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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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gerade ihr Gesetz, dass ihr aus der Verachtung wieder Leben<br />

<strong>und</strong> lebende Schönheit wächst!<br />

Mit göttlicheren Zügen steht sie nun auf <strong>und</strong> leidendverführerisch;<br />

<strong>und</strong> wahrlich! sie wird euch noch Dank sagen, dass ihr sie<br />

umstürztet, ihr Umstürzer!<br />

Diesen Rath aber rathe ich Königen <strong>und</strong> Kirchen <strong>und</strong> Allem,<br />

was alters- <strong>und</strong> tugendschwach ist — lasst euch nur umstürzen!<br />

Dass ihr wieder zum Leben kommt, <strong>und</strong> zu euch — die<br />

Tugend! —<br />

Also redete ich vor dem Feuerh<strong>und</strong>e: da unterbrach er mich<br />

mürrisch <strong>und</strong> fragte „Kirche? Was ist denn das?“<br />

Kirche? antwortete ich, das ist eine Art von Staat, <strong>und</strong> zwar<br />

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die verlogenste. Doch schweig still, du Heuchelh<strong>und</strong>! Du kennst<br />

deine Art wohl am besten schon!<br />

Gleich dir selber ist der Staat ein Heuchelh<strong>und</strong>; gleich dir redet<br />

er gern mit Rauch <strong>und</strong> Gebrülle, — dass er glauben mache,<br />

gleich dir, er rede aus dem Bauch der Dinge.<br />

Denn er will durchaus das wichtigste Thier auf <strong>Er</strong>den sein,<br />

der Staat; <strong>und</strong> man glaubt's ihm auch. —<br />

Als ich das gesagt hatte, gebärdete sich der Feuerh<strong>und</strong> wie unsinnig<br />

vor Neid. „Wie? schrie er, das wichtigste Thier auf<br />

<strong>Er</strong>den? Und man glaubt's ihm auch?“ Und so viel Dampf <strong>und</strong><br />

grässliche Stimmen kamen ihm aus dem Schl<strong>und</strong>e, dass ich<br />

<strong>meint</strong>e, er werde vor Ärger <strong>und</strong> Neid ersticken.<br />

Endlich wurde er stiller, <strong>und</strong> sein Keuchen liess nach; sobald<br />

er aber stille war, sagte ich lachend:<br />

„Du ärgerst dich, Feuerh<strong>und</strong>: also habe ich über dich Recht!<br />

Und dass ich auch noch Recht behalte, so höre von einem andern<br />

Feuerh<strong>und</strong>e: der spricht wirklich aus dem Herzen der <strong>Er</strong>de.<br />

Gold haucht sein Athem <strong>und</strong> goldigen Regen: so will's das<br />

Herz ihm. Was ist ihm Asche <strong>und</strong> Rauch <strong>und</strong> heisser Schleim<br />

noch!<br />

Lachen flattert aus ihm wie ein buntes Gewölke; abgünstig<br />

ist er deinem Gurgeln <strong>und</strong> Speien <strong>und</strong> Grimmen der Eingeweide!<br />

Das Gold aber <strong>und</strong> das Lachen — das nimmt er aus dem<br />

Herzen der <strong>Er</strong>de: denn dass du's nur weisst, — das Herz<br />

der <strong>Er</strong>de ist von Gold.“<br />

Als diess der Feuerh<strong>und</strong> vernahm, hielt er's nicht mehr aus,<br />

mir zuzuhören. Beschämt zog er seinen Schwanz ein, sagte auf<br />

eine kleinlaute Weise Wau! Wau! <strong>und</strong> kroch hinab in seine<br />

Höhle. —<br />

Also erzählte Zarathustra. Seine Jünger aber hörten ihm<br />

kaum zu: so gross war ihre Begierde, ihm von den Schiffsleuten,<br />

den Kaninchen <strong>und</strong> dem fliegenden Manne zu erzählen.<br />

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