums- und<br />
Inflationsregime in allen drei Wirtschaftsregionen<br />
durchgerechnet.<br />
Für die Anlagekategorien erwartete Erträge bei Eintreten eines Innovationsschocks, bei Ausbleiben<br />
eines Innovationsschocks und im historischen Vergleich nach Jahrzehnten<br />
Prognose*<br />
Prognose*<br />
hist. Daten<br />
hist. Daten<br />
hist. Daten<br />
hist. Daten<br />
2013-2022<br />
2013-2022<br />
2010-2013<br />
2000er jahre<br />
90er jahre<br />
80er jahre<br />
(mit Innovationsschock)<br />
(ohne Innovationsschock)<br />
Private Equity 15.0 15.0 – – – –<br />
Aktien EU 10.2 6.4 9.9 0.6 16.5 22.7<br />
Aktien <strong>USA</strong> 9.2 5.7 13.3 -0.9 18.2 17.5<br />
Aktien Asien ohne Japan 9.0 6.8 9.8 6.5 – –<br />
Private Equity Immobilien 8.0 8.0 – - - -<br />
Hochzinsunternehmensanleihen<br />
<strong>USA</strong><br />
Hochzinsunternehmensanleihen<br />
EU<br />
IG-Unternehmensanleihen<br />
EU<br />
7.0 7.3 13.8 8.3 11.1 -<br />
6.9 7.0 12.9 3.0 – –<br />
3.7 3.3 6.0 5.0 – –<br />
Geldmarkt <strong>USA</strong> 3.6 3.0 0.1 2.7 4.8 8.7<br />
IG-Unternehmensanleihen<br />
<strong>USA</strong><br />
3.6 3.7 9.2 6.6 8.3 12.6<br />
Staatsanleihen <strong>USA</strong> 2.2 2.5 7.3 7.0 8.1 12.9<br />
Deutsche<br />
Bundesanleihen<br />
1.0 1.3 7.1 10.3 7.8 8.2<br />
* Durchschnittliche Nominalerträge, Coupons und Dividenden einbezogen, in Lokalwährungen<br />
Seite 13
Die Ergebnisse unserer Berechnungen der für<br />
die einzelnen Anlagekategorien erwarteten<br />
Erträge sind in der Tabelle auf Seite 13 aufgeführt.<br />
Als Vergleich zeigen wir auch die historischen<br />
Durchschnittserträge der Anlagekategorien<br />
in den Jahrzehnten seit 1980. Die<br />
aufgeführten Ergebnisse sind annualisierte<br />
Durchschnittserträge in Lokalwährung mit<br />
reinvestierten Dividenden und Coupons.<br />
Diese Ergebnisse zeigen verschiedene grundsätzliche<br />
Trends. Zunächst einmal erzielt Private<br />
Equity von allen Anlagekategorien den höchsten<br />
Ertrag, auch im Szenario ohne Innovationsschock.<br />
Diesem Mehrertrag ist aber die geringe<br />
Liquidität der Kategorie gegenüberzustellen. Im<br />
Private Equity dauert ein kompletter Anlagezyklus<br />
rund sieben Jahre.<br />
Diese Ergebnisse zeigen zudem, dass Staatsanleihen<br />
von seit 2008 als Fluchtnationen geltenden<br />
Ländern (Deutschland, <strong>USA</strong>) unabhängig vom<br />
Innovationsschock-Szenario deutlich schlechter<br />
als Aktien abschneiden dürften. Die tiefen<br />
Zinsen belasten diese Anlagekategorie. Dasselbe<br />
gilt für Unternehmensanleihen der Kategorie<br />
Investment Grade aus Industrieländern, für die<br />
sich die extrem tiefen Zinsen in den verschiedenen<br />
Ländern und die historisch niedrigen<br />
Spreads als Nachteil erweisen. Es ist also mit<br />
einer Umkehr der relativen Performance-Reihenfolge<br />
unter den Anlagekategorien, an die wir uns<br />
während des letzten Jahrzehnts gewöhnt hatten,<br />
zu rechnen. Aktien dürften unabhängig von<br />
einem etwaigen Innovationsschock erheblich<br />
mehr abwerfen als Anleihen.<br />
Diese Ergebnisse spiegeln auch mehre ansatzspezifische<br />
Elemente wider. Bei den Aktienmärkten<br />
trägt unser Modell beispielsweise der<br />
Tatsache Rechnung, dass Unternehmen in<br />
Schwellenländern im Vergleich zu jenen in<br />
Industrieländern das Wirtschaftswachstum<br />
gemäss unseren Berechnungen um rund 40%<br />
weniger effizient in Gewinnwachstum umwandeln.<br />
Die geschätzten zukünftigen Erträge<br />
werden sich natürlich in Abhängigkeit von den<br />
jüngsten Performancewerten entwickeln. So<br />
schmälert die rund 15-prozentige Hausse der<br />
internationalen Aktien zwischen November<br />
2012 und Mitte 2013 den zwischen den beiden<br />
Daten geschätzten zukünftigen Ertrag etwas. Vor<br />
einigen Monaten hätten Aktien noch die<br />
höchsten erwarteten Erträge erzielt und die<br />
illiquiden Vermögenswerte Private Equity und<br />
Private Equity Immobilien übertroffen.<br />
Wir weisen auch darauf hin, dass die Ergebnisse<br />
bei Ausbleiben eines Innovationsschocks die<br />
Normalisierung des wirtschaftlichen Umfelds<br />
voraussetzen. Dies zeigt sich in den Anfangsund<br />
Endregimen unserer beiden Risikofaktoren.<br />
Der Regimewechsel beeinflusst natürlich die<br />
zukünftigen Erträge der Anlagekategorien,<br />
indem die Ertragserwartung für riskantere<br />
Anlagen ansteigt. Die Erschütterung des<br />
Normalisierungsprozesses durch einen globalen<br />
Wirtschaftsschock, der durch ein negatives<br />
Ereignis wie einen gravierenden Credit Crunch<br />
in China ausgelöst würde, könnte den erwarteten<br />
Durchschnittsertrag der riskantesten<br />
Vermögenswerte untergraben.<br />
Wenn wir schliesslich von einem Regimewechsel<br />
infolge eines Innovationsschocks ausgehen,<br />
der das Wirtschaftswachstum dauerhaft steigern<br />
könnte, fallen die Erträge für riskante Anlagen<br />
natürlich deutlich höher aus. Ein derartiger<br />
Wachstumsregimewechsel auf dem gegenwärtigen<br />
Stand der Finanzmärkte beinhaltet eine<br />
Ertragshierarchie der Anlageklassen, die dem<br />
Grundprinzip des Portfoliomanagements<br />
entspricht: Einem höheren Risiko steht eine<br />
höhere Ertragserwartung gegenüber.<br />
Von allen liquiden und an öffentlichen Märkten<br />
kotierten Wertpapieren hätten natürlich Aktien<br />
die besten Ertragsperspektiven. Die prognostizierten<br />
Erträge für Aktien aus Industrieländern<br />
würden den historischen Durchschnitt übertreffen:<br />
knapp 10% verglichen mit den historischen<br />
7% mit einer deutlichen Outperformance<br />
gegenüber den asiatischen Schwellenmärkten<br />
ohne Japan (8%).<br />
Weitere Einzelheiten über die Methode unserer<br />
Ertragsberechnungen der Anlagekategorien und<br />
unser allgemeines Vorgehen finden Sie in<br />
unserer allgemeinen Methodenbeschreibung, ein<br />
Dokument das Sie unter http: //perspectives.<br />
pictet.com/horizon herunterladen können.<br />
Seite 14<br />
Horizonte – Sommer 2013
UMFELD DES JAHRZEHNTS WIRTSCHAFTSSCHOCK DER VERMÖGENSWERT<br />
DES JAHRZEHNTS<br />
US-Cash-Bestände<br />
Am Ende des Jom-Kippur-Kriegs von<br />
1973 zwischen Israel und einer von<br />
Ägypten und Syrien angeführten<br />
Koalition setzte die OPEC in weniger<br />
als 3 Monaten eine Verdreifachung des<br />
Rohölpreises von 3 auf 10 USD pro<br />
Fass durch.<br />
Die OPEC provoziert mit ihrem<br />
Manöver einen Erdölschock, der in den<br />
Industrieländern zu nie dagewesenen<br />
wirtschaftlichen Verhältnissen führt:<br />
Stagflation, d.h. ein extrem schwaches<br />
Wirtschaftswachstum bei gleichzeitiger<br />
Inflation von bis zu 12%.<br />
1970<br />
6,3%<br />
*<br />
Die hohen Erträge der US-Cash-<br />
Bestände ergeben sich, weil die<br />
Zinsen von 5% zu Beginn des<br />
Jahrzehnts auf 14% zehn Jahre<br />
später klettern.<br />
Die Wahl von Ronald Reagan zum<br />
US-Präsidenten läutete 1981 eine neue<br />
Haushaltspolitik mit einer Vielzahl von<br />
Steuersenkungen und eine neue, extrem<br />
restriktive Geldpolitik ein, die auf die<br />
Eindämmung der Inflation abzielte.<br />
Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik<br />
(Supply-Side Economics) von Ronald<br />
Reagan und die Geldpolitik von Paul Volcker<br />
mit Inflationsziel kurbeln das<br />
US-Wirtschaftswachstum wieder an. Im<br />
Jahresdurchschnitt steigt es erneut auf<br />
knapp 3,5% und die Inflation sinkt zu Ende<br />
des Jahrzehnts auf rund 2%. Die<br />
US-Aktienkurse ziehen wieder an, der Trend<br />
greift auch auf die europäischen Papiere<br />
über.<br />
1980<br />
Europäische Aktien<br />
22,7%<br />
*<br />
Stetig sinkende Zinsen treiben die<br />
Aktienerträge auf nie dagewesene<br />
Rekorde.<br />
Mit den Anfängen des Internets ging<br />
ab 1990 im Laufe des Jahrzehnts<br />
die Entwicklung unzähliger neuer<br />
Technologien einher. Damit wurden<br />
Innovation und Investitionen zum Motor<br />
des Wirtschaftswachstums.<br />
Dank der mit den neuen Technologien<br />
verbundenen Investitionen und Konsumausgaben<br />
legt das reale durchschnittliche<br />
Wirtschaftswachstum in den <strong>USA</strong> (über 3%)<br />
und in Europa (mehr als 2%) kräftig zu. Die<br />
geldpolitische Inflationszielsetzung erlaubt<br />
zudem eine Stabilisierung bei rund 2%.<br />
1990<br />
US-Aktien<br />
18,2%<br />
*<br />
Die Hausse an den amerikanischen<br />
und europäischen Aktienmärkten<br />
spiegelt ein sehr hohes<br />
antizipiertes Gewinnwachstum<br />
wider.<br />
Das Platzen der Internetblase im Jahr<br />
2000, die Attentate vom 11. September<br />
2001 in New York und die anschliessende<br />
Subprime-Krise von 2007-2008<br />
bedeuteten das Ende der tiefen<br />
Volatilität der Wirtschaftsvariablen<br />
(wie Inflation oder reales Wirtschaftswachstum)<br />
und den Beginn der<br />
systemischen Schuldenkrise in Europas<br />
Peripherieländern.<br />
Zwei Schocks im Laufe des Jahrzehnts:<br />
1. Platzen der US-Immobilienblase. In der<br />
Folge kommt es zu einer internationalen<br />
Krise, in deren Verlauf Lehman Brothers im<br />
September 2008 Konkurs anmeldet. 2. Die<br />
Notwendigkeit, für europäische Staaten, die<br />
sich über die Finanzmärkte nicht mehr<br />
finanzieren können, Hilfspakete zu<br />
schnüren.<br />
2000<br />
10-jährige deutsche<br />
Staatsanleihen<br />
10,3%<br />
*<br />
Geldpolitische und unkonventionelle<br />
Massnahmen treiben die<br />
Staatsanleihen auf ein gut<br />
abgestütztes Hoch.<br />
2010<br />
Aktien aus<br />
Neben dem in den <strong>USA</strong> laufenden<br />
Im Laufe des Jahrzehnts gibt es drei<br />
Kategorien potenzieller Schocks:<br />
Industrieländern<br />
Normalisierungsprozess ist für die<br />
9,6%<br />
Jahre zwischen 2013 und 2023 mit<br />
1. Technologieschocks, 2. Regulierungsschocks,<br />
3. Kognitive Erschütterungen<br />
*<br />
einem Innovationsschock zu rechnen.<br />
(vgl. Seite 10)<br />
Die Unternehmen der Industrieländer<br />
sind am besten<br />
positioniert, um das Wirtschaftswachstum<br />
in Gewinnwachstum<br />
und Wachstum ihrer Dividenden<br />
* Annualisierte Nominalrendite<br />
<br />
über 10 Jahre in Lokalwährung,<br />
zu übertragen.<br />
Seite 15<br />
Dividenden und Coupons werden reinvestiert (Prognose für die Periode von 2013 bis 2023)
Verfasser: Yves Bonzon, Christophe Donay<br />
Verantwortlicher Redakteur: Wilhelm Sissener<br />
Konzeptionelle Beratung: Marketing PWM, Kalina Moore, Production Multimedia <strong>Pictet</strong><br />
Übersetzung und Lektorat: Holger Albrecht, Juliette Blume<br />
Haftungsausschluss | Dieses Dokument ist nicht für die Verteilung an oder die Verwendung durch Personen oder Einheiten bestimmt,<br />
die die Staatsangehörigkeit oder den Wohn- oder Geschäftssitz an einem Ort, in einem Staat, Land oder Gerichtskreis haben, in dem eine<br />
solche Verteilung, Veröffentlichung, Bereitstellung oder Verwendung gegen Gesetze oder andere Bestimmungen verstösst. Die in diesem<br />
Dokument enthaltenen Daten und Angaben dienen lediglich der Information und stellen weder ein Kauf- noch ein Verkaufsangebot (oder<br />
eine Aufforderung zur Zeichnung oder zum Verkauf von Titeln oder anderen Finanzinstrumenten) dar. Die in diesem Dokument enthaltenen<br />
Informationen und Schätzungen gelten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung als zuverlässig, können aber jederzeit ohne vorherige Mitteilung<br />
geändert werden. Der Wert und die Rendite der in diesem Dokument erwähnten Titel oder Finanzinstrumente kann schwanken.<br />
Der Börsenkurs kann sich je nach Wirtschafts-, Finanz- oder politischer Lage, Restlaufzeit, Marktbedingungen, Volatilität und Bonität des<br />
Emittenten oder des Referenzemittenten ändern. Zudem können die Wechselkurse einen positiven oder einen negativen Einfluss auf den<br />
Wert, den Preis oder die Rendite eines in diesem Dokument erwähnten Titels oder Anlagevehikels haben.<br />
Die in der Vergangenheit erzielte Performance gibt keine Gewähr für deren zukünftige Entwicklung. Die Empfänger dieses Dokuments<br />
sind für ihre Anlagen allein verantwortlich. Für die zukünftige Entwicklung wird keine Garantie gegeben.<br />
Diese Publikation und dessen Inhalt können mit Quellenangabe zitiert werden. Alle Rechte bleiben vorbehalten. Copyright 2013.
www.pictet.com