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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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Von den Gelehrten.<br />

Als ich im Schlafe lag, da frass ein Schaf am Epheukranze<br />

meines Hauptes, — frass <strong>und</strong> sprach dazu „Zarathustra ist kein<br />

Gelehrter mehr.“<br />

Sprach's <strong>und</strong> gieng stotzig davon <strong>und</strong> stolz. Ein Kind erzählte<br />

mir's.<br />

Gerne liege ich hier, wo die Kinder spielen, an der zerbrochnen<br />

Mauer, unter Disteln <strong>und</strong> rothen Mohnblumen.<br />

Ein Gelehrter bin ich den Kindern noch <strong>und</strong> auch den Disteln<br />

<strong>und</strong> rothen Mohnblumen. Unschuldig sind sie, selbst noch in ihrer<br />

Bosheit.<br />

Aber den Schafen bin ich's nicht mehr: so will es mein <strong>Loos</strong> —<br />

gesegnet sei es!<br />

Denn diess ist die Wahrheit: ausgezogen bin ich aus dem Hause<br />

der Gelehrten: <strong>und</strong> die Thür habe ich noch hinter mir zugeworfen.<br />

Zu lange sass meine Seele hungrig an ihrem Tische; nicht,<br />

gleich ihnen, bin ich auf das <strong>Er</strong>kennen abgerichtet wie auf das<br />

Nüsseknacken.<br />

Freiheit liebe ich <strong>und</strong> die Luft über frischer <strong>Er</strong>de; lieber noch<br />

will ich auf Ochsenhäuten schlafen, als auf ihren Würden <strong>und</strong><br />

Achtbarkeiten.<br />

Ich bin zu heiss <strong>und</strong> verbrannt von eigenen Gedanken: oft will<br />

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es mir den Athem nehmen. Da muss ich in's Freie <strong>und</strong> weg aus<br />

allen verstaubten Stuben.<br />

Aber sie sitzen kühl in kühlem Schatten: sie wollen in Allem<br />

nur Zuschauer sein <strong>und</strong> hüten sich dort zu sitzen, wo die Sonne<br />

auf die Stufen brennt.<br />

Gleich Solchen, die auf der Strasse stehn <strong>und</strong> die Leute angaffen,<br />

welche vorübergehn: also warten sie auch <strong>und</strong> gaffen<br />

Gedanken an, die Andre gedacht haben.<br />

Greift man sie mit Händen, so stäuben sie um sich gleich<br />

Mehlsäcken, <strong>und</strong> unfreiwillig: aber wer erriethe wohl, dass ihr<br />

Staub vom Korne stammt <strong>und</strong> von der gelben Wonne der<br />

Sommerfelder?<br />

Geben sie sich weise, so fröstelt mich ihrer kleinen Sprüche<br />

<strong>und</strong> Wahrheiten: ein Geruch ist oft an ihrer Weisheit, als ob sie<br />

aus dem Sumpfe stamme: <strong>und</strong> wahrlich, ich hörte auch schon den<br />

Frosch aus ihr quaken!<br />

Geschickt sind sie, sie haben kluge Finger: was will meine<br />

Einfalt bei ihrer Vielfalt! Alles Fädeln <strong>und</strong> Knüpfen <strong>und</strong> Weben<br />

verstehn ihre Finger: also wirken sie die Strümpfe <strong>des</strong> Geistes!<br />

Gute Uhrwerke sind sie: nur sorge man, sie richtig aufzuziehn!<br />

Dann zeigen sie ohne Falsch die St<strong>und</strong>e an <strong>und</strong> machen<br />

einen bescheidnen Lärm dabei.<br />

Gleich Mühlwerken arbeiten sie <strong>und</strong> Stampfen: man werfe<br />

ihnen nur seine Fruchtkörner zu! — sie wissen schon, Korn klein

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